Baurecht

Nutzungsuntersagung eines Wettbüros im Kerngebiet

Aktenzeichen  AN 9 S 16.00869

Datum:
10.10.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4, Abs. 5, § 114 S. 1
BauNVO BauNVO § 7 Abs. 2 Nr. 2, § 15 Abs. 1
BauGB BauGB § 30 Abs. 3, § 34 Abs. 2
BayBO BayBO Art. 55 Abs. 1, Art. 57 Abs. 4 Nr. 1, Art. 76 S. 2

 

Leitsatz

Eine Nutzungsuntersagung nach Art. 76 S. 2 BayBO ist ein Dauerverwaltungsakt, weshalb für die Beurteilung der Rechtsmäßigkeit einer solchen Anordnung auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen ist. Künftige, möglicherweise eintretende Veränderungen der Verhältnisse vor Ort bleiben dabei außer Betracht, weil sie rein spekulativ sind. (red. LS Andreas Decker)
Der Übergang von einer Nutzung als Bankfiliale zur Nutzung als Wettbüro ist eine nach Art. 55 Abs. 1 BayBO genehmigungspflichtige Nutzungsänderung. (red. LS Andreas Decker)
Eine (kerngebietstypische) Vergnügungsstätte (hier Wettbüro) ist zwar in einem faktischen Kerngebiet nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO allgemein zulässig. Bei einer Häufung von Vergnügungsstätten kann sie aber gemäß § 15 Abs. 1 S. 1 BauNVO gleichwohl unzulässig sein, namentlich dann, wenn die Vergnügungsstätten andere im Kerngebiet zulässige Hauptnutzungsarten dergestalt verdrängen würden, dass die Charakterisierung als Kerngebiet letztlich entwertet würde (Entwicklung zu einem Vergnügungs[stätten]viertel). (red. LS Andreas Decker)

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 60.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich im einstweiligen Rechtsschutz gegen eine für sofort vollziehbar erklärte Nutzungsuntersagung eines Wettbüros mit 238 m2 Nutzfläche.
Die Antragstellerin betreibt seit dem 1. Februar 2006 im Erdgeschoss des Anwesens … FlNr. … der Gemarkung … ein Wettbüro. Mit Antrag vom 28. Juli 2012, eingegangen bei der Antragsgegnerin am 13. September 2012, beantragte die Antragstellerin eine Baugenehmigung für die Nutzungsänderung von Bankfiliale in eine Wettannahmestelle mit Sporttreff und Internet-Dienstleistung sowie Errichtung von Werbeanlagen. Nach der Nutzungsbeschreibung soll in den Räumlichkeiten die Möglichkeit der Teilnahme an Sportwetten sowie die Mitverfolgung von Live-Sportsendungen geboten werden.
Bei einer Ortseinsicht im Oktober 2012 durch den Außendienst der Bauordnungsbehörde der Antragsgegnerin wurde festgestellt, dass das Wettbüro bereits ohne Baugenehmigung betrieben wird. Die Räumlichkeiten waren mit Tischen und Sitzgelegenheiten sowie mehreren Flachbildschirmen ausgestattet. An den Tischen waren Tipp-Wettscheine ausgelegt; ein Kassenbereich war vorhanden. Des Weiteren wurden Werbeanlagen in Form von Schaufensterbeklebungen mit dem Schriftzug … angebracht.
Das Vorhabengrundstück liegt im Geltungsbereich des einfachen Bebauungsplans Nr. … der Antragsgegnerin. Nach den übereinstimmenden Angaben von Antragstellerin und Antragsgegnerin ist die Umgebungsbebauung nach § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 7 BauNVO als faktisches Kerngebiet zu beurteilen. In der näheren Umgebung des Vorhabengrundstücks befinden sich bereits mehrere Vergnügungsstätten (u. a. …).
Wegen Unklarheiten hinsichtlich der Erteilung einer Konzession zum Anbieten von Sportwetten nach dem Glücksspielstaatsvertrag verzögerte sich die Bearbeitung des Bauantrags. Mit Schreiben vom 12. Mai 2014 teilte die Antragsgegnerin mit, dass das Vorhaben nicht genehmigungsfähig sei und hörte die Antragstellerin zur Versagung der Genehmigung und einer beabsichtigten Nutzungsuntersagung an. Mit Schreiben vom 11. Juni 2014 zeigte sich der Vertretungsbevollmächtigte der Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin an und verwies im Wesentlichen auf das bereits achtjährige Bestehen des Wettbüros …
Eine weitere Anhörung durch die Antragsgegnerin erfolgte mit Schreiben vom 31. März 2016. Darin wurde darauf hingewiesen, dass wegen der Häufung der sich in der näheren Umgebung befindlichen Vergnügungsstätten das Bauvorhaben nach § 15 BauNVO unzulässig sei. Diese Einschätzung werde durch das Gutachten zur Vergnügungsstättenkonzeption für die Stadt … vom 24. Juni 2013 von … bestätigt.
Eine Ortseinsicht der Antragsgegnerin am 7. April 2016 ergab, dass das Wettbüro nach wie vor weiterbetrieben wird.
Mit Bescheid vom 13. April 2016, dem Bevollmächtigten der Antragstellerin am 21. April 2016 zugegangen, hat die Antragsgegnerin die beantragte Baugenehmigung zur Nutzungsänderung von Bankfiliale in eine Wettannahmestelle mit Sporttreff und Internet-Dienstleistung sowie der Errichtung von Werbeanlagen versagt und die Nutzung der Räumlichkeiten im Erdgeschoss des Anwesens … als Wettbüro unter Anordnung der sofortigen Vollziehung und Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 10.000,00 EUR untersagt. Zur Begründung wurde ausgeführt, das Bauvorhaben widerspreche § 30 Abs. 3 und § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 15 BauNVO, da sich in der näheren Umgebung des Anwesens … bereits mehrere Vergnügungsstätten befänden (u. a. …). Eine unzuträgliche Häufung von Vergnügungsstätten trete im Regelfall bereits bei einer Anzahl größer als Drei auf, die im vorliegenden Fall deutlich überschritten werde. Die Zulassung einer weiteren Vergnügungsstätte würde daher zu einer Abwertung des Baugebietes führen. Diese Einschätzung werde gestärkt durch das Gutachten von …, Gutachten zur Vergnügungsstättenkonzeption für die Stadt … vom 24. Juni 2013. Die im Rahmen dieses Gutachtens gemachte Bestandsaufnahme bestätige, dass es an diesem Standort negative städtebauliche Effekte gebe (Vergnügungsstättenkonzentration mit starker Außenwirkung durch exponierte Lage; auffällige Gestaltung; Abschottung; nachbarschaftliches Konfliktpotenzial; Trading-Down-Tendenzen; Investitionsstau; Leerstände; unverträgliche Situation aufgrund von Vergnügungsstättenhäufung im Umfeld und Verdrängung von Einzelhandel und Dienstleistungen; Imageverlust etc.). Im Gutachten zu den Vergnügungsstätten sei der Bereich beschrieben als ein städtischer Bereich mit hohem Konfliktpotenzial aufgrund von Häufungen von Vergnügungsstätten sowie entsprechendem Erscheinungsbild mit verklebten Erdgeschosszonen. Das Umfeld weise keine Stabilität auf und es seien Störungen zu Wohnnutzungen in den Obergeschossen zu erwarten. Weitere Vergnügungsstätten seien daher nicht mehr gebietsverträglich. Die Hauszeile … liege in Verlängerung der im Bebauungsplan Nr. … als MK festgesetzten Bebauung. Die Struktur, Dichte und Nutzung mit Einkaufszentren führe zu dieser Einschätzung. Wegen der Nähe zum Mischgebiet in den angrenzenden Bereichen um die Zufuhrstraße und … und vor allem aufgrund der Größe des Vorhabens sei eine enorme „Strahlwirkung“ in die Mischgebiete gegeben. Städtebaulich sei die Bebauung … eine einseitige Begrenzung des Verkehrsknotens und auch des historisch gebildeten Platzes. Er tangiere die Achse der Magistrale …, die hier in den …, also den … übergehe. Von der U-Bahn und den Haltestellen zweigten die Fußgänger in die nach Süden führenden Straßen ab. In der Fußgängerbeziehung gebe es keine Alternative, kein „Gegenüber“ einer Straßenseite. Man sei angewiesen auf diesen Gehweg. Die Häufung der Vergnügungsstätten mit verklebten Fenstern mache den Weg unattraktiv, bei Dunkelheit eventuell zum Angstraum, da dann bei verklebten Seiten auf der einen Seite und Verkehr auf der anderen Seite (kein städtisches Gegenüber) die soziale Kontrolle fehle. Dies sei städtebaulich nicht hinnehmbar. Die Häufung von Vergnügungsstätten begründe sich bereits aus der faktischen Nähe zu den bestehenden Vergnügungsstätten … Das beantragte Vorhaben sei somit aufgrund der örtlichen Gegebenheiten im Hinblick auf die Kriterien des § 15 Abs. 1 BauNVO unzulässig. Bei den im Antrag enthaltenen Werbeanlagen handele es sich um Werbeanlagen für die nicht genehmigungsfähige Nutzungsänderung. Sie seien als untergeordnete Nebenanlagen des Hauptvorhabens einzustufen und daher ebenfalls nicht genehmigungsfähig. Im Rahmen der Ortseinsicht am 7. April 2016 habe festgestellt werden können, dass die Anlage im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften bereits genutzt werde. Die Wettbüronutzung sei formell illegal, eine nachträgliche Baugenehmigung könne aufgrund der planungsrechtlichen Unzulässigkeit nicht erteilt werden. Das Wettbüro werde daher im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt. Da für eine Nutzungsuntersagung nach Art. 76 Satz 2 BayBO grundsätzlich die bloße formelle Rechtswidrigkeit ausreiche, sei unter Berücksichtigung der störenden Häufung von Vergnügungsstätten und der daraus folgenden fehlenden Genehmigungsfähigkeit die Anordnung einer Nutzungsuntersagung in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens geboten, da auch durch Änderungen kein den öffentlich-rechtlichen Vorschriften entsprechender rechtmäßiger Zustand geschaffen werden könne und ein öffentliches Interesse an der Nutzungseinstellung bestehe. Die Nutzungsuntersagung sei das einzige Mittel, durch das wieder ein rechtmäßiger Zustand geschaffen werden könne.
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO sei geboten, weil es im öffentlichen Interesse liege, die Fortsetzung unzulässiger Nutzungen zu verhindern. Bei Weiterführung der Nutzung würden schwer zu beseitigende, vollendete Tatsachen geschaffen. Das wirtschaftliche Interesse des Bauherrn an der Fortführung der Nutzung sei nicht höher zu gewichten als das öffentliche Interesse an der Schaffung rechtmäßiger Zustände. Außerdem würde die notwendige Ordnung im Bauwesen untergraben, wenn bei Einlegung des möglichen Rechtsbehelfs gegen die obige Anordnung die der Bauordnung widersprechende Nutzung jedenfalls zunächst weitergeführt werden könnte. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei ferner erforderlich, da für unbeteiligte Dritte der Anschein erweckt werde, dass die beanstandete Nutzung legal sei. Der beanstandeten Nutzung komme eine erhebliche Breiten- und Nachahmungswirkung zu. Ein Zuwarten bis zur Unanfechtbarkeit der Entscheidung hätte zur Folge, dass die rechtswidrige Nutzung als Wettbüro als Bezugsfall für vergleichbare Nutzungen dienen würde. Darüber hinaus liege die Anordnung der sofortigen Vollziehung einer Nutzungsuntersagung regelmäßig im besonderen öffentlichen Interesse, da eine Verfestigung baurechtswidriger Zustände zu befürchten sei. Nur mit diesem Instrument könne demjenigen, der ein Bauwerk illegal nutze, der ungerechtfertigte Vorteil der zwischenzeitlichen Nutzung gegenüber denjenigen, der eine Nutzung erst aufnimmt, wenn die erforderliche Genehmigung erteilt ist, entzogen werden.
Gegen den am 21. April 2016 zugestellten Bescheid hat die Antragstellerin mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 27. April 2016, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach am 28. April 2016, Klage erhoben und mit Schriftsatz vom 20. Mai 2016 Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung hinsichtlich Ziffern 2) und 3) des Bescheides vom 13. April 2016 gestellt. Zur Begründung wird ausgeführt, die Antragstellerin habe das streitgegenständliche Wettbüro bereits am 1. Februar 2006 in Betrieb genommen. Sie habe den Standort gewählt, weil dieser aufgrund seiner Lage im Kerngebiet hierfür besonders geeignet erschien. Mit Antrag vom 28. Juli 2012 sei eine Baugenehmigung zur Nutzungsänderung der ehemaligen Bankfiliale in eine Wettannahmestelle mit Sporttreff und Internet-Dienstleistungen beantragt worden. Über 20 Monate hinweg sei keine Sachbearbeitung seitens der Antragsgegnerin erkennbar gewesen. Erst am 12. Mai 2014 sei eine Anhörung erfolgt, in der die Antragsgegnerin erstmals die Absicht geäußert habe, aufgrund der im Umfeld des Wettbüros entstandenen Spielhallenkonzentration die Nutzung als Wettbüro wegen Häufung nach § 15 BauNVO als unzulässig anzusehen. Die Konzentration von Spielhallen … sei inzwischen materiell rechtswidrig und werde nur noch übergangsweise bis zum 30. Juni 2017 hingenommen. Dann müssten die Spielhallen untereinander einen Mindestabstand von 250 m einhalten. In der näheren Umgebung des Bauvorhabens werde es dann nur noch eine genehmigte Vergnügungsstätte (Spielhalle) geben, so dass von einer Häufung von Vergnügungsstätten keine Rede mehr sein könne. Die Antragstellerin habe bereits in ihrer Stellungnahme im Baugenehmigungsverfahren auf die Vorgeschichte der langjährigen Nutzung als Wettbüro hingewiesen wie auch auf die materielle Rechtswidrigkeit der in der näheren Umgebung betriebenen Spielhallen sowie der Notwendigkeit deren Schließung bis zum 30. Juni 2017. Die vorübergehende Hinnahme der ohnehin faktisch bereits bestehenden Konzentration von Vergnügungsstätten bis zum 30. Juni 2017 sei nicht mit einer zusätzlichen Beeinträchtigung der Eigenart des Baugebiets verbunden. In den Bescheidsgründen werde auf den Inhalt der Stellungnahme der Antragstellerin nicht eingegangen, ebenso wenig auf die materielle Rechtswidrigkeit sämtlicher im Umfeld befindlicher Spielhallen und die Notwendigkeit von deren Schließung bis zum 30. Juni 2017 sowie den Umstand, dass bei Anlegung der neuen Maßstäbe die meisten der umliegenden Spielhallen nicht nur spielhallenrechtlich, sondern auch bauplanungsrechtlich nicht genehmigungsfähig wären. Es werde hier offensichtlich mit zweierlei Maßstäben gemessen, je nachdem, ob Spielhallen oder Wettbüros betroffen seien. Bis heute sei stadtweit keine einzige Vermittlungsstätte für private Sportwetten als solche genehmigt worden. Diese Praxis scheine glücksspielrechtlich motiviert zu sein. Der Baureferent der Antragsgegnerin habe auf einer Informationsveranstaltung am 6. April 2014 geäußert, dass Baugenehmigungen für Wettvermittlungsstellen erst nach Konzessionsvergabe erteilt würden, um zu vermeiden, dass Wettvermittlungsstellen eingerichtet würden, für die nachher keine glücksspielrechtlichen Genehmigungen erteilt werden könnten. Diese Argumentation sei für Standorte unpassend, da hier die Investitionen längst getätigt worden seien und es – wie hier – lediglich darum gehe, die bereits ausgeübte Nutzung in bauaufsichtlicher Form förmlich zu legalisieren und zugleich eine bauaufsichtliche Schließung wegen fehlender Baugenehmigung abzuwenden. Allen Bauwilligen, die notfalls bereit wären, den Betrieb auch ohne Baugenehmigung einzurichten, wäre mit einer Baugenehmigung gedient, mit der sie zunächst einmal den Betrieb faktisch führen könnten, ohne ein bauaufsichtliches Einschreiten befürchten zu müssen, unabhängig davon, ob sie später eine glücksspielrechtliche Erlaubnis erhalten würden oder nicht.
Angesichts der bisherigen Dauer des Wettbürobetriebs von zehn Jahren und des zu erwartenden Wegfalls der bislang für die Verweigerung einer Baugenehmigung vorgebrachten Gründe zum 1. Juli 2017 überwiege das private Aussetzungsinteresse. Auch sei zu berücksichtigen, dass die parallele Hauptsacheklage aller Voraussicht nach Erfolg haben werde, selbst dann, wenn sich die Verfügung heute noch als rechtmäßig erweisen sollte. Die Ermessensausübung berücksichtige weder die individuelle Vorgeschichte des hiesigen Standortes noch die jahrelange Diskriminierung privater Sportwetten gegenüber dem gewerblichen Automatenspiel, noch den allgemeinen Umgang der Antragsgegnerin mit der Vermittlung privater Sportwetten bis zum heutigen Tage, der sich wesentlich von allen übrigen deutschen Großstädten unterscheide und praktisch in einer reinen Verweigerungshaltung bestehe. Allein aus diesen Gründen erweise sich die Untersagungsverfügung bereits als rechtswidrig. Die für den Sofortvollzug geltend gemachten Gründe berücksichtigten diese Umstände nicht. Angesichts der Vorgeschichte und der sehr hohen Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren erscheine eine vorübergehende Betriebsunterbrechung von einem Jahr für die Antragstellerin als unzumutbar. Die Hauptsacheklage werde aller Voraussicht nach Erfolg haben. Sofern nicht bereits ein Genehmigungsanspruch mit Wirkung zum gegenwärtigen Zeitpunkt bestehen sollte, so doch zumindest mit Wirkung zum 1. Juli 2017, so dass jedenfalls eine vollumfängliche Klageabweisung nicht in Betracht komme. Bereits jetzt müsse die Baugenehmigung erteilt werden, da die weitere Beeinträchtigung der Eigenart des Baugebiets durch die faktische Beibehaltung des Status Quo bis zur Schließung der umliegenden Spielhallen am 1. Juli 2017 zu vernachlässigen sei. Selbst im Falle einer Klageabweisung müsste spätestens im Rechtsmittelverfahren die geänderte Sach- und Rechtslage ab dem 1. Juli 2017, sprich die Schließung der Spielhallen im Umfeld des Vorhabengrundstücks, berücksichtigt werden. Dies habe wiederum Auswirkungen auf die Anfechtungsklage: Werde eine Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung der Baugenehmigung ausgesprochen, so sei zugleich auch die Untersagung aufzuheben. Die Ermessensausübung im Rahmen der Nutzungsuntersagung sei unzureichend und fehlerhaft. Die Aussage, eine Baugenehmigung könne nicht nachträglich erteilt werden, sei in dieser Pauschalität schlicht falsch, weil sie absehbare Veränderungen der näheren Umgebung ab dem 1. Juli 2017 ausblende. Wenn dem Bauvorhaben entgegengehalten werde, weitere Vergnügungsstätten seien nicht mehr gebietsverträglich, werde völlig ausgeblendet, dass der aktuelle Bestand an Vergnügungsstätten in der näheren Umgebung bereits seit dem 1. Juli 2012 materiell glücksspielrechtswidrig, d. h. nicht mehr erlaubnisfähig sei, da die Spielhallen zu einander nicht den gebotenen Mindestabstand von 250 m einhielten und nur noch aufgrund einer Bestandsschutzregelung bis zum 30. Juni 2017 vorübergehend weiter geduldet würden. Die für die Verweigerung der Baugenehmigung geltend gemachten Gründe würden somit offensichtlich ab dem 1. Juli 2017 wegfallen. Daher bestehe spätestens ab dem Zeitraum vom 1. Juli 2017 ab eine „offensichtliche“ Genehmigungsfähigkeit. Daher könne bereits ab heute eine Baugenehmigung ab diesem Datum erteilt werden. Es gehe vorliegend ersichtlich nur darum, eine vorübergehende Schließung von rund einem Jahr durchzusetzen. Die von Seiten der Antragsgegnerin geltend gemachte Häufung beruhe auf einer rechtswidrigen Genehmigungspraxis der Antragsgegnerin. Die Genehmigungspraxis der Antragsgegnerin habe über Jahre und Jahrzehnte hinweg der Expansion des gewerblichen Automatenspiels Vorschub geleistet, hingegen für Sportwetten im gesamten Stadtgebiet keinen Platz vorgesehen. Dies sei offensichtlich diskriminierend. Es komme hier der Grundgedanke des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 8. September 2010 (C-46/08) zum Tragen: So wie die Expansion im gewerblichen Automatenspiel dem Ziel, Anreize zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen zu vermeiden und die Spielsucht zu bekämpfen, zuwiderlaufe, so könne sie auch lokal dem bauplanungsrechtlichen Ziel zuwiderlaufen, die Eigenart eines Baugebiets zu bewahren. Dieses Ziel könne bereits aufgrund des hohen Bestandes an Spielvergnügungsstätten aus dem Bereich des gewerblichen Automatenspiels zeitweise nicht mehr erreicht werden, es könne dem Betrieb von Vergnügungsstätten Wettbüros innerhalb desselben Gebiets nicht entgegengehalten werden. Es gehe vorliegend nicht um eine Intensivierung durch Ansiedlung einer zusätzlichen Vergnügungsstätte, sondern um die Aufrechterhaltung des Status Quo seit 2006 für den Übergangszeitraum bis zum 30. Juni 2017. Die Eigenart des Baugebiets werde demnach nicht zusätzlich beeinträchtigt. Angesichts der Vorgeschichte des Objekts stelle es bereits einen Ermessensfehler dar, überhaupt auf die fehlende Offensichtlichkeit der Genehmigungsfähigkeit zu rekurrieren. Das Kriterium der Offensichtlichkeit der Genehmigungsunfähigkeit werde typischerweise verwendet, wenn entweder noch gar kein Baugenehmigungsantrag gestellt wurde, oder aber das Baugenehmigungsverfahren noch nicht abgeschlossen wurde, oder auch nach Ablehnung eines Baugenehmigungsantrags und noch nicht abgeschlossenem Klageverfahren. Für die Beurteilung der Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren müsse das „Offensichtlichkeitskriterium“ flachfallen, sogar unabhängig von dem Umstand, dass die geltend gemachten planungsrechtlichen Einwände mit der Zeit absehbar schwinden würden. Auch in Bezug auf den Anfechtungsantrag müsse es darauf ankommen, ob im Entscheidungszeitpunkt des Gerichts ein Anspruch der Antragstellerin auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung bejaht werde oder nicht. Bei rechtmäßigem Verhalten der Antragsgegnerin gegenüber der Antragstellerin, die den Bauantrag bereits im September 2012 gestellt habe, würde längst eine bestandskräftige Entscheidung über die Baugenehmigung vorliegen. Diese Verfahrensverzögerung könne nicht dergestalt zum Nachteil der Antragstellerin wirken, dass die Antragsgegnerin allein deshalb berechtigt wäre, einen materiellen Genehmigungsanspruch auszublenden. Neben der Erwartung auf eine baldige Genehmigung und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass am Standort bereits seit zehn Jahren eine Vergnügungsstätte betrieben werde, überwiege das private Aussetzungsinteresse das öffentliche Interesse der Antragsgegnerin, die auch in den vergangenen zehn Jahren keine Notwendigkeit für ein Eingreifen gesehen habe. Die vollendeten Tatsachen seien hier schon vor vielen Jahren geschaffen worden. Der Gesetzgeber habe davon abgesehen, für bauaufsichtliche Nutzungsuntersagungen analog zu glücksspielrechtlichen Untersagungen (§ 9 Abs. 2 GlüStV) kraft Gesetzes einen Wegfall des Suspensiveffekts vorzuschreiben und nehme es damit bewusst in Kauf, dass mit Hauptsache Rechtmittel und deren Suspensiveffekt die Durchsetzung der baurechtlichen Ordnung verzögert werden könne. Die Antragsgegnerin könne gegen diese gesetzliche Grundentscheidung im vorliegenden Fall umso weniger einwenden, als sie über zehn Jahre lang davon Abstand genommen habe, den Vergnügungsstättenbetrieb am Standort zu unterbinden. Die Existenz ungenehmigter Wettbüros in … sei gleichsam die Kehrseite des Umstandes, dass die Antragsgegnerin selbst die notwendige Ordnung im Bauwesen speziell in diesem Gewerbesegment nicht beachte. Der Eindruck der baurechtlichen Illegalität entstehe nur dann, wenn man um die in der Vergangenheit stattgefundene diskriminierende Bevorzugung von Spielhallen gegenüber Wettbüros wisse. Selbst wenn die Antragstellerin den Wettbürobetrieb am Standort einstellen würde, würde dies kaum jemanden von ungenehmigten Neueröffnungen abhalten, zumal nicht in Kerngebieten, weil es im Stadtgebiet der Antragsgegnerin anders schlicht nicht gehe und zudem mit einer jahrelangen Duldung gerechnet werden könne. Etwaige Nutzungskonflikte mit Spielhallen würden sich ab Juli 2017 ohnehin erledigen. Um Anreize zu Neueröffnungen zu eliminieren, wäre es ausreichend, wenn die Antragsgegnerin konsequent gegen Neueröffnungen vorginge. Eine Verfestigung baurechtswidriger Zustände sei nicht zu befürchten, da das Wettbüro spätestens in einem Jahr ohnehin genehmigt werden könne. Schließlich könne die Anordnung der sofortigen Vollziehung auch nicht mit dem Entzug eines ungerechtfertigten Vorteils begründet werden, da es einen solchen nicht gebe. Denn bei rechtmäßigem Verhalten der Antragsgegnerin wäre das streitgegenständliche Wettbüro längst genehmigt worden. Der Suspensiveffekt könne hier faktisch auch dazu beitragen, die Antragsgegnerin vor Schäden infolge amtspflichtwidrigem Verhalten zu bewahren und dadurch zugleich vergangenes staatliches Unrecht wieder gut zu machen. Die vorübergehende Betriebsunterbrechung würde die Antragstellerin außergewöhnlich hart treffen. Es gehe vorliegend nicht darum, die dauerhafte Schließung eines illegalen Betriebs hinauszuzögern, sondern darum, einen Betrieb, der berechtigte Aussichten auf eine baldige Genehmigung habe, nach zehnjähriger Duldung praktisch zu eliminieren, so dass er in einem Jahr wieder neu aufgebaut werden müsste. Dies sei, nachdem der Betrieb nunmehr über einen langen Zeitraum hingenommen worden sei, grob unbillig. Es handele sich um einen etablierten Betrieb, der zudem in einem Baugebiet entstanden sei, das für Vergnügungsstättenansiedlungen seiner Art nach geeignet sei und bei dem bei einer diskriminierungsfreien Genehmigungspraxis die Erteilung einer Baugenehmigung zu erwarten gewesen sei. Der Antragstellerin könne nicht vorgehalten werden, dass sie den Betrieb bereits 2006 ohne Genehmigung eröffnet habe, da es in jeder Phase faktisch ausgeschlossen gewesen sei, eine Baugenehmigung an irgendeinem Standort in … zu erhalten oder auch nur die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit eines Standortes im Vorfeld einer Anmietung abzuklären, weil die Antragsgegnerin hierzu aus baurechtsfremden (glücksspielrechtlichen) Gründen nicht bereit dazu gewesen sei. Die Antragstellerin könne auch nicht darauf verwiesen werden, dass sie durch Abfindungszahlungen an Spielhallenbetreiber oder Übernahme einer der umliegenden Spielhallen und Umnutzung in ein Wettbüro einen genehmigten Status erlangen könne, da die Antragsgegnerin sich derzeit kategorisch weigere, für Vermittlungsbetriebe Genehmigungen zu erteilen.
Die Antragstellerin beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ziffern 2) und 3) des Bescheids vom 13. April 2016 … anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wird auf den eingehend begründeten streitgegenständlichen Bescheid Bezug genommen. Soweit die Antragstellerin auf eine geänderte Sach- und Rechtslage ab dem 1. Juli 2017 unter Berücksichtigung von Art. 9 Abs. 3 AGGlüStV und § 29 Abs. 4 Satz 2 GlüStV hinweise, sei zu beachten, dass die Betreiber der Spielhallen vor Ablauf dieser Frist eine Erlaubnis nach § 24 Abs. 1 GlüStV und Art. 9 AGGlüStV beantragen würden. Es sei zu erwarten, dass mit dem Antrag auf Erlaubnis eine Befreiung von der Erfüllung einzelner Anforderungen des § 24 Abs. 2 sowie § 25 GlüStV für einen angemessenen Zeitraum beantragt werde und sich die Spielhallen darauf berufen würden, dass die Schließung zum 30. Juni 2017 eine unbillige Härte darstelle. Über diese Anträge werde das Ordnungsamt zu entscheiden haben; im Falle einer Ablehnung sei mit Klageverfahren zu rechnen. Deshalb sei es keineswegs sicher, dass die Spielhallen im Bereich des … tatsächlich am 30. Juni 2017 ihren Betrieb aufgegeben haben würden. Die Behauptung, die Genehmigungspraxis der Bauordnungsbehörde der Antragsgegnerin sei glücksspielrechtlich motiviert, sei falsch. Die von der Antragstellerin genannte Behauptung des Baureferenten der Stadt … anlässlich einer Informationsveranstaltung am 6. April 2016 sei so nicht geäußert worden. Der Bevollmächtigte der Antragstellerin sei hier einer Fehlinformation durch einen Branchenvertreter aufgesessen. Darüber hinaus sei nicht richtig, dass bislang keine Genehmigung für eine Wettannahmestelle erteilt worden sei. So sei für den Standort …zuletzt mit Bescheid vom 17. Mai 2016 eine Genehmigung für eine Wettannahmestelle erteilt worden.
Im Gutachten zur Vergnügungsstättenkonzeption für die Stadt … von …, Stadt- und Regionalentwicklung, vom 24. Juni 2013 ist unter Seite 149 Folgendes ausgeführt:
„Standorte …
– Vergnügungsstättenkonzentration mit drei Mehrfachspielhallen, vier Spielhallen, zwei Wettbüros
– wichtiger Verkehrspunkt, hohe Passantenfrequenz
– Einzelhandels- und Dienstleistungsangebot entlang … im niedrigpreisigen Segment
– Spielhallen mit starker Außenwirkung durch exponierte Lage, verklebte Fenster, auffällige Gestaltung
– Lage im Erdgeschoss – geschlossene Erdgeschosszone
– Trading-Down-Tendenzen, Investitionsstau, Leerstände, weitere Spielhallenstandorte in Umgebung
– unverträgliche Situation aufgrund von Vergnügungsstättenhäufung im Umfeld und Verdrängung von Einzelhandel und Dienstleistungen, Imageverlust.“
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorliegende Gerichtsakte auch im Hauptsacheverfahren AN 9 K 16.00701 sowie die beigezogenen Verfahrensakten verwiesen.
II.
Streitgegenstand des vorliegenden Antrags ist zum einen die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die unter Ziffer 2) des Bescheids vom 13. April 2016 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung angeordneten Nutzungsuntersagung der Räumlichkeiten im Erdgeschoss des Anwesens … als Wettbüro und zum anderen die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen das unter Ziffer 3) des Bescheids vom 13. April 2016 angedrohte Zwangsgeld.
Der Antrag ist zulässig, jedoch unbegründet.
1.
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache im Falle der Anordnung der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsaktes durch die Behörde nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht prüft insoweit zunächst, ob die Anordnung des Sofortvollzugs den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO entspricht und trifft sodann eine eigene Ermessensentscheidung, wobei es unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Grundentscheidung in § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO zugunsten der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage eine Interessenabwägung zwischen dem Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung ihres Rechtsbehelfs und dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit der getroffenen Anordnung vornimmt.
Maßgebend hierfür sind vor allem die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens. Ergibt eine dem Charakter des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO entsprechende summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage, dass die Anfechtungsklage voraussichtlich erfolglos sein wird, ist dies ein starkes Indiz dafür, dass das behördliche Vollzugsinteresse Vorrang gegenüber dem privaten Aussetzungsinteresse genießt (vgl. BayVGH, B. v. 26.7.2011 – 14 CS 11.535 – juris). Erweist sich der angefochtene Bescheid hingegen nach summarischer Überprüfung als rechtswidrig, und wird die Anfechtungsklage voraussichtlich Erfolg haben, so tritt das öffentliche Interesse zurück, da es kein schutzwürdiges Interesse am Sofortvollzug eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes geben kann.
Nach diesen Maßstäben ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Aufgrund der voraussichtlich fehlenden Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren überwiegt das öffentliche Vollzugsinteresse das Suspensivinteresse der Antragstellerin.
1.1
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung begegnet in formeller Hinsicht keinen rechtlichen Bedenken. Die Antragsgegnerin ist insbesondere ihrer Pflicht aus § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO zu einer auf den Einzelfall abstellenden und nicht bloß formelhaften Begründung nachgekommen. Sie stellte dabei maßgeblich darauf ab, dass es im öffentlichen Interesse liege, die Fortsetzung unzulässiger Nutzungen zu verhindern. Bei Weiterführung der Nutzung würden schwer zu beseitigende, vollendete Tatsachen geschaffen. Das wirtschaftliche Interesse des Bauherrn an der Fortführung der nicht genehmigten Nutzung sei nicht höher zu gewichten als das öffentliche Interesse an der Schaffung rechtmäßiger Zustände. Nach Auffassung der Kammer hat die Antragsgegnerin damit klar und nachvollziehbar zum Ausdruck gebracht, welche Gründe sie zu der Anordnung der sofortigen Vollziehung veranlasst haben und dass sie über die Tatbestandsvoraussetzungen der Eingriffsnorm hinaus das Instrument der sofortigen Vollziehung hinreichend bedacht und abgewogen hat.
1.2
Die vom Gericht vorgenommene Interessensabwägung fällt zulasten der Antragstellerin aus. Der von ihr eingelegte Hauptsacherechtsbehelf hat nach summarischer Überprüfung keine Aussicht auf Erfolg, da insbesondere die angefochtene Nutzungsuntersagung voraussichtlich rechtmäßig ist und die Antragstellerin nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Gerade unter Berücksichtigung der seit Jahren bestehenden illegalen Nutzung und auch unter Berücksichtigung einer zum 1. Juli 2017 eintretenden Änderung der Rechtslage im Hinblick auf Art. 9 Abs. 3, § 29 GlüStV bejaht die Kammer ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der Nutzungsuntersagung.
Rechtsgrundlage der unter Ziffer 2) des angegriffenen Bescheids vom 13. April 2016 erfolgten Nutzungsuntersagung ist Art. 76 Satz 2 BayBO. Danach kann die Nutzung untersagt werden, wenn Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt werden.
Da es sich bei der Nutzungsuntersagung um einen Dauerverwaltungsakt handelt, ist für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgebend (vgl. BayVGH, U. v. 16.2.2015 – 1 B 13.648 – juris, Rn. 24). Art. 76 Satz 2 BayBO gibt der Bauordnungsbehörde die Möglichkeit, die Nutzung von Anlagen zu untersagen, wenn diese in Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt werden.
Nach vorläufiger Einschätzung der Kammer liegen diese Voraussetzungen vor.
Dabei genügt nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung grundsätzlich die bloße formelle Baurechtswidrigkeit, d. h. die Nutzung ohne die hierfür erforderliche Baugenehmigung (vgl. BayVGH, B. v. 30.8.2007 – 1 CS 07.1253 – juris, Rn. 18). Dies resultiert zum einen aus dem Wortlaut von Art. 76 Satz 2 BayBO, der – anders als Art. 76 Satz 1 BayBO – gerade nicht den Zusatz enthält, dass „nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können“. Zum anderen berührt die Nutzungsuntersagung nicht wie die Beseitigungsanordnung das Eigentum in seiner Substanz und schafft in der Regel keine unumkehrbaren Verhältnisse. Auch kann nur dann, wenn man die bloße formelle Illegalität ausreichen lässt, demjenigen, der bauliche Anlagen ohne Genehmigung errichtet oder nutzt, der ungerechtfertigte Vorteil gegenüber demjenigen entzogen werden, der den vorgeschriebenen Weg über das Genehmigungsverfahren geht. Eine nur formell rechtswidrige Nutzung darf jedoch dann aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nicht untersagt werden, wenn sie offensichtlich genehmigungsfähig ist (vgl. BayVGH, B. v. 30.8.2007, a. a. O.).
Die streitgegenständliche, derzeit ausgeübte Nutzung als Wettbüro erweist sich in formeller Hinsicht als baurechtswidrig, da die erforderliche Baugenehmigung zur Nutzungsänderung nicht erteilt wurde (Art. 55 Abs. 1 BayBO). Nach vorläufiger Auffassung der Kammer ist im vorliegenden Fall nicht von einer offensichtlichen Genehmigungsfähigkeit auszugehen.
Eine Nutzungsänderung im planungsrechtlichen Sinne liegt vor, wenn durch die Verwirklichung eines Vorhabens die einer genehmigten Nutzung eigene Variationsbreite verlassen wird und durch die Aufnahme dieser veränderten Nutzung bodenrechtliche Belange neu berührt werden können, so dass sich die Genehmigungsfrage unter bodenrechtlichen Aspekten neu stellt (vgl. BVerwG v. 18.11.2010, DVBl. 2011, 358; BayVGH, U. v. 19.5.2011 – 2 B 11.353 – juris). Von einer genehmigungspflichtigen Nutzungsänderung im Sinne von Art. 55 Abs. 1 BayBO ist auszugehen, wenn der Anlage wenigstens teilweise eine neue Zweckbestimmung gegeben wird und diese baurechtlich relevant ist.
Für die streitgegenständlichen Räumlichkeiten liegt eine Baugenehmigung zur Nutzung als Bankfiliale vor. Die derzeitige Nutzung der Räumlichkeiten erweist sich als Wettbüro (vgl. zur Abgrenzung zwischen Wettannahmestelle und Wettbüro: BayVGH, B. v. 21.5.2015 – 15 CS 15.9 – juris; BayVGH, B. v. 19.5.2016 – 15 CS 16.300 – juris; BayVGH, B. v. 13.5.2016 – 9 ZB 14.1419 – juris), das sich unter Berücksichtigung der Größe und des damit verbundenen Einzugsbereichs sowie den Umständen des Einzelfalles und der gegebenen tatsächlichen örtlichen Situation als eine kerngebietstypische Vergnügungsstätte darstellt. Da sich die Nutzung der Räumlichkeiten als Vergnügungsstätte nicht mehr im Rahmen der Variationsbreite der genehmigten Nutzung als Bankfiliale bewegt, ist diese Nutzungsänderung nach Art. 55 Abs. 1 BayBO genehmigungspflichtig. Eine verfahrensfreie Nutzungsänderung nach Art. 57 Abs. 4 Nr. 1 BayBO kommt nicht in Betracht, da für eine Vergnügungsstätte eine andere bauplanungsrechtliche Beurteilung als für eine Bankfiliale vorzunehmen ist.
Für die tatsächlich seit 2006 aufgenommene Nutzung liegt eine bauaufsichtsrechtliche Genehmigung nicht vor, die Erteilung der Baugenehmigung wurde mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 13. April 2016 abgelehnt. Das Vorhaben erweist sich daher als formell baurechtswidrig.
Die untersagte Nutzung als Vergnügungsstätte ist auch nicht offensichtlich genehmigungsfähig. Nach summarischer Überprüfung der Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren erweist sich das Vorhaben voraussichtlich als bauplanungsrechtlich unzulässig nach § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO.
Das Vorhabengrundstück liegt im Geltungsbereich des einfachen Bebauungsplans Nr. … der Stadt … Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit richtet sich gemäß § 30 Abs. 3 BauGB im Übrigen nach § 34 BauGB. Nach § 34 Abs. 1 BauGB ist das Vorhaben zulässig, wenn es sich insbesondere nach dem Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Baugrundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in den §§ 2 ff. BauNVO bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens gemäß § 34 Abs. 2 BauGB nach seiner Art allein danach, ob es nach dieser Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre.
Der Gebietscharakter der hier maßgeblichen näheren Umgebung entspricht nach den übereinstimmenden Angaben von Antragstellerin und Antragsgegnerin einem Kerngebiet gemäß § 7 BauNVO. Das streitgegenständliche Wettbüro ist als kerngebietstypische Vergnügungsstätte nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO nach der Art der baulichen Nutzung grundsätzlich zulässig.
Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO sind die in den §§ 2 bis 14 BauNVO aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen jedoch im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.
Auch wenn es sich bei der maßgeblichen näheren Umgebung um ein Kerngebiet im Sinne des § 7 BauNVO handelt, kann gemäß § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO die Ansiedlung eines weiteren Wettbüros wegen der dort bereits vorhandenen Anzahl derartiger Anlagen der Eigenart des Baugebiets widersprechen (vgl. VGH Hessen, B. v. 25.8.2008 – 3 ZU 2566/07 – juris, Rn. 8). Selbst wenn sich eine Vergnügungsstätte allgemein in den Gebietscharakter eines Kerngebietes einfügen mag, kann sie sich im Einzelfall als unzulässig erweisen, wenn die Häufung derartiger Anlagen an einem bestimmten Standort städtebauliche Auswirkungen zeitigt, die angesichts der Eigenart des Gebiets unzumutbar sind. Durch die Häufung bestimmter Arten baulicher Anlagen in einem räumlichen Bereich kann der Gebietscharakter eine bestimmte Prägung erfahren, die sich negativ auf die städtebauliche Entwicklung in diesem Bereich und seine Nachbarschaft auswirkt (vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 15 BauNVO, Komm. Rn. 14). Eine Häufung von Vergnügungsstätten kann sich auch in einem Kerngebiet nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO als unzulässig erweisen, namentlich dann, wenn die Vergnügungsstätten andere im Kerngebiet zulässige Hauptnutzungsarten dergestalt verdrängen würden, dass die Charakterisierung als Kerngebiet letztlich entwertet würde (Entwicklung zu einem Vergnügungsviertel). Davon kann dann nicht die Rede sein, wenn sich die Vergnügungsstätte nach wie vor auch in einem durch andere Nutzungsformen geprägten, heterogenen Umfeld bewegt (vgl. OVG NRW, U. v. 18.2.1993 – 10 A 1590/88 – Beckonline).
Die nähere Umgebung des Vorhabenstandorts ist – auch nach der Einschätzung durch das Gutachten von … – durch eine Konzentration von Vergnügungsstätten (Mehrfachspielhallen, Spielhallen und Wettbüros) gekennzeichnet. Nach dem Gutachten sind in diesem Bereich Trading-Down-Tendenzen, eine weitere Massierung von Vergnügungsstätten in der Umgebung, eine unverträgliche Situation aufgrund dieser Häufung von Vergnügungsstätten im Umfeld und eine Verdrängung von Einzelhandel und Dienstleistungen, einhergehend mit entsprechendem Imageverlust, zu verzeichnen. Ob sich durch die streitgegenständliche Nutzung als Wettbüro damit ein disharmonisches Überwiegen einer Nutzungsart und damit ein Widerspruch zur Eigenart des Baugebiets im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO ergibt, erscheint nach Auffassung der Kammer unter Berücksichtigung der gutachterlichen Einschätzung plausibel, braucht jedoch vorliegend nicht entschieden zu werden, da angesichts dieses Befundes jedenfalls nicht von einer offensichtlichen Genehmigungsfähigkeit auszugehen ist.
Die angeordnete Nutzungsuntersagung stellt sich auch im Übrigen als verhältnismäßig und – soweit vom Gericht einer Überprüfung zugänglich – als ermessensfehlerfrei dar (§ 114 Satz 1 VwGO). Das der Antragsgegnerin eingeräumte Eingriffsermessen wird in erster Linie entsprechend dem mit der Befugnisnorm verfolgten Ziel, rechtmäßige Zustände herzustellen, durch Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte bestimmt. Die Bauaufsichtsbehörde muss in einer Weise vorgehen, mit der die ihr obliegende Aufgabe, für die Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften zu sorgen, möglichst effektiv erfüllt wird; liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Erlass einer Nutzungsuntersagung vor, muss im Regelfall nicht näher begründet werden, weshalb von der Eingriffsbefugnis Gebrauch gemacht wird (sogenanntes inteniertes Ermessen; vgl. BayVGH, B. v. 19.5.2016 – 15 CS 16.300 – juris, Rn. 37 m. w. N.).
Die Antragsgegnerin hat vorliegend das ihr eingeräumte Ermessen erkannt und rechtsfehlerfrei ausgeübt. Aus der langjährig ohne Baugenehmigung ausgeübten Nutzung als Wettbüro erwächst der Antragstellerin kein irgendwie gearteter „Bestands- oder Vertrauensschutz“. Vielmehr hat die Antragsgegnerin zu Recht die sofortige Vollziehung aus der Erwägung heraus angeordnet, einer Verfestigung baurechtswidriger Zustände entgegenzuwirken und demjenigen, der eine bauliche Anlage in illegaler Weise nutzt, den ungerechtfertigten Vorteil der zwischenzeitlichen Nutzung gegenüber einem gesetzestreuen Bauantragsteller zu entziehen.
Somit überwiegt vorliegend das öffentliche Interesse daran, die Nutzungsuntersagung sofort und nicht erst nach Eintritt der Bestands- bzw. Rechtskraft zu vollziehen. Soweit die Antragstellerin auf eine möglicherweise in Zukunft eintretende Änderung der Anzahl der Vergnügungsstätten im maßgeblichen Umgriff verweist, vermag dies ihrem Antrag nicht zum Erfolg zu verhelfen. Künftige, möglicherweise eintretende Veränderungen der Verhältnisse vor Ort sind rein spekulativ und daher nicht geeignet, eine (offensichtliche) Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens zu belegen oder eine vom Regelfall abweichende Ermessensentscheidung zu rechtfertigen.
2.
Auch die Zwangsgeldandrohung ist nach summarischer Prüfung ebenfalls rechtmäßig, substantiierte Einwendungen wurden hiergegen nicht erhoben. Insbesondere ist weder die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes noch die gesetzte Frist zur Aufgabe der untersagten Nutzung unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten zu beanstanden. Um den nötigen Nachdruck zu erzielen, soll das Zwangsgeld nach Art. 31 Abs. 2 VwZVG so bemessen werden, dass der Pflichtige keinen Vorteil aus der Nichterfüllung der Anordnung ziehen kann. Hierbei steht der Behörde innerhalb des gesetzlichen Rahmens ein weiter Entscheidungsspielraum zu, bei dem die Umstände des Einzelfalles und die persönlichen Verhältnisse des Pflichtigen zu berücksichtigen sind (vgl. BayVGH, B. v. 16.9.2010 – 1 CS 10.1803 – juris). Gemessen an diesen Vorgaben erscheint das vorliegend angedrohte Zwangsgeld in Höhe von insgesamt 10.000,00 EUR als angemessen.
3.
Der Antrag war nach alledem mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben