Baurecht

Nutzungsänderung einer Gaststätte in eine Spielhalle

Aktenzeichen  1 B 15.2795

Datum:
14.12.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 138355
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 34 Abs. 1 S. 1
BauNVO § 6, § 8 Abs. 2 Nr. 1
AGGlüStV Art. 9 Abs. 3

 

Leitsatz

Eine Spielhalle überschreitet den vorgegebenen Rahmen einer Gemengelage aus Wohnen und Gewerbebetrieben, wenn in der maßgeblichen Umgebung noch keine Vergnügungsstätte vorhanden ist (vgl. BVerwG BeckRS 9998, 49789). (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 1 K 13.5492 2014-05-06 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 6. Mai 2014 wird die Klage abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung der Beklagten (§ 124 Abs. 1 VwGO) ist begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 6. Mai 2014 war daher abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Bescheid der Beklagten vom 6. November 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Beklagte hat die beantragte Nutzungsänderung zu Recht abgelehnt, da sich eine Spielhalle nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt (§ 34 Abs. 1 BauGB). Bei dem in der näheren Umgebung des klägerischen Grundstücks vorhandenen Bordell handelt es sich um einen Gewerbebetrieb und nicht um eine Vergnügungsstätte. Die Zulassung einer Vergnügungsstätte überschreitet daher den durch die Umgebung vorgegebenen Rahmen und ist geeignet, bodenrechtlich beachtliche Spannungen zu begründen.
Die Beklagte und das Verwaltungsgericht sind zutreffend davon ausgegangen, dass die Nutzungsänderung bauplanungsrechtlich nach § 34 Abs. 1 BauGB zu beurteilen ist.
Maßstab für die Zulässigkeit eines Vorhabens im unbeplanten Innenbereich ist die Eigenart der näheren Umgebung. Als nähere Umgebung im Sinn von § 34 BauGB ist der umliegende Bereich anzusehen, soweit sich die Ausführung des Vorhabens auf ihn auswirken kann und soweit er seinerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst (stRspr. vgl. BVerwG, B.v. 13.5.2014 – 4 B 38.13 – NVwZ 2014, 1246 m.w.N.). Die Grenzen lassen sich dabei nicht schematisch festlegen, sondern sind nach der tatsächlichen städtebaulichen Situation zu bestimmen, in die das für die Nutzungsänderung vorgesehene Grundstück eingebettet ist (vgl. BVerwG, B.v. 28.8.2003 – 4 B 74.03 – juris Rn. 2). Zur näheren Umgebung im Sinn von § 34 Abs. 1 BauGB gehört nach dem vor Ort gewonnenen Eindruck die an der I straße liegende und von ihr erschlossene Bebauung, die im Westen durch die C …straße, im Osten durch den F …weg und im Norden durch die I straße begrenzt ist. Diese Bebauung ist von ihrer Struktur und den Nutzungen – insbesondere im Hinblick auf die ältere Wohnbebauung und Gewerbenutzung – typisch für Entwicklungen, wie sie entlang von größeren Ein- und Ausfallstraßen der Gemeinden zu beobachten sind. Sie steht mit der dahinter liegenden Bebauung in keinem städtebaulichen Zusammenhang. Der Bereich nördlich der I straße ist nicht in die nähere Umgebung einzubeziehen, weil der I straße trennende Wirkung zukommt. Eine Straße – zumal auch eine Hauptstraße – kann sowohl trennende als auch verbindende Wirkung haben. Es kommt maßgeblich auf die vorhandene städtebauliche Situation an (vgl. BVerwG, B.v. 11.2.2000 – 4 B 1.00 – juris Rn. 18; B.v. 10.3.1994 – 4 B 50.94 – juris Rn. 3). Bei der I straße handelt es um eine dort vierspurig ausgebaute, stark befahrene Staats Straße. Es gibt in der näheren Umgebung des klägerischen Grundstücks weder eine Ampelanlage noch einen Fußgängerübergang. Die Straße kann, wovon sich das Gericht beim Augenschein überzeugen konnte, aufgrund der Breite und des hohen Verkehrsaufkommens als Fußgänger nur schlecht überquert werden. Die trennende Wirkung der I straße wird auch dadurch betont, dass sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite das große Audi-Zentrum befindet. Gegenüber diesem Bebauungskomplex mit großen Abstellflächen unmittelbar an der Straße stellt sich die Südseite der I straße – selbst mit dem Autohandel – als kleinteiligere und gewachsene Bebauung dar. Nach der gebotenen Einzelfallwürdigung hat die vorhandene Hauptverkehrsstraße daher trennende Wirkung (vgl. BVerwG, U.v. 15.12.1994 – 4 C 13.93 – NVwZ 1995, 698; OVG Rh-Pf, U.v. 9.3.2015 – 6 A 10054/15 – juris Rn. 23). Soweit das Verwaltungsgericht den umliegenden Bereich im Westen nur bis zur Hausnummer 62 aufgenommen hat, endet dieser nach dem Ergebnis des Augenscheins dort nicht, sondern erstreckt sich nach der zutreffenden Beurteilung der Beklagten (vgl. Bl. 29 der Behördenakte) bis zur C …straße. Es darf nicht nur diejenige Bebauung als erheblich angesehen werden, die gerade in der unmittelbaren Nachbarschaft des Baugrundstücks überwiegt, sondern es muss auch die Bebauung der weiteren Umgebung des Grundstücks insoweit berücksichtigt werden, als auch sie noch prägend auf dasselbe einwirkt (vgl. BVerwG, U.v. 25.5.1978 – IV C 9.77 – BVerwGE 55, 369). Insbesondere treffen dort nicht Bebauungskomplexe mit voneinander verschiedenen Bau- und Nutzungsstrukturen aneinander (vgl. BVerwG, B.v. 28.8.2003, a.a.O.).
Wegen der Heterogenität der vorhandenen baulichen Nutzungen scheidet eine Einordnung des Gebiets in eine Gebietskategorie der Baunutzungsverordnung aus. Insbesondere ist eine Beurteilung nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 6 BauNVO nicht möglich. Gemäß § 6 BauNVO dienen Mischgebiete dem Wohnen und der Unterbringung von Gewerbebetrieben, die das Wohnen nicht wesentlich stören. Unverträglich zu der vorhandenen und im Mischgebiet zulässigen Wohnnutzung ist – unabhängig von seiner Einstufung als Gewerbebetrieb oder Vergnügungsstätte – der vorhandene Bordellbetrieb (vgl. BVerwG, U.v. 12.9.2013 – 4 C 8.12 – BVerwGE 147, 379). Auch dürften die Störungen des Autohandels mit den großen Lager- und Werkstatträumen zu intensiv sein, um eine das Wohnen nicht wesentlich störende Nutzung annehmen zu können. Hinzukommt, dass neben der übrigen Gewerbenutzung der Betrieb des Autohandels, wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, für ein Mischgebiet zu beherrschend ist. Das gleichwertige Nebeneinander der beiden Hauptnutzungsarten im Mischgebiet setzt zum einen wechselseitige Rücksichtnahme der einen Nutzung auf die andere und deren Bedürfnisse voraus; es bedeutet zum anderen aber auch, dass keine der Nutzungsarten ein deutliches Übergewicht über die andere gewinnen soll. Die gebotene Durchmischung von Wohnen und nicht wesentlich störendem Gewerbe kann durch ein Vorhaben sowohl qualitativ als auch quantitativ gestört sein (vgl. BVerwG, U.v. 4.5.1988 – 4 C 34.86 – BVerwGE 79, 309; B.v. 11.4.1996 – 4 B 51.96 – NVwZ-RR 1997, 463). Das Betriebsgelände des Autohandels verfügt insbesondere im rückwärtigen Bereich über Abstellflächen, die sich über mehrere Grundstücke erstrecken, sowie große Lager- und Werkstatträume. Diese Flächen nehmen mit der sonstigen gewerblichen Nutzung, die als Bordellnutzung und als Autokosmetikbetrieb in eigenständigen Gebäuden sowie als erdgeschossige Gaststätten- und Ladennutzung stattfindet, und der Nichtwohnnutzung (Diakoniegebäude, Museum), die in Bezug auf die Zweckbestimmung des Mischgebiets im Verhältnis zur Hauptnutzungsart „Wohnen“ den Gewerbebetrieben zuzuordnen ist (vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauNVO, Stand 1. Mai 2017, § 6 Rn. 36), ein derartiges Übergewicht zur Wohnnutzung ein, das in dieser Form nach der Baunutzungsverordnung nicht planbar wäre. Auch das durch die Städtebaurechtsnovelle 2017 neu eingeführte Urbane Gebiet (§ 6a BauNVO) liegt faktisch nicht vor. Zwar sieht das Urbane Gebiet im Vergleich zum Mischgebiet eine breiter angelegte Nutzungsmischung vor, zulässig sind aber auch hier nur Gewerbebetriebe, die die Wohnnutzung nicht wesentlich stören. Unverträglich zu der Wohnnutzung ist jedenfalls das vorhandene Bordell. Die Annahme eines Gewerbegebiets (§ 8 BauNVO) scheitert an der vorhandenen Wohnbebauung; das gleiche gilt für eine Einordnung als Kerngebiet (§ 7 BauNVO).
Die beantragte Spielhalle fügt sich gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung nicht in diese Gemengelage ein. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts fügt sich ein Vorhaben, das sich innerhalb des aus seiner näheren Umgebung hervorgehenden Rahmens hält, in der Regel ein, sofern es nicht ausnahmsweise die gebotene Rücksichtnahme auf die in der unmittelbaren Umgebung vorhandene Bebauung fehlen lässt. Andererseits kann sich im Ausnahmefall auch ein Vorhaben, das sich nicht in jeder Hinsicht innerhalb des Rahmens hält, noch seiner näheren Umgebung einfügen; Voraussetzung hierfür ist, dass es weder selbst noch infolge seiner nicht auszuschließenden Vorbildwirkung geeignet ist, bodenrechtlich beachtliche Spannungen zu begründen oder vorhandene Spannungen zu erhöhen. Dabei fällt mit der Beantwortung der ersten Frage, ob sich das hinzukommende Vorhaben im Rahmen der bereits in der Umgebung vorhandenen baulichen Nutzung hält, eine wichtige Vorentscheidung, die innerhalb des zweiten Prüfungsschritts nur noch ausnahmsweise korrigiert werden kann. Bei der Bestimmung des für die Anwendung des § 34 Abs. 1 BauGB maßgeblichen Rahmens ist grundsätzlich auf die in der Baunutzungsverordnung ausdrücklich genannten Nutzungsarten abzustellen. Damit überschreitet eine Spielhalle den vorgegebenen Rahmen, wenn in der maßgeblichen Umgebung noch keine Vergnügungsstätte vorhanden ist (vgl. BVerwG, U.v. 15.12.1994 – 4 C 13.93 – NVwZ 1995, 698). Das ist vorliegend der Fall. Das Verwaltungsgericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass es sich bei dem vorhandenen Bordell um eine Vergnügungsstätte handelt.
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist mittlerweile geklärt, dass ungeachtet der Neubestimmung des Verhältnisses von Vergnügungsstätten und Gewerbebetrieben durch die Vierte Verordnung zur Änderung der Baunutzungsverordnung vom 23. Januar 1990 (BGBl I S. 127) Bordelle oder bordellähnliche Betriebe – als in der sozialen und ökonomischen Realität vorkommende Nutzungen – „Gewerbebetriebe aller Art“ im Sinn von § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO sind. Maßgeblich für diese Rechtsprechung ist nicht die Motivation der Besucher, sondern sind die städtebaulich bedeutsamen Begleiterscheinungen der Prostitutionsausübung in Bordellen. Bordellbetriebe sind Einrichtungen, für die sich im Hinblick auf die sich aus dem „Milieu“ ergebenden Begleiterscheinungen eher ein Standort eignet, der außerhalb oder allenfalls am Rande des „Blickfeldes“ und der Treffpunkte einer größeren und allgemeinen Öffentlichkeit liegt und auch nicht in der Nachbarschaft von Wohnungen (vgl. BVerwG, B.v. 2.11.2015 – 4 B 32.15 – NVwZ 2016, 151; U.v. 25.11.1983 – 4 C 21.83 – BVerwGE 68, 213). Da das Bundesverwaltungsgericht für die Einstufung der Bordelle nach der Art der Nutzung auf die milieutypischen Begleiterscheinungen abstellt, kommt es auch nicht entscheidend darauf an, ob in dem Bordell zusätzliche Angebote wie Wellness-Oase, Sauna, verschiedene Speisen und Getränke gemacht werden (vgl. BayVGH, B.v. 4.12.2017 – 1 ZB 16.1233 – juris Rn. 5). Im Übrigen handelt es sich nach dem Internetauftritt des Bordells „H …- …“, wie die Beklagte zutreffend ausgeführt hat, um eine klassische Einrichtung mit lediglich einer Bar; der Bordellbetrieb wird auch als Laufhaus bezeichnet.
Die Überschreitung des durch die Umgebung gesetzten Rahmens führt im Regelfall zur Unzulässigkeit des Vorhabens. Denn eine Überschreitung des von der Bebauung bisher eingehaltenen Rahmens zieht in der Regel die Gefahr nach sich, dass der gegebene Zustand in negativer Hinsicht in Bewegung und damit in Unordnung gebracht wird. Allerdings kann die Frage, ob eine solche Entwicklung zu befürchten ist, nur unter Berücksichtigung der konkreten Eigenart der näheren Umgebung und der konkreten Umstände, die Spannungen hervorrufen können, beantwortet werden. Bei einer Überschreitung des Rahmens kommt es darauf an, ob die gegebene Situation verschlechtert, gestört, belastet oder in Bewegung gebracht wird (vgl. BVerwG, U.v. 15.12.1994 – 4 C 13.93, a.a.O.). In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist auch geklärt, dass es einem allgemeinen städtebaulichen Erfahrungssatz entspricht, dass sich Vergnügungsstätten negativ auf ihre Umgebung auswirken können. Ob ein solcher trading-down-Effekt zu bejahen ist, beurteilt sich nicht nach quantitativen Faktoren. Auch nur eine Spielhalle kann solche Auswirkungen haben. Entscheidend sind die konkreten Umstände der städtebaulichen Konfliktlage (vgl. BVerwG, B.v. 4.9.2008 – 4 BN 9.08 – BauR 2009, 76).
Nach diesen Maßgaben ist die Beklagte zu Recht davon ausgegangen, dass mit der Zulassung der streitigen Spielhalle die gegebene Situation negativ in Bewegung gebracht wird. Es besteht die begründete Besorgnis, dass andere Nutzungen, die die nähere Umgebung prägen, ab zuwandern oder verdrängt zu werden drohen. So hat die Beklagte im Einzelnen vorgetragen und belegt, dass bei Zulassung der Spielhalle mit weiteren Bauanträgen auf die Genehmigung von Vergnügungsstätten gerechnet werden muss. Im Erdgeschoss des Anwesens I straße 64 gab es bereits im Zeitraum 2006-2009 in einer Teilfläche des damaligen Erotik-Shops Videokabinen und ein Sexkino und damit eine Vergnügungsstätte (vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauNVO, Stand 1. Mai 2017, § 6 Rn. 42). Für das Anwesen I straße 62, in dem das Erdgeschoss seit langem gastronomisch genutzt wird, lag 2005 eine Anfrage bei der Beklagten nach einer Genehmigungsmöglichkeit für Stripteasedarbietungen vor. Weiter hat die Beklagte ausgeführt, dass sich im maßgeblichen Bereich Laden- und Gaststättennutzungen in den letzten Jahren mehrfach geändert haben. Dies betrifft die Erdgeschossnutzung des Anwesens I straße 64, in der sich derzeit das Brautmodengeschäft vergrößert hat und die Erdgeschossnutzung im Anwesen I straße 62, bei der es zuletzt 2016 einen Pächterwechsel gegeben hat. Die Ladennutzung im Erdgeschoss des Anwesens I straße 58 wurde aktuell aufgegeben. Auch im klägerischen Anwesen selbst besteht die Möglichkeit, dass der Kläger neben dem streitgegenständlichen Vorhaben eine weitere gewinnträchtigere Nutzung begehrt. So hat er im Obergeschoss eine bordellartige Nutzung betrieben, für einen nachträglichen Genehmigungsantrag konnte lediglich der erforderliche Stellplatznachweis nicht erbracht werden. Der häufige Wechsel von gewerblichen Nutzungen in den genannten, überwiegend älteren Gebäuden spricht auch dafür, dass sich bei Zulassung des klägerischen Vorhabens weitere Vergnügungsstätten ansiedeln könnten, die über eine vergleichsweise hohe Ertragsstärke gegenüber den“ klassischen“ Gewerbenutzungen verfügen und ggf. erforderliche Modernisierungsmaßnahmen leichter durchführen könnten. Hinzukommt, dass Vergnügungsstätten oftmals mit Bordellen oder bordellartigen Betrieben eine gewisse räumliche Nähe zueinander suchen. Ein Bordell befindet sich bereits in der näheren Umgebung. Es besteht daher die konkrete und nicht nur die abstrakte Möglichkeit, dass das klägerische Vorhaben Konflikte im Hinblick auf die Nutzung benachbarter Grundstücke auslöst.
Die vom Kläger im Berufungsverfahren vorgebrachten Einwände führen nicht zu einem anderen Ergebnis. So hat der Kläger zwar richtigerweise darauf hingewiesen, dass eine weitere Spielhalle in der näheren Umgebung nicht eingerichtet werden könnte. Nach Art. 9 Abs. 3 Satz 1 des Gesetzes zur Ausführung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland (AGGlüStV) darf die glücksspielrechtliche Erlaubnis für den Betrieb einer Spielhalle nur erteilt werden, wenn ein Mindestabstand von 500 Metern Luftlinie zu einer anderen Spielhalle nicht unterschritten wird; abweichend hiervon beträgt der Mindestabstand bei bestehenden Spielhallen und solchen, für die der vollständige Antrag auf Erlaubnis bis zum 30. Juni 2017 gestellt wurde, 250 Meter Luftlinie. Es steht daher nicht zu befürchten, dass in der näheren Umgebung des klägerischen Vorhabens eine weitere Spielhalle zugelassen werden müsste, selbst wenn man davon ausgeht, dass die Voraussetzungen für den Mindestabstand von 250 Meter vorliegen. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Verhältnisse im Umfeld des Standorts eine Ausnahme von diesem festgesetzten Mindestabstand zulassen würden (Art. 9 Abs. 3 Satz 2 AGGlüStV). Insoweit ist der Vortrag der Beklagten, dass die Regelungen des Glücksspielrechts für die baurechtliche Prüfung nicht relevant sind, unzutreffend. Es bedarf für die negative Vorbildwirkung konkreter Feststellungen. Da bei der Frage, ob sich ein Vorhaben nach der Art der baulichen Nutzung im Rahmen der Umgebungsbebauung hält, aber auf die typisierten Nutzungsarten in der Baunutzungsverordnung abzustellen ist, kommt es nicht entscheidend darauf an, ob bei der Zulassung des klägerischen Vorhabens eine weitere Spielhalle nicht verhindert werden könnte, sondern darauf, ob die Ansiedlung einer weiteren Vergnügungsstätte möglich erscheint. Dies ist wie oben ausgeführt der Fall. Soweit der Kläger weiter die Wertungen der Baunutzungsverordnung im vorliegenden Fall zwar nicht unmittelbar, aber doch mittelbar anwenden möchte und die Zulässigkeit des klägerischen Vorhabens anhand der zulässigen Nutzungsarten in einem Misch-, Gewerbe- und Kerngebiet prüft, ist dies rechtlich nicht möglich. Wie er selbst zutreffend ausführt, kann auf die Baunutzungsverordnung nicht unmittelbar zurückgegriffen werden, wenn die Voraussetzungen des § 34 Abs. 2 BauGB nicht vorliegen (vgl. BVerwG, U.v. 15.12.1994 – 4 C 13.93 – NVwZ 1995, 698). Da es damit aber auf die Wertung des Gesetzgebers in § 34 Abs. 1 BauGB ankommt, kommt auch ein „mittelbarer“ Rückgriff auf die Baunutzungsverordnung nicht in Betracht. Bei der vorhandenen Gemengelage ist es der Beklagten nur erschwert möglich, planerisch tätig zu werden, städtebauliche Vorstellungen aktiv zu verwirklichen und das Verhältnis einzelner Nutzungen zueinander zu regeln. Es ist daher verfehlt, sich auf die Zulässigkeit einer Vergnügungsstätte in einzelnen Gebietskategorien der Baunutzungsverordnung zu beziehen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.


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