Baurecht

Naturschutzrechtliches Vorkaufsrecht, Rechtfertigung der Vorkaufsrechtsausübung, Innerer Zusammenhang zwischen Vorkaufsfläche und angrenzendem Gewässerabschnitt, Verwirklichung der Rechtfertigungsgründe unmittelbar auf der Vorkaufsfläche, Teilausübung, Ermessenserwägungen

Aktenzeichen  B 2 K 18.1161

Datum:
10.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BayVBl – 2022, 131
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayNatSchG Art. 39
BGB § 469 Abs. 2 S. 1
BayNatSchG Art. 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
BayNatSchG Art. 39 Abs. 2
BayNatSchG Art. 39 Abs. 1 S. 3

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Bescheid des Landratsamts … vom 22.10.2018 wird aufgehoben.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
4. Die Berufung wird zugelassen.

Gründe

Da alle Beteiligten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet haben, konnte das Gericht ohne selbige entscheiden, § 101 Abs. 2 VwGO.
Die zulässige Anfechtungsklage ist begründet. Der Bescheid vom 22.10.2018 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO, weil der Vorkaufsrechtsausübung die Rechtfertigung i.S.d. Art. 39 Abs. 2 des Bayerischen Naturschutzgesetzes (BayNatSchG) fehlt (1.) und sie im Übrigen auch ermessensfehlerhaft erfolgt ist (2.). Die übrigen von den Parteien thematisierten Punkte begründen hingegen nicht die Stattgabe der Klage; so ist der Bescheid auf eine verfassungskonforme Rechtsgrundlage gestützt (3.), formell rechtmäßig (4.) und das Gros der formellen und materiellen Voraussetzungen für die Vorkaufsrechtsausübung nach Art. 39 BayNatSchG liegt vor (5.).
1. Der Ausübung des Vorkaufsrechts für das streitgegenständliche Grundstück fehlt die gemäß Art. 39 Abs. 2 BayNatSchG erforderliche Rechtfertigung.
Nach Art. 39 Abs. 2 BayNatSchG darf das Vorkaufsrecht nur ausgeübt werden, wenn dies gegenwärtig oder zukünftig die Belange des Naturschutzes oder der Landschaftspflege oder das Bedürfnis der Allgemeinheit nach Naturgenuss und Erholung in der freien Natur rechtfertigen. Das tatbestandliche Vorliegen der Rechtfertigungsgründe für die Ausübung des Vorkaufsrechts unterliegt der vollen gerichtlichen Überprüfung. Anders als eine Enteignung, die nur zulässig ist, wenn das Wohl der Allgemeinheit sie erfordert und der Enteignungszweck auf andere zumutbare Weise nicht erreichbar ist, kann die Ausübung des Vorkaufsrechts schon dann gerechtfertigt sein, wenn der Erwerb eines Grundstücks vorteilhafte Auswirkungen auf die in Art. 39 Abs. 2 BayNatSchG genannten Belange hat. Als Rechtfertigungsgründe sind nicht nur die von der Behörde innerhalb der Frist von zwei Monaten benannten, sondern auch die im weiteren Verfahren vorgetragenen bzw. sich herausstellenden Gründe heranzuziehen. Da maßgebend für die Rechtswirksamkeit und Rechtmäßigkeit der Ausübung der Zeitpunkt des Entstehens des Vorkaufsrechts mit Abschluss eines wirksamen Kaufvertrags ist, ist allerdings Voraussetzung, dass diese Rechtfertigungsgründe nicht erst nach diesem Zeitpunkt entstanden sind. Bei Aufwertungskonstellationen muss das objektive Aufwertungspotential zum Zeitpunkt des Entstehens des Vorkaufsrechts gegeben sein, zugehörige Aufwertungsvorstellungen spätestens im Zeitpunkt des Bescheiderlasses. Diese Unterscheidung ist gerechtfertigt, weil das objektive Aufwertungspotential grundstücksbezogene Umstände betrifft, die auch für die Kaufvertragsparteien zum Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses feststellbar sind. Dagegen ist es gerechtfertigt, für die zugehörigen Aufwertungsvorstellungen auf den Zeitpunkt der Vorkaufsrechtsausübung abzustellen, weil sich diese Vorstellungen, die erst zu einem konkreten Belang im Sinne des Art. 39 Abs. 2 BayNatSchG führen, in aller Regel erst nach Kenntnis des Vorkaufsrechts innerhalb der Zweimonatsfrist nach Art. 39 Abs. 7 BayNatSchG, § 469 Abs. 2 S. 1 BGB bilden können, was das Gesetz gestattet, auch wenn dies für die Kaufvertragsparteien nicht schon von vorneherein erkennbar ist (zum Ganzen: BayVGH, Urt.v. 01.10.2019 – 14 BV 17.419 – juris Rn. 35 m.w.N.). Die zur Rechtfertigung der Vorkaufsrechtsausübung von der Behörde angeführten Aufwertungs- bzw. Nutzungsvorstellungen müssen dabei noch nicht in einer entsprechenden Planung konkretisiert sein (vgl. ebd. Rn. 34).
Gemessen an diesen Maßstäben rechtfertigen die vom Beklagten angeführten Gründe nicht die Ausübung des Vorkaufsrechts.
Im Einzelnen:
a) Soweit der Beklagte vorbringt, dass der ökologische Zustand der Wilden … nach dem vorläufigen, auf der EU-Wasserrahmenrichtlinie beruhenden Zustandsbericht mit „mäßig“ eingestuft sei, weshalb sich in Zusammenhang mit dem Naturparkzentrum die Möglichkeit biete, ökologische Aufwertungsmaßnahmen am Gewässer durchzuführen, rechtfertigen diese die Vorkaufsrechtsausübung nicht. Die ökologische Aufwertung eines Gewässers kann zwar ein Rechtfertigungsgrund i.S.d. Art. 39 Abs. 2 BayNatSchG sein, namentlich künftigen Belangen des Naturschutzes dienen (vgl. BayVGH, B.v. 15.11.2001 – 9 ZB 01.1937 – juris Rn. 6). Aber dieser kann vorliegend keine Berücksichtigung finden, weil weder vorgetragen noch ersichtlich ist, dass die Aufwertungsvorstellungen bereits bei der Vorkaufsrechtsausübung bestanden haben, wie es nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs erforderlich ist (s.o.). Vielmehr hat der Beklagte die ökologische Aufwertung ausschließlich im Schriftsatz vom 09.09.2020 erwähnt. Auch in den Behördenakten finden sich keine Hinweise darauf. Im Übrigen würde die ökologische Aufwertung des Gewässers auch nicht die Vorkaufsrechtsausübung bezüglich der gesamten Vorkaufsfläche, sondern allenfalls eines kleinen Uferbereichs rechtfertigen können. Dies ergibt sich u.a. daraus, dass sich das ca. 6.420 qm große streitgegenständliche Grundstück bis zu ca. 120 m von der Wilden … weg erstreckt, dabei teils steil ansteigt und die auf dem Grundstück vorhandene Bebauung weitgehend erhalten bleiben soll, um dort ein Naturparkzentrum zu betreiben.
b) Soweit der Beklagte die Vorkaufsrechtsausübung damit begründet, dass auf dem streitgegenständlichen Grundstück ein Naturparkzentrum errichtet werden soll und dieses vorteilhafte Auswirkungen auf das Bedürfnis der Allgemeinheit nach Naturgenuss und Erholung in der freien Natur habe, rechtfertigt dies die Vorkaufsrechtsausübung ebenfalls nicht. Zwar kann ein Vorkaufsrecht nach Art. 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BayNatSchG nicht nur mit Gründen des Naturschutzes und der Landschaftspflege gerechtfertigt werden, wie es typischerweise bei ökologischen Aufwertungskonstellationen vorliegt (s.o. Buchst. a)), sondern auch mit einem Bedürfnis der Allgemeinheit nach Naturgenuss und Erholung in der freien Natur (vgl. BayVGH, B.v. 24.01.2001 – 9 ZB 99.241 – juris Rn. 6). Auch liegt ein überzeugendes, attraktives Nutzungskonzept für das Naturparkzentrum vor. Dieses rechtfertigt aber dennoch nicht die Vorkaufsrechtsausübung:
aa) Nach Auffassung des Gerichts bedarf die Rechtfertigung eines klaren inneren Zusammenhangs zum konkreten Gewässerabschnitt, der die Vorkaufsrechtsausübung gemäß Art. 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BayNatSchG ermöglicht, d.h. hier, dass das Bedürfnis der Allgemeinheit nach Naturgenuss und Erholung in der freien Natur einen klaren inneren Bezug zum angrenzenden Gewässerabschnitt haben muss. Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall.
Das Erfordernis eines solchen inneren Zusammenhangs in Fällen des Art. 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BayNatSchG ergibt sich zwar weder aus dem Gesetzeswortlaut noch den Gesetzesmaterialen, die insoweit neutral sind, aber vor allem aus folgenden teleologischen, systematischen und verfassungsrechtlichen Gründen: Erstens sind Grundstücke, auf denen sich Gewässer befinden oder die daran angrenzen, einerseits wegen der ökologischen Funktion der Gewässer und deren Wechselbeziehung zu den angrenzenden Landflächen, andererseits in dem Bestreben, freien Zugang zu diesen Teilen der Natur zu gewährleisten, vom Vorkaufsrecht erfasst (vgl. Fischer-Hüftle/Egner, BayNatSchG, Stand März 2019, Art. 39 Rn. 6). Ausgehend von diesem Normzweck muss das Gewässer mit dem angrenzenden Grundstück in enger Beziehung stehen. Zweitens wird dies auch an Art. 39 Abs. 1 S. 3 BayNatSchG deutlich. Er bestimmt nämlich für den Fall, dass die Merkmale des Art. 39 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1 bis 3 BayNatSchG – hier also das Angrenzen an ein Gewässer – nur bei einem Teil des Grundstücks vorliegen, dass sich das Vorkaufsrecht nur auf diese Teilfläche erstreckt. Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist bei an oberirdischen Gewässern angrenzenden Grundstücken das Vorkaufsrecht zwar grundsätzlich nicht auf einen auf den Uferstreifen entfallenden Teil des Grundstücks beschränkt, sondern kann sich trotz Art. 39 Abs. 1 S. 3 BayNatSchG auf das gesamte Grundstück erstrecken. Bis zu welcher Größe bzw. Tiefe die an das Gewässer angrenzenden Landbereiche dem Vorkaufsrecht unterliegen, beurteilt sich aber im Einzelfall nach Art. 39 Abs. 2 BayNatSchG, also nach der ökologischen Verflechtung von Gewässer- und Uferbereich mit den weiteren Landflächen, und damit letztlich nach den Belangen, mit denen das Vorkaufsrecht gerechtfertigt wird (BayVGH, B.v. 24.07.2018 – 14 ZB 17.2275 – juris Rn. 6; U.v. 01.10.2019 – 14 BV 17.419 – juris Rn. 31). Somit fordert Art. 39 Abs. 1 S. 3 BayNatSchG zwar nicht im Rahmen der Prüfung des Art. 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BayNatSchG einen klaren inneren Bezug zum Gewässer, aber im Rahmen der Rechtfertigungsprüfung nach Art. 39 Abs. 2 BayNatSchG. Die extensive Auslegung des Art. 39 Abs. 1 BayNatSchG bedingt zwangsläufig eine restriktive Auslegung des Art. 39 Abs. 2 BayNatSchG. Drittens bedarf es eines solchen inneren Zusammenhangs auch, um das Vorkaufsrecht nicht ausufern zu lassen. Andernfalls würden nahezu alle auf oder an Gewässern gelegenen Grundstücke vom Vorkaufsrecht erfasst. Zwar handelt es sich beim Vorkaufsrecht nicht um eine Enteignung, sondern um eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentumsgrundrechts aus Art. 14 GG, weshalb seine Eingriffsintensität geringer ist. Die Vorkaufsrechtsausübung greift aber in die von Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Privatautonomie des Verkäufers und der Käufer ein (vgl. BayVGH, U.v. 09.07.2020 – 14 B 19.96 – juris Rn. 30). Deshalb würde es – bedenkt man die große Zahl an Gewässern in Bayern und der daran angrenzenden Grundstücke – zu weit gehen, nahezu alle diese Grundstücke mit einem Vorkaufsrecht zu belasten. Die vom Gesetzgeber mit dem Vorkaufsrecht verfolgten Ziele würden diesen zumindest quantitativ weitreichenden Eingriff schwerlich rechtfertigen. Aufgrund der Vielzahl an potentiellen Vorkaufsfällen würde die häufige Unsicherheit über die Vorkaufsrechtsausübung im Einzelfall, die damit verbundene „Einpreisung“ im Verkaufsfall und mithin der potentielle Eingriff in die Privatautonomie der Kaufvertragsparteien außer Verhältnis zum Gesetzeszweck stehen.
Dies zu Grunde legend besteht vorliegend kein derartiger innerer Zusammenhang zwischen dem streitgegenständlichen Grundstück und dem daran angrenzenden Flussabschnitt der Wilden … Insbesondere mit Blick auf die Lage des streitgegenständlichen Grundstücks im Herzen des …, dessen gute Anbindung durch die B … und die vielen vorbeiführenden Wanderwege ist gut nachvollziehbar, dass es sich für den Beklagten und den Beigeladenen zu 2 um einen „idealen Standort“ für ein Naturparkzentrum handelt. Alle in diesem Kontext vorgebrachten Aspekte haben aber nicht den erforderlichen inneren Bezug zum angrenzenden Gewässerabschnitt. Dies gilt namentlich auch für den Umstand, dass die Flößerei einen thematischen Schwerpunkt des Naturparkzentrums bilden soll. Die Wilde … ist nämlich im Bereich des streitgegenständlichen Grundstücks offensichtlich weder flößbar noch zum Transport von Holz als typischem Flößergut geeignet. Insbesondere Breite und Tiefe des Gewässers reichen im Bereich des streitgegenständlichen Grundstücks hierfür nicht aus, wovon sich das Gericht im Augenscheinstermin am 07.09.2020 zweifelsfrei überzeugen konnte. Vor einigen Jahren wurde die Wilde … nämlich in diesem Bereich renaturiert (vgl. Bl. 22 BA im Verfahren B 10 K 18.1160). Floßfahrten sind erst ab der Floßlände … mehr als zwei Kilometer flussabwärts möglich. Auch der Vortrag, dass ökologische Aufwertungsmaßnahmen im Rahmen des Naturparkzentrums erlebbar gemacht werden sollen, vermittelt nicht den erforderlichen inneren Bezug, da er für das Naturparkzentrum nur von untergeordneter Bedeutung ist und im Konzept des Beigeladenen zu 2 bisher keinen Niederschlag gefunden hat (vgl. Bl. 38 ff. BA). Dieser Vortrag erfolgte zudem erst mit Schriftsatz vom 09.09.2020 und damit nach Bescheiderlass (s.o. Buchst. a)).
bb) Im Übrigen muss nach Ansicht des Gerichts der Rechtfertigungsgrund zumindest in Fällen des Art. 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BayNatSchG unmittelbar auf der Vorkaufsfläche (z.B. zwecks ökologischer Aufwertung) oder allenfalls in engem räumlichen Zusammenhang damit (z.B. zwecks Schaffung eines Seezugangs) verwirklicht werden. Eine bloße lockere mittelbare Förderung des Bedürfnisses nach Naturgenuss und Erholung in der freien Natur durch die Vorkaufsfläche, wie es vorliegend geplant ist, genügt aus den unter Buchstabe aa) genannten Gründen nicht. Dafür, dass der Naturgenuss und die Erholung in der freien Natur auf der Vorkaufsfläche selbst oder allenfalls in unmittelbarer Nachbarschaft beabsichtigt sein müssen, spricht zudem die Gesetzesbegründung, wonach beispielhaft der Ankauf von Grundstücken zur späteren Anlegung eines Erholungsgebiets genannt ist (LT-Drs. 7/3007, S. 33), und auch der Gesetzeswortlaut „Bedürfnis der Allgemeinheit nach Naturgenuss und Erholung in der freien Natur“. Selbst wenn man nicht der in der Rechtsprechung vertretenen Ansicht folgen wollte, dass die Vorkaufsfläche zur „freien Natur“ i.S.d. Art. 26 ff. BayNatSchG bzw. Art. 141 Abs. 3 S. 1 der Bayerischen Verfassung (BV) gehören muss (so VG München, U.v. 23.10.2019 – M 19 K 18.343 – juris Rn. 55 f.; a.A. Fischer-Hüftle/Egner, BayNatSchG, Stand März 2019, Art. 39 Rn. 5), so ist wenigstens zu fordern, dass die Vorkaufsfläche im Wesentlichen unbebaut ist oder nach dem Erwerb durch Rückbau in einen naturnahen Zustand versetzt wird, damit darauf oder in unmittelbarer Nähe der Naturgenuss und die Erholung in der freien Natur erfolgen können.
Im hier zu entscheidenden Fall soll das bebaute Grundstück jedoch nicht rückgebaut, mithin nicht in einen naturnahen Zustand versetzt werden. Der Naturgenuss und die Erholung in der freien Natur sollen vielmehr erst in der umliegenden Region erfolgen. Das streitgegenständliche Grundstück selbst soll diese Rechtfertigungsgründe nur mittelbar fördern – u.a. indem das dort geplante Naturparkzentrum Verköstigung bietet, über Naturthemen informiert und den Park-Rangern als Ausgangspunkt für Touren dient. Dieser lockere mittelbare Bezug genügt nach den obigen Ausführungen nicht.
c) Soweit der Beklagte die Ausübung des Vorkaufsrechts darauf stützt, dass mehrere Wanderwege über das streitgegenständliche Grundstück verlaufen würden und die Gefahr bestünde, dass die Kläger die Nutzung unterbinden würden, rechtfertigt auch dies nicht die Ausübung des Vorkaufsrechts für das streitgegenständliche Grundstück.
Wie bereits oben unter Buchstabe b) ausgeführt, ist zwar auch in Fällen des Art. 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BayNatSchG das Bedürfnis nach Naturgenuss und Erholung in der freien Natur ein tauglicher Rechtfertigungsgrund. Wanderwege dienen auch der Befriedigung dieses Bedürfnisses. Die Rechtfertigung erfordert aber einen klaren inneren Bezug der Vorkaufsfläche zum angrenzenden Gewässerabschnitt, der vorliegend fehlt. Auch der „…“ mit seinem thematischen Bezug zur Flößerei vermag diesen erforderlichen Bezug nicht herzustellen, weil der dortige Flussabschnitt der Wilden … nicht flößbar ist (s.o.).
Im Übrigen würden die Wanderwege, selbst wenn man von einem ausreichenden inneren Bezug ausgehen würde, nicht die Ausübung des Vorkaufsrechts für das gesamte streitgegenständliche Grundstück rechtfertigen. Wenngleich die rechtmäßige Ausübung des Vorkaufsrechts nicht davon abhängig ist, dass der verfolgte Zweck nicht auf andere Weise erreicht werden kann, mithin nicht, wie die Kläger meinen, eine dingliche Sicherung der Wanderwege o.ä. als weniger einschneidendes Mittel einer Vorkaufsrechtsausübung vorgehen würde (vgl. Fischer-Hüftle/Egner, BayNatSchG, Stand März 2019, Art. 39 Rn. 18, 21 m.w.N.). So verlaufen die Wanderwege doch, wie sich das Gericht anhand der Aktenlage und im Rahmen des Augenscheintermins überzeugen konnte, nur über eine kleine Teilfläche des 6.420 qm großen streitgegenständlichen Grundstücks. Der das Grundstück von Südwest nach Nordost durschneidende Fahrweg, auf dem das Gros der Wanderwege liegt, ist nicht Teil des Grundstücks, sondern ein eigenes, im Eigentum des Markt … stehendes Buchgrundstück (Fl.-Nr. ccc, Gemarkung …; Bl. 270 ff., 283 f. GA). Auch liegt das südliche Widerlager des dortigen über die Wilde … führenden Brückchens mit einer so breiten Teilfläche auf dem Fahrweggrundstück, dass Fußgänger unproblematisch passieren können; zudem ist die danebengelegene Furt unmittelbar an das Fahrweggrundstück angebunden, sodass eine alternative Wegführung für Wanderer möglich wäre. Einzig die unmittelbar südwestlich des ehemaligen Gasthofs vom Fahrweg Richtung … abzweigenden Wanderwege „…“, „…“ und „…“ verlaufen auf einer Länge von ca. 30 m über die Vorkaufsfläche, sodass eine Vorkaufsrechtsausübung für diesen schätzungsweise 50 qm großen Grundstücksteil zur Sicherung des Wanderwegenetzes genügt hätte.
2. Im Übrigen erfolgte die Vorkaufsrechtsausübung auch ermessensfehlerhaft, § 114 S. 1 VwGO.
Die Ausübung des Vorkaufsrechts, zu der der Beklagte hier allein gem. Art. 39 Abs. 3 S. 1 BayNatSchG berufen ist, ist eine Ermessensentscheidung, was Art. 39 Abs. 2 BayNatSchG mit der Formulierung „darf nur“ zum Ausdruck bringt. Daran ändert auch Art. 39 Abs. 3 S. 4 BayNatSchG nichts, wonach der Freistaat Bayern das Vorkaufsrecht auszuüben „hat“, wenn ein anderer Vorkaufsberechtigter dies „verlangt“. Die Ermessensausübung besteht darin, dass die Behörde sämtliche Bestandteile des zu entscheidenden Sachverhalts für sich bewertet und sodann ebenfalls alle entscheidungserheblichen Sachverhaltsbestandteile im Verhältnis zueinander gewichtet und schließlich entscheidet, ob sie trotz gegebenenfalls im Raum stehender (grund) rechtlich relevanter privater Belange das naturschutzrechtliche Vorkaufsrecht ausübt. Bei der verwaltungsgerichtlichen Überprüfung derartiger Ermessensentscheidungen kommt dem Gericht kein eigenes Ermessen zu; vielmehr ist es insoweit auf die von § 114 VwGO vorgegebenen Kontrollgrenzen beschränkt. Für die Frage, ob im Einzelfall die gebotene Ermessensausübung pflichtgemäß oder fehlerhaft erfolgte, ist die nach Art. 39 Abs. 1 BayVwVfG erforderliche Begründung des Bescheids über die Vorkaufsrechtsausübung in den Blick zu nehmen – anders als dies etwa bei der rein objektiven Prüfung der Rechtfertigung nach Art. 39 Abs. 2 BayNatSchG der Fall ist. Diese Begründung des Bescheids hat den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Ermessensausübung zu entsprechen. Weil bei der von Art. 39 Abs. 2 BayNatSchG vorgeschriebenen tatbestandlichen „Rechtfertigungsprüfung“ die privaten Belange noch nicht inmitten stehen, ist das Ermessen bei der Vorkaufsrechtsausübung auch dann nicht „intendiert“, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 39 Abs. 2 BayNatSchG vorliegen. Deshalb ist jedenfalls dann, wenn private Belange von (grund) rechtlichem Gewicht im Raum stehen, bei der Ermessensausübung von der Verwaltung wertend zu begründen, weshalb trotz dieser privaten Belange angesichts des Gewichts der Rechtfertigungsgründe gleichwohl das Vorkaufsrecht ausgeübt wird. Dabei hängen Umfang und Tiefe der erforderlichen Begründung vom (grund) rechtlichen Gewicht der jeweils im Raum stehenden privaten Belange ab (vgl. zum Ganzen BayVGH, U.v. 09.07.2020 – 14 B 19.96 – juris Rn. 27 ff. m.w.N.).
Diesen Anforderungen an die behördliche Ermessensausübung wird der streitgegenständliche Bescheid nicht gerecht, wobei keinerlei Anhaltspunkte für eine Reduzierung des Ausübungsermessens ersichtlich sind.
a) Der Beklagte ging im Bescheid vom 22.10.2018 von den richtigen Grundsätzen für die Ermessenausübung aus und hat auch ausführlich zu einer Vielzahl von Ermessensgesichtspunkten Stellung genommen. Die im Einzelfall bestehenden privaten Belange der Kläger am Kauf des streitgegenständlichen Grundstücks hat er aber nicht ausreichend einbezogen.
Der Beklagte legt im Bescheid vom 22.10.2018 korrekt dar, dass bei Vorliegen der in Art. 39 Abs. 1 und 2 BayNatSchG vorgesehenen Tatbestandsvoraussetzungen das jeweils betroffene Grundstück von vornherein mit dem naturschutzrechtlichen Vorkaufsrecht „belastet“ ist und mit der Ausübung des Vorkaufsrechts gerechnet werden muss, weshalb das Gewicht des Eingriffs in die Privatautonomie der Käufer (Art. 2 Abs. 1 GG), der mit der Ausübung des naturschutzrechtlichen Vorkaufsrechts stets verbunden ist, gemindert ist. Diese regelmäßig angezeigte Minderung des Gewichts des Eingriffs in die Privatautonomie als einen privaten Belang entbindet jedoch die Behörde nicht pauschal davon, sich damit sowie mit weiteren gegebenenfalls im jeweiligen Einzelfall im Raum stehenden (grund) rechtlich geschützten privaten Belangen im Rahmen ihrer Ermessensausübung selbst zu befassen und im Rahmen ihres Ermessens eine eigene Abwägung mit den im Raum stehenden, die Vorkaufsrechtsausübung rechtfertigenden Belangen vorzunehmen, wenn auch die besagte Minderung des Gewichts des Eingriffs in die Privatautonomie regelmäßig die Intensität der insoweit gebotenen behördlichen Argumentationstiefe verringern wird (vgl. BayVGH, U.v. 09.07.2020 – 14 B 19.96 – juris Rn. 31 f.).
Die konkreten (grund) rechtlich geschützten privaten Belange der Kläger werden im Bescheid im Wesentlichen nur mit folgenden Sätzen gewürdigt (S. 10, Bl. 46 BA): „Weiterhin ist zu sehen, dass der Betrieb des zwischenzeitlich angemeldeten Gewerbebetriebs an anderer Stelle unbenommen bleibt. Die Standortverlagerung des Betriebes vor Ablauf der Zwei-Monats-Frist fällt – wie auch die übereilte Vertragsdurchführung – in die Risikosphäre der ursprünglichen Kaufinteressenten.“ Insbesondere auf die Art und Weise des Gewerbebetriebs sowie die daraus resultierenden Anforderungen an geeignete Alternativgrundstücke nebst deren prognostischer Verfügbarkeit geht der Bescheid nicht ein. Auch mit anderen persönlichen Belangen der Kläger, die Bezug zum naturnahen streitgegenständlichen Grundstück haben, beispielsweise die Anzahl ihrer minderjährigen Kinder (Klagebegründung vom 14.01.2019, Bl. 57 GA) und der Umstand, dass die Kläger auch eine Katzenhaltung und -zucht betreiben (Protokoll vom 07.09.2020, Bl. 298 GA), setzt sich der Bescheid nicht auseinander. Da der Beklagte bei Bescheiderlass befürchtete, dass der Ablauf der Ausübungsfrist unmittelbar bevorstehe, ist verständlich, dass er nähere, u.U. zeitaufwändige Ermittlungen der privaten Belange unterlassen hat. Jedoch bestand erstens tatsächlich nicht die Gefahr des Ablaufs der Ausübungsfrist, weil sie nicht in Lauf gesetzt worden ist (dazu sogleich). Zweitens hat der Beklagte seine Ermessenserwägungen auch später diesbezüglich nicht ergänzt, mithin die Möglichkeit einer Heilung nicht genutzt (zur Heilungsmöglichkeit: BayVGH, U.v. 09.07.2020 – 14 B 19.96 – juris Rn. 33, 41 ff.; U.v. 01.10.2019 – 14 BV 17.419 – juris Rn. 59).
Die zweimonatige Frist des Art. 39 Abs. 7 BayNatSchG i.V.m. § 469 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zur Ausübung des Vorkaufsrechts hat vorliegend nicht zu laufen begonnen. Das Schreiben des Notars … vom 21.08.2018, mit dem er einen Abdruck des Kaufvertrags übersandt hat, war nämlich nicht an das Landratsamt …, sondern an das „Amt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung“, mithin an eine andere Behörde unter einer anderen Adresse, gerichtet. Dass das Schreiben an das Landratsamt … weitergeleitet worden ist und es so – zufällig – Kenntnis vom Kaufvertrag erlangte, setzt die Ausübungsfrist nicht in Lauf (vgl. Fischer-Hüftle/Egner, BayNatSchG, Stand März 2019, Art. 39 Rn. 25). Ebenfalls bewirkt der Umstand, dass das Schreiben vom 21.08.2018 den Adresszusatz „Gutachterausschuss“ trug, nicht das Anlaufen der Ausübungsfrist, da es bereits nicht dessen korrekte Adresse enthielt. Zudem sitzt der Gutachterausschuss zwar beim Landratsamt, die Kaufpreissammlung einschließlich übersandter Unterlagen darf aber grundsätzlich nur von den Mitgliedern des Gutachterausschusses und von den Bediensteten dessen Geschäftsstelle zur Erfüllung ihrer Aufgaben eingesehen werden (§ 11 Abs. 1 BayGaV). Darüber hinaus gewährt der Gutachterausschuss nur in engen Grenzen Auskunft aus bzw. Einblick in die Kaufpreissammlung (vgl. § 195 Abs. 2, 3 BauGB, § 11 Abs. 2-4 BayGaV). Nach dem Sinn und Zweck der Mitteilungspflicht des § 469 BGB, wonach dem Vorkaufsberechtigten der Inhalt des Kaufvertrags mitzuteilen ist, damit dieser erwägen kann, sein Vorkaufsrecht auszuüben, genügt eine Übersendung an den Gutachterausschuss folglich nicht, weil das Landratsamt, namentlich die untere Naturschutzbehörde, bei einer Übersendung an den Gutachterausschuss nicht zuverlässig Kenntnis vom Kaufvertrag erhält.
b) Darüber hinaus hat sich der Beklagte auch nicht ausreichend damit auseinandergesetzt, das Vorkaufsrecht nur für eine Teilfläche auszuüben.
Zwar betont der Beklagte im Bescheid mehrfach, dass das gesamte streitgegenständliche Grundstück benötigt wird. Weshalb nach Ansicht des Beklagten im zu entscheidenden Einzelfall keine Teilausübung genügt, wird im Bescheid aber zu rudimentär und pauschal dargelegt. Weshalb für eine Sicherung der Wanderwege nicht der Kauf der Teilfläche genügt, über die diese Wege verlaufen, erschließt sich nicht. Ebenso setzt sich der Bescheid nicht näher damit auseinander, wieso auch die unbebauten bzw. mit Nebengebäuden bebauten Grundstücksteile für das Naturparkzentrum zwingend erforderlich oder zumindest förderlich sind. Auch ist nicht erkennbar, weshalb für die erstmalig im Schreiben vom 09.09.2020 vorgebrachte ökologische Aufwertung der Wilden … das gesamte streitgegenständliche Grundstück benötigt wird. Eine Heilung durch hinreichende Ergänzung der Ermessenserwägungen erfolgte nicht.
Da der streitgegenständliche, belastende Verwaltungsakt nach alledem rechtswidrig ist und die Kläger durch ihn auch in ihren Rechten verletzt werden, war der Klage durch Aufhebung dieses Bescheids stattzugeben.
3. Andere als die oben genannten Aspekte begründen hingegen nicht die Stattgabe der Klage. So ist insbesondere die Rechtsgrundlage verfassungskonform. Nach ständiger Rechtsprechung bestehen gegen die Gültigkeit der Regelungen über das Vorkaufsrecht in Art. 39 BayNatSchG keine verfassungsrechtlichen Bedenken, weil sie als zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmungen gemäß Art. 14 Abs. 1 S. 2 des Grundgesetzes (GG) anzusehen sind (BayVGH, U.v. 01.10.2019 – 14 BV 17.419 – juris Rn. 25 m.w.N.).
4. Der Bescheid vom 22.10.2018 ist auch formell rechtmäßig. Insbesondere wurde der ursprünglich bestehende Anhörungsmangel während des Laufs des gerichtlichen Verfahrens geheilt.
Eine Anhörung hätte vor Bescheiderlass erfolgen müssen, ist jedoch unterblieben. Nach Art. 28 Abs. 1 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG) ist der Adressat eines belastenden Verwaltungsakts, um den es sich beim streitgegenständlichen Bescheid handelt, vor dessen Erlass anzuhören. Von einer Anhörung kann zwar nach Art. 28 Abs. 2 Nr. 2 BayVwVfG abgesehen werden, wenn durch die Anhörung die Einhaltung einer für die Entscheidung maßgeblichen Frist in Frage gestellt würde. Dies ist hier aber nicht der Fall. Die zweimonatige Ausübungsfrist, mit dessen drohendem Ablauf der Beklagte die unterbliebene Anhörung begründet hat, hat vorliegend nämlich nicht zu laufen begonnen (s.o. Nr. 2 Buchst. a)).
Der konstatierte Anhörungsmangel wurde jedoch gemäß Art. 45 Abs. 1 Nr. 3 BayVwVfG geheilt. Eine Heilung setzt voraus, dass die Anhörung nachträglich ordnungsgemäß durchgeführt und ihre Funktion für den Entscheidungsprozess der Behörde uneingeschränkt erreicht wird. Selbst wenn man der Ansicht folgt, dass Äußerungen und Stellungnahmen von Beteiligten im gerichtlichen Verfahren diese Voraussetzungen nicht erfüllen (vgl. BVerwG, U.v. 22.03.2012 – 3 C 16/11 – juris Rn. 18), ist hier eine Heilung zumindest dadurch eingetreten, dass der Beklagte die Anhörung auf einen entsprechenden richterlichen Hinweis hin außerhalb des Gerichtsverfahrens ordnungsgemäß nachgeholt hat. So hat das Landratsamt … mit Schreiben vom 09.03.2020 dem Beigeladenen zu 1 und den Klägern Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben und die daraufhin ausschließlich von den Klägern erfolgte Stellungnahme im Schreiben vom 02.04.2020 gewürdigt. Der Charakter der Vorkaufsrechtsausübung als fristgebundener Verwaltungsakt steht einer solchen Heilung nicht entgegen (vgl. VG München, U.v. 23.10.2019 – M 19 K 18.343 – juris Rn. 40 m.w.N.).
Im Übrigen wäre der Anhörungsmangel nach Art. 46 BayVwVfG unbeachtlich. Nach dieser Norm kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts, der nicht nach Art. 44 nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Vorliegend ist – obwohl es sich um eine Ermessensentscheidung handelt – ausnahmsweise jeglicher Zweifel daran ausgeschlossen, dass das Landratsamt ohne den Verfahrensfehler anders entschieden hätte (vgl. BayVGH, U.v. 09.07.2020 – 14 B 19.765 – juris Rn. 16 m.w.N.). Die auf das Anhörungsschreiben des Landratsamts hin erfolgte alleinige Stellungnahme der Kläger vom 12.03.2020 hat nämlich keine neuen, relevanten Gesichtspunkte ergeben. Daher kann mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass das Landratsamt, hätte es diese Stellungnahme bereits vor Bescheiderlass gekannt, keine andere Entscheidung als die Ausübung des Vorkaufsrechts zu Gunsten des Beigeladenen zu 2 getroffen hätte.
5. Abgesehen von den unter Nrn. 1 und 2 genannten Punkten liegen die formellen und materiellen Voraussetzungen für die Vorkaufsrechtsausübung vor bzw. können etwaige diesbezügliche Defizite keine Rechtsverletzung der Kläger begründen, der Klage mithin nicht zum Erfolg verhelfen.
a) Die Ausübungsfrist des Art. 39 Abs. 7 BayNatSchG i.V.m. § 469 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 BGB hat das Landratsamt … gewahrt.
Danach kann das Vorkaufsrecht nur bis zum Ablauf von zwei Monaten nach dem Empfang der Mitteilung über den Vorkaufsfall ausgeübt werden. Da es vorliegend an einer solchen ordnungsgemäßen Mitteilung mangelt, ist die Ausübungsfrist nicht angelaufen (s.o. Nr. 2. Buchst. a)). Auch ist die Mitteilung vom Eintritt des Vorkaufsfalles und vom Inhalt des Drittgeschäfts nicht Wirksamkeitsvoraussetzung für die Ausübung des Vorkaufsrechts (vgl. BGH, U.v. 16.11.1970 – VIII ZR 121/69 – juris LS 4; Westermann in MüKo, § 469 BGB, 8. Aufl. 2019, Rn. 6).
b) Es ist ein Verkauf eines Grundstücks i.S.d. Art. 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BayNatSchG und damit ein Vorkaufsfall gegeben.
Nach dieser Norm besteht ein Vorkaufsrecht für Grundstücke, die sich auf oberirdischen Gewässern einschließlich Verlandungsflächen, ausgenommen Be- und Entwässerungsgräben, befinden oder die daran angrenzen. Für ein „Angrenzen“ reicht es aus, dass das Grundstück an einer Stelle mehr als nur punktförmig an das Gewässer angrenzt; es muss nicht mit einer ganzen Seitenlänge am Gewässer anliegen (vgl. BayVGH, U.v. 01.10.2019 – 14 BV 17.419 – juris Rn. 30). Das streitgegenständliche Grundstück grenzt mit seiner gesamten nördlichen Seite an die Wilde … und damit an ein oberirdisches Gewässer i.S.d. § 3 Nr. 1 des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) an, dessen Legaldefinition maßgeblich ist (ebd. Rn. 29).
c) Das Vorkaufsrecht konnte der Beklagte vorliegend auch zugunsten des Beigeladenen zu 2 ausüben.
Gem. Art. 39 Abs. 5 S. 1 BayNatSchG kann das Vorkaufsrecht auch zugunsten eines überörtlichen gemeinnützigen Erholungsflächenvereins sowie zugunsten von gemeinnützigen Naturschutz-, Fremdenverkehrs- und Wandervereinen ausgeübt werden, wenn diese einverstanden sind. Der Beigeladene zu 2 ist ein solcher Naturschutz- und Erholungsflächenverein, wie § 2 seiner Satzung eindeutig entnommen werden kann (Bl. 232 GA).
Auch lag das erforderliche Einverständnis des Beigeladenen zu 2 im Zeitpunkt der Bekanntgabe des streitgegenständlichen Bescheids vor. Dieses bedarf keiner besonderen Form (vgl. Fischer-Hüftle/Eger, BayNatSchG, Stand: März 2019, Art. 39 Rn. 4a). Somit stellt die hier mit E-Mail des Beigeladenen zu 2 vom 19.10.2018 an das Landratsamt … unter Beifügung eines entsprechenden Vorstandsbeschlusses vom 18.10.2018 übermittelte „Bitte“, das Vorkaufsrecht zu Gunsten des Beigeladenen zu 2 auszuüben, ein formgültiges Einverständnis dar.
d) Ob das gemäß Art. 39 Abs. 5 S. 2 BayNatSchG erforderliche Einvernehmen der Immobilien Freistaat Bayern deshalb nicht ausreicht, weil es unter dem Vorbehalt erklärt worden ist, dass der Beigeladene zu 2 den Erwerb aus eigenen Mitteln finanziert und die künftige Unterhaltung der Liegenschaft trägt, wie die Kläger meinen, ist unerheblich. Die Kläger können sich nämlich zumindest nicht auf die Verletzung dieser Vorschrift berufen, weil sie nicht ihrem Schutz, sondern dem des Staates dient (vgl. BayVGH, B.v. 26.07.2006 – 9 ZB 05.1233 – juris Rn. 36; Fischer-Hüftle/Egner, BayNatSchG, Stand März 2019, Art. 39 Rn. 4a).
e) Unerheblich ist auch die Befürchtung der Kläger, dass der Beigeladene zu 2 nicht in der Lage sei, den Kaufpreis zu zahlen. Für den Kaufpreis haftet nämlich gemäß Art. 39 Abs. 6 S. 2 BayNatSchG der Freistaat Bayern neben dem Begünstigten als Gesamtschuldner, sodass bereits allein deshalb keine Gefahr besteht, dass der Kaufpreis nicht bezahlt wird (vgl. LT-Drs. 7/3007, S. 33).
6. Als unterlegener Beteiligter hat der Beklagte die Kosten des Verfahrens nach § 154 Abs. 1 VwGO zu tragen. Es entspricht der Billigkeit, dass die Beigeladenen ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen, da diese keinen Sachantrag gestellt haben und sich somit keinem Kostenrisiko ausgesetzt haben, §§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO.
7. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 709 der Zivilprozessordnung (ZPO).
8. Die Berufung war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache nach §§ 124a Abs. 1 S. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Insbesondere die Fragen, ob die Rechtfertigung einen klaren inneren Zusammenhang zwischen Vorkaufsfläche und angrenzendem Gewässerabschnitt erfordert (s.o. Nr. 1. Buchst. b) aa)) sowie, ob der Naturgenuss und die Erholung in der freien Natur in Fällen des Art. 39 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BayNatSchG auf der Vorkaufsfläche selbst oder allenfalls in unmittelbarer Nachbarschaft erfolgen müssen (s.o. Nr. 1. Buchst. b) bb)), war bislang nicht Gegenstand der obergerichtlichen bzw. höchstrichterlichen Rechtsprechung und bedarf mit Blick auf die Rechtseinheit sowie Fortentwicklung des Rechts einer Klärung.


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