Baurecht

Prüfungsrahmen bei einem Änderungsgenehmigungsverfahren für Windkraftanlagen

Aktenzeichen  W 4 S 18.1629

Datum:
29.1.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 7167
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80, § 80a
BImSchG § 5 Abs. 1 Nr. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 1, § 15, § 16
UmwRG § 2 Abs. 1, § 3
BauBG § 35 Abs. 3 S. 2
BayBO Art. 82, Art. 83

 

Leitsatz

1 Für das Vorhaben des Typenwechsels bedarf es grundsätzlich keiner erneuten Genehmigung nach § 16 Abs. 1 Satz 1 BImSchG, wenn der Wechsel den Voraussetzungen des § 6 BImSchG in gleicher Weise wie bei der Erstgenehmigung entspricht. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2 Sinn und Zweck des für die Änderung geltenden Genehmigungsvorbehalts kann es nicht sein, den gesamten Prüfaufwand bei der erstmaligen Errichtung erneut auszulösen. Vielmehr geht es darum, sicherzustellen, dass auch die geänderte Anlage den Genehmigungsvoraussetzungen genügt.  (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
3 Hat die Änderung des Anlagentyps keine Auswirkungen auf Belange des Arten- und Naturschutzes, weil sich die Standorte nicht ändern und die Gesamthöhe der geplanten Anlage die der bereits genehmigten Anlage nicht übersteigt, kann die Änderungsgenehmigung nicht zu Anlass genommen werden, Nachbesserungen an der Erstgenehmigung vorzunehmen. (Rn. 36 – 39) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
III. Der Streitwert wird vor der Abtrennung auf 7.500,00 EUR, nach der Abtrennung auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller, ein anerkannter Umweltschutzverband, begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage W 4 K 17.959 gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Landratsamts Rhön-Grabfeld vom 27. Juli 2017 für die Errichtung und den Betrieb von Windkraftanlagen des Typs Enercon E-115 mit einer Leistung von jeweils 3 MW und einer Gesamthöhe von 193,34 m.
Der vorliegende Antrag richtet sich gegen die sofortige Vollziehung dieser Genehmigung hinsichtlich der Windenergieanlage 1 (WEA 1), Gemarkung J* …, 97* … H* …, Flnr. …3.
1. Die Beigeladene plante ursprünglich die Errichtung und den Betrieb von insgesamt 13 Windkraftanlagen des Typs Nordex N-117 mit einer Leistung von jeweils 2,4 MW und einer Gesamthöhe von 199 m in den Windparks „W* …“ und „Wa* …“. Mit Bescheiden vom 17. November 2014 erteilte das Landratsamt Rhön-Grabfeld die entsprechenden Genehmigungen. Die dagegen von Anwohnern erhobenen Klagen hat das Verwaltungsgericht Würzburg mit Urteil vom 8. August 2017 abgewiesen. Den Antrag auf Zulassung der Berufung hat der Bayer. Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 7. Mai 2018 abgelehnt (u.a. Az. 22 ZB 17.2088 – 22 ZB 17.2097).
Jeweils unter dem 21. August 2015 beantragte die Beigeladene die Genehmigung eines Typwechsels. Geplant ist demnach die Errichtung und der Betrieb von Windenergieanlagen des Typs Enercon E-115 mit einer Leistung von jeweils 3 MW und einer Gesamthöhe von 193,34 m. Die Standorte änderten sich gegenüber der ursprünglichen Planung nicht.
Im Rahmen der standortbezogenen Vorprüfung der Umweltverträglichkeit nach §§ 3a und 3c Satz 2 i.V.m. Anlage 2 UVPG (a.F.) wurde vom Landratsamt Rhön-Grabfeld festgestellt, dass für das geänderte Vorhaben keine neue Beeinträchtigung erfolge. Das Ergebnis der Vorprüfung wurde am 14. Oktober 2015 im Amtsblatt des Landkreises Rhön-Grabfeld sowie auf der Internetseite der Unteren Immissionsschutzbehörde am Landratsamt Rhön-Grabfeld bekannt gemacht.
Mit Bescheid vom 27. Juli 2017 wurden der Beigeladenen die Änderungsgenehmigungen nach § 16 BImSchG für den Anlagentyp Enercon erteilt.
Hiergegen hat der Kläger mit Schriftsatz vom 30. August 2017 Klage erhoben (Az. W 4 K 17.959), über die noch nicht entschieden ist.
2. Mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2018 ließ der Antragsteller beantragen,
Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers vom 30. August 2018 (gemeint wohl: 2017) gegen die der Beigeladenen von dem Antragsgegner erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 27. Juli 2017 wird hergestellt.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt:
Der Antrag sei zulässig und begründet, die Beigeladene greife massiv in die Rechte des Antragstellers und insbesondere in umwelt- und naturschutzrechtliche Belange ein. So werde gerügt, dass seitens des Antragsgegners lediglich eine standortbezogene Vorprüfung stattgefunden habe, statt der hier erforderlichen vollständigen UVP. Des Weiteren widerspreche der Antragsteller aus arten- und naturschutzfachlichen Gründen der Genehmigung und lehne diese ab. Insbesondere aus Gründen des Naturschutzes hätte der Antragsgegner die Genehmigung versagen müssen, da Belange des Vogelschutzes und des Fledermausschutzes in erheblichem Ausmaß dem Vorhaben entgegenstünden. Weiter werde dem Vorhaben die planungsrechtliche Zulässigkeit aberkannt, weil das Änderungsvorhaben Belange des Artenschutzes beeinträchtige und dem Vorhaben der Ausschlusstatbestand des § 35 Abs. 3 Satz 2 BauGB entgegenstehe. Schließlich liege ein Verstoß gegen die Abstandsregelung des Art. 82 und 83 BayBO vor. Zudem gelange man bei einer Interessenabwägung zu dem Ergebnis, dass vorliegend weder ein öffentliches Interesse, noch ein Interesse des Beigeladenen an der sofortigen Vollziehung bestehen könne. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den 95-seitigen Schriftsatz des Antragstellervertreters verwiesen.
3. Der Antragsgegner beantragte mit Schriftsatz vom 16. Januar 2019,
den Antrag abzulehnen.
Es sei schon fraglich, ob der Antrag zulässig sei, er sei jedenfalls unbegründet, da eine erneute Umweltverträglichkeitsprüfung nicht erforderlich gewesen sei. Belange des Naturschutzes stünden dem Typenwechsel nicht entgegen. Ein Verstoß gegen Art. 82 und 83 BayBO liege nicht vor, weil die Abstandsregelungen des Art. 82 BayBO keine Anwendung fänden. Das Interesse der Beigeladenen an der sofortigen Vollziehung der Genehmigung übersteige das Interesse am Suspensiveffekt von Rechtsmitteln.
4. Mit Schriftsatz vom 18. Januar 2019 beantragte der Beigeladenenvertreter,
den Antrag abzulehnen.
Die durchgeführte standortbezogene UVP-Vorprüfung sei ausreichend gewesen. Auch das Ergebnis der UVP-Vorprüfung sei korrekt. Naturschutzrecht sei kein Prüfungsmaßstab für die Änderungsgenehmigung. Das Privatinteresse der Beigeladenen überwiege nach derzeitiger Sach- und Rechtslage ein vermeintliches Interesse an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die ausführlichen Schriftsätze des Antragstellers, des Antragsgegners und der Beigeladenen sowie auf die Gerichts- und Behördenakten und auf die Akten des Hauptsacheverfahrens Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg, da er in der Sache unbegründet ist.
1.1 Der Antrag ist zulässig. Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Antragsgegners vom 27. Juli 2017 hat keine aufschiebende Wirkung, nachdem der Antragsgegner in Ziffer II. des streitgegenständlichen Bescheids Ziffer I. des Bescheids für sofort vollziehbar erklärt hat. In einem solchen Fall kann das Gericht gemäß §§ 80a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherstellen, ohne dass es eines vorherigen Antrags des Dritten bei der Behörde entsprechend § 80 Abs. 4 VwGO bedarf (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80a Rn. 19).
Dem Antragsteller steht auch die erforderliche Rechtsbehelfsbefugnis zu, denn bei ihm handelt es sich, was zwischen den Parteien offensichtlich unstreitig ist, um einen anerkannten Umweltschutzverband nach § 3 UmwRG, der gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UmwRG lediglich geltend machen muss, dass eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG oder deren Unterlassung Rechtsvorschriften widerspricht, die für die Entscheidung von Bedeutung sein können. Das eröffnet insoweit die Rechtsbehelfsbefugnis unter jedem Aspekt möglicher Rechtswidrigkeit der fraglichen Entscheidung bzw. des Unterlassens. Irgendeine Umweltbezogenheit der Rechtsvorschrift ist somit nicht erforderlich (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 2 UmwRG, Rn. 3).
2. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
Im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO prüft das Gericht, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind. Der Antragsgegner muss das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheids ausreichend und schriftlich begründet haben (§ 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO). Im Übrigen trifft das Gericht eine eigene, originäre Ermessensentscheidung anhand der in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO normierten Kriterien. Das Interesse der Beigeladenen an einer sofortigen Ausnutzung der Genehmigung ist mit den Interessen des Antragstellers an einer Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzuwägen. Hierbei sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache von maßgeblicher Bedeutung (vgl. BayVGH, B.v. 17.9.1987 – 26 CS 87.01144 – BayVBl. 1988, 369; Schmidt in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 69). Denn es besteht kein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung eines offensichtlich rechtswidrigen Verwaltungsaktes. Die Genehmigung ist nur dann aufzuheben, wenn sie rechtswidrig ist und der Antragsteller dadurch in seinen Rechten verletzt wird (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Wenn die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen sind, ist das Interesse an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung abzuwägen. Maßgebliches Kriterium innerhalb dieser vorzunehmenden Interessenabwägung sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache. Erweist sich der angefochtene Verwaltungsakt bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtswidrig, überwiegt das Aussetzungsinteresse das Vollzugsinteresse. Stellt der Verwaltungsakt sich als offensichtlich rechtmäßig dar, überwiegt in der Regel das Vollzugsinteresse. Lässt sich hingegen bei summarischer Überprüfung eine Offensichtlichkeitsbeurteilung nicht treffen, kommt es entscheidend auf eine Abwägung zwischen den für eine sofortige Vollziehung sprechenden Interessen einerseits und dem Interesse des Betroffenen an einer Aussetzung der Vollziehung bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren andererseits an. Die Erfolgsaussichten sind dabei auch unabhängig von einer fehlenden Offensichtlichkeit einzubeziehen. Je höher diese sind, umso größer ist das Interesse an der aufschiebenden Wirkung. Sind die Erfolgsaussichten demgegenüber gering, fällt das Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts stärker ins Gewicht.
a) Die in Ziffer II. erfolgte Anordnung der sofortigen Vollziehung des Genehmigungsbescheides vom 27. Juli 2017 ist zunächst in formaler Hinsicht nicht zu beanstanden. Namentlich entspricht sie den Anforderungen der §§ 80a Abs. 3 Satz 2, 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, wonach das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO schriftlich zu begründen ist. Die schriftliche Begründung muss in nachvollziehbarer Weise die Erwägungen erkennen lassen, die die Behörde zur Anordnung der sofortigen Vollziehung veranlasst haben. Die Behörde ist verpflichtet, abgestellt auf den konkreten Fall, das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung sowie die Ermessenserwägungen, die sie zur Anordnung der sofortigen Vollziehung bewogen haben, schlüssig und substantiiert darzulegen. Formelhafte und pauschale Begründungen oder Wendungen, mit denen lediglich der Gesetzestext wiederholt wird, reichen nicht aus (BayVGH, B.v. 15.12.2010 – 6 CS 10.2697 – juris; BayVGH, B.v. 24.3.1999 – 10 CS 99.27 – BayVBl. 1999, 465).
Die vorliegende Begründung genügt den Erfordernissen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO: Das Landratsamt Rhön-Grabfeld hat die Anordnung des Sofortvollzugs damit begründet, dass die Genehmigung den gesetzlichen Vorschriften entspreche, insbesondere seien schädliche Umwelteinwirkungen auf Dritte durch entsprechende Auflagen ausgeschlossen. Die Entwicklung bei der Einspeisevergütung und den gesetzlichen Rahmenbedingungen erfordere eine zeitnahe Realisierung des Vorhabens, da sonst mit größeren Ertragsverlusten zu rechnen sei. Eine Abwägung der finanziellen Interessen des Antragstellers mit den Interessen Dritter führe demgemäß dazu, dass dem Interesse der Beigeladenen der Vorrang einzuräumen sei. Darüber hinaus habe der Gesetzgeber mit den Zwecken und Zielvorgaben des EEG und mit der regelmäßigen Absenkung der den Betreibern zustehenden Mindestvergütung sein Interesse an einer zügigen Erhöhung des Anteils der erneuerbaren Energien an der Stromversorgung zum Ausdruck gebracht. Es sei auch nicht zu befürchten, dass durch den Sofortvollzug nicht mehr veränderbare Tatsachen geschaffen würden. Der Antragsteller habe die Windkraftanlage auf eigene Kosten zu beseitigen, falls die Genehmigung wider Erwarten rechtskräftig aufgehoben oder abgeändert werden sollte. Diese Verpflichtung sei durch eine Bankbürgschaft in Höhe der zu erwartenden Rückbaukosten, die vor Baubeginn zu hinterlegen sei, abgesichert.
Dies zeigt, dass sich der Antragsgegner des Ausnahmecharakters der Vollzugsanordnung durchaus bewusst war, und enthält die Erwägungen, die er für die Anordnung des Sofortvollzugs als maßgeblich angesehen hat. Dies genügt den Begründungserfordernissen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Ob diese Begründung der Anordnung des Sofortvollzugs in inhaltlicher Hinsicht zu überzeugen vermag, ist keine Frage der Begründungspflicht nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, sondern des Vollzugsinteresses.
b) Die Kammer ist aufgrund der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung zu der Auffassung gelangt, dass die Klage des Antragstellers in der Hauptsache mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos bleiben wird.
Für das Vorhaben des Typenwechsels vom Typ Nordex N-117 zum Typ Enercon E-115 bedurfte es, wie der Bayer. Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 11. August 2016 (Az. 22 CS 16.1052) ausgeführt hat, grundsätzlich keiner erneuten Genehmigung nach § 16 Abs. 1 Satz 1 BImSchG, da keine von der Typenänderung ausgehenden nachteiligen Auswirkungen i.S.d. § 16 Abs. 1 Satz 1 BImSchG zu erwarten seien. Allerdings hat die Beigeladene gemäß § 16 Abs. 4 BImSchG eine Genehmigung nach § 16 Abs. 1 BImSchG beantragt und mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 27. Juli 2017 auch erhalten, so dass die allgemeinen Vorgaben zu beachten sind, d.h. der Typenwechsel muss den Voraussetzungen des § 6 BImSchG in prinzipiell gleicher Weise entsprechen, wie bei einer Erstgenehmigung.
Entgegen der Auffassung des Antragstellervertreters ist dies nach Überzeugung der Kammer auch der Fall.
aa) Soweit der Antragstellervertreter demgegenüber einwendet, dass statt der vom Antragsgegner vorgenommenen standortbezogenen Vorprüfung der Umweltverträglichkeit nach §§ 3a und 3c Satz 2 i.V.m. Anlage 2 UVPG (a.F.) eine vollständige UVP habe durchgeführt werden müssen, vermag er damit nicht durchzudringen.
Die Kammer hat bereits im ursprünglichen Genehmigungsverfahren, betreffend den Typ Nordex N-117 ausführlich begründet, dass eine einheitliche UVP für die Windparks „W* …“ und „Wa* …“ nach § 3c Satz 2 UVPG a.F. (jetzt: § 7 Abs. 2 Satz 1 UVPG) mangels funktionalem Zusammenhang nicht vorzunehmen sei. Der Bayer. Verwaltungsgerichtshof hat diese Auffassung im Antragsverfahren auf Zulassung der Berufung mit Beschluss vom 7. Mai 2018 (Az. 22 ZB 17.2171 u.a. – juris) bestätigt und ausgeführt, dass die Annahme eines Windparks i.S.d. UVPG nicht nur voraussetze, dass sich die Einwirkungsbereiche der betreffenden Windkraftanlagen überschnitten, sondern dass darüber hinaus ein funktionaler Zusammenhang zwischen den Windkraftanlagen erforderlich sei. Gegen die Annahme eines solchen funktionalen Zusammenhangs spreche vorliegend, dass sich nach den unwidersprochen gebliebenen Angaben des Beklagten – hier des Antragsgegners – die Windkraftanlagen des Windparks „Wa* …“ in einem anderen im Regionalplan dargestellten Vorranggebiet befänden als die Anlagen des Windparks „W* …“.
Wenn der Antragstellervertreter demgegenüber auf die Einwirkungsbereiche in lärmtechnischer und artenschutzrechtlicher Hinsicht hinweist, vermag dies nicht zu einem anderen Ergebnis zu führen, da der Bayer. Verwaltungsgerichtshof gemäß der oben genannten Entscheidung einen Zusammenhang insbesondere in funktionaler Hinsicht fordert und zudem explizit klargestellt hat, dass dieser nicht bereits aufgrund der Überschneidungen der Einwirkungsbereiche bejaht werden könne.
Nichts anderes ergibt sich, entgegen der Auffassung des Antragstellervertreters, unter Berücksichtigung des Windparks „Streu/Saale“, zumal auch dieser sich in einem anderen im Regionalplan dargestellten Vorranggebiet, nämlich dem „WK 26 Vorbehaltsgebiet für Windkraftanlagen – östlich U* …“ befindet.
bb) Entgegen der Auffassung des Antragstellervertreters kann die Kammer im Rahmen der hier gebotenen summarischen Überprüfung auch keine Fehler des Antragsgegners bei der von ihm gemäß § 3c Satz 2 und 3 UVPG a.F. (jetzt: § 7 Abs. 2 UVPG) durchgeführten standortbezogenen Vorprüfung des Einzelfalles erkennen.
Wie sich aus dem Aktenvermerk des Landratsamts Rhön-Grabfeld vom 2. Oktober 2015 ergibt, wurde erneut eine standortbezogene Vorprüfung durchgeführt. Alle Besonderheiten des Einzelfalls, insbesondere des neuen Anlagentyps, sowie alle in Betracht kommenden Schutzgüter wurden aufgezählt und es wurde festgestellt, dass die Fledermausarten und artenschutzrechtlich relevanten Vogelarten bereits im Genehmigungsbescheid vom 17. November 2014 durch Auflagen und Vermeidungsmaßnahmen ausreichend berücksichtigt worden seien. In ca. 3 km Entfernung zum Windpark befinde sich ein Schwarzstorch-Horst. Hierzu sei 2015 eine ergänzende Raumnutzungsanalyse durchgeführt worden. Die artenschutzrechtlichen Belange könnten ebenfalls durch Auflagen im Änderungsbescheid ausreichend berücksichtigt werden. Nachdem weitere Vogelarten nicht zu bewerten seien, kommt der Antragsgegner zu dem für die Kammer nachvollziehbaren und nicht zu beanstandenden Ergebnis, dass durch die Änderung des Anlagentyps bei gleichbleibenden Standorten die in Betracht kommenden Schutzgüter nicht neu beeinträchtigt würden.
cc) Der Genehmigung des Typenwechsels stehen entgegen der Auffassung des Antragstellervertreters auch nicht die vorgetragenen arten- und naturschutzrechtlichen Belange im Rahmen des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB entgegen.
Ausgangspunkt der rechtlichen Beurteilung ist insoweit § 16 Abs. 4 BImSchG, wonach für anzeigebedürftige Änderungen – wie vorliegend der Fall – der Träger des Vorhabens eine Genehmigung nach § 16 Abs. 1 BImSchG beantragen kann. Diese ist im vereinfachten Verfahren zu erteilen, es sei denn, der Träger des Vorhabens wünscht nach § 19 Abs. 3 BImSchG ein förmliches Verfahren.
Weder aus § 16 Abs. 4 BImSchG, noch aus § 16 Abs. 1 BImSchG ergibt sich allerdings der Umfang der behördlichen Prüfung im Änderungsgenehmigungsverfahren. Sinn und Zweck des für die Änderung geltenden Genehmigungsvorbehalts kann es jedenfalls nicht sein, jeweils – ohne sachliches Erfordernis – den gesamten, bei der erstmaligen Errichtung und Inbetriebnahme einer Anlage anfallenden Prüfaufwand erneut auszulösen. Darauf hat auch das Bundesverwaltungsgericht in seiner „Krümmel“-Entscheidung vom 21. August 1996 (Az. 11 C 9/95 – juris) ausdrücklich hingewiesen und weiter ausgeführt, dass es allein darum gehe, sicherzustellen, dass auch die geänderte Anlage bzw. ihr geänderter Betrieb den Genehmigungsvoraussetzungen genügen müsse. Bei einem Änderungsvorhaben beziehe sich die Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen dementsprechend auf die zu ändernden Anlagenteile oder betrieblichen Verfahrensschritte. Darüber hinaus erstrecke sie sich auch auf diejenigen Anlagenteile und Verfahrensschritte der genehmigten Anlage, auf die sich die Änderung auswirke. Eine Einschränkung des Gegenstands der behördlichen Prüfung könne sich somit daraus ergeben, dass die Änderung faktisch nicht notwendig die gesamte Anlage und ihren Betrieb beeinflusse. Die rechtliche Bindungswirkung der Ausgangsgenehmigung sei für diese Einschränkung des Prüfungsumfangs nicht maßgebend. Vielmehr verhalte es sich umgekehrt so, dass deren Bindungswirkung entfalle, soweit die Auswirkungen der Änderungen reichten.
Mit anderen Worten: Die beantragte Änderungsgenehmigung darf, entgegen der Auffassung des Antragstellervertreters, jedenfalls nicht zum Anlass genommen werden, Nachbesserungen in Bezug auf die bestehende Anlage zu fordern, die mit dem Änderungsvorhaben in keinerlei Zusammenhang stehen. Übergreifende Anforderungen an den Altanlagenbestand setzen demnach Auswirkungen der Änderung aufgrund eines untrennbaren Funktionszusammenhangs voraus (so auch BVerwG, B.v. 29.10.1984 – 7 B 150/84 – juris).
Dies bedeutet andererseits aber auch, dass die Änderung der Anlage, d.h. die geänderten Anlagenteile den Voraussetzungen des § 6 BImSchG in prinzipiell gleicher Weise wie bei der Erstgenehmigung entsprechen müssen. Es sind somit gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG die materiellen Voraussetzungen des Immissionsschutzrechts einzuhalten. Darüber hinaus müssen gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG auch die sonstigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften beachtet werden (vgl. BVerwG, U.v. 30.4.2009 – 7 C 14/08 – juris, Rn. 25).
Der Auffassung des Beigeladenenvertreters, der ausführt, § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB sei vorliegend im Rahmen des Änderungsverfahrens überhaupt nicht mehr zu prüfen, kann unter Berücksichtigung der eben skizzierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht gefolgt werden, denn es darf auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Vorhabensträger, hier die Beigeladene, sich für das Genehmigungsverfahren entschieden hat und sich damit freiwillig dem Regime des Genehmigungsrechts unterworfen hat.
Nach alldem war vorliegend seitens des Antragsgegners zu prüfen, ob die von der Beigeladenen geplanten Änderungen – und nur diese – sich neu auf den von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB normierten Arten- und Naturschutz auswirken. Er ist im streitgegenständlichen Bescheid dabei zu dem Ergebnis gekommen, insbesondere auch unter Berücksichtigung der standortbezogenen Vorprüfung, dass die Änderungen des Anlagentyps keine Auswirkungen auf Belange des Arten- und Naturschutzes hätten. Dies ist für die Kammer angesichts des Umstands, dass der Standort nicht geändert wurde, die Nabenhöhe sogar niedriger ist und auch der Rotordurchmesser geringer ist, nachvollziehbar und plausibel. Trotz der umfangreichen Ausführungen konnte die Antragstellerseite dieses Ergebnis nicht substantiiert entkräften, da sie dabei verkennt, dass es allein auf die Frage ankommt, ob die zu ändernden Anlagenteile oder betrieblichen Verfahrensschritte den Voraussetzungen des § 6 BImSchG entsprechen.
dd) Soweit der Antragstellervertreter schließlich auf die Vorschriften der Art. 82 und 83 BayBO hinweist und einwendet, die Änderungsgenehmigung verstoße gegen diese Vorschriften, so dass sich die Beigeladene nicht mehr auf die Privilegierung des § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB berufen könne, vermag er auch damit nicht durchzudringen.
Art. 82 Abs. 1 BayBO, der am 21. November 2014 in Kraft getreten ist, bestimmt, dass § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB auf Vorhaben, die der Nutzung der Windenergie dienen, nur Anwendung findet, wenn diese Vorhaben einen Mindestabstand vom 10-fachen ihrer Höhe zu Wohngebäuden in Gebieten mit Bebauungsplänen (§ 30 BauGB), innerhalb im Zusammenhang bebauter Ortsteile (§ 34 BauGB) und im Geltungsbereich von Satzungen nach § 35 Abs. 6 BauGB einhalten.
Unabhängig davon, ob überhaupt die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 82 Abs. 1 BayBO vorliegend gegeben sind, weist der Antragsgegner zu Recht darauf hin, dass die Beigeladene eine bestandskräftige Genehmigung für den Anlagentyp Nordex N-117 hat. Eine erneute planungsrechtliche Beurteilung ist demnach gemäß den oben dargestellten Grundsätzen nicht angezeigt, da sich im Rahmen des Typenwechsels die Standorte nicht ändern und die Gesamthöhe der nun geplanten Enercon E-115-Anlagen die Gesamthöhe der genehmigten Nordex-Anlage nicht übersteigt. Somit scheidet eine Prüfung des Art. 82 BayBO schon aus diesem Grunde aus.
3. Nach alldem war der Antrag abzulehnen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind gemäß § 162 Abs. 3 VwGO erstattungsfähig, weil sie einen Antrag gestellt und sich damit einem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG und berücksichtigt, dass im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wegen des vorläufigen Charakters der begehrten Entscheidung der Streitwert regelmäßig auf die Hälfte des für das Hauptsacheverfahren anzusetzenden Streitwerts zu beziffern ist.


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