Baurecht

Normenkontrollantrag gegen Bebauungsplan, Entwicklung des Ortskerns, Bestimmtheitsgebot, Erforderlichkeitsgrundsatz, Abwägung der Eigentumsbelange

Aktenzeichen  1 N 17.384

Datum:
25.5.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 12471
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 47
BauGB §§ 1 Abs. 3 und Abs. 7, 9 Abs. 1 Nr. 10
BauNVO § 1 Abs. 7

 

Leitsatz

Tenor

I.Der Antrag wird abgelehnt.
II.Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III.Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
IV.Die Revision wird nicht zugelassen.  

Gründe

Über den Normenkontrollantrag konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Der Antrag hat keinen Erfolg.
1. Der Normenkontrollantrag ist zulässig.
Gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist im Normenkontrollverfahren jede natürliche oder juristische Person antragsbefugt, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Der Antragsteller muss hinreichend substantiiert Tatsachen vortragen, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch die Festsetzungen des Bebauungsplans in einem Recht verletzt wird. Eine solche Rechtsverletzung kommt regelmäßig in Betracht, wenn sich der Eigentümer eines im Plangebiet liegenden Grundstücks gegen bauplanerische Festsetzungen wendet, die unmittelbar sein Grundstück betreffen. Denn bei den Festsetzungen eines Bebauungsplans handelt es sich um Inhalts- und Schrankenbestimmungen im Sinn des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Diese muss der Eigentümer nur hinnehmen, wenn der Bebauungsplan rechtmäßig ist (vgl. BVerwG, B.v. 20.9.2005 – 4 BN 46.05 – BauR 2006, 352).
Daran gemessen ist die Antragsbefugnis des Antragstellers als Eigentümer eines Grundstücks gegeben, für das der Bebauungsplan Art und Maß der baulichen Nutzung, Baugrenzen und im östlichen Grundstücksbereich eine „besonders zu gestaltende Fläche“ festsetzt.
2. Der Antrag ist jedoch nicht begründet. Der Bebauungsplan weist keinen formellen Fehler auf, der zu seiner Unwirksamkeit führt (2.1). Die städtebauliche Planung steht nicht im Widerspruch zu dem Gebot der Erforderlichkeit der Bauleitplanung gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB (2.2). Die Festsetzung einer „besonders zu gestaltenden Freifläche“ im östlichen Teil des streitgegenständlichen Grundstücks ist von der Ermächtigungsgrundlage in § 9 Abs. 1 Nr. 10 BauGB gedeckt (2.3). Der Bebauungsplan verstößt nicht gegen den Grundsatz der Bestimmtheit und Normenklarheit (2.4). Rechtlich erhebliche, zur Unwirksamkeit führende Ermittlungsdefizite gemäß § 2 Abs. 3 BauGB oder Abwägungsfehler gemäß § 1 Abs. 7 BauGB liegen nicht vor (2.5).
2.1 Der Bebauungsplan weist keinen formellen Fehler auf, der zu seiner Unwirksamkeit führt. Der gerügte Verfahrensfehler der fehlenden erneuten Auslegung des Bebauungsplans gemäß § 4a Abs. 3 Satz 1 BauGB liegt nicht vor.
Nach § 4a Abs. 3 Satz 1 BauGB ist der Entwurf des Bebauungsplans erneut auszulegen und es sind die Stellungnahmen erneut einzuholen, wenn er nach dem Verfahren nach § 3 Abs. 2 oder § 4 Abs. 2 BauGB geändert oder ergänzt wird. Damit löst im Grundsatz jede Änderung/Ergänzung des Entwurfs die Pflicht zur Wiederholung der Auslegung aus. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist allerdings anerkannt, dass das Beteiligungsverfahren nicht um seiner selbst willen zu betreiben ist (z.B. BVerwG, B.v. 18.4.2016 – 4 BN 9.16 – BauR 2016, 1269; B.v. 8.3.2010 – 4 BN 42.09 – juris Rn. 11).
Gemessen an diesen Maßstäben war aufgrund der nach der ersten Auslegung gemäß § 3 Abs. 2, § 4 Abs. 2 BauGB erfolgten Einwendungen des Antragstellers zu der seinen östlichen Grundstücksteil betreffenden textlichen Festsetzung 4.2 „besonders zu gestaltende Platz- oder Straßenfläche“ vorgenommenen Änderung der ursprünglichen textlichen Festsetzung in die Festsetzung 5.1 „besonders zu gestaltende Freifläche“ eine erneute Auslegung gemäß § 4a Abs. 3 Satz 1 BauGB erforderlich. Diese fehlt aber nicht, wie der Antragsteller meint, sondern ist im Zeitraum vom 28. Dezember 2015 bis einschließlich 29. Januar 2016 erfolgt, insbesondere hat auch der Antragsteller über seinen Bevollmächtigten mit Schreiben vom 28. Januar 2016 Einwendungen dazu vorgetragen.
2.2 Gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB haben die Gemeinden die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Was in diesem Sinn erforderlich ist, bestimmt sich nach der planerischen Konzeption der Gemeinde. Der Gesetzgeber ermächtigt die Gemeinden, diejenige Städtebaupolitik zu betreiben, die ihren städtebaulichen Entwicklungs- und Ordnungsvorstellungen entspricht. Nicht erforderlich sind danach Pläne, die nicht dem wahren Willen der Gemeinde entsprechen, bei denen also zwischen Planungswillen und Planungsinhalt eine Diskrepanz besteht, sowie Pläne, die einer positiven Planungskonzeption entbehren und ersichtlich der Förderung von Zielen dienen, für deren Verwirklichung die Planungsinstrumente des Baugesetzbuches nicht bestimmt sind. § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB ist ferner verletzt, wenn ein Bebauungsplan aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen auf Dauer oder auf unabsehbare Zeit der Vollzugsfähigkeit entbehrt. In dieser Auslegung wird der Bauleitplanung eine erste, wenn auch strikt bindende Schranke gesetzt, die lediglich grobe und einigermaßen offensichtliche Missgriffe ausschließt. Die Frage der Angemessenheit und Verhältnismäßigkeit planerischer Festsetzungen unterliegt der Abwägungskontrolle und darf nicht zum Maßstab der städtebaulichen Rechtfertigung gemacht werden. Die Gemeinde betreibt bereits dann städtebauliche Planung, wenn sie sich im Rahmen ihrer durch Planungsziele konkretisierten eigenen städtebaulichen Entwicklungs- und Ordnungsvorstellungen hält und den Festsetzungen in Bezug auf diese Ziele Förderpotential zukommt (vgl. BVerwG, B.v. 25.7.2017 – 4 BN 2.17 – juris Rn. 3; U.v. 10.9.2015 – 4 CN 8.14 – BVerwGE 153, 16; U.v. 5.5.2015 – 4 CN 4.14 – NVwZ 2015, 1537; U.v. 27.3.2013 – 4 C 13.11 – BVerwGE 146, 137; U.v. 26.3.2009 – 4 C 21.07 – BVerwGE 133, 310).
Nach diesen Maßgaben liegt ein Verstoß gegen § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB nicht vor. Städtebauliches Ziel der Antragsgegnerin ist es, das Ortszentrum städtebaulich zu ordnen und weiterzuentwickeln und einer urbanen Entwicklung zuzuführen. Im Einzelnen wird in der Begründung des Bebauungsplans genannt, dass die künftige bauliche Entwicklung und ggf. Nachverdichtung im Bereich östlich und westlich der H* …straße einer Planung bedürfe, städtebaulichen Fehlentwicklungen und Beeinträchtigungen des prägenden Gebietscharakters im Hinblick auf Maßstäblichkeit, Blickbezüge und Durchgrünung entgegengewirkt werden müsse sowie die künftig zulässigen Grundflächen und Gebäudehöhen nach den städtebaulichen Planungsvorstellungen gesteuert werden müssten. Im Verlauf der H* …straße solle die Möglichkeit genutzt werden, dem unattraktiven Charakter einer Durchgangsstraße mit ortsgestalterischen Mitteln entgegen zu wirken und zumindest ansatzweise erlebbare und zum Aufenthalt anregende Platzräume zu gewinnen. Der öffentliche Charakter der bestehenden Freifläche auf dem Grundstück des Antragstellers, die nach dem städtebaulichen Konzept als zentraler Teil des Freiraumkonzepts von Bebauung freizuhalten und durch eine zu pflanzende Baumgruppe als besonderer Ort hervorzuheben sei, solle betont und gestärkt werden durch die Festsetzung einer (weiterhin) gastronomischen Nutzung im Erdgeschoss des Bestandsgebäudes sowie auf der Freifläche. Die Gliederung der Nutzungen im Bereich des Antragstellers sei städtebaulich gerechtfertigt. Dadurch werde die den Ortskern prägende Struktur übernommen. Die Entwicklung im Bebauungsplan orientiere sich hinsichtlich der zulässigen GR-Werte und Firsthöhen unter Berücksichtigung des vorhandenen Bestands am Durchschnitt des im Geltungsbereich vorhandenen Maßes der Bebauung; das denkmalgeschützte Gebäude T* … Straße … und das Gebäude des Antragstellers in der T* … Straße * werde als ortsbildprägend und maßstabbildend erachtet. Damit verfolgt die Antragsgegnerin ein zulässiges und damit auch im Sinn von § 1 Abs. 6 Nr. 4 BauGB bei der Aufstellung von Bebauungsplänen erforderliches und gerechtfertigtes Planungsziel.
Mit der Festsetzung gastronomischer Nutzung im Erdgeschoss des Bestandsgebäudes auf dem Grundstück des Antragstellers sowie auf der Freifläche östlich des Hauptgebäudes hat die Antragstellerin die bisherige (genehmigte) gastronomische Nutzung entsprechend ihrem städtebaulichen Konzepts festgeschrieben. Nach § 1 Abs. 7 Nr.1 BauNVO kann ein Bebauungsplan bei Vorliegen besonderer städtebaulicher Gründe in einem Mischgebiet festsetzen, dass in bestimmten Geschossen oder Ebenen nur einzelne der ansonsten allgemein zulässigen Nutzungen zulässig sind. Aus der Übernahme der den Ortskern prägenden Struktur in das städtebauliche Konzept ergibt sich die von § 1 Abs. 7 Nr. 1 BauNVO geforderte besondere städtebauliche Rechtfertigung für eine Gliederung der Nutzungen im Bereich des Grundstücks des Antragstellers.
Soweit der Antragsteller vorträgt, dass es der Antragsgegnerin vorrangig um die Erhaltung der Bestandsbebauung gegangen sei, darf eine Gemeinde mit der Bauleitplanung auch städtebauliche Ziele verfolgen, die mehr auf Bewahrung als auf Veränderung der vorhandenen Situation zielt (vgl. BVerwG, B.v. 15.3.2012 – 4 BN 9.12 – BauR 2012, 1067). Es ist nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin durch Festsetzung von Maximalhöhen Fehlplanungen im Sinn einer zunehmenden Vereinheitlichung des Ortsbilds insbesondere im Bereich der H* …straße entgegenwirken und den Erhalt der bislang verschieden hohen Gebäudehöhen sichern möchte. Auch soweit sie für das Grundstück des Antragstellers die seit langer Zeit bestehende teilweise Nutzung des Bestandsgebäudes als Gaststätte sowie die Nutzung der Freifläche des Grundstücks in ihre Planungen aufgenommen hat, gilt nichts Anderes. Ob sich die öffentlichen Belange gegen entgegenstehende private Interessen durchsetzen, ist keine Frage der Erforderlichkeit der Bauleitplanung, sondern betrifft das Ermittlungs- und Abwägungsgebot.
Es handelt sich vorliegend auch nicht um eine unzulässige Negativplanung. Eine solche Planung liegt nicht schon dann vor, wenn ihr Hauptzweck in der Verhinderung bestimmter städtebaulich relevanter Nutzungen besteht. Eine Verhinderungsplanung ist nur dann unzulässig, wenn sie nicht dem planerischen Willen der Gemeinde entspricht, sondern nur vorgeschoben ist, um eine andere Nutzung zu verhindern (vgl. BVerwG, B.v. 18.1.2012 – 4 BN 25.11 – juris Rn. 4; B.v. 27.1.1999 – 4 B 129.98 – BayVBl 1999, 410). Konkrete Umstände, die eine unzulässige Verhinderungsplanung belegen, liegen nicht vor. Vielmehr hat der Bebauungsplan eine positive planerische Aussage über die zukünftige Funktion der betreffenden Flächen im städtebaulichen Gesamtkonzept der Gemeinde zum Inhalt und beschränkt sich nicht auf die bloße Abwehr jeglicher Veränderung durch Aufnahme bestimmter Nutzungen. Die Freihaltung des östlichen Grundstücksteils von einer Bebauung entspricht der eigentlichen Zielsetzung und der Verwirklichung des planerischen Konzepts der Antragsgegnerin. Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin sich bei der Planung von unsachlichen Erwägungen hat leiten lassen, sind weder substantiiert vorgetragen noch erkennbar.
2.3 Die Festsetzung einer „besonders zu gestaltenden Freifläche“ im östlichen Teil des streitgegenständlichen Grundstücks ist von der Ermächtigungsgrundlage in § 9 Abs. 1 Nr. 10 BauGB gedeckt. Danach kann ein Grundstück seine Bebaubarkeit (auch teilweise) einbüßen, wenn die städtebauliche Ordnung es erfordert, dass einzelne, an sich bebauungsfähige Grundstücke von einer Bebauung freigehalten werden, um so wichtige städtebauliche Ziele verwirklichen zu können. Jedoch muss der städtebauliche Grund, der die Freihaltung erfordert, aus der Planbegründung hervorgehen (vgl. Gaentzsch in Berliner Kommentar, Stand September 2020, § 9 Rn. 32). § 9 BauGB fordert nicht, dass im Bebauungsplan die jeweilige Nummer in § 9 Abs. 1 BauGB bezeichnet wird, auf die die einzelne Festsetzung gestützt wird. Die Festsetzung muss als solche lediglich ausreichend bestimmt und in ihrem Regelungsgehalt durch § 9 BauGB gedeckt sein. Der Regelungsgehalt einer Festsetzung kann auch – innerhalb der Grenzen, die sich aus dem sich aus dem Bebauungsplan und seiner Begründung erschließenden planerischen Willen der Gemeinde ergeben – durch Auslegung ermittelt werden (vgl. BVerwG, B.v. 17.12.1998 – 4 NB 4.97 – NVwZ 1999, 984). So liegt der Fall hier.
Der Bebauungsplan enthält für den östlichen Grundstücksteil keine Ausweisung von Baufenstern. Absatz 3 der textlichen Festsetzung 1.1 MI sowie die zeichnerische Festsetzung der Freifläche, die besonders zu gestalten ist, setzen den Umfang der gastronomischen Nutzung fest. Die Festsetzungen waren Gegenstand der planerischen Abwägung, die sich mit der Freihaltung von Bebauung (§ 9 Abs. 1 Nr. 10 BauGB) beschäftigt hat und werden in der Begründung des Bebauungsplans unter B.1 erläutert. Danach wird die Freifläche als zentraler Teil des Freiraumkonzepts entlang der H* …straße von Bebauung freigehalten und durch eine zu pflanzende Baumgruppe (textliche Festsetzung 5.2) als besonderer Ort markiert. Es kommt daher nicht entscheidend darauf an, dass das von der Antragsgegnerin verwendete Planzeichen für die von Bebauung freizuhaltende Fläche nicht Nr. 15.8 der Anlage der Planzeichenverordnung entspricht. Auch ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass eine Überlagerung von Festsetzungen zulässig ist (vgl. BVerwG, B.v. 27.1.1999 – 4 B 129.98 – BayVBl 1999, 410).
2.4 Der Bebauungsplan verstößt durch die nur teilweise Festsetzung der Firstrichtung für die Bestandsgebäude bzw. Bauräume auf dem Grundstück des Antragstellers nicht gegen den rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgrundsatz.
Die Festsetzungen eines Bebauungsplans als Rechtsnorm im materiellen Sinn müssen den aus dem Rechtsstaatsgebot (Art. 20 Abs. 3 GG) abzuleitenden Geboten der Bestimmtheit und Normenklarheit entsprechen. Speziell für Bebauungspläne folgt die Notwendigkeit hinreichender Bestimmtheit sowohl für zeichnerische als auch für textliche Festsetzungen daraus, dass die Festsetzungen gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG Inhalt und Schranken des grundrechtlich geschützten Eigentums unmittelbar berühren und ausgestalten. Die von den Festsetzungen des Bebauungsplans Betroffenen müssen deshalb wissen, welche Nutzungen auf den Grundstücken zulässig sind. Der planenden Gemeinde steht es dabei frei zu entscheiden, welcher Mittel sie sich bedient, um dem Bestimmtheitsgebot zu genügen. Sie hat die Wahl zwischen zeichnerischer Festsetzung und textlicher Beschreibung; sie kann auch beide Elemente kombinieren. Entscheidend ist nur, dass hinreichend klar ist, welche Regelungen mit welchem Inhalt normative Geltung beanspruchen (vgl. BayVGH, U.v. 6.12.2019 – 15 N 18.636 – juris Rn. 26 m.w.N.). Die rechtsstaatlich gebotene Bestimmtheit fehlt nicht schon dann, wenn die Festsetzung der Auslegung bedarf. Es ist ausreichend, wenn der Inhalt des Bebauungsplans durch Auslegung ermittelt werden kann, wobei die Interpretation nicht durch den formalen Wortlaut beschränkt wird. Ausschlaggebend ist der objektive Wille des Plangebers, soweit er wenigstens andeutungsweise im Satzungstext einen Niederschlag gefunden hat (vgl. BayVGH, U.v. 6.12.2019 – 15 N 18.636 – juris Rn. 26; OVG NRW, U.v. 2.12.2016 – 2 D 121/14.NE – juris Rn. 62).
Im vorliegenden Fall ist anhand dieser Maßgaben aufgrund der Festsetzung der Firstrichtung nur für einen Teil der Bestandsgebäude bzw. Bauräume auf dem Grundstück des Antragstellers nicht von einer Unbestimmtheit der Festsetzung auszugehen. Denn soweit eine Festsetzung nicht vorliegt, ist der Antragsteller im Falle der Änderung bzw. Neuerrichtung baulicher Anlagen auf seinem Grundstück nicht gehindert, die Firstrichtung entsprechend dem Bauraum und dem vorhandenen Bestand selbst zu bestimmen.
2.5 Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind die Belange, die für die Abwägung von Bedeutung sind (Abwägungsmaterial), zu ermitteln und bewerten (§ 2 Abs. 3 BauGB). Denn die Berücksichtigung aller bedeutsamen Belange in der Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB setzt deren ordnungsgemäße Ermittlung und zutreffende Bewertung voraus (vgl. BVerwG, B.v. 12.6.2018 – 4 B 71.17 – ZfBR 2018, 601). Gemäß § 1 Abs. 7 BauGB sind die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Das Abwägungsgebot ist verletzt, wenn eine Abwägung überhaupt nicht stattfindet oder in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten Belangen in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot jedoch nicht verletzt, wenn sich die Gemeinde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet (vgl. BVerwG, U.v. 5.5.2015 – 4 CN 4.14 – NVwZ 2015, 1537; B.v. 15.5.2013 – 4 BN 1.13 – ZfBR 2013, 573). Der Satzungsgeber muss ebenso wie der Gesetzgeber bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums die schutzwürdigen Interessen des Eigentümers und die Belange des Gemeinwohls in einen gerechten Ausgleich und ein ausgewogenes Verhältnis bringen. Insbesondere ist er an den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden (vgl. BVerfG, B.v. 19.12.2002 – 1 BvR 1402/01 – NVwZ 2003, 727). Dies gilt auch für das Verhältnis der von der Planung betroffenen privaten und öffentlichen Belange untereinander. Die Beschränkung der Nutzungsmöglichkeiten eines Grundstücks muss von der Gemeinde als ein wichtiger Belang privater Eigentümerinteressen in der nach § 1 Abs. 7 BauGB gebotenen Abwägung beachtet werden. Dabei ist das Gewicht des Eigentümerinteresses allerdings regelmäßig größer, wenn ein bestehendes Baurecht eingeschränkt wird (vgl. BVerwG, B.v. 13.3.2017 – 4 BN 25.16 – ZfBR 2017, 589).
Nach diesen Maßgaben liegen weder ein Ermittlungs- und Bewertungsdefizit noch Abwägungsmängel vor. Die Antragsgegnerin hat die planungsrechtliche Situation der Grundstücke zutreffend als Innenbereich bewertet, den Gebäudebestand ermittelt sowie das von dem Antragsteller geltend gemachte private Interesse an der Zulassung einer unbeschränkten gewerblichen Nutzung auf seinem Grundstück sowie sein Interesse an der Errichtung eines Gebäudes im östlichen Grundstücksteils in die Abwägung eingestellt. Die Prägung des Gebäudes des Antragstellers für den Ortskern steht nach Auffassung des Senats aufgrund der vorliegenden Unterlagen und der Fotodokumentation nicht in Frage. Bei ihrer Abwägungsentscheidung konnte die Antragsgegnerin ihren städtebaulichen Zielen den Vorrang vor den privaten Interessen des Antragstellers einräumen.
Mit der Festsetzung gastronomischer Nutzung im Erdgeschoss des Bestandsgebäudes auf dem Grundstück des Antragstellers sowie auf der Freifläche östlich des Hauptgebäudes hat die Antragstellerin die bisherige (genehmigte) gastronomische Nutzung entsprechend ihrem städtebaulichen Konzepts festgeschrieben. Soweit der Antragsteller in diesem Zusammenhang vorträgt, dass die gewerbliche Nutzbarkeit der Erdgeschossebene seines Anwesens wesentlich eingeschränkt werde und die Antragsgegnerin eine nicht nachvollziehbare Verbindung zwischen „Freiraumkonzept“ und zwingender gastronomischer Nutzung hergestellt habe, vermag er keine Abwägungsfehler aufzuzeigen. Einer Gemeinde ist es nicht verwehrt, sich im Hinblick auf die Festsetzung einer gastronomischen Nutzung in Erdgeschossen auf die städtebaulich erwünschte Verhinderung der Fehlentwicklung bzw. Verödung eines Stadtbereichs zu berufen (vgl. BVerwG, B.v. 4.6.1991 – 4 NB 35.89 – BVerwGE 88, 268 zur Festsetzung einer ausschließlichen Wohnnutzung oberhalb eines bestimmten Geschosses). Weiterhin verfolgt die Antragsgegnerin die Absicht, besondere Freiräume zu erhalten und für die Öffentlichkeit weiterhin eine für gastronomische Zwecke genutzte Freifläche zu erhalten. Diese Überlegungen hat die Antragsgegnerin im Rahmen ihrer Abwägungsentscheidung ihren planerischen Überlegungen zugrunde gelegt, ohne dabei von einer unzutreffenden Sachverhaltsbasis auszugehen. Insbesondere steht der Nutzung als Biergarten oder Gastgarten ersichtlich nicht entgegen, dass die Freifläche mit Bäumen zu bepflanzen ist. Im Übrigen beseitigen selbst gewisse Zweifel an der Wirtschaftlichkeit der festgesetzten gastronomischen Nutzung im Erdgeschoss nicht die als absolute Grenze anzusehende Privatnützigkeit des Eigentums, solange der Eigentümer noch vernünftigen Gebrauch von seinem Eigentum machen kann; derartige Zweifel stehen einer Festsetzung erst dann entgegen, wenn nach Lage der Dinge eine Rentabilität der Nutzung auf Dauer nicht erwartet werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 29.9.1978 – IV C 30.76 – BVerwGE 56, 283; BayVGH, U.v. 13.11.2013 – 1 N 11.2263 – juris Rn. 41). Dass sich aus Sicht des Antragstellers die Zulassung einer uneingeschränkten gewerblichen Nutzung im Erdgeschoss möglicherweise als gewinnbringender darstellen mag, macht die Festsetzung nicht unwirksam, da kein Anspruch des Eigentümers auf eine optimale Ausnutzung seiner Grundstücke besteht (vgl. BayVGH, U.v. 13.11.2013 a.a.O.). Die Antragsgegnerin hat die Beschränkung der Nutzungsmöglichkeit des Erdgeschosses im betreffenden Gebäude mit den dargestellten besonderen städtebaulichen Gründen gerechtfertigt, die über die mit der Festsetzung eines Mischgebiets verbundenen allgemeinen Zielsetzungen hinausgehen. Der ergänzende Vortrag des Antragstellers zu den gegenwärtig veränderten Umständen aufgrund der Corona-Pandemie einschließlich der damit verbundenen Geschäftseinbußen gerade im Gastronomiebereich, der den Fortbestand bzw. die Wiederaufnahme einer Gastronomie in Frage stelle, führt angesichts des hier maßgeblichen Zeitpunkts des Satzungsbeschlusses lange Zeit vor Ausbruch der Pandemie nicht zu einem Abwägungsfehler. Das trägt auch der Antragsteller nicht vor.
Auch soweit der Antragsteller geltend macht, dass ihm durch die Planung Baurecht nach § 34 BauGB entzogen werde, wird ein Abwägungsmangel nicht aufgezeigt. Seinem im Planungsverfahren vorgetragenen Einwand, dass die Antragsgegnerin die Grundfläche für sein Grundstück zu niedrig angesetzt habe, hat er nach Überprüfung und Anpassung durch die Antragsgegnerin auf insgesamt 340 m² nicht mehr aufrechterhalten. Soweit der Antragsteller vorträgt, dass die Nutzbarkeit seines Grundstücks erheblich beschränkt werde und nur auf seinem Grundstück eine straßenbegleitende Bebauung, die im Bereich der H* …straße überwiegend vorliege, nicht zugelassen werde, legt er bereits nicht dar, dass die Antragsgegnerin ihm im Vergleich zu anderen Grundstücken weniger Baumasse zugestanden hätte oder dass eine solche Benachteiligung offensichtlich erkennbar wäre. Insoweit bestand für die Antragsgegnerin keine Veranlassung, weitere Ermittlungen über ein etwaig in Frage kommendes höheres Maß der baulichen Nutzung auf dem Grundstück des Antragstellers zu tätigen. Ebenso war eine detaillierte Auseinandersetzung im Rahmen der Abwägungsentscheidung daher weder erforderlich noch geboten. Tatsächlich wendet sich der Antragsteller vielmehr gegen die durch Baugrenzen und die Festsetzung der nicht überbaubaren Freifläche erfolgten Einschränkungen für den östlichen Bereich seines Grundstücks. Diese beruhen jedoch auf der städtebaulichen Zielrichtung der Planung. Die Antragsgegnerin hat diese öffentlichen Interessen mit den privaten Interessen des Antragstellers abgewogen. Sie hat insbesondere berücksichtigt, dass die geplante Bebauung mit Tiefgarage auf dem östlichen Grundstücksteil der beabsichtigten Freihaltung dieses Bereichs von weiterer Nachverdichtung widerspricht und auf der Freifläche eine gastronomische Nutzung zugelassen ist. Die Antragsgegnerin hat auch berücksichtigt, dass die Festsetzung von Bauhöhen einer weiteren Fehlentwicklung im Bereich des Ortskerns entgegentreten kann. Für das hierfür angesetzte Maß hat sie sich am Durchschnitt des im Geltungsbereichs vorhandenen Maßes der Bebauung orientiert und maximale Firsthöhen von 12,50 m (giebelständiges Gebäude) und 9 m – 11 m (traufständiges Gebäude) festgesetzt, um den Erhalt der ortsbildprägenden und als erhaltenswert erachteten Konturen zu steuern und die unterschiedlich hohen Gebäude zu erhalten. Dass dem Antragsteller dadurch eine Anpassung an die Gebäudehöhe des Nachbargebäudes verwehrt wird, ist im Hinblick auf das planerische Konzept nicht zu beanstanden. Eine Benachteiligung des Antragstellers ergibt sich auch nicht daraus, dass er seine Nutzungsabsichten nicht verwirklichen kann. Einen Grundsatz des Inhalts, dass stets nur das geplant werden dürfte, was der jeweilige Eigentümer selbst realisieren kann und was ihm selbst nützt, gibt es nicht (vgl. BVerwG, B.v. 8.8.1989 – 4 NB 2.89 – NVwZ 1990, 159). Auch die Herausnahme des Grundstücks FlNr. … aus dem Plangebiet führt nicht zu einem Abwägungsmangel. Denn insoweit ist die Gemeinde hinsichtlich der Festlegung des räumlichen Geltungsbereichs eines Bebauungsplans grundsätzlich frei und kann sich – wie hier – bei der Festsetzung der Grenzen auch von Zweckmäßigkeitserwägungen unter Berücksichtigung ihrer Planungs- und Durchführungskapazität leiten lassen (vgl. BVerwG, B.v. 10.10.2013 – 4 BN 36.13 – BauR 2014, 57). Die Antragsgegnerin hat die Herausnahme nachvollziehbar mit der Einbeziehung des Grundstücks in die weitere Entwicklung auf dem Gelände der Grund- und Mittelschule begründet.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 709 Satz 1 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.


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