Baurecht

Planabweichende Errichtung eines Garagengebäudes im Außenbereich

Aktenzeichen  1 ZB 18.1166

Datum:
14.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 36078
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 4

 

Leitsatz

1. Das Tatbestandsmerkmal des „Sollens“ (§ 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB) setzt eine Wertung voraus, ob nach Lage der Dinge das Vorhaben wegen seiner Zweckbestimmung hier und so sachgerecht nur im Außenbereich untergebracht werden kann. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Zersiedelungswirkung kann nicht nur von baulichen Anlagen mit Aufenthaltsqualität ausgehen, sondern ebenso gut von Gebäuden, die sonstigen Zwecken zu dienen bestimmt sind, unter anderem auch von Garagen. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 11 K 16.572 2018-03-08 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 20.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Der Kläger begehrt die Erteilung einer Genehmigung für ein bereits verwirklichtes Vorhaben auf dem im Außenbereich gelegenen Grundstück FlNr. …, Gemarkung L* …
Das Landratsamt genehmigte für dieses Grundstück mit Bescheid vom 3. März 2010 den Neubau eines Garagengebäudes für Maschinen und Geräte zur Bearbeitung der Langlaufloipe und zur Schneeräumung in Holzkonstruktion. Bei einer Baukontrolle am 10. August 2010 stellte das Landratsamt fest, dass das Gebäude planabweichend errichtet wurde, u.a. wurde es in massiver Ziegelbauweise gefertigt. Im nordwestlichen Bereich des Gebäudes wurde entgegen der Eingabeplanung ein separat von außen zugänglicher, ca. 22 qm großer Aufenthaltsraum nebst WC verwirklicht, der der Unterbringung eines Waldkindergartens dienen sollte. Trotz einer innerhalb der Rohbauphase verfügten Baueinstellung wurde das Vorhaben fertiggestellt.
Der Kläger reichte mit Datum vom 26. Juli 2012 einen Tekturantrag mit der Bezeichnung „Teilbereich – Außenwände statt Holzkonstruktion – Ziegelmauerwerk“ ein. Die beantragte Änderung (im Plan rot dargestellt) bezieht sich auf die Außenwände im Bereich des als „Garage-Geräte“ bezeichneten Gebäudeteils. Das Landratsamt lehnte mit Bescheid vom 18. Januar 2016 den Tekturantrag ab. Die hiergegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 8. März 2018 abgewiesen. Das Vorhaben sei jedenfalls bauplanungsrechtlich unzulässig, weil die Errichtung des Bereichs „Garage-Geräte“ in Ziegelbauweise und mit Aufenthaltsraumqualität bauplanungsrechtlich unzulässig sei.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und besonderer rechtlicher und tatsächlicher Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) liegen nicht vor oder werden bereits nicht dargelegt (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO).
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 8.5.2019 – 2 BvR 657/19 – juris Rn. 33; B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838). Das ist nicht der Fall. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass der Kläger keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Genehmigung hat.
Der Kläger kann sich nicht auf eine Privilegierung des Vorhabens nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB berufen. Danach ist im Außenbereich ein Vorhaben u.a. zulässig, wenn es wegen seiner besonderen Anforderungen an die Umgebung, wegen seiner nachteiligen Wirkung auf die Umgebung oder wegen seiner besonderen Zweckbestimmung nur im Außenbereich ausgeführt werden soll. Das Tatbestandsmerkmal des „Sollens“ setzt eine Wertung voraus, ob nach Lage der Dinge das Vorhaben wegen seiner Zweckbestimmung hier und so sachgerecht nur im Außenbereich untergebracht werden kann. Der Privilegierung liegt zu Grunde, dass die Durchführung des Vorhabens im Außenbereich gerade durch die besondere Eigenart des Vorhabens erfordert wird. „Erforderlich“ in diesem Sinn ist das, was getan werden muss, damit die privilegierte Tätigkeit ausgeübt werden kann (vgl. BVerwG, B.v. 6.9.1999 – 4 B 74.99 – NVwZ 2000, 678; BayVGH, B.v. 24.1.2017 – 1 ZB 14.1205 – juris Rn. 9; B.v. 4.10.2016 – 9 ZB 14.2172 – juris Rn. 6). Es kann hier offenbleiben, ob das ursprünglich genehmigte Garagengebäude überhaupt unter die Privilegierung des § 35 Abs. 1 Nr. 4 VwGO fällt, denn jedenfalls geht die beantragte und tatsächliche Verwirklichung des Gebäudes in Massivbauweise und mit Aufenthaltsraumqualität über die Erfordernisse eines Lagerraums für Gerätschaften für den Loipenbetrieb und die Schneeräumung hinaus. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, wird dem Erfordernis eines witterungsgeschützten Lagerraums für Gerätschaften für den Loipenbetrieb und die Schneeräumung durch die ursprünglich genehmigte Ausführung als Holzkonstruktion ausreichend Rechnung getragen. Dabei ist auch die Wertung des § 35 Abs. 5 Satz 2 BauGB zu berücksichtigen, der grundsätzlich von einem Rückbau nach dauerhafter Aufgabe der Nutzung ausgeht. Soweit das Zulassungsvorbringen darauf abstellt, dass aufgrund des täglichen Einsatzes der Maschinen und Gerätschaften und deren hohen Beanspruchung oftmals Reparaturmaßnahmen erforderlich seien, die im Gebäude ausgeführt werden müssten und eine gewisse Innentemperatur hierfür erforderlich sei, fehlt es bereits an einer substantiierten Darlegung, dass diese Arbeiten vor Ort zu erfolgen haben. Zudem vermögen auch gelegentliche Reparaturarbeiten – nur diese wären von der ursprünglichen Genehmigung eines Garagengebäudes mitumfasst – eine Bauausführung in Massivbauweise nicht zu rechtfertigen. Die Ausführungen im Zulassungsvorbringen zur Erforderlichkeit eines Aufenthaltsraums und einer Toilette sind nicht entscheidungserheblich, da sich der Tekturantrag allein auf eine Änderung der Außenwände bzw. der Fassaden im Gebäudebereich „Garage-Geräte“ bezieht. Im Übrigen stehen die Ausführungen zum betrieblichen Erfordernis des Aufenthaltsraums auch im Widerspruch zu der Tatsache, dass der Kläger den Aufenthaltsraum ursprünglich an einen Waldkindergarten und später an einen Skiverleih vermietet hat. Da es bereits an einer Erforderlichkeit des Vorhabens fehlt, kommt es auf die weiter im Zulassungsvorbringen erfolgten Ausführungen, dass die Verfolgung individueller Interessen oder einer Liebhaberei einer Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB nicht entgegensteht, nicht an. Dass nach dem Zulassungsvorbringen in den umliegenden Skigebieten die Skihütten überwiegend als Ziegelbau errichtet seien, vermag dem Zulassungsantrag ebenfalls nicht zum Erfolg zu verhelfen. Der Kläger lässt hierbei unberücksichtigt, dass die Frage der Privilegierung im Anwendungsbereich des § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB jeweils für den konkreten Einzelfall zu bestimmen ist, so dass aus diesem Vortrag ein Genehmigungsanspruch nicht erwachsen kann.
Hinsichtlich der Richtigkeit der Annahme des Verwaltungsgerichts, das nach § 35 Abs. 2 und Abs. 3 BauGB zu beurteilende Vorhaben sei bauplanungsrechtlich unzulässig, bestehen ebenfalls keine ernstlichen Zweifel. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht darauf abgestellt, dass das Vorhaben die Entstehung bzw. Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lässt (§ 35 Abs. 3 Nr. 7 BauGB). Ohne Erfolg macht der Kläger hiergegen geltend, dass der Aufenthaltsraum im Gebäude eine nur untergeordnete Fläche in Anspruch nehme und zudem durch die betriebliche Nutzung bedingt sei. Dabei lässt er außer Acht, dass sich der Tekturantrag nur auf den Gebäudeteil „Garage-Geräte“ bezieht und somit für das Verwaltungsgericht entscheidend war, dass dem Gebäudeteil „Geräte-Garage“ infolge der beantragten Bauweise und der Aufteilung mit Fenstern und Türen eine Aufenthaltsraumqualität zukommt. Hiermit setzt sich das Zulassungsvorbringen nicht auseinander. Im Übrigen kann nicht nur von baulichen Anlagen mit Aufenthaltsqualität eine Zersiedelungswirkung ausgehen, sondern ebenso gut von Gebäuden, die sonstigen Zwecken zu dienen bestimmt sind, so u.a. auch von Garagen (vgl. BVerwG, U.v. 12.3.1998 – 4 C 10.97 – BVerwGE 106, 228). Da bei der Frage, ob ein Vorhaben nach § 35 Abs. 2 und 3 BauGB planungsrechtlich unzulässig ist, schon der Verstoß gegen einen der in § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB beispielhaft genannten öffentlichen Belange ausreicht (vgl. BVerwG, B.v. 8.11.1999 – 4 B 85.99 – BauR 2000, 1171), kommt es nicht darauf an, ob das beantragte Vorhaben auch die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigt (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB).
2. Tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegen nicht vor. Die auftretenden Fragen können anhand der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen und der hierzu erfolgten Rechtsprechung beantwortet werden. Auf die Rechtsausführungen im Beschluss wird Bezug genommen.
Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen, da sein Rechtsmittel erfolglos geblieben ist (§ 154 Abs. 2 VwGO). Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG und entspricht dem vom Verwaltungsgericht festgesetzten Betrag.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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