Baurecht

Naturschutzrechtliches Vorkaufsrecht für Grundstücke an Gewässer

Aktenzeichen  W 4 K 18.80

Datum:
9.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 34028
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayNatSchG Art. 39 Abs. 3 S. 1
BayVwVfG Art. 28, Art. 39

 

Leitsatz

1. Wird die Ausübung des naturschutzrechtlichen Vorkaufsrechtes mit Belangen des Naturschutzes oder der Landschaftspflege oder dem Bedürfnis der Allgemeinheit nach Naturgenuss und Erholung in der freien Natur begründet, können mit Blick auf die relativ kurze Ausübungsfrist von zwei Monaten keine fertigen Konzepte oder Pläne gefordert werden.(Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Nach ständiger Rechtsprechung ist es eine allgemeine Erfahrungstatsache, dass Grundstücke im Eigentum der öffentlichen Hand die Verwirklichung der Ziele von Naturschutz- und Landschaftspflege typischerweise besser und sicherer gewährleisten als Grundstücke in der Hand von Privatpersonen (BayVGH BeckRS 2016, 47034).(Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der Bescheid des Landratsamts B. K. vom 7. Dezember 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Der Bescheid ist formell rechtmäßig.
Der Beklagte, vertreten durch das Landratsamt B. K., war für die Ausübung des Vorkaufsrechts zugunsten des Beigeladenen zu 2) zuständig, vgl. Art. 39 Abs. 3 Satz 1 BayNatSchG.
Vorliegend liegt auch eine ordnungsgemäße Anhörung gemäß Art. 28 BayVwVfG vor. Diese Regelung sieht dabei keine besondere Form vor, eine Anhörung kann somit sogar mündlich erfolgen (vgl. Kallerhoff/Mayen in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Auflage 2018, § 28 VwVfG Rn. 44 f.). Ausreichend ist mit Blick auf Sinn und Zweck der Vorschrift vielmehr, dass der Kläger Gelegenheit hatte, sich zu dem seitens der Behörde geplanten Verwaltungsakt zu äußern. Diese Möglichkeit war dem Kläger im vorliegenden Fall jedoch zweifelsfrei gegeben. Wie er im Rahmen der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, wurde er von einem Mitarbeiter des Landratsamts im Rahmen einer Ortseinsicht vor Ort angetroffen und eindeutig auf die geplante Ausübung des Vorkaufsrechts hingewiesen. Im Rahmen dessen wurde der Kläger gebeten, seine Argumente, die der Ausübung des Vorkaufsrechts entgegenstehen könnten, dem Landratsamt schriftlich mitzuteilen. Diese haben dementsprechend auch Eingang in den angefochtenen Bescheid gefunden (vgl. S. 2 u. 3 des angefochtenen Bescheides in Kursivschrift). Dass diese Angaben vom Kläger stammen, hat dieser im Rahmen der mündlichen Verhandlung ebenfalls bestätigt. Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen Art. 28 BayVwVfG sind unter Berücksichtigung dessen für das Gericht nicht erkennbar.
Des Weiteren wurde die zweimonatige Ausübungsfrist gemäß Art. 39 Abs. 7 BayNatSchG i.V.m. § 469 Abs. 2 Satz 1 BGB eingehalten. Ausweislich des Posteingangsstempels ging der notarielle Kaufvertrag zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1) dem Landratsamt am 12. Oktober 2017 zu. Der vorliegende Bescheid vom 7. Dezember 2017 wurde der Beigeladenen zu 1) ausweislich der Postzustellungsurkunde am 9. Dezember 2017 zugestellt.
Zudem wurde der Bescheid auch schriftlich begründet und entspricht damit der Formvorschrift des Art. 39 BayVwVfG. Der Einwand des Klägers, die Begründung sei im Einzelnen nicht richtig, ist jedoch keine Frage der formellen Rechtmäßigkeit, sondern allein eine Frage der materiellen Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids (vgl. hierzu nur Stelkens in ders./Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Auflage 2018, § 39 VwVfG Rn. 30), auf die im Folgenden eingegangen wird.
2. Der Bescheid ist auch materiell rechtmäßig.
2.1. Rechtsgrundlage für die Ausübung des naturschutzrechtlichen Vorkaufsrechts ist Art. 39 Abs. 1 Nr. 1 BayNatSchG. Nach dieser Vorschrift stehen dem Freistaat Bayern sowie den Bezirken, Landkreisen, Gemeinden und Kommunalen Zweckverbänden Vorkaufsrechte bei Verkauf von Grundstücken zu, auf denen sich oberirdische Gewässer einschließlich von Verlandungsflächen, ausgenommen Be- und Entwässerungsgräben befinden, oder die daran angrenzen. Ein oberirdisches Gewässer ist dabei das ständig oder zeitweilig in Betten fließende oder stehende oder aus Quellen wild abfließende Wasser (vgl. § 3 Nr. 1 WHG). Die vorliegend streitgegenständlichen Grundstücke liegen allesamt am Lautsbach, einem Gewässer dritter Ordnung. Dies gilt insbesondere für das Grundstück der Fl.Nr. …, wie aus den im Rahmen der mündlichen Verhandlung vorgelegten Karten nunmehr zweifelsfrei deutlich wird. Auch die Klägerseite hat dies in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Mit Blick auf die Gewässerdefinition des § 3 Nr. 1 WHG unterfällt zudem das Grundstück mit der Fl.Nr. …, auf dem der Lautsbach teilweise trocken liegt, dem Anwendungsbereich des Art. 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayNatSchG. Auch diesbezüglich wurden seitens des Klägers keine Einwände erhoben.
2.2. Der Vorkaufsfall ist durch den notariellen Kaufvertrag zwischen Kläger und Beigeladener zu 1) vom 2. Oktober 2017 eingetreten. Zweifel hinsichtlich der Wirksamkeit des notariellen Kaufvertrages sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Auch für einen Ausschluss des Vorkaufsrechts nach Art. 39 Abs. 9 BayNatSchG oder für sonstige Ausschlussgründe sind keine Anhaltspunkte erkennbar.
2.3. Nach Art. 39 Abs. 2 BayNatSchG darf das Vorkaufsrecht zu dem nur dann ausgeübt werden, wenn dies gegenwärtig oder zukünftig die Belange des Naturschutzes oder der Landschaftspflege oder das Bedürfnis der Allgemeinheit nach Naturgenuss und Erholung in der freien Natur rechtfertigen.
Das Landratsamt hat den streitgegenständlichen Bescheid insofern damit begründet, dass das Gewässer und dessen Uferbereich ökologisch und wasserwirtschaftlich aufgewertet werden sollen. Hierzu sollen Uferbefestigungen der vorhandenen Teiche zurückgebaut werden, die Fischerei gegebenenfalls eingestellt werden, das Bachbett durch entsprechende Initialmaßnahmen gegebenenfalls verlagert werden und durch die Entfernung von Nadelgehölzen auf den streitgegenständlichen Grundstücken eine weitere Versauerung des Gewässers verhindert und eine Entwicklung hin zum Auwald angestoßen werden.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 39 Abs. 2 BayNatSchG sind damit unter Berücksichtigung der Ergebnisse der mündlichen Verhandlung zur Überzeugung des Gerichts erfüllt. Das Landratsamt hat insoweit die maßgeblichen Belange des Naturschutzes im Bescheid auf der Grundlage der Ausführungen des Wasserwirtschaftsamts B. K. ausführlich und plausibel dargestellt. Insoweit macht sich das Gericht die Ausführungen des angefochtenen Bescheids zu eigen (§ 117 Abs. 5 VwGO) und führt insoweit nur ergänzend aus:
Der Einwand des Klägers, das Landratsamt habe zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses noch kein schlüssiges Konzept vorgelegt, geht schon deswegen fehl, weil mit Blick auf die relativ kurze Ausübungsfrist von zwei Monaten keine fertigen Konzepte oder Pläne gefordert werden können und damit auch nicht erforderlich sind. Es genügt vielmehr, die Vorstellung der Behörde in ihren etwa auch für mehrere Grundstücke geltenden generellen Zügen anzugeben, in dem Umfang und mit der Präzision, wie es in einer zweimonatigen Überlegungsfrist möglich ist. Dementsprechend reicht es aus, dass der Naturzustand auf den Flächen verbessert werden kann, auch wenn die Vorstellungen über die Verbesserungen noch nicht in einer Planung konkretisiert sind, sondern zunächst nur Möglichkeiten der Biotopverbesserung beispielhaft erwogen werden (vgl. hierzu BayVGH, U.v. 22.5.1995 – 9 B 92.1183 – NuR 1995, S. 554; aus der Literatur vgl. etwa Fischer-Hüftle in ders./Egner/Meßerschmidt/Mühlbauer, Naturschutzrecht in Bayern, Stand: März 2019, Art. 39 BayNatSchG Rn. 19a).
Unerheblich ist demzufolge der Einwand des Klägers, sein Konzept sei dem des Landratsamts überlegen, was mit Blick auf die geplante Bewirtschaftung der Fischteiche einerseits und dem Artenschutz andererseits allerdings fraglich erscheint. Unabhängig davon ist es jedoch nach ständiger Rechtsprechung eine allgemeine Erfahrungstatsache, dass Grundstücke im Eigentum der öffentlichen Hand die Verwirklichung der Ziele von Naturschutz- und Landschaftspflege typischerweise besser und sicherer gewährleisten als Grundstücke in der Hand von Privatpersonen, deren privatnützige Interessen leicht in Konflikt mit den Anforderungen von Naturschutz und Landschaftspflege geraten können (vgl. hierzu BayVGH, U.v. 3.5.2016 – 14 B 15.206 – juris Rn. 54; Fischer-Hüftle in ders./Egner/Meßerschmidt/Mühlbauer, Naturschutzrecht in Bayern, Stand: März 2019, Art. 39 BayNatSchG Rn. 21).
Im Hinblick darauf, dass zu den geplanten Maßnahmen zur Verbesserung der wasserwirtschaftlichen Aufwertung des Lautsbach unter anderem eine Verlagerung des Bachbettes, die Entfernung von Nadelgehölzen zur Vermeidung einer weiteren Versauerung des Gewässers und die Entwicklung hin zu einem Auwald zählen, ist auch die Erstreckung des Vorkaufsrechts auf die im Streit stehenden Grundstücke in Gänze rechtlich nicht zu beanstanden.
2.4. Im Übrigen hat das Landratsamt rechtsfehlerfrei (vgl. § 114 VwGO) von der Ermessensausübung Gebrauch gemacht. Das Landratsamt hat die öffentlichen Interessen am Erwerb für die ökologische Aufwertung nutzbarer Grundstücke einerseits und das Interesse der Kaufvertragsparteien andererseits gegenübergestellt und ohne Ermessensfehler vorliegend dem öffentlichen Interesse den Vorrang eingeräumt. Insoweit wird auf die Ausführungen des streitgegenständlichen Bescheids Bezug genommen, die sich das Gericht ebenfalls zu eigen macht (§ 117 Abs. 5 VwGO).
2.5. Schließlich ist nicht erkennbar, dass das Landratsamt vorliegend rechtsmissbräuchlich gehandelt hätte. Dass seitens des Landratsamts zunächst möglicherweise unterschiedliche Angaben zu den geplanten Maßnahmen angegeben wurden, ist im Hinblick auf die nur relativ kurze Frist zur Ausübung des Vorkaufsrechts sowie dem Umstand, dass bis dahin noch kein abschließendes Konzept vorliegen muss (vgl. oben unter 2.3.), sondern ein solches Konzept erst nach und nach entwickelt, konkretisiert und finalisiert wird, nachvollziehbar und in keiner Weise rechtsmissbräuchlich.
Dass das Landratsamt in der Vergangenheit eventuell die Möglichkeit gehabt hätte, von der Beigeladenen zu 1) hier streitgegenständliche Grundstücke zu erwerben und dies seinerzeit nicht getan hat (so jedenfalls die schriftsätzliche Einlassung des Klägers, vgl. Schreiben des Klägervaters vom 26.06.2018 als Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 18.02.2018), vermag ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Landratsamts ebenfalls nicht zu begründen. Denn das Landratsamt mag unterschiedliche, sachliche Gründe gehabt haben für sein damaliges Verhalten, sollte dies tatsächlich so gewesen sein. Der diesbezügliche Einwand wurde seitens des Klägers jedenfalls in der mündlichen Verhandlung nicht weiter vertieft. Einen Verzicht auf die Ausübung des Vorkaufsrechts bzw. eine entsprechende Zusicherung hat jedenfalls weder der Beigeladene zu 2) noch das Landratsamt zu irgendeiner Zeit erklärt.
Der Bescheid ist nach dem Ausgeführten formell und materiell rechtmäßig. Die Klage war demnach als unbegründet abzuweisen.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Da die Beigeladenen keinen eigenen Sachantrag gestellt haben und sich damit auch keinem Kostenrisiko ausgesetzt haben (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO), entspricht es vorliegend der Billigkeit, wenn die Beigeladenen ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen (vgl. § 162 Abs. 3 VwGO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 ff. ZPO.


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