Baurecht

Nachbarklage eines Chemiebetriebs gegen Genehmigung der Nutzungsänderung von Büroräumen zu Musikproberäumen

Aktenzeichen  AN 9 K 16.00764

Datum:
23.2.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO BayBO Art. 59, Art. 68
BauGB BauGB § 30 Abs. 1
BauNVO BauNVO § 8 Abs. 2 Nr. 1, § 15 Abs. 2 Nr. 1
BImSchG BImSchG § 5 Abs. 1 Nr. 2
12. BImSchV 12. BImSchV § 1

 

Leitsatz

Eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots kann vorliegen, wenn ein Chemiebetrieb durch die Nutzungsänderung von Büroräumen zu Musikproberäumen für seinen eigenen Betrieb mit strengeren Auflagen und Anforderungen nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz oder der 12. Verordnung zur Durchführung des Bundesimmissionsschutzgesetzes – Störfall-Verordnung – rechnen müsste (hier verneint). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte oder die Beigeladene vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
1. Die mit der Klage angegriffene Baugenehmigung der Stadt … vom 10. März 2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Gemäß Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO darf die Baugenehmigung nur versagt werden, wenn das zur Genehmigung gestellte Vorhaben gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind. Der Nachbar hingegen kann die Baugenehmigung mit dem Ziel der Aufhebung nur dann erfolgreich angreifen, wenn sie rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit (auch) auf der Verletzung von Normen beruht, die nicht nur im Interesse der Allgemeinheit erlassen sind, sondern gerade dem Schutz eines von der Allgemeinheit abgrenzbaren Personenkreises, namentlich des betroffenen Nachbarn zu dienen bestimmt sind (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das ist der Fall, wenn er in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise in einem schutzwürdigen Recht betroffen ist (st. Rspr., vgl. BVerwG, U.v. 26.9.1991 – 4 C 5.87; BVerwGE 89, 69; BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017, m.w.N. – juris). Hinzu kommt, dass ein Verstoß gegen eine solche Vorschrift nur dann in Betracht kommt, wenn die Baugenehmigung hierzu auch Feststellungen trifft (vgl. BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris, Rn. 22). Dies ist davon abhängig, ob die entsprechende Vorschrift im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen war. Dementsprechend findet im gerichtlichen Verfahren keine umfassende Rechtmäßigkeitskontrolle statt. Die Prüfung ist darauf beschränkt, ob durch die angegriffene Baugenehmigung Vorschriften verletzt sind, die dem Nachbarn einen Abwehranspruch gegen das Vorhaben vermitteln, und die zum Prüfungsmaßstab der Baugenehmigung gehören.
Ein solcher Verstoß ist nicht gegeben.
1.1 Einschlägig ist im vorliegenden Fall das vereinfachte Baugenehmigungsverfahren gemäß Art. 59 BayBO, da es sich bei dem genehmigten Vorhaben um keinen Sonderbau im Sinne des Art. 2 Abs. 4 BayBO handelt. Zum Prüfungsmaßstab der Baugenehmigung zählen daher gemäß Art. 59 BayBO im Wesentlichen die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit, die Regelungen örtlicher Bauvorschriften und beantragte Abweichungen im Sinne des Art. 63 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 BayBO.
1.2 Ein Gebietserhaltungsanspruch, der grundsätzlich unabhängig von einer individuellen Betroffenheit dem Nachbarn desselben Plangebiets die Möglichkeit einräumt, das Eindringen gebietsfremder Nutzungen abzuwehren, steht der Klägerin nicht zur Seite. Gegen die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens nach der Art der baulichen Nutzung bestehen nämlich keine durchgreifenden Bedenken. Der maßgebliche Bebauungsplan Nr. … der Stadt … vom 2. Juli 1971 setzt für das Gebiet, in dem sich das klägerische Grundstück FlNr. … und das Grundstück der Beigeladenen FlNr. … befinden, ein Gewerbegebiet fest. Die Zulässigkeit nach der Art der baulichen Nutzung richtet sich dementsprechend nach § 30 Abs. 1 BauGB in Verbindung mit der Baunutzungsverordnung in der Fassung vom 26. November 1968 (BGBl. I S. 1238, ber. 1969 I S. 11; BGBl. III 213-1-2). Als nicht erheblich belästigender Gewerbebetrieb ist das streitgegenständliche Vorhaben hier gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO 1968 allgemein zulässig. Für diese Einordnung spricht aus Sicht des Gerichts insbesondere, dass laut der der Baugenehmigung zu Grunde liegenden Betriebsbeschreibung keine künstlerischen Vorführungen oder Darbietungen vor Publikum geplant und somit auch nicht genehmigt sind, sondern offensichtlich die gewerbliche Vermietung der Räume an Musiker und damit die Gewinnerzielungsabsicht für die Beigeladene im Vordergrund steht. Der Klägerin stünde indes auch dann kein Gebietserhaltungsanspruch gegen das Vorhaben zu, wenn es als Anlage für kulturelle Zwecke einzustufen wäre. Dessen Zulassung steht zwar grundsätzlich gemäß § 31 Abs. 1 BauGB im Ermessen der Behörde, die Abwehrmöglichkeiten des Nachbarn beschränken sich aber auf die Erhaltung des Gebietscharakters. Die grundsätzliche Zulassungsmöglichkeit von Ausnahmen entsprach bereits der Abwägungsentscheidung des Satzungsgebers – der Stadt … – bei Aufstellung des Bebauungsplans Nr. … Durch die allgemeine Festsetzung eines Gewerbegebiets wurde gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 BauNVO 1968 der gesamte Regelungskomplex des § 8 BauNVO 1968 Bestandteil des Bebauungsplans, also nicht nur die allgemein, sondern auch die ausnahmsweise zulässigen Nutzungen. Dementsprechend muss sich die Klägerin auf die Erteilung von Ausnahmen grundsätzlich einstellen (vgl. Ernst/Zinkahn/ Bielenberg, BauGB, EL 116, § 31, Rn. 27). Wenn der Ausnahmetatbestand erfüllt ist, dann ist auch die Zulassung im Grundsatz möglich. Eine Grenze bildet das Regel-Ausnahme-Prinzip, das im Baugebiet gewahrt bleiben muss. Auch kann ein Vorhaben im Einzelfall nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO 1968 unzulässig sein, wenn es nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widerspricht. Zu berücksichtigen ist aber, dass die Eigenart eines jeden Baugebiets nicht nur durch die allgemein zulässigen, sondern in bestimmtem Rahmen auch durch die ausnahmsweise zulassungsfähigen Anlagen bestimmt wird (vgl. BVerwG, B.v. 28.2.2008 – 4 B 60.07). Nach diesem Maßstab bestehen gegen das Vorhaben
– auch wenn man seine Einstufung als Anlage für kulturelle Zwecke unterstellt – keine Bedenken. Das Vorhaben ordnet sich sowohl nach Größe als auch nach Betriebsumfang so deutlich unter, dass durch seine Zulassung die Eigenart des Gewerbegebiets als Raum für nicht erheblich belästigende Gewerbebetriebe aller Art nicht infrage gestellt wird. Auch sind neben ihm – soweit ersichtlich – keine weiteren ausnahmsweise zulässigen Nutzungen vorhanden, sodass ein „Kippen“ des Gebietscharakters auszuschließen ist.
1.3 Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg auf das baurechtliche Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme in seiner subjektiv-rechtlichen Ausprägung berufen. Für Vorhaben im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplans gemäß § 30 Abs. 1 BauGB findet das Rücksichtnahmegebot über § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO Eingang in die Zulässigkeitsprüfung (vgl. BVerwG, U.v. 5.8.1983 – 4 C 96.79). Danach ist eine bauliche Anlage im Einzelfall unzulässig, wenn von ihr Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt wird. Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung, die die jeweiligen Umstände des Einzelfalls berücksichtigen muss, ist ausschlaggebend, was dem Rücksichtnahmeberechtigten, aber auch, was dem zur Rücksichtnahme Verpflichteten in der jeweiligen Grundstückssituation zumutbar ist. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme zugutekommt, umso mehr kann an Rücksichtnahme verlangt werden, je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht der Bauherr Rücksicht zu nehmen (vgl. BVerwG, U.v. 25.2.1977 – IV C 22.75 – juris, Rdnr. 22).
1.3.1 Was die von dem Vorhaben ausgehenden Lärmemissionen anbelangt, so können zur Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze die Wertungen und Begriffsbestimmungen des Bundesimmissionsschutzgesetzes (BImSchG) und die Richtwerte der Sechsten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum BImSchG (Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm – TA Lärm), die dessen unbestimmte Rechtsbegriffe konkretisieren (vgl. Ebd.; BayVGH, B.v. 15.11.2011 – 14 AS 11.2305 – juris, Rn. 29), herangezogen werden. Hält der Emittent die dort genannten Grenzwerte ein, bei denen davon auszugehen ist, dass sie im Grundsatz dem entsprechen, was in dem jeweiligen Gebiet entsprechend seiner Zweckbestimmung vom Durchschnittsbürger als zumutbar angesehen wird, kann demnach auch keine Verletzung des Rücksichtnahmegebots angenommen werden (vgl. BVerwG, U.v. 30.9.1983 – 4 C 74.78; BayVGH, B.v. 15.11.2011 – 14 AS 11.2305).
Hiernach bestehen gegen das genehmigte Vorhaben keine Bedenken. Die Stadt … hat den Immissionsort korrekt festgelegt und ist in nicht zu beanstandender Weise von den für das Gewerbegebiet maßgeblichen Immissionsrichtwerten von tagsüber 65 dB(A) und nachts 50 dB(A) ausgegangen. Durch das Abziehen von jeweils 6 dB(A) wurde der Vorbelastung durch die ringsum liegenden anderen Gewerbebetriebe nach Ziffer 3.2.1 Abs. 2 TA Lärm Rechnung getragen. Dementsprechend enthält Ziffer 10 der Auflagen zur Baugenehmigung die Verpflichtung, gegenüber dem klägerischen Anwesen Immissionsrichtwerte von tagsüber 59 dB(A) und nachts 44 dB(A) einzuhalten. Das Gericht ist auch – insbesondere auf Grundlage des in der mündlichen Verhandlung vorgelegten ergänzenden Schallschutzgutachtens vom 21. Februar 2017 – davon überzeugt, dass diese Werte bei regelmäßigem Betrieb des streitgegenständlichen Vorhabens realistischerweise eingehalten werden können. Das genannte Gutachten kommt zu dem – von der Klägerin nicht angegriffenen – Ergebnis, dass am Immissionsort IO 6 auf dem klägerischen Grundstück tagsüber ein Beurteilungspegel von 45 dB(A) und nachts von 43 dB(A) nicht überschritten wird. Darüber hinaus hat die Stadt … sich in Ziffer 8 der Auflagen zur Baugenehmigung für den Fall von Lärmbeschwerden den Erlass weiterer Auflagen zur Verbesserung des Lärmschutzes vorbehalten, etwa eine Betriebszeitenverkürzung auf die Tagzeit oder den Einbau von Schallschutzfenstern. Die dauerhafte Einhaltung der Lärmgrenzwerte – auch bei einer zukünftigen stärkeren Auslastung der Proberäume – erscheint daher realistisch. Eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots ist insoweit nicht gegeben.
1.3.2 Eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots lässt sich auch nicht daraus ableiten, dass die Klägerin durch die Zulassung der Musikproberäume auf dem Grundstück der Beigeladenen für ihren eigenen Betrieb mit strengeren Auflagen und Anforderungen nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz oder der zwölften Verordnung zur Durchführung des Bundesimmissionsschutzgesetzes (Störfall-Verordnung – 12. BImSchV) rechnen müsste. Zwar ist im Falle von heranrückender Wohnbebauung anerkannt, dass sich ein Gewerbebetrieb in gewissem Umfang gegen sie zur Wehr setzen kann, wenn er ihr gegenüber seinerseits zu einer solchen Rücksichtnahme verpflichtet wäre, dass hierdurch der Bestand und die Entwicklungsmöglichkeiten seines Betriebs über das zumutbare Maß eingeschränkt würden (vgl. BayVGH, B.v. 24.4.2014 – 15 ZB 13.1167; B.v. 4.8.2008 – 1 CS 07.2770 – BayVBl. 2009, 208 (209)). Hier ist schon problematisch, dass die Klägerin den Abwehranspruch gegen eine andere gewerbliche und damit im Gewerbegebiet allgemein zulässige Nutzung geltend machen will. Ob dies grundsätzlich möglich ist, bedarf aber keiner Entscheidung. Ein Verstoß gegen das Rücksichtsnahmegebot liegt jedenfalls in der Regel dann nicht vor, wenn ein neues Vorhaben für den bestehenden Betrieb keine weiteren Einschränkungen zur Folge haben wird (vgl. BayVGH, B.v. 24.4.2014 – 15 ZB 13.1167) . Hiervon ist im vorliegenden Fall auszugehen. Der klägerische Betrieb ist nach Bundesimmissionsschutzgesetz genehmigungspflichtig und unterfällt nach den Angaben des Klägervertreters und des Gutachtens des TÜV Süd Industrie Service vom 12. Dezember 2016 der Störfallverordnung. Zur Vermeidung schädlicher Umwelteinwirkungen hat die Klägerin daher grundsätzlich nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG die Pflicht, ihren Betrieb dem Stand der Technik entsprechend zu betreiben. Darüber hinaus verpflichtet sie die Störfallverordnung, die nach Art und Ausmaß der möglichen Gefahren erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, um Störfälle zu verhindern, sowie vorbeugende Maßnahmen zu ergreifen, um die Auswirkung eines Störfalls, sollte er eintreten, so gering wie möglich zu halten. Ein Mittel dieser Schadensminimierung ist die Einhaltung von Achtungs- bzw. Sicherheitsabständen zur Umgebung. So fordert Art. 13 der Richtlinie 2012/18/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 (Seveso-III Richtlinie) die Einhaltung angemessener Sicherheitsabstände zu Wohngebieten, öffentlich genutzten Gebäuden und Gebieten, Erholungsgebieten und – soweit möglich – Hauptverkehrswegen. In Deutschland werden diese Vorgaben im Wesentlichen durch das Immissionsschutzrecht (vgl. § 50 BImSchG mit einer ähnlichen Bezeichnung der Schutzobjekte) und das Bauplanungsrecht umgesetzt. In dem TÜV-Gutachten wurde auf Grundlage des Leitfadens KAS-18 ein von dem auf dem klägerischen Grundstück befindlichen Tankraum ausgehender Sicherheitsabstand von 57 m als angemessen angesehen. Das Gebäude mit den Musikproberäumen befindet sich etwa zur knappen Hälfte innerhalb dieses Radius. Allerdings handelt es sich bei den Musikproberäumen nicht um ein schutzbedürftiges Objekt, namentlich ein öffentlich genutztes Gebäude. Ein solches könnte nur angenommen werden, wenn das Gebäude selbst oder die ihm zugeordneten Flächen in besonderem Maße von einem größeren Teil der Öffentlichkeit genutzt werden könnten bzw. wenn ein allgemeiner Publikumsverkehr (wie etwa bei einem Verwaltungsgebäude) vorhanden wäre und deshalb – unter dem Gesichtspunkt des Störfallschutzes – ein erhöhtes Gefährdungspotenzial bestünde (vgl. OVG Münster, U.v. 3.9.2009 – 10 D 121/07.NE, NuR 2009, 801 (810); Landmann/Rohmer, Umweltrecht BImSchG, EL 81, § 50, Rn. 113). Davon kann bei dem streitgegenständlichen Vorhaben gerade nicht ausgegangen werden. Da laut Betriebsbeschreibung gerade keine künstlerischen Vorführungen oder Darbietungen geplant und daher auch nicht genehmigt sind, ist auch nicht mit allgemeinem Publikumsverkehr und einem freien Zugang für die Öffentlichkeit zu rechnen, sondern lediglich mit einer Benutzung durch die Musiker und Bands, die die jeweiligen Räume angemietet haben. Auch eine Nutzung als Musikschule ist (ungeachtet der Frage, ob dies eine höhere Schutzbedürftigkeit zur Folge hätte) nicht Gegenstand der Baugenehmigung. Zum anderen ist ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme zu verneinen, weil die nunmehr genehmigte Nutzung als Musikproberäume nicht sensibler und damit schutzbedürftiger ist als die bislang genehmigte. Aus den in der Bauakte befindlichen Bauplänen, die die Genehmigungsstempel der Bauordnungsbehörde der Stadt … vom 28. Oktober 1975 und vom 25. Januar 1979 tragen, geht hervor, dass in dem Gebäude nicht nur Büronutzung, sondern in einem Teil des dritten Obergeschosses und im gesamten Dachaufbau auch Wohnnutzung mit Aufenthaltsräumen zu beiden Seiten des Gebäudes genehmigt war. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass die streitgegenständliche Nutzung der Klägerin höhere Rücksichtnahmepflichten auferlegt und sie allein durch die Umnutzung mit strengeren Auflagen rechnen muss. Was die Beeinträchtigung von etwaigen zukünftigen Erweiterungsabsichten der Klägerin anbelangt, so wurden solche nicht substantiiert vorgetragen vgl. zum Substantiierungserfordernis BVerwG, B.v. 5.9.2000 – 4 B 56.00 – juris, Rn. 7; NVwZ-RR 2001, 82, m.w.N.).
Unerheblich für das hier zu prüfende Gebot der Rücksichtnahme zwischen Klägerin und Beigeladener ist die Besorgnis der Klägerin, dass sich in der Zukunft die gesetzlichen Vorgaben verschärfen und der einzuhaltende Stand der Technik erhöhen könnten.
1.3.3 Zu der von der Klägerin vorgetragenen Befürchtung, nach der Nutzungsänderung auf dem Grundstück der Beigeladenen mit höheren Brandschutzauflagen konfrontiert zu werden, gilt das zu Ziffer 1.3.2 Gesagte. Auch das von ihr erwartete unbefugte Betreten ihres Grundstücks durch Benutzer der Musikproberäume begründet keinen Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Es ist grundsätzlich Sache der Klägerin, ihr Gelände vor unbefugtem Zutritt durch Dritte zu schützen, gegebenenfalls hat sie es entsprechend einzufrieden.
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Da die Beigeladene sich durch Stellung eines Antrags gemäß § 154 Abs. 3 VwGO einem Kostenrisiko ausgesetzt hat, entspricht es der Billigkeit, dass die Klägerin nach § 162 Abs. 3 VwGO auch deren außergerichtliche Kosten zu tragen hat.
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit den §§ 708, 711 ZPO.

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen