Baurecht

Plangenehmigung zur Erneuerung von Bahnsteigen

Aktenzeichen  22 AS 20.40008

Datum:
19.6.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
UPR – 2020, 539
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AEG § 11 Abs. 1 S. 2, § 18 Abs. 1, § 18e Abs. 2 S. 4
EBO § 2 Abs. 3 S. 1, § 13 Abs. 1 S. 1
UmwRG § 4 Abs. 1 S. 2, § 5 Abs. 3 S. 2
UVPG § 7 Abs. 1, § 9 Abs. 3, Abs. 4
VwGO § 58 Abs. 2, § 80 Abs. 5, § 80a Abs. 3, § 113 Abs. 1 S. 1
VwVfG § 74 Abs. 6

 

Leitsatz

1. Ein Drittbetroffener kann sich nicht darauf berufen, ein privates Eisenbahninfrastrukturunternehmen sei nicht berechtigt, einen Antrag auf Plangenehmigung zu stellen. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Planrechtfertigung für einen barrierefreien Umbau eines Bahnsteigs ergibt sich aus der Gewährleistung eines attraktiven Verkehrsangebotes und der Verpflichtung, auf eine erschwernisfreie Benutzung von Bahnanlagen durch behinderte Menschen hinzuwirken. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der plangenehmigte Umbau eines Bahnsteiges bedarf keiner Stilllegungsgenehmigung. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
4 Durch die Schaffung einer bundesweit möglichst einheitlichen Bahnsteighöhe von 76 cm in Verbindung mit entsprechend angepasstem Fahrzeugeinsatz soll eine nachhaltige Barrierefreiheit erreicht werden. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
III. Der Streitwert wird auf 3.750 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich als Eisenbahnverkehrsunternehmen gegen die teilweise angeordnete sofortige Vollziehbarkeit einer Plangenehmigung zur Erneuerung bzw. für den barrierefreien Ausbau von Bahnsteigen in einem Personenbahnhof.
Mit Plangenehmigung des Eisenbahnbundesamtes – Außenstelle Nürnberg (im Folgenden: EBA) vom 12. Dezember 2019 wurde der Plan der Beigeladenen für das Vorhaben „Bahnhof Nördlingen – Erneuerung Bahnsteig 1 und barrierefreier Ausbau Mittelbahnsteig“ betreffend den Bereich zwischen Bahnkm 68,838 bis Bahnkm 70,330 der Strecke 5300 Augsburg – Nördlingen und zwischen Bahnkm 111,350 bis Bahnkm 112,108 der Strecke 4710 Cannstatt – Nördlingen genehmigt.
Gegenstand des genehmigten Vorhabens ist zum einen die Herstellung eines neuen sogenannten Hausbahnsteigs an Gleis 4 mit einer Länge von 140 m, wobei insgesamt eine Sicherungslänge von 210 m vorgehalten werden soll, um eine spätere optionale Verlängerung zu berücksichtigen. Die Höhe des neuen Bahnsteigs über Schienenoberkante soll bei 76 cm liegen. Die Zuwegung erfolgt über einen 8,8 m langen Gehweg sowie über zwei Treppen. Zum anderen soll der neue sogenannte Mittelbahnsteig an Gleis 5 und 7 mit einer Länge von gleichfalls 140 m, einer Sicherungslänge von 210 m und einer Höhe von 76 cm über Schienenoberkante hergestellt werden. Der Bahnsteigzugang ist über eine Personenunterführung über Treppenanlagen und zudem barrierefrei über Aufzugsanlagen vorgesehen.
Am 23. Januar 2020 erhob die Klägerin gegen die Plangenehmigung vom 12. Dezember 2019 Klage (Verfahren 22 A 20.40001), nachdem sie gegen den Plangenehmigungsantrag der Beigeladenen mit Schreiben vom 12. Juni 2019 Einwände erhoben hatte.
Mit Schreiben vom 13. Februar 2020 beantragte die Beigeladene beim EBA die Anordnung des Sofortvollzugs der Plangenehmigung vom 12. Dezember 2019 beschränkt auf mit dem Plan genehmigte artenschutzfachliche Maßnahmen. Zur Begründung gab die Beigeladene im Wesentlichen an, die Umsetzung der genehmigten Hauptbaumaßnahme sei für die Jahre 2021 und 2022 vorgesehen. Hierfür seien erforderliche Gleissperrungen zur Berücksichtigung in den Fahrplänen angemeldet worden. Eine solche Anmeldung von Gleissperrzeiten erfordere derzeit eine Vorlaufzeit von mindestens drei Jahren.
Mit Bescheid vom 19. März 2020 wurde in Bezug auf die Plangenehmigung vom 12. Dezember 2019 die sofortige Vollziehung für insgesamt fünf Maßnahmen angeordnet, die im plangenehmigten Landschaftspflegerischen Begleitplan vom 1. März 2019 festgelegt sind.
In der Begründung wurde u.a. ausgeführt, die Vorabmaßnahmen müssten spätestens in dem der Hauptbaumaßnahme vorangehenden Jahr zu den festgesetzten Terminen erfolgen. Dies bedeute, dass eine Nichtumsetzung dieser Vorabmaßnahmen im Jahr 2020 aufgrund der klagebedingten aufschiebenden Wirkung eine zwingende Verschiebung der Hauptbaumaßnahme zur Folge haben würde; damit würden auch die angemeldeten zeitweisen Gleissperrungen obsolet.
Die Antragstellerin stellte am 4. Mai 2020 einen Antrag gemäß § 80 Abs. 5, § 80a Abs. 3 VwGO auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage vom 23. Januar 2020, soweit der Sofortvollzug angeordnet wurde. Sie rügt im Wesentlichen, es fehle ein besonderes, die Interessen der Antragstellerin überwiegendes öffentliches Interesse oder Interesse der Beigeladenen am Sofortvollzug. Die behaupteten Interessen der Beigeladenen seien nicht glaubhaft gemacht worden. Es sei nichts dafür vorgetragen worden, weshalb die Hauptbaumaßnahme zwingend in den Jahren 2021 und 2022 ausgeführt werden müsse. Die Anmeldung von Gleissperrzeiten nehme nicht grundsätzlich drei Jahre in Anspruch, sondern sei vom Einzelfall abhängig. Entgegen der Behauptung der Antragsgegnerin seien die Eingriffe in die Natur und den Artenschutz durch die Vorabmaßnahmen schwerwiegend und nicht reversibel. Die Interessen der Antragstellerin als Verkehrsunternehmen seien unzutreffend gewürdigt worden. Aus der unzureichenden Interessenabwägung folge zugleich eine fehlerhafte Ermessensentscheidung der Antragsgegnerin. Die Antragstellerin hätte vor Anordnung des Sofortvollzugs angehört werden müssen. Aufgrund einer summarischen Prüfung sei davon auszugehen, dass die angefochtene Plangenehmigung rechtswidrig sei und im Hauptsacheverfahren aufgehoben werde. Die geplante Verkürzung der Bahnsteige ohne Durchführung eines Stilllegungsgenehmigungsverfahrens gemäß § 11 AEG sei rechtswidrig; sie würde sich zudem durch eine (Teil-)Übernahme durch die Klägerin vermeiden lassen. Eine Verkürzung der Bahnsteige wirke sich zudem in unzulässiger Weise und erheblich auf die Streckenkapazität aus. Die Beigeladene sei auch nicht befugt, den Umbau der Bahnsteige zu planen und durchzuführen. Zudem sei die Erhöhung der Bahnsteige von derzeit 55 cm auf 76 cm unzulässig. Vom Bauvorhaben sei das nicht von der Beigeladenen, sondern von der Antragstellerin betriebene Gleis 46 betroffen. Zudem sei aufgrund einer rechtswidrigen, unzureichend dokumentierten Vorprüfung eine erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung unterlassen worden.
Die Antragsgegnerin und die Beigeladene beantragen jeweils die Ablehnung des Antrags.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten im vorliegenden Verfahren und im Klageverfahren 22 A 20.40001 Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist zulässig, jedoch unbegründet.
1. Gegen die Zulässigkeit des Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage bestehen keine Bedenken. Insbesondere wurde der Antrag innerhalb der Jahresfrist nach § 18e Abs. 2 Satz 4 AEG i.V.m. § 58 Abs. 2 VwGO gestellt; die Monatsfrist nach § 18e Abs. 3 Satz 2 AEG findet keine Anwendung, weil die Vollzugsanordnung nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung:nach § 18e Abs. 2 Satz 3 AEG versehen war.
2. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1, § 80a Abs. 3 VwGO hat keinen Erfolg. Die Vollzugsanordnung (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) ist formell rechtmäßig (a). Bei der Ermessensentscheidung des Gerichts über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist vor allem zu berücksichtigen, dass die Anfechtungsklage nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand unbegründet sein dürfte (b). Auch unabhängig davon überwiegt das Vollzugsinteresse der Allgemeinheit und der Beigeladenen das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin (c).
a) Die Vollzugsanordnung vom 19. März 2020 ist formell rechtmäßig.
aa) Die Begründung entspricht den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Die Antragsgegnerin hat die Anordnung des Sofortvollzugs ausführlich und einzelfallbezogen unter Nr. 6 des Bescheides vom 19. März 2020 begründet. Insbesondere hat sie dargelegt, dass eine fortdauernde aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin hinsichtlich der artenschutzfachlichen Vorabmaßnahmen eine mehrjährige zeitliche Verzögerung der Maßnahmenumsetzung insgesamt zur Folge hätte. Weiter hat sie das Interesse des Vorhabenträgers an der Erneuerung und dem barrierefreien Ausbau des Bahnhofs Nördlingen einerseits und das Interesse der Antragstellerin gemäß deren Stellungnahme vom 12. Juni 2019 andererseits berücksichtigt. Das Begründungserfordernis nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist lediglich formeller Natur; es beinhaltet keine materiell-rechtlichen Anforderungen. Auch überprüft das Gericht nicht die Ermessensentscheidung der Behörde, sondern trifft im Rahmen des § 80 Abs. 5, § 80a Abs. 3 VwGO eine originäre Ermessensentscheidung (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 51 und 55). Insoweit ist nicht entscheidungserheblich, ob die Erwägungen der Antragsgegnerin zu den genannten gegenläufigen Interessen defizitär sein könnten, wie die Antragstellerin meint.
bb) Der Umstand, dass die Antragstellerin vor Erlass der Vollzugsanordnung nicht angehört wurde, ist wohl bereits deshalb rechtlich unerheblich, weil es sich dabei um keinen Verwaltungsakt im Sinne des § 35 VwVfG handeln dürfte, dessen Erlass gemäß § 28 VwVfG eine vorherige Anhörung erfordern würde. Rechtsstaatlich geboten kann es sein, Drittbetroffene wie hier die Antragstellerin über den nachträglichen Erlass einer Vollzugsanordnung in Kenntnis zu setzen (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 53 m.w.N.). Dies ist vorliegend geschehen, wenngleich nicht unmittelbar nach deren Erlass, worauf die Antragstellerin hinweist. Soweit man dennoch eine Anhörungspflicht gemäß oder in Analogie zu § 28 VwVfG annehmen wollte, so wäre konsequenterweise die Heilungsvorschrift des § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG gleichermaßen (entsprechend) anzuwenden. Vorliegend wäre mittlerweile eine Nachholung der Anhörung im vorliegenden Verfahren eingetreten. Die Antragsgegnerin hat die Einwände der Antragstellerin gegen die Vollzugsanordnung ausweislich der Antragserwiderung vom 15. Mai 2020 gewürdigt.
b) Die Anfechtungsklage der Antragstellerin gegen die Plangenehmigung vom 12. Dezember 2019 dürfte nach derzeitigem Sach- und Streitstand unbegründet sein. Es spricht derzeit vieles dafür, dass die Plangenehmigung jedenfalls nicht in rechtserheblicher Weise (vgl. § 18c AEG i.V.m. § 75 Abs. 1a VwVfG) gegen Vorschriften verstößt, die (auch) dem Schutz subjektiver Rechte der Antragstellerin dienen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Auch dürfte kein Verfahrensfehler gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b) i.V.m. Satz 2 UmwRG vorliegen, den die Antragstellerin ggf. rügen könnte (vgl. § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 UmwRG).
aa) Die Rüge der Antragstellerin, die Beigeladene sei nicht berechtigt gewesen, den Antrag auf Plangenehmigung zu stellen, greift nicht durch. Zum einen kann sie sich als Drittbetroffene nicht darauf berufen, dass ein Antrag überhaupt gefehlt hat (vgl. BVerwG, U. v. 4.4.2012 − 4 C 8/09 u.a. – juris Rn. 258); erst recht kann sie nicht geltend machen, es habe nur ein Antrag eines unzuständigen Infrastrukturunternehmens vorgelegen. Zum anderen dürfte es bei einem privaten Vorhabenträger wie der Beigeladenen fraglich sein, ob deren Plangenehmigungsantrag mit der Begründung abgelehnt werden könnte, sie sei für die betreffende Eisenbahninfrastruktur nicht zuständig. Nur für den Fall, dass Träger des Vorhabens eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist, ist in der Rechtsprechung geklärt, dass diese für die konkrete Planung öffentlich-rechtlich zuständig sein muss (vgl. BayVGH, U.v. 24.2.1999 – 8 B 98.1627 u.a. – juris Rn. 27). Im Übrigen ist nicht ersichtlich, weshalb es europarechtlich nicht zulässig sein sollte, dass zum Betrieb eines Personenbahnhofs als Serviceeinrichtung durch ein Infrastrukturunternehmen wie die Beigeladene die dortigen Personenbahnsteige gehören (vgl. § 2 Abs. 9 AEG i.V.m. Anlage 2 Nr. 2 a) zum ERegG). Anderes ergibt sich auch nicht aus dem vom Antragsteller genannten Urteil des EuGH vom 10. Juli 2019 – C-210/18 -, das regulierungsrechtliche Fragen betrifft. Der EuGH hat in diesem Urteil entschieden, dass Anhang II der Richtlinie 2012/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. November 2012 zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums dahin auszulegen ist, dass die in Anhang I dieser Richtlinie genannten „Personenbahnsteige“ ein Bestandteil der Eisenbahninfrastruktur sind, deren Benützung nach Nr. 1 Buchst. c dieses Anhangs II unter das sogenannte Mindestzugangspaket fällt. Dass es auch mehrere Infrastrukturbetreiber geben kann, die über das Mindestzugangspaket entscheiden, dürfte nach dem Wortlaut der Eisenbahnrichtlinie 2012/34/EU zulässig sein, da der dortige Art. 13 Abs. 1 von einer Mehrzahl von Infrastrukturbetreibern ausgeht (vgl. Klinge, N& R 2019, 306/308); auch ist in Art. 3 Nr. 2 Halbs. 2 der Richtlinie vorgesehen, dass mit den bei einem Netz oder Teilen eines Netzes wahrzunehmenden Funktionen des Infrastrukturbetreibers verschiedene Stellen oder Unternehmen betraut werden können.
bb) Es ergibt sich nicht aus dem Vortrag des Antragstellers und ist auch sonst nicht ersichtlich, dass die durchgeführte allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls (vgl. § 9 Abs. 3 und Abs. 4 i.V.m. § 7 Abs. 1 i.V.m. Anlage 1 Nr. 14.8 UVPG) rechtsfehlerhaft wäre. Das EBA hat in einem Vermerk vom 11. Dezember 2019 (Bl. 177 bis 183 der Verfahrensakte 1/1) festgestellt, dass von dem streitgegenständlichen Vorhaben keine nachteiligen Umweltauswirkungen ausgehen. Die Antragstellerin hat nicht konkret aufgezeigt, inwieweit die Vorprüfung nicht entsprechend den Vorgaben des § 7 UVPG durchgeführt worden oder das Ergebnis nicht nachvollziehbar wäre (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwRG i.V.m. § 5 Abs. 3 Satz 2 UVPG). Sie behauptet lediglich sinngemäß, dass von dem Vorhaben erhebliche Umweltauswirkungen ausgehen würden. Der Umstand allein, dass z.B. artenschutzfachliche Maßnahmen zur Vermeidung nachteiliger Auswirkungen vorgesehen sind, belegt dies nicht; bei der Vorprüfung berücksichtigt die Behörde, ob erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen u.a. durch Vorkehrungen des Vorhabenträgers offensichtlich ausgeschlossen werden (vgl. § 7 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 9 Abs. 4 UVPG, Nr. 3.7 der Anlage 3 zum UVPG). Auch widerspricht die Beschreibung von Umweltauswirkungen im Vermerk vom 11. Dezember 2019 nicht ohne weiteres der dortigen Bewertung, dass diese Auswirkungen nicht erheblich nachteilig seien. Zudem ist nicht zu beanstanden, wenn die Bewertung der Planfeststellungsbehörde u.a. auf den Erläuterungsbericht vom 12. Juli 2019 mit der dortigen Zusammenfassung der Umweltauswirkungen (vgl. Nr. 9 der Unterlage 1) und den Landschaftspflegerischen Begleitplan vom 1. März 2019 Bezug nimmt; diese inhaltliche Bezugnahme ist bei der Bewertung der Nachvollziehbarkeit der Vorprüfung mit zu berücksichtigen. Die Antragstellerin hat keine substantiierten Einwendungen gegen die Ausführungen im Vermerk vom 11. Dezember 2019 und die dort in Bezug genommenen genehmigten Antragsunterlagen erhoben. Insbesondere hat sie sich nicht konkret mit den einzelnen Bewertungen im Vermerk vom 11. Dezember 2019 auseinandergesetzt und hat nicht konkret aufgezeigt, inwieweit es an deren Nachvollziehbarkeit fehlt.
cc) Die Planrechtfertigung für das streitgegenständliche Vorhaben ist gegeben. Eine solche setzt voraus, dass ein Vorhaben im Hinblick auf die fachgesetzlichen Ziele vernünftigerweise geboten ist. Insbesondere das Ziel eines barrierefreien Ausbaus dient der Gewährleistung eines attraktiven Verkehrsangebotes im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 AEG. Die Beigeladene kommt mit dem plangenehmigten Vorhaben insbesondere auch der Verpflichtung aus § 2 Abs. 3 Satz 1 EBO nach, auf die Ermöglichung einer erschwernisfreien Benutzung von Bahnanlagen und Fahrzeugen durch behinderte Menschen hinzuwirken, wobei sich Inhalt und Umfang dieser Pflicht allein aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergeben (vgl. BVerwG, U.v. 5.4.2006 – 9 C 1/05 – juris Rn. 24; BayVGH, U.v. 16.3.2011 – 22 A 09.40041 – juris Rn. 18). Das plangenehmigte Vorhaben ist auch grundsätzlich geeignet, die Barrierefreiheit der zu ändernden Bahnanlagen deutlich zu verbessern, was auch die Antragstellerin nicht substantiiert bestreitet. Die Beigeladene weist auch zutreffend darauf hin, dass damit auch dem verfassungsrechtlichen Diskriminierungsverbot aus Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG Rechnung getragen wird.
dd) Der Rechtsauffassung der Antragstellerin, das plangenehmigte Vorhaben bedürfe einer Stilllegungsgenehmigung gemäß § 11 AEG, ist nicht zu folgen. Genehmigungspflichtig ist gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 AEG die dauernde Einstellung des Betriebes einer Strecke oder einer Serviceeinrichtung, eines für die Betriebsabwicklung wichtigen Bahnhofs und die mehr als geringfügige Verringerung der Kapazität einer Strecke. Es ist nicht ersichtlich, dass vorliegend eine der vorgenannten Tatbestandsalternativen erfüllt wäre. Die Beigeladene hat insbesondere nachvollziehbar dargelegt, dass die Kapazität der hier betroffenen Strecke nicht verändert wird. Für das Vorliegen einer Stilllegung im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 2 AEG ist es offensichtlich nicht ausreichend, dass die Länge der betreffenden Bahnsteige und deren Höhe geändert werden und damit möglicherweise die Nutzbarkeit für den Betrieb des Antragstellers gemindert wird. Auch ist nicht nachvollziehbar, inwieweit sich aus dem Urteil des EuGH vom 10. Juli 2019 – C-210/18 – ergeben könnte, dass unionsrechtlich im vorliegenden Fall die Annahme einer mehr als geringfügigen Verringerung der Streckenkapazität geboten sein könnte, wie die Antragstellerin behauptet. Es ist schon nicht plausibel, dass diese Entscheidung betreffend den Anwendungsbereich des sogenannten Mindestzugangspakets die Tatbestandsvoraussetzungen der Genehmigungspflicht für Stilllegungsmaßnahmen determinieren soll.
ee) Die angefochtene Plangenehmigung ist nicht mit Mängeln bei der Abwägung der von dem Vorhaben berührten privaten Belange der Antragstellerin behaftet, die offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen wären (vgl. § 18c AEG i.V.m. § 75 Abs. 1a VwVfG).
Die Antragstellerin behauptet, das von ihr betriebene Gleis 46 würde im Rahmen des streitgegenständlichen Vorhabens geändert; die Antragsgegnerin und die Beigeladene bestreiten dies. Konkrete Anhaltspunkte für diese Behauptung ergeben sich weder aus der Antragsbegründung der Antragstellerin noch sind sie sonst ersichtlich. Eine solche Änderung ist insbesondere weder dem der Plangenehmigung zugrundeliegenden Erläuterungsbericht noch den Lageplänen, die Genehmigungsgegenstand sind, zu entnehmen.
Auch die Behauptung der Antragstellerin, durch die Baumaßnahme solle der sogenannte Gleisauszug bzw. das Ausziehgleis des Güterbahnhofs als Bau- und Umschlagsfläche überplant und hierzu eine besondere Bau straße angelegt werden, ist nicht nachvollziehbar. Die Antragstellerin benennt keine konkrete Stelle in der von ihr in Bezug genommenen Unterlage 9, der eine solche Festlegung entnommen werden könnte. Die Beigeladene hat in ihrer Erwiderung u.a. unter Bezugnahme auf einzelne Angaben im Bauwerksverzeichnis erläutert, dass die temporäre Baustellenzufahrt außerhalb des Gleises verläuft. Die Antragstellerin hat sich hiermit nicht substantiiert auseinandergesetzt.
Das Interesse der Antragstellerin daran, dass die bisherigen Bahnsteiglängen beibehalten werden, wurde in der angefochtenen Plangenehmigung berücksichtigt. Die Nutzungslänge soll am Gleis 4 von 197 m auf 140 m sowie an den Gleisen 5 und 7 von 205 m auf gleichfalls 140 m gekürzt werden. In der Plangenehmigung (dort S. 31) wird nachvollziehbar dargelegt, dass der Zugangsanspruch der Antragstellerin hierdurch nicht verletzt werde. Grundlage für das Vorhaben sei die verkehrliche Aufgabenstellung; die Bahnsteiglängen von 140 m seien von der Bayerischen Eisenbahngesellschaft (BEG) als Bestellerin der Schienenpersonennahverkehrsleistungen für beide Bahnsteige bei der Beigeladenen bestellt und demgemäß geplant worden. Die Antragstellerin bestreitet nicht, dass diese Bahnsteiglängen für die von der BEG bestellten Verkehrsleistungen ausreichen. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Bahnsteiglängen anhand der maximalen Zuglänge für den längsten planmäßig an der Bahnsteigkante haltenden Reisezug bemessen wird. Weiter hat die Antragstellerin in ihrem Einwendungsschreiben vom 12. Juni 2019 selbst angegeben, die Bahnsteige des Bahnhofs Nördlingen mit Zügen „für touristische Sonderfahren bzw. Gelegenheitsverkehre im Personenverkehr“ durchschnittlich zweimal im Monat zu nutzen; der Bahnhof Nördlingen werde von ihrem Unternehmen beispielsweise mit Zügen angefahren, die aus acht Reisezugwagen mit einer Länge von jeweils 26,4 m und einer Gesamtlänge von mindestens 211,2 m bestehe. Die mit Schriftsatz vom 8. Mai 2020 vorgelegte Regeltrassenanmeldung zum Netzfahrplan 2020/2021 ist nicht zum Nachweis geeignet, dass in der Plangenehmigung regelmäßig verkehrende Reisezüge der Antragstellerin zu berücksichtigen gewesen wären. Es ergibt sich bereits weder aus dem Vortrag der Antragstellerin noch ist sonst ersichtlich, dass diese Anmeldung der Planfeststellungsbehörde bereits vor dem Genehmigungserlass am 12. Dezember 2019 als dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt vorgelegen hätte. In der angefochtenen Plangenehmigung (dort S. 32 f.) wird ausgeführt, die Antragstellerin könne entweder mit kürzeren Zügen verkehren oder geeignete organisatorische Maßnahmen treffen (z.B. Sichern oder vorübergehendes Absperren der nicht nutzbaren Türen im Ausgangs- bzw. Zielbahnhof Nördlingen), um den Bahnhof Nördlingen weiterhin nutzen zu können. Entsprechende Maßnahmen seien auch in der Anlage 2 des besonderen Teils der Schienennutzungsbedingungen der Antragstellerin vorgesehen. Zudem seien an der von der Antragstellerin gepachteten Strecke bereits jetzt Bahnsteige mit Nutzlängen vorhanden, die sowohl die jeweils verwendeten Wagenzuglängen wie auch die am Bahnhof Nördlingen geplanten Nutzlängen unterschreiten würden. Es ergibt sich nicht konkret aus dem Vortrag der Antragstellerin und ist auch sonst nicht erkennbar, inwieweit diese Erwägungen sachlich oder rechtlich fehlerhaft sein könnten. Die Planfeststellungsbehörde hat bei ihrer Entscheidung insbesondere berücksichtigt, dass die Nutzung der bisher von der Antragstellerin eingesetzten Wagen am Bahnhof Nördlingen infolge der streitgegenständlichen Baumaßnahme eingeschränkt würde; sie hat diese Einschränkungen im Rahmen der Abwägung als zumutbar bewertet. Im Übrigen weist die Beigeladene zutreffend darauf hin, dass Eisenbahnverkehrsunternehmen kein Anspruch auf Erhalt von Eisenbahninfrastruktureinrichtungen zusteht, die benötigt werden, um altes Zugmaterial weiterhin (uneingeschränkt) nutzen zu können (vgl. BVerwG, U.v. 05.07.2018 – 3 C 21/16 – juris Rn. 39).
In der angefochtenen Plangenehmigung (dort S. 33 f.) wurde auch in rechtlich nicht zu beanstandender Weise begründet, weshalb die geplante Bahnsteighöhe von 76 cm der für den Regelfall geltenden rechtlichen Vorgabe entspricht und hiervon nicht im Hinblick auf die Interessen der Antragstellerin abgewichen werden müsste. Es wird dort zutreffend darauf hingewiesen, dass gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 EBO bei umfassenden Umbauten von Personenbahnsteigen die Bahnsteigkanten auf eine Höhe von 76 cm über Schienenoberkante gelegt werden sollen. Die Antragstellerin bestreitet nicht substantiiert, dass vorliegend derartige umfassende Umbauten Genehmigungsgegenstand sind. Für die Behauptung der Antragstellerin, die Entscheidung über die Festlegung der Bahnsteighöhe unterliege einer Verhältnismäßigkeitsprüfung, sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Vielmehr deutet die Formulierung der genannten Regelung darauf hin, dass im Regelfall eine Bahnsteighöhe von 76 cm festzulegen ist. In der Plangenehmigung wird weiter nachvollziehbar ausgeführt, dass durch die Schaffung einer bundesweit möglichst einheitlichen Bahnsteighöhe in Verbindung mit entsprechend angepasstem Fahrzeugeinsatz eine nachhaltige Barrierefreiheit erreicht werden soll. Auch habe die Vorhabenträgerin glaubhaft dargestellt, dass die Fahrzeuge der Antragstellerin an Bahnsteigen mit einer Höhe von jeweils 76 cm halten können und dies bereits aktuell an anderen Verkehrsstationen durchgeführt werde. Die Antragstellerin hat dieser Feststellung nicht substantiiert widersprochen. Zwar mag der barrierefreie Ein- und Ausstieg der Fahrgäste und die problemlose Bedienung aller Türen bei bisher von der Antragstellerin eingesetztem Zugmaterial bei einer Bahnsteighöhe von 55 cm oder niedriger gewährleistet sein. Es ist jedoch ohne weiteres einleuchtend und abwägungsfehlerfrei, wenn sich vorliegend die festgelegte Bahnsteighöhe vorrangig an den Erfordernissen des für den Freistaat Bayern bestellten Schienenpersonennahverkehrs orientiert, nicht dagegen an den von der Antragstellerin betriebenen touristischen Sonderfahrten bzw. Gelegenheitsverkehren im Personenverkehr. Die Beigeladene hat zutreffend angemerkt, dass die BEG in ihrer Stellungnahme vom 21. Mai 2019 mitgeteilt hat, dass Nutzfahrzeuge mit einer Einstiegshöhe von 76 cm eingesetzt werden, so dass die neuen Bahnsteige entsprechend nutzbar sein müssen. Die Antragstellerin hat ferner selbst betont, die Frage der zulässigen, den Interessen aller Beteiligten entsprechenden Bahnsteighöhe bei Umbauten hänge immer von den Umständen des Einzelfalls ab. Bereits aus diesem Grund ist nicht nachvollziehbar, weshalb eine von der Bahnsteighöhe von 76 cm abweichende Festlegung in einer anderen von der Antragsgegnerin erteilten Plangenehmigung, die einen anderen Einzelfall betrifft, die Festlegung für den vorliegenden Fall in Frage stellen sollte, wie die Antragstellerin meint.
c) Auch eine Interessenabwägung im Übrigen ergibt, dass der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzulehnen ist. Die Beigeladene hat schlüssig erklärt, dass die von der Vollzugsanordnung erfassten Vorabmaßnahmen in den jeweiligen Zeitfenstern im Jahr 2020 durchgeführt werden müssen, um die Durchführung der Hauptmaßnahme in den darauffolgenden zwei Jahren nicht zu gefährden. Es ist ohne weiteres einsichtig, dass eine Bauverzögerung mit erheblichen Mehrkosten verbunden wäre. Zudem würde das öffentliche Interesse an den mit der Maßnahme verbundenen Verbesserungen insbesondere hinsichtlich der Barrierefreiheit der zu ändernden Bahnsteige durch eine Verzögerung der Maßnahme beeinträchtigt.
Auf der anderen Seite betrifft die Umsetzung der vom Sofortvollzug erfassten artenschutzfachlichen Maßnahmen keine Interessen der Antragstellerin (vgl. BVerwG, B.v. 19.4.2005 – 4 VR 1001/04 u.a. – juris Rn. 13).
3. Kosten: § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO.
Streitwert: § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nrn. 1.5 und 34.2.6 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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