Baurecht

Nutzungsuntersagungsverfügung hinsichtlich eines Pferdestalls nebst Teeküche bei genehmigtem Mutterkuhstall

Aktenzeichen  M 11 S 17.462

Datum:
10.5.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 1
BayBO BayBO Art. 76 S. 2

 

Leitsatz

1 Alleinige Tatbestandsvoraussetzung einer Nutzungsuntersagungsverfügung nach Art. 76 S. 2 BayBO ist die formelle Illegalität der ausgeübten Nutzung. Die Errichtung eines Pferdestalls ist formell illegal, wenn ein Mutterkuhstall zur Milchviehhaltung, insbesondere ohne Pferdeboxen und „…stüberl“ genehmigt worden ist. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2 Der Erlass eine Nutzungsuntersagung ist auch nicht wegen offensichtlicher Genehmigungsfähigkeit der aktuell ausgeübten Nutzung der Pensionspferdehaltung unverhältnismäßig. Milchviehhaltung und Pensionspferdehaltung haben andere Anforderungen sowohl hinsichtlich der Haltung der Tiere als auch der Organisation des Betriebs, sodass nicht von einer derartigen Vergleichbarkeit beider Betriebsarten auszugehen sein dürfte, dass bei einer Umnutzung eines Stallgebäudes von offensichtlicher Genehmigungsfähigkeit auszugehen sein dürfte. (Rn. 25 – 26) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf EUR 2.500,- festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Anfechtungsklage gegen eine Nutzungsuntersagungsverfügung hinsichtlich eines Pferdestalls.
Der Antragsteller ist Eigentümer des Grundstücks FlNr. … der Gemarkung … Es liegt nach übereinstimmenden Angaben der Beteiligten im Außenbereich. Im Flächennutzungsplan sind an dieser Stelle Flächen für Land- und Forstwirtschaft dargestellt.
Mit Bescheid vom 18. Februar 2014 (…) wurde dem Antragsteller, der früher Milchviehhaltung betrieb, die Genehmigung für das Vorhaben „Abbruch eines Wohn- und Wirtschaftsgebäudes und Ersatzbau eines Wohn- und Wirtschaftsgebäudes“ erteilt. Der Wirtschaftsteil des Gebäudes wurde als Mutterkuhstallung mit Spalten, etc. für Kühe, Rinder und Kälber genehmigt.
Unter dem 10. März 2015 reichte der Antragsteller, da er sich während der Errichtung des Vorhabens entschlossen habe, die Milchviehhaltung aufzugeben und die hierfür vorgesehenen Flächen für die Unterstellung von Pferden zu nutzen, einen Tekturantrag auf Erteilung der Baugenehmigung ein, demzufolge das neu zu errichtende Wirtschaftsgebäude als Pferdestall mit 11 Pferdeboxen im Erdgeschoss und einem Aufenthaltsraum (Grundfläche 74,24 Quadratmeter) mit Teeküche, WC und Dusche („…stüberl“) im Obergeschoss, anstatt der dort vorgesehenen Fläche zur Futtermittellagerung ausgeführt werden soll.
Mit Beschluss vom 7. Juli 2015 verweigerte der Gemeinderat die Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass das von Beginn an genehmigungsabweichend errichtete Vorhaben, das zudem 0,55 m höher als genehmigt errichtet worden sei, nicht privilegiert sei und die Gefahr der Entstehung einer Splittersiedlung bestünde.
In den Akten befindet sich ein Vermerk über eine Baukontrolle am 28. Juni 2016 (Bl. 26 f. der Behördenakte). Bei dieser sei u.a. festgestellt worden, dass sich in dem zwischenzeitlich errichteten Gebäude an der Nordseite 11 Pferdeboxen befänden, in denen auch jeweils ein Pferd untergebracht gewesen sei. In der Südostecke unter einem Vordach befinde sich eine Abzäunung, innerhalb der ein weiteres Pferd untergestellt sei. Die genehmigte Mutterkuhstallung sei nach Angaben des Antragstellers nicht ausgeführt worden. Zudem werde die unter dem Aktenzeichen … genehmigte Bergehalle als Reithalle benutzt.
In den Akten (Bl. 24 f. der Behördenakte) befindet sich zudem eine Stellungnahme des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten … vom 28. September 2016. Aus dieser ergibt sich, dass bei einem am 22. September 2016 erfolgten Ortstermin festgestellt worden sei, dass der ursprünglich beantragte Mutterkuhstall nur als Bauhülle errichtet worden, dort aber nie Mutterkühe untergebracht gewesen seien. Es seien 11 Pferdeboxen (3m x 5m) eingebaut worden. An der östlichen Stirnseite befänden sich die notwendigen Nebenräume (Sattelkammer, Pfelgeplätze). Die südliche Längsseite sei offen und hier würden Heuballen gelagert. An der westlichen Stirnseite sei, nur über eine Außentreppe zugänglich, ein …stüberl ausgeführt worden, das aber noch nicht bezugsfertig sei. Die ehemalige Bergehalle sei zu einer Reithalle umgewidmet worden. Der Maschinenbestand werde abgebaut werden, sodass kein Gebäude zur Unterbringung von Maschinen mehr nötig sei. Für die Pferde werde eine Weide mit Weideunterstand zur Verfügung gestellt. Der Antragsteller habe mitgeteilt, dass er bereits seit 20 Jahren in einem ca. 1 km entfernten Offenstall Pferde halte. Die dortigen 7 Pensionspferde würden von ihren Besitzern betreut, er selbst übernehme keine Dienstleistungsaufgaben. Er habe auch keine Ausbildung in der Pferdehaltung. Die 11 Boxen im ehemaligen Mutterkuhstall seien komplett an eine Pächterin vermietet, von der der Antragsteller Einnahmen für die Boxennutzung erhalte. Der Antragsteller selbst habe mit der Pferdehaltung nichts zu tun. Die Pächterin betreibe eigentlich die Pferdehaltung. Zur Beurteilung der Situation wird am Ende der Stellungnahme ausgeführt, dass es sich bei der Pferdehaltung, wie sie der Antragsteller betreibe, eher um Vermietung und Verpachtung als um Pensionspferdehaltung handele. Pensionspferdehaltung sei gekennzeichnet durch Verträge mit den einzelnen Pferdebesitzern und durch die Übernahme von Dienstleistungen. Hierfür sei ausreichende Sachkunde erforderlich. Als Mindestnachweis solle ein Sachkundenachweis Pferdehaltung vorliegen. Zudem sei eine Reithalle mit den Maßen 20m x 40m erst ab einem Pferdebestand von 25 Pensionspferden ökonomisch sinnvoll. Die Voraussetzungen von § 35 Abs. 1 BauGB seien deshalb nicht erfüllt.
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 2. Januar 2017 des Landratsamts … (im Folgenden: Landratsamt) wurde gegenüber dem Antragsteller die Nutzung des ungenehmigten Pferdestalls mitsamt der Nebenräume (Sattelkammer), Lagerflächen und des …stüberls im Dachgeschoss (genehmigt als Mutterkuhstall) im Gebäude „Ersatzbau des Wohn- und Wirtschaftsgebäudes“ auf der FlNr. … der Gemarkung … spätestens ab einem Monat nach Zustellung der Anordnung untersagt (Ziffer I). Diese Anordnung wurde für sofort vollziehbar erklärt (Ziffer II). Die Pächterin Frau … wurde zur Duldung der Nutzungsuntersagung unter Ziffer I verpflichtet (Ziffer III). Zudem wurde für den Fall der Nichtbeachtung von Ziffer I ein Zwangsgeld von 2.000,- € (Ziffer IV) und für den Fall der Nichtbeachtung von Ziffer III ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000,- € (Ziffer V) angedroht.
Zur Begründung des Bescheids wurde im Wesentlichen darauf verwiesen, dass das Vorhaben „Mutterkuhstall“ durch die Errichtung des streitgegenständlichen Pferdestalls planabweichend ausgeführt worden sei. Hinsichtlich der Art der Nutzung sei zwar auf Anforderung bei der unteren Bauaufsichtsbehörde ein Antrag auf Nutzungsänderung eingegangen. Die beantragte Nutzungsänderung sei aber bauplanungsrechtlich unzulässig, da das Vorhaben keinem landwirtschaftlichen Betrieb diene und somit nicht privilegiert sei. Selbst falls der Antragsteller selbst die Pensionspferdehaltung übernähme, werde kein anderes Ergebnis erzielt. Der Pferdestall, mitsamt der Nebenräume (Sattelkammer), Lagerflächen und das …stüberl seien für die geringe Zahl an Einstellern völlig überdimensioniert. Auch die ohne Genehmigung umgenutzte Bergehalle in eine Reithalle mit den Maßen 20m x 40m sei erst ab einem Pferdebestand von mindestens 25 Pensionspferden ökonomisch sinnvoll. Bei der Form der Pferdehaltung, wie sie der Antragsteller betreibe, handele es sich nicht um Pensionspferdehaltung, sondern um Vermietung und Verpachtung der Gebäude und Flächen. Pensionspferdehaltung sei gekennzeichnet durch Verträge mit den einzelnen Pferdebesitzern und durch die Übernahme von Dienstleistungen. Hierfür sei ausreichende Sachkunde erforderlich. Die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB seien daher nicht erfüllt. Es handele sich somit um ein sonstiges Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB. Als solches sei es unzulässig, da es den Darstellungen des Flächennutzungsplans widerspreche, § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB. Auch scheide eine Nutzungsänderung nach § 35 Abs. 4 Nr. 1 BauGB aus, da die Nutzung des genehmigten Mutterkuhstalls nie aufgenommen worden und der Baubeginn auch erst für den 17. März 2014 gemeldet worden sei und somit noch keine 7 Jahre zurückliege. Die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit wurde im Wesentlichen damit begründet, dass nur mit einer Nutzungsuntersagung demjenigen, der ein Bauwerk illegal nutze, der ungerechtfertigte Vorteil gegenüber demjenigen, der eine Nutzung erst aufnehme, wenn die erforderliche Genehmigung erteilt sei, entzogen werden könne. Ein verzögertes Einschreiten ermuntere deshalb zur Nachahmung, insbesondere da eine Nutzungsänderung von einem Mutterkuhstall in einen Pferdestall für jedermann erkennbar sei.
Mit Schreiben vom 2. Februar 2017, eingegangen bei Gericht am selben Tag, ließ der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten, der zugleich auch namens und im Auftrag von Frau … … Klage erhob, Klage erheben (M 11 K 17.447).
Mit weiterem Schreiben vom 3. Februar 2017, eingegangen bei Gericht am selben Tag, ließ der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten zudem sinngemäß beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die Nutzungsuntersagung in Ziffer I des Bescheids des Landratsamts … vom 02.02.2017, Az.: … … … … … …, wiederherzustellen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Antragsteller entgegen dem Vorbringen des Landratsamts über die persönliche Fähigkeit hinsichtlich der Führung eines Pferdepensionsbetriebs verfüge, da er eine landwirtschaftliche Ausbildung durchlaufen habe. Nachweise würden nachgereicht. Ferner treffe es nicht zu, dass hinsichtlich der Pensionspferde (aktuell 7), die der Antragsteller seit 20 Jahren in einem ca. 1 km entfernten Offenstall halte, keine Pensionstierhaltung vorliege, da die Pferde von ihren Besitzern betreut würden. Richtig sei zwar, dass durch den Antragsteller nur die Grundversorgung dieser Pferde erfolge. Die Pferdebesitzer würden die Betreuung aber in unterschiedlicher Weise durchführen. Ferner sei es unzutreffend, dass die Pensionstierhaltung allein durch die Pächterin der Pferdeboxen Frau … erfolge. Der Antragsteller führe Betreuungs-, Versorgungs- und Pflegearbeiten hinsichtlich der Pferde durch. Er liefere das gesamte Heu und die Einstreu und betreue neben der Pächterin die Pferde, da er neben ihr die Ställe ausmiste, die Pferde auf die Koppeln bringe und im Bedarfsfall das Bereiten durch Dritte organisiere. Hinzu komme, dass die Pächterin Frau … im Bereich der Pferdepensionshaltung besonders ausgebildet sei. Gegenüber der Pächterin sei keine Anhörung erfolgt und keine Sofortvollzugsanordnung hinsichtlich der ihr gegenüber erlassenen Duldungsanordnung ergangen. Insoweit liege daher ein Ermessensausfall hinsichtlich der Duldungsanordnung gegenüber Frau … vor. Sie erleide zudem durch die Nutzungsuntersagung einen erheblichen Schaden, da sie keine Möglichkeit habe, die 11 eingestellten Pferde kurzfristig anderweitig unterzubringen. Es sei insbesondere zu berücksichtigen, dass es sich um Hengste handele, die im Regelfall von allgemeinen Reitställen nicht in einer derartigen Anzahl aufgenommen würden. Die Nutzungsänderung von Mutterkuhhaltung in Pferdepensionsbetrieb sei genehmigungsfähig. Die baulichen Anlagen seien ersichtlich der Pferdehaltung gewidmet und würden somit einem landwirtschaftlichen Betrieb dienen. Bei dem Vertrag zwischen dem Antragsteller und der Pächterin Frau … handele es sich nicht um einen reinen Einstellvertrag. Die notwendige eigene Futtergrundlage, um die Pferdepensionshaltung als Landwirtschaft i.S.d. § 201 BauGB ansehen zu können, werde, insbesondere in Form von Heu, der Pächterin ausschließlich vom Antragsteller zur Verfügung gestellt. Ferner erfolge das Sauberhalten der Ställe durch den Antragsteller. Da es sich um hochwertige Pferde handele, erfolge die Pflege, insbesondere der Ausritt, überwiegend durch die Einstellerin. Die Nebenräume (Sattelkammer, Lagerflächen und …stüberl) seien nicht überdimensioniert. Ggf. komme eine Nutzungsuntersagung allein des …stüberls in Betracht, was aber die Nutzung der Pferdeboxen nicht ausschließe. Die Nutzungsuntersagung sei rechtswidrig, da das Vorhaben aufgrund der zu bejahenden Privilegierung offensichtlich genehmigungsfähig sei. Schließlich sei die Ermessensentscheidung hinsichtlich der Nutzungsuntersagung nicht ordnungsgemäß erfolgt, da die rechtlichen und tatsächlichen Nachteile des Antragstellers und der Pächterin Frau … nicht berücksichtigt worden seien. Insbesondere sei laut eidesstattlicher Versicherung der Pächterin Frau … eine anderweitige Unterstellmöglichkeit in der Umgebung von … nicht zu finden. Die Tiere müssten in einem Provisorium untergebracht werden, was weder artgerecht noch aufgrund der Reinrassigkeit angemessen sei. Zuletzt fehle auch eine Ermessensentscheidung in Bezug auf die Nutzungsuntersagung an sich, da eine Ermessensentscheidung formell nur hinsichtlich der Sofortvollzugsanordnung vorliege. Zur Frage der Ermessensausübung im Rahmen der Sofortvollzugsanordnung sei anzumerken, dass es bisher nicht durch einen Bescheid belegt sei, dass die derzeitige Nutzung nicht genehmigungsfähig sei, da über den Tekturantrag bisher nicht entschieden wurde.
Mit weiterem Schreiben vom 23. Februar 2017 trug der Bevollmächtigte des Antragstellers noch vor, dass die Aussage in der Stellungnahme des Amts für Landwirtschaft, Ernährung und Forsten vom 28. September 2016, nämlich dass es sich bei der vorliegenden Form der Tierhaltung eher um Vermietung und Verpachtung handele, eine reine Vermutung sei. Es werde darauf abgestellt, dass entsprechende Verträge mit entsprechenden Inhalten vorliegen sollten. Bereits vor Bescheidserlass seien mit Schreiben der damaligen Bevollmächtigten des Antragstellers vom 16. Dezember 2016 Pferdeeinstellverträge, u.a. mit der Pächterin Frau …, vorgelegt worden, wonach der Antragsteller sich zu täglichem Füttern und Tränken der Pferde sowie dem Ausmisten der Box und Einbringung von Einstreu verpflichtet habe. Auf die vorgelegten Vertragskopien (Bl. 47 ff. der Behördenakte) wird Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 5. April 2017 legte der Antragsgegner die Akten vor und beantragte,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wurde auf den Bescheid vom 2. Januar 2017 verwiesen.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten, auch diejenigen des zugehörigen Klageverfahrens (M 11 K 17.447) und die vorgelegten Behördenakten, einschließlich Bauvorlagen, Bezug genommen.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
1. Der Antrag ist zulässig.
Im Falle der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit eines Verwaltungsakts gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ist ein Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung statthaft, § 80 Abs. 5 Satz 1, 2. Alt. VwGO.
2. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit der Nutzungsuntersagung überwiegt das Aussetzungsinteresse des Antragstellers.
Das Gericht der Hauptsache kann gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1, 2. Alt. VwGO die aufschiebende Wirkung der Klage aufgrund einer eigenen Ermessensentscheidung ganz oder teilweise wiederherstellen, wenn eine vorzunehmende Interessenabwägung ergibt, dass das Interesse des Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage das öffentliche Interesse an der Vollziehung des Verwaltungsakts überwiegt. Hierbei ist in erster Linie auf die Erfolgsaussichten der Klage des Antragstellers abzustellen. Erweist sich nach summarischer Prüfung der angefochtene Verwaltungsakt als rechtswidrig, so ist die Vollziehung regelmäßig auszusetzen, da an der Vollziehung eines rechtswidrigen Verwaltungsakts kein öffentliches Interesse bestehen kann. Erscheint der Verwaltungsakt dagegen nach vorläufiger Betrachtung als voraussichtlich rechtmäßig, ist der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz abzulehnen, sofern ein besonderes Vollzugsinteresse besteht. Stellen sich die Erfolgsaussichten als offen dar, hängt das Ergebnis allein von der vom Gericht vorzunehmenden Interessenabwägung ab.
Die anzustellende Interessenabwägung ergibt im Rahmen der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Angelegenheit anhand der Gerichtsakte und der beigezogenen Akten des Landratsamtes, dass das öffentliche Vollzugsinteresse das Suspensivinteresse des Antragstellers überwiegt, da der Rechtsbehelf des Antragstellers in der Hauptsache aller Voraussicht nach ohne Erfolg bleiben wird und ein besonderes Vollziehungsinteresse besteht.
a) Der angefochtene Nutzungsuntersagungsverfügung ist aller Voraussicht nach rechtmäßig.
aa) Nach ganz h.M. ist alleinige Tatbestandsvoraussetzung einer Nutzungsuntersagungsverfügung nach Art. 76 Satz 2 VwGO die formelle Illegalität der ausgeübten Nutzung. Die Errichtung des Pferdestalls in der vorliegenden Form ist formell illegal, da ein Mutterkuhstall zur Milchviehhaltung, insbesondere ohne Pferdeboxen und „…stüberl“ genehmigt worden ist. Zwar wurde unter dem 10. März 2015 ein Tekturantrag zur Errichtung des Pferdestalls in der jetzt faktisch bestehenden Form gestellt. Über diesen Antrag wurde aber bisher nicht entschieden.
bb) Auch ist der Erlass der Nutzungsuntersagung nicht wegen offensichtlicher Genehmigungsfähigkeit der aktuell ausgeübten Nutzung der Pensionspferdehaltung unverhältnismäßig.
Milchviehhaltung und Pensionspferdehaltung haben andere Anforderungen sowohl hinsichtlich der Haltung der Tiere als auch der Organisation des Betriebs, sodass wohl nicht von einer derartigen Vergleichbarkeit beider Betriebsarten auszugehen sein dürfte, dass bei einer Umnutzung eines Stallgebäudes von offensichtlicher Genehmigungsfähigkeit auszugehen sein dürfte.
Voraussetzung für eine derartige Nutzung im Außenbereich ist zwar in beiden Fällen das Vorliegen einer Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB, mithin das Vorliegen eines landwirtschaftlichen Betriebs. Jedoch muss es sich in jedem Fall beim konkreten Betrieb um ein auf Dauer lebensfähiges Unternehmen handeln. Hinsichtlich des Vorliegens eines landwirtschaftlichen Betriebs führt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH, U. v. 20.03.2001 – 20 B 00.2501 – juris Rn. 17) aus:
„Ein landwirtschaftlicher Betrieb setzt eine spezifische betriebliche Organisation und eine Nachhaltigkeit der Bewirtschaftung voraus. Es muss sich um ein auf Dauer gedachtes und auch lebensfähiges Unternehmen handeln (BVerwGE 26, 121; 41, 138; BVerwG vom 11.4.1986, NVwZ 1986, 916). Die Gewinnerzielung ist nicht zwingende Voraussetzung der Betriebseigenschaft, hat jedoch eine gewichtige, indizielle Bedeutung für die Ernsthaftigkeit und Nachhaltigkeit des Unternehmens. Es können auch andere Gesichtspunkte für die Ernsthaftigkeit und Nachhaltigkeit sprechen und die Gewinnerzielung mehr in den Hintergrund treten lassen. Hierbei kommt der Größe der landwirtschaftlichen Nutzflächen, der Betriebsform und der Betriebsorganisation, dem aufgewendeten Kapital und dem Bestand von Tieren und Maschinen eine indizielle Bedeutung zu. Ganz auf die Gewinnerzielung für die Zukunft kann aber nicht verzichtet werden, da sonst kein lebensfähiger Betrieb vorliegen würde (BVerwG v. 20.1.1981, BauR 1981, 358). Zumindest das für den Fortbestand zu bildende Eigenkapital muss der Betrieb neben der Entlohnung des Betriebsinhabers und der Mitarbeiter aufbringen können. Ferner kann für die Ernsthaftigkeit der landwirtschaftlichen Betriebsführung von Bedeutung sein, dass im konkreten Fall allein die landwirtschaftliche Nutzung im Vordergrund steht, nicht aber der Wunsch, im Außenbereich zu wohnen.“
Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich das erkennende Gericht an.
Im konkreten Fall bedeutet dies, dass der Antragsteller, falls er entgegen der Auffassung des Beklagten als Inhaber eines etwaigen landwirtschaftlichen Betriebs anzusehen wäre und nicht die Pächterin, dennoch die dauerhafte Lebensfähigkeit des Gesamtbetriebs entweder durch ein Gutachten oder ein absolut in sich schlüssiges und nachvollziehbares Betriebskonzept nachweisen müsste. Zudem müsste auch das konkrete Vorhaben, mithin der konkrete Stall mit 11 Boxen und einem Außenunterstand, einem landwirtschaftlichen Betrieb „dienen“. Dieses „Dienen“ wäre zu bejahen, wenn es von einem vernünftigen Landwirt, unter Berücksichtigung des Gebotes größtmöglicher Schonung des Außenbereichs, in dieser Form verwirklicht worden wäre, insbesondere also ein Betrieb mit der konkreten Anzahl an Tieren im Hinblick auf die Größe des Stallgebäudes und der hierfür notwendigen Investitionen und den zu erwartenden Gewinn.
Bereits hieraus ergibt sich die fehlende offensichtliche Genehmigungsfähigkeit, da an einen Pferdestall (insbesondere wenn es sich um Rassepferde handelt, deren Eigentümer hohe Erwartungen an eine artgerechte Unterbringung haben), andere Anforderungen als an einen Mutterkuhstall ergeben.
Auch liegt einen Milchviehbetrieb ein anderes Betriebskonzept zu Grunde als einem Pensionspferdebetrieb.
Schließlich ergeben sich auch bei Pferde- und Rinderhaltung unterschiedliche Anforderungen hinsichtlich der Bejahung der eigenen Futtergrundlage als Voraussetzung für die Annahme eines landwirtschaftlichen Betriebs nach § 201 BauGB. Während die Rechtsprechung für die Bejahung der eigenen Futtermittelgrundlage bei Pferdehaltung zwischen 0,35 ha (VG Neustadt an der Weinstraße, U. v. 22.02.2016 – 3 K 325/15.NW – juris Rn. 59; OVG Nordrhein-Westfalen, B. v. 30.10.2009 – 7 A 2370/08 – juris Rn. 42) und 0,5 ha (VG München, U. v. 29.06.2000 – M 11 K 99.2108 – juris Rn. 36) Grün- und Weideland pro Pferd und Jahr ausgeht, gelten bei Rinderhaltung andere Anforderungen. So wurde bei Rinderhaltung z.B. eine Mindestbewirtschaftung von 40 ha eigener Nutzfläche bei einem Rinderbestand von 425 Bullen verlangt (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 02.12.2013 – 2 A 2652/11 – juris Rn. 13).
All diese unterschiedlichen Konzepte, Zahlen und Maße zeigen, dass zur Beantwortung der Frage, ob ein auf Dauer lebensfähiger Betrieb vorliegt, jedenfalls das konkrete Betriebskonzept genau betrachtet werden muss und eine offensichtliche Genehmigungsfähigkeit nicht angenommen werden kann.
cc) Auch liegt kein Ermessensfehler deshalb vor, da formell zwar die Sofortvollzugsanordnung begründet wurde, aber kein eigener Abschnitt im Bescheid zur Ermessensausübung hinsichtlich des Erlasses der Nutzungsuntersagung als solcher vorhanden ist.
Die Nutzungsuntersagung ist die regelmäßige Folge der formellen Rechtswidrigkeit einer Nutzung. An die Ermessensausübung und deren Begründung sind in solchen Regelfällen keine hohen Anforderungen zu stellen. Sollen – wie hier – nach dem Willen der Behörde die für die Nutzungsuntersagung sprechenden öffentlichen Belange den Vorrang haben und weist der Fall keine Besonderheiten auf, die eine ausdrückliche Würdigung der privaten Belange gebieten, genügt für die Begründung der Ermessenserwägungen die Darlegung der öffentlichen Belange (vgl. BayVGH, B. v. 05.07.2004 – 15 CS 04.58 – juris Rn. 20). Im vorliegenden Fall bestehen daher keine Bedenken, da – selbst falls eine Abwägung allein im Rahmen der Sofortvollzugsanordung vorgenommen wurde – das Landratsamt damit umso mehr zu verstehen gegeben hat, dass die öffentlichen Belange hier den Vorrang genießen. Etwaige private Belange der Pächterin sind im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes des Antragstellers gegen die gegen ihn ergangene Nutzungsuntersagung von vorneherein unerheblich.
dd) Schließlich folgt auch keine Unverhältnismäßigkeit oder Ermessensfehlerhaftigkeit daraus, dass bereits seit langer Zeit nicht über den Bauantrag des Antragstellers entschieden worden ist. Auch in diesem Fall ist der Erlass einer Nutzungsuntersagung nur im Falle offensichtlicher Genehmigungsfähigkeit unverhältnismäßig. Dies folgt aus dem Zweck der Nutzungsuntersagung, den Vorrang des förmlichen Genehmigungsverfahrens abzusichern (vgl. Decker, in: Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, 123. EL August 2016, Rn. 282). Dem Antragsteller ist es unbenommen, Untätigkeitsklage auf Erteilung der Baugenehmigung zu erheben.
b) Ein besonderes Vollziehungsinteresse ist gegeben. Dies folgt hier bereits daraus, dass es sich bei einer Nutzungsuntersagung um eine Maßnahme zur Sicherung des Vorrangs des förmlichen Genehmigungsverfahrens handelt.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Streitwert folgt aus §§ 52, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG, wobei für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Hälfte des für das Klageverfahren anzusetzenden Streitwerts berücksichtigt wurde.


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