Baurecht

Rechtmäßige Verweigerung des Einvernehmens bei fehlender ausreichender oder gesicherter Erschließung

Aktenzeichen  B 2 K 19.774

Datum:
8.2.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 31089
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 35 Abs. 1, Abs. 2
BayBO Art. 55, Art. 59, Art. 68, Art. 81 Abs. 1
BauVorlV § 3 Nr. 3, Nr. 6, § 9

 

Leitsatz

1. Die verlässliche Beurteilung eines Bauvorhabens, welches nicht an eine öffentliche Wasser- oder Energieversorgung oder eine öffentliche Abwasserentsorgungsanlage angeschlossen werden kann oder nicht in ausreichender Breite an einer öffentlichen Verkehrsfläche liegt, erfordert insbesondere Angaben zur Versorgung mit Wasser und Energie, der Entsorgung anfallenden Abwassers sowie der verkehrlichen Erreichbarkeit. (Rn. 23 – 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Einordnung der Haltung eigener Pferde als Landwirtschaft nach § 201 BauGB hat nicht automatisch zur Folge, dass die Pferdehaltung auch einem landwirtschaftlichen Betrieb dient. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Das Gericht kann gemäß § 84 Abs. 1 VwGO ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten wurden zuvor gehört. In die Auswahl der Entscheidungsform hat das Gericht auch die Auswirkungen der augenblicklichen Corona-Pandemie einbezogen.
Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.
Der Ablehnungsbescheid des Landratsamts … vom 11.02.2016 ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1, Abs. 5 VwGO). Die Bauaufsichtsbehörde hat ihre Ablehnungsentscheidung zu Recht auf dem Umstand gestützt, dass der Beigeladene sein Einvernehmen rechtmäßig verweigert hat, weil weder eine ausreichende noch eine gesicherte Erschließung vorliegt.
Es ist völlig unstreitig, dass die Anlage zur Pferdehaltung gemäß Art. 55 ff BayBO als bauliche Anlage einer Baugenehmigung bedarf. Nachdem es sich nicht um einen Sonderbau handelt, erfolgt die baurechtliche Prüfung gemäß Art. 59 BayBO im vereinfachten Verfahren und umfasst (1.) die Übereinstimmung mit den Vorschriften über die Zulässigkeit der baulichen Anlagen nach den §§ 29 bis 38 BauGB, den Vorschriften über Abstandsflächen nach Art. 6 BayBO, und den Regelungen örtlicher Bauvorschriften im Sinn des Art. 81 Abs. 1 BayBO, (2) beantragte Abweichungen im Sinn des Art. 63 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 sowie (3) andere öffentlich-rechtliche Anforderungen, soweit wegen der Baugenehmigung eine Entscheidung nach anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften entfällt, ersetzt oder eingeschlossen wird.
Die Baugenehmigung ist gemäß Art. 68 BayBO zu erteilen, wenn dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind; die Bauaufsichtsbehörde darf allerdings den Bauantrag auch ablehnen, wenn das Bauvorhaben gegen sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt. Im vorliegenden Fall sind die Bauaufsichtsbehörde und die erschließungsverpflichtete Gemeinde zutreffend zu der Auffassung gelangt, dass eine bauplanungsrechtliche Zulässigkeit gemäß § 35 BauGB nicht gegeben ist. Die Vorschrift ist anzuwenden, weil der Standort der Pferdehaltung weder im Geltungsbereich eines Bebauungsplans noch innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils liegt; dies ist unstrittig.
Für die gerichtliche Entscheidung kann dabei dahinstehen, ob die gegenständliche Anlage zur Pferdehaltung einem landwirtschaftlichen Betrieb im Sinn des § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB dient oder ob es sich um ein sonstiges Vorhaben im Sinn des § 35 Abs. 2 BauGB handelt. In beiden Fällen kann eine für die Erteilung einer Baugenehmigung ausreichende Erschließung nicht festgestellt werden, wobei für ein landwirtschaftliches Vorhaben eine ausreichende Erschließung und für ein sonstiges Vorhaben eine gesicherte Erschließung erforderlich ist. Die Ursache hierfür liegt bereits in den unzureichenden Angaben der Klägerin zur beabsichtigten Pensionspferdehaltung. Im Begleitschreiben zum geänderten Bauantrag vom März 2015 erfolgte hierzu ausdrücklich keine Erläuterung. Es wird dezidiert ausgeführt, dass die Art des Pensionsbetriebs seitens der Bauherrin nicht näher erläutert werden könne, weil noch keine Genehmigung vorliege. Auch Angaben zum Reitplatz und zur Beleuchtung könnten erst festgelegt werden, wenn eine Zustimmung zum beantragten Eingabeplan möglich sei.
Die Bestimmung des Bauvorhabens ist ausschließlich Aufgabe des Bauherrn. Gemäß § 3 Nr. 3 i.V.m. § 9 BauVorlV sind von ihm das Bauvorhaben und seine Nutzung zu erläutern, soweit dies zur Beurteilung erforderlich ist und die notwendigen Angaben nicht aus dem Lageplan und den Bauzeichnungen hervorgehen. Gemäß § 3 Nr. 6 BauVorlV sind insbesondere die erforderlichen Angaben über die gesicherte Erschließung hinsichtlich der Versorgung mit Wasser und Energie sowie der Entsorgung von Abwasser und der verkehrsmäßigen Erschließung vorzulegen, soweit das Bauvorhaben – wie im vorliegenden Fall – nicht an eine öffentliche Wasser- oder Energieversorgung oder eine öffentliche Abwasserentsorgungsanlage angeschlossen werden kann oder nicht in ausreichender Breite an einer öffentlichen Verkehrsfläche liegt. Infolge fehlender Angaben zur Pensionspferdehaltung durch die Klägerin kann die Frage einer gesicherten Erschließung nicht verlässlich beurteilt werden und hat die Beigeladene zurecht ihr gemeindliches Einvernehmen verweigert. Aus § 3 Nr. 6 BauVorlV lässt sich ableiten, dass der Begriff Erschließung die Versorgung mit Wasser und Energie und die Entsorgung anfallenden Abwassers sowie die verkehrliche Erreichbarkeit umfasst. Die von der Klägerin und der Landwirtschaftsverwaltung getätigten Angaben zur Erschließung mögen für die reine Pferdehaltung ausreichend sein, sind es jedoch nicht für einen Betrieb der Pensionspferdehaltung.
Mangels entsprechender Angaben der Klägerin kann auch vom Gericht nicht beurteilt werden, in welchem Umfang und in welcher Zahl sich neben der Betriebsinhaberin weitere Personen für längere Zeit auf der Anlage zur Pferdehaltung aufhalten sollen und werden. Eine rechtsverbindliche Begrenzung der Anzahl an Pferdeeinstellern ist nicht erfolgt. Gerade davon hängt aber letztlich ab, in welchem Umfang geeignetes Trinkwasser auf der Anlage zur Verfügung stehen muss und in welchem Umfang Abwässer zu entsorgen sind. Die Angaben der Klägerin erschöpfen sich ausschließlich in den Angaben über die Versorgung der Pferde. Erläuterungen zur Versorgung von Menschen mit Wasser zum Trinken oder Waschen seitens der Klägerin finden sich nicht. Der in diesem Zusammenhang stehende Verweis auf die Möglichkeit einer mobilen Toilettenkabine für die Abwasserentsorgung stammt von der Landwirtschaftsverwaltung und nicht von der Klägerin und es bleibt ungeklärt, ob ihn sich die Klägerin überhaupt zu eigen machen will. Eine solche Lösung erzeugt weiteren außerlandwirtschaftlichen Fahrverkehr.
Bezogen auf den Aufenthalt betriebsfremder Personen auf der Anlage bleiben auch die Fragen der Stromversorgung zur Beleuchtung und zur Gewährleistung der Verkehrssicherheit auf der Zuwegung ungeklärt. Der durchgeführte Augenschein hat zwar ergeben, dass die vorhandenen Wege aus technischer Sicht die Erreichbarkeit der Anlage gewährleisten. Angesichts einer vermutlich vorhandenen landwirtschaftstypischen Fahrzeugausstattung kann auch davon ausgegangen werden, dass der Pferdestall von der Klägerin auch bei Schnee im Winter erreicht werden kann. Inwieweit dies auch für die künftigen Pferdeeinsteller und/oder Reiter Geltung beansprucht, bleibt im Verborgenen. Auch die Berechtigung zur Nutzung durch Dritte im Rahmen des Straßen- und Wegrechts ist ungeklärt. Mangels ausreichender Angaben der Klägerin zur geplanten Pensionspferdehaltung kann weder eine ausreichende noch eine gesicherte Erschließung der Pensionspferdehaltung im Sinn der gesetzlichen Vorschriften festgestellt werden.
Die Defizite in den Angaben zur Pensionspferdehaltung lassen auch keine verlässliche Beurteilung zu, ob die beabsichtigte Pferdehaltung einem landwirtschaftlichen Betrieb im Sinn des § 35 Absatz 1 S. 1 Nr. 1 BauGB dient. Es mangelt in den Bauvorlagen an einer hinreichenden Betriebsbeschreibung und deshalb an einem nachvollziehbaren Betriebskonzept, anhand dessen das Vorliegen eines landwirtschaftlichen Betriebs festgestellt werden kann (zum Betriebskonzept vgl. Söfker in Ernst/Zinkhahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand 08.2020, § 35 Rn 29a). Die von der Klägerin bislang praktizierte Haltung eigener Pferde mag zwar als Tierhaltung zur Landwirtschaft nach § 201 BauGB gehören, doch hat dies nicht automatisch zur Folge, dass die Pferdehaltung auch einem landwirtschaftlichen Betrieb dient. Es ist weder vorgetragen noch ohne Mitwirkung der Klägerin aufklärbar, zu welchem Zweck die eigenen Pferde von der Klägerin gehalten werden. Auch der Umfang der künftig neben eigenen Pferden gehaltenen Pensionspferde ist unklar; die Klägerin hat sich weder im Hinblick auf die Anzahl der Pferde noch hinsichtlich der Anzahl der künftigen Einstelller verbindlich festgelegt. Im Verlauf des Verfahrens schwankten nicht nur die Angaben zur Anzahl der eigenen Pferde und der Anzahl der Einstellpferde, sondern die Anzahl der Einsteller. Auf das Vorliegen eines landwirtschaftlichen Betriebes kommt es jedoch nicht entscheidungserheblich an.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 VwGO. Nachdem der Beigeladene ohne eigene Antragstellung kein Kostenrisiko eingegangen ist, entspricht es der Billigkeit, dass er seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung – ZPO.


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