Baurecht

Normenkontrollantrag einer Nachbargemeinde, Sondergebiete für Windenergie, Antragsbefugnis.

Aktenzeichen  9 N 19.2265

Datum:
7.4.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 8435
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 47 Abs. 5 S. 1 Alt. 2
VwGO § 47 Abs. 2 S. 1
BauGB § 2 Abs. 2 S. 1
BauGB § 1 Abs. 7

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Normenkontrollantrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
IV. Der Streitwert wird auf 60.000,00 Euro festgesetzt.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich als Nachbargemeinde gegen den Bebauungsplan „Sondergebiet Windkraft-Z* …, I* …“ des Antragsgegners.
Das Plangebiet umfasst ca. 27 ha. Es befindet sich etwa 900 m nordwestlich des zum Antragsgegner gehörenden Ortsteils H* … und 150 m westlich der Bundesautobahn BAB 7 an der südlichen bzw. südöstlichen Gemeindegrenze zur Antragstellerin. In dem fraglichen Bereich wurden bereits zwei Windenergieanlagen mit einer Nabenhöhe von 135 m und einem Rotordurchmesser von 101 m auf FlNr. … bzw. 719 Gemarkung H* … in landwirtschaftlich genutzter Umgebung errichtet. Im zur Aufstellung des Bebauungsplans parallel geänderten Flächennutzungsplan wird das Plangebiet als Sondergebiet für Windenergienutzung dargestellt. Nach dem Regionalplan Region Westmittelfranken befindet sich das Plangebiet im durch Beschluss des Planungsausschusses vom 15. September 2017 erweiterten dortigen Vorbehaltsgebiet für Windkraftnutzung (WK 43).
Gegenstand der Planung ist im Wesentlichen die Festsetzung von drei 3.500 m² großen Sondergebieten für Windenergie, jeweils mit Baugrenzen hierfür, auf sonst landwirtschaftlichen Nutzflächen, innerhalb derer je eine Windenergieanlage errichtet werden kann. Das westliche sowie das südliche Sondergebiet sind mit den vorhandenen Windenergieanlagen belegt. Eine dritte Anlage ist im östlich gelegenen Sondergebiet auf FlNr. … Gemarkung H* … geplant. Nach Nummer 2.2.2 der textlichen Festsetzungen beträgt die maximale Höhe der Anlagen in den Sondergebieten, vom Bezugspunkt 315 ü.NN bis zur Rotorblattspitze gemessen, 220 m.
Der Bebauungsplan „Sondergebiet Windkraft-Z* …, I* …“ wurde am 28. November 2018 als Satzung beschlossen, am 28. Januar 2019 ausgefertigt und am 25. März 2019 ortsüblich bekanntgemacht.
Mit Bescheid vom 8. November 2019 erteilte das Landratsamt Neustadt a.d. Aisch-Bad Windsheim die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung einer Windenergieanlage mit einer Gesamthöhe von 217 m auf dem Grundstück FlNr. … Gemarkung H* … Hiergegen hat die Antragstellerin Klage (Az. AN 11 K 19.02549) erhoben. Ihren Antrag, deren aufschiebende Wirkung wiederherzustellen, hat das Verwaltungsgericht Ansbach mit Beschluss vom 29. Mai 2020 (Az. AN 11 S 20.00419) abgelehnt.
Am 18. November 2019 hat die Antragstellerin einen Normenkontrollantrag gestellt. Sie macht geltend, in ihrem Recht auf gemeindliche Abstimmung nach § 2 Abs. 2 Satz 1 BauGB sowie in ihrem Recht auf Abwägung ihrer Belange in beachtlicher Weise verletzt zu sein. Ihre Planungshoheit sei erheblich beeinträchtigt, weil sie aufgrund der von den Windenergieanlagen ausgehenden Emissionen darin eingeschränkt sei, Wohngebiete auszuweisen und sich die Immissionen negativ auf bestehende bebaute Gebiete in ihrer Gemeinde auswirkten. Der Abstand zwischen dem Bebauungsplangebiet bzw. den Windenergieanlagen und der Wohnbebauung im Bereich ihres Ortsteils Unterrickelsheim betrage 1750 m, zu ihrem Ortsteil Gnötzheim seien es 1680 m. Die „10 H-Regelung“ gemäß Art. 82 Abs. 1 BayBO sei somit nicht eingehalten, weshalb nicht davon ausgegangen werden könne, dass die Interessen der in diesem Umkreis lebenden Menschen gewahrt würden. Eine Unterschreitung erfordere eine weitergehende, über die bloße Verträglichkeit nach Immissionsschutzgesichtspunkten hinausgehende Berücksichtigung dieser Interessen. Dem sei der Antragsgegner, der im Rahmen seiner Abwägungsentscheidung darauf abgestellt habe, dass die „10 H-Regelung“ gerade durch die Erstellung eines Bebauungsplans umgangen werden könne, nicht gerecht geworden.
Die Antragstellerin beantragt,
den Bebauungsplan „Sondergebiet Windkraft-Z* …, I* …“ des Antragsgegners für nichtig zu erklären.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Der Antragstellerin fehle bereits die Antragsbefugnis. Diese könne sich zwar grundsätzlich aus dem interkommunalen Abstimmungsgebot ergeben. Allein der räumliche Bezug des Bebauungsplans zum eigenen Gemeindegebiet genüge hierfür aber nicht. Konkrete Nachteile für denkbare Planungen oder Beeinträchtigungen der eigenen städtebaulichen Entwicklungschancen würden von der Antragstellerin nicht aufgezeigt. Die Auswirkungen des Vorhabens stünden nur reflexartig in Beziehung zu ihrer gemeindlichen Planungshoheit. Hinsichtlich einwirkender Emissionen auf bestehende Gebiete fehle es an der eigenen Rechtsbetroffenheit.
Im Übrigen sei der Normenkontrollantrag auch unbegründet, zumal die Unterschreitung des Abstands nach § 82 Abs. 1 BayBO lediglich die Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB entfallen lasse. Die Abstandserfordernisse aus dem Immissionsschutzrecht oder dem bauplanungsrechtlichen Gebot der Rücksichtnahme lägen erheblich unter der nach Art. 82 Abs. 1 BayBO geforderten Distanz, wie das im Aufstellungsverfahren vom Antragsgegner eingeholte immissionsschutzrechtliche Gutachten und der Erlass der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 8. November 2019 bestätigten. Der Antragsgegner habe den Einwand der Antragstellerin auch abgewogen.
Den mit dem Normenkontrollantrag gestellten Eilantrag hat der erkennende Senat mit Beschluss vom 19. März 2020 (Az. 9 NE 19.2274) abgelehnt. Zum weiteren Sach- und Streitstand wird auf den Inhalt der Gerichtsakte in diesem Verfahren und im Verfahren 9 NE 19.2274, die vorgelegten Unterlagen und die beigezogenen Planakten der Antragsgegnerin verwiesen.
II.
1. Der Senat entscheidet nach Hinweis auf eine eventuell mangelnde Antragsbefugnis über den Normenkontrollantrag ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss, da er eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 47 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO). Die Beteiligten haben hiermit ihr Einverständnis erklärt.
2. Der Normenkontrollantrag hat keinen Erfolg. Er ist unzulässig, weil die Antragstellerin nicht antragsbefugt ist.
Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann den Normenkontrollantrag gegen einen Bebauungsplan jede natürliche oder juristische Person stellen, die geltend macht, durch den Bebauungsplan oder dessen Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Ein Antragsteller kann sich im Normenkontrollverfahren darauf berufen, dass seine abwägungserheblichen privaten Belange möglicherweise fehlerhaft abgewogen wurden. In diesem Fall obliegt es ihm, einen eigenen Belang als verletzt zu bezeichnen, der für die Abwägung beachtlich war. Er muss hinreichend substantiiert Tatsachen vortragen, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch den streitgegenständlichen Bebauungsplan in einem subjektiven Recht verletzt wird (vgl. BVerwG, B.v. 10.7.2020 – 4 BN 50.19 – juris Rn. 6 m.w.N.; B.v. 12.12.2018 – 4 BN 22.18 – juris Rn. 6 m.w.N.). Nicht abwägungsbeachtlich sind insbesondere geringwertige oder mit einem Makel behaftete Interessen sowie solche, auf deren Fortbestand kein schutzwürdiges Vertrauen besteht, oder solche, die für die Gemeinde bei der Entscheidung über den Plan nicht erkennbar waren (BVerwG, B.v. 12.12.2018 – 4 BN 22.18 – ZfBR 2019, 272 = juris Rn. 6 m.w.N.).
a) Die Antragstellerin hat nicht substantiiert dargelegt, dass sie durch den angefochtenen Bebauungsplan in ihrem Recht als Nachbargemeinde auf interkommunale Abstimmung im Sinne von § 2 Abs. 2 BauGB verletzt sein könnte.
Nach § 2 Abs. 2 BauGB, der eine gesetzliche Ausformung des verfassungsrechtlich gewährleisteten kommunalen Selbstverwaltungsrechts und eine besondere Ausprägung des Abwägungsgebots (§ 1 Abs. 7 BauGB) darstellt, sind die Bauleitpläne benachbarter Gemeinden aufeinander abzustimmen. Die Vorschrift verlangt einen Interessenausgleich zwischen der planenden Gemeinde und der von dieser Planung möglicherweise betroffenen Nachbargemeinde und fordert eine Koordination der gemeindlichen Belange; die planende Gemeinde unterliegt einem erhöhten Rechtfertigungszwang in Gestalt der Verpflichtung zur (formellen und materiellen) Abstimmung im Rahmen einer förmlichen Planung. Jedoch ergibt sich daraus nicht die Befugnis einer benachbarten Gemeinde, alle Bebauungspläne zum Gegenstand einer Normenkontrolle zu machen, allein weil sie einen räumlichen Bezug zum eigenen Gemeindegebiet haben. Nur gegen unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art auf die städtebauliche Ordnung und Entwicklung auf ihrem Gemeindegebiet kann sich eine benachbarte Gemeinde zur Wehr setzen (vgl. BayVGH, U.v. 21.1.2022 – 9 N 17.2305 – juris Rn. 22 m.w.N.). Voraussetzung ist dabei allerdings nicht, dass sie selbst bereits Bauleitpläne aufgestellt hat oder überhaupt bestimmte planerische Vorstellungen bestehen (BVerwG, B.v. 9.1.1995 – 4 NB 42.94 – juris Rn. 7).
Da es sich bei § 2 Abs. 2 BauGB um eine einfachgesetzliche Ausformung der Planungshoheit als Teil der Selbstverwaltungsgarantie (Art. 28 Abs. 2 GG) handelt, können nur Auswirkungen auf die städtebauliche Ordnung und Entwicklung der Nachbargemeinde relevant sein. Auf unmittelbare Auswirkungen kann sich eine Nachbargemeinde zur Begründung der Antragsbefugnis gem. § 47 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 2 Abs. 2 Satz 1 BauGB mithin nur berufen, wenn diese städtebauliche Relevanz haben und eine jeweils fallbezogen zu präzisierende Intensitätsschwelle übersteigen (vgl. BayVGH, U.v. 15.7.2020 – 15 N 18.2110 – juris Rn. 20 m.w.N.). Eine derartige Betroffenheit hat die Antragstellerin nicht aufgezeigt.
aa) Sie hat nicht dargelegt, dass sie durch die von den Windkraftanlagen verursachten Emissionen und sonstigen Auswirkungen beschränkt wäre, Wohngebiete auszuweisen. Im Hinblick darauf, dass ein lediglich allgemeines Freihaltungsinteresse für bestimmte Gemeindeteile, um sich etwaige Planungsoptionen für die Zukunft oder auch Nutzungsmöglichkeiten Dritter abstrakt offen zu halten, nicht schutzwürdig ist und keinen planungsrechtlich beachtlichen Belang darstellt (vgl. BayVGH, U.v. 15.7.2020 – 15 N 18.2110 – juris Rn. 33 m.w.N.), hat sie nicht ausreichend substantiiert, welche für den südöstlichen Teil ihres Gemeindegebiets wenigstens potentiell in Betracht kommenden Planungen oder auch kommunalen Nutzungen durch welche Einwirkungen des mit der Planung ermöglichten Vorhabens beeinträchtigt werden könnten (vgl. BayVGH, B.v. 19.3.2020 – 9 NE 19.2274 – juris Rn. 20). Ihren Hinweisen auf die Nichteinhaltung des nach Art. 82 Abs. 1 BayBO maßgeblichen „10 H-Abstands“ zu den Ortsteilen Unterrickelsheim und Gnötzheim können unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art mit städtebaulichem Bezug nicht entnommen werden, weil damit nicht gesagt ist, dass die Bauleitplanung des Antragsgegners eine städtebauliche Entwicklung, etwa im Sinne der Ausweisung von Wohngebieten, in ihren benachbarten Ortsteilen relevant erschwert oder gar unmöglich macht. Der Regelungsgehalt des Art. 82 Abs. 1 BayBO erschöpft sich darin, Windkraftanlagen, die den betreffenden Voraussetzungen nicht entsprechen, aus dem Kreis der gemäß § 35 Abs. 1 BauGB „privilegierten“ Vorhaben herauszunehmen und sie dem Bereich der „sonstigen“, von § 35 Abs. 2 BauGB erfassten Vorhaben zuzuweisen (vgl. BayVerfGH, E.v. 9.5.2016 – Vf. 14-VII-14 u. a. – NVwZ 2016, 999 = juris Rn. 120, 148). Auch unter dem Gesichtspunkt von Immissionen und/oder optischen oder sonstigen Auswirkungen ist eine Nachbargemeinde deshalb nicht gehindert, einen – sogar Wohnnutzung – regelnden Bebauungsplan zu erlassen, dessen Geltungsbereich den „10 H-Abstand“ zu bestehenden oder durch Bebauungsplan vorgesehenen bzw. genehmigten Windkraftanlagen jenseits der Gemeindegrenze unterschreitet (vgl. BayVGH, U.v. 15.7.2020 – 15 N 18.2110 – juris Rn. 27; B.v. 19.3.2020 a.a.O. m.w.N.). Dem Gesetzgeber ging es bei der „10 H-Regelung“ nicht um den subjektiven Schutz Betroffener vor unzumutbaren Auswirkungen von Windenergieanlagen oder die Kompensation (vermeintlicher) immissionsschutzrechtlicher Defizite, sondern im Wesentlichen um die Förderung der Akzeptanz von Windkraftanlagen und den Ausgleich öffentlicher Belange (vgl. LT-Drs. 17/2137 S. 1, 6, 7; BayVerfGH, E.v. 9.5.2016 – Vf. 14-VII-14 u.a. – NVwZ 2016, 999 = juris Rn. 148). Aus der Unterschreitung des Abstands gem. Art. 82 Abs. 1 BayBO kann daher für die Frage, ob die Anwohner bzw. die Eigentümer von (Wohn-) Grundstücken in der Umgebung unzumutbar betroffen sind, nichts abgeleitet werden (BayVGH, U.v. 15.7.2020 a.a.O. m.w.N.). Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass die Öffnungsklausel des § 249 Abs. 3 BauGB, auf der Art. 82 BayBO beruht, den Ländern keine Gesetzgebungskompetenz eröffnet, um Vorgaben für die gemeindliche Bauleitplanung zu treffen und etwa § 1 Abs. 7 oder § 2 Abs. 3 BauGB zu modifizieren (vgl. BayVGH, B.v. 30.5.2017 – 22 ZB 17.169 – juris Rn. 15 unter Rekurs auf BayVerfGH, E.v. 9.5.2016 a.a.O. juris Rn. 191; U.v. 15.7.2020 a.a.O.).
bb) Soweit die Antragstellerin „visuelle Überlastungserscheinungen“ respektive schädigende Auswirkungen der drei geplanten Windkraftanlagen auf ihr örtliches Erscheinungsbild geltend machen will, kann ohne nähere Erläuterung hierzu nicht ersehen werden, dass sie in ihrem Recht auf interkommunale Abstimmung verletzt sein könnte. Die Antragstellerin kann zwar aus Art. 28 Abs. 2 GG grundsätzlich ein Recht auf Selbstgestaltung ableiten. Damit dieses verletzt sein könnte, müsste sie aber aufzeigen, dass von der Festsetzung der Sondergebiete für Windkraft eine entscheidende Prägung des Ortsbildes der Antragstellerin ausgehen würde, womit nachhaltige Einwirkungen auf das Gemeindegebiet und die Entwicklung der Gemeinde verbunden wären (vgl. BayVGH, B.v. 19.3.2020 – 9 NE 19.2274 – juris Rn. 21 m.w.N.; U.v 15.7.2020 – 15 N 18.2110 – juris Rn. 34 m.w.N.). Auch in Anbetracht des Umstandes, dass die drei Windenergieanlagenstandorte nach eigenem Vortrag mehr als 1.500 m von den Ortsrändern der Antragstellerin entfernt sind, sowie zwei der möglichen drei Anlagen – wenn auch kleiner als nunmehr festgesetzt – bereits unabhängig vom streitgegenständlichen Bebauungsplan bestehen, ist solches nicht substantiiert dargelegt. Die bloße Sichtbarkeit von Windenergieanlagen vom Gemeindegebiet aus genügt ebenso wenig wie der Umstand, dass diese bauartbedingt typischerweise markant in Erscheinung treten mögen (vgl. VGH BW, B.v. 21.1.2022 – 10 S 2618/21 – juris Rn. 5). Schlichte ästhetische Einbußen, die die oben genannte Grenze nicht erreichen, sind hinzunehmen und vom Schutz des § 2 Abs. 2 Satz 1 BauGB nicht umfasst (vgl. BayVGH, U.v. 15.7.2020 a.a.O.).
cc) Die Antragstellerin kann auf der Grundlage des interkommunalen Abstimmungsgebots zudem nicht mit Erfolg geltend machen, dass infolge des Bebauungsplans bestehende bebaute (Wohn-) Gebiete negativ beeinträchtigt werden könnten. Es ist nicht dargelegt oder ersichtlich, inwiefern sich deswegen relevante städtebauliche Auswirkungen auf sie als Gemeinde ergeben könnten (vgl. BayVGH, U.v. 15.7.2020 – 15 N 18.2110 – juris Rn. 35).
b) Eine Antragsbefugnis vermittelt schließlich auch nicht das „einfache“ Abwägungsgebot (§ 1 Abs. 7 BauGB).
aa) Die Antragstellerin hat nicht vorgetragen, dass in ihrem Eigentum stehende Grundstücke oder kommunale öffentliche Einrichtungen durch Auswirkungen des angefochtenen Bebauungsplans betroffen sein könnten.
bb) Art. 82 BayBO kann aus den unter 2 a) aa) genannten Gründen auch im Hinblick auf die nach § 1 Abs. 7 BauGB vorzunehmende Abwägung keine dabei zu beachtenden Rücksichtnahmepflichten begründen (vgl. BayVGH, U.v. 15.7.2020 – 15 N 18.2110 – juris Rn. 39). Die ursprüngliche Fassung des Art. 82 Abs. 5 BayBO, wonach im Fall einer Verkürzung des „10 H-Abstands“ durch Bebauungsplan eine Verpflichtung der planenden Gemeinde bestehen sollte, „im Rahmen der Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB auf eine einvernehmliche Festlegung mit betroffenen Nachbargemeinden hinzuwirken“, hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof wegen eines offenkundigen und schwerwiegenden Widerspruchs zur Kompetenzordnung des Grundgesetzes und damit eines Verstoßes gegen das Rechtsstaatsprinzip des Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV für nichtig erklärt (vgl. BayVerfGH, E.v. 9.5.2016 – Vf. 14-VII-14 u.a. – juris Rn. 189 ff.). Eine Nachbargemeinde kann sich im Normenkontrollverfahren gegen einen Bebauungsplan, der Standorte für Windenergieanlagen festsetzt, zur Begründung ihrer Antragsbefugnis gem. § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO somit nicht auf einen (einfachgesetzlichen) Schutz aus Art. 82 BayBO berufen (vgl. BayVGH, U.v. 15.7.2020 a.a.O.).
cc) Die Antragstellerin kann eine mögliche Verletzung des Abwägungsgebots aus § 1 Abs. 7 BauGB zu ihren Lasten auch nicht mit Immissionen oder anderweitigen negativen Auswirkungen auf sonst vorhandene (Wohn-) Bebauung in ihrer Gemeinde begründen. Eine Gemeinde, auch eine Nachbargemeinde, kann nicht gleichsam als Sachwalterin private Interessen ihrer Bürger vertreten und durchsetzen; darüber hinaus ist sie auch nicht Kontrolleurin der zur Wahrung öffentlicher Belange berufenen staatlichen Behörden. Sie kann daher hinsichtlich der von ihr darzulegenden Antragsbefugnis weder gesundheitliche Belange ihrer Gemeindebürger noch öffentliche Belange, wie etwa den Erhalt des Landschaftsbildes oder Naturschutz- bzw. Artenschutz, für sich nutzbar machen (vgl. BayVGH, B.v. 20.9.2017 – 22 CS 17.1471 – juris Rn. 15, 17 m.w.N.; U.v. 15.7.2020 a.a.O. Rn. 40 m.w.N.).
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 173 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
Die Streitwertfestsetzung hat ihre Grundlage in § 52 Abs. 1 und 8 GKG unter Berücksichtigung der Nr. 9.8.3 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.


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