Baurecht

Rechtsweg zur Verwaltungsgerichtsbarkeit, Rechtsweg zur ordentlichen Gerichtsbarkeit, Verbesserung der Verkehrssituation durch Gemeinde, Schienenbaumaßnahme, Öffentlichrechtlicher Vertrag (verneint)

Aktenzeichen  M 24 K 19.6407

Datum:
8.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 41423
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 40 Abs. 1
GVG § 13
GVG § 17a

 

Leitsatz

Tenor

Der Rechtsweg zur Verwaltungsgerichtsbarkeit ist unzulässig. Der Rechtsstreit wird an das zuständige Landgericht München II verwiesen.

Gründe

I.
Die Klägerinnen machen als Rechtsnachfolgerinnen der früheren DB Ansprüche im Zusammenhang mit mehreren zwischen der DB und der Beklagten geschlossenen Vereinbarungen über die Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in … geltend.
1. Im Einzelnen wurden zwischen der DB bzw. ihren Rechtsnachfolgerinnen und der Beklagten folgende Vereinbarungen geschlossen:
1.1. Die DB, vertreten durch die Bundesbahndirektion M., und die Beklagte schlossen am 23. Januar 1987 eine notariell beurkundete vertragliche Vereinbarung (im Folgenden: Vereinbarung 1987), mit der die Umsetzung zweier verkehrlicher Vorhaben auf dem Gebiet der Stadt … verfolgt wurde. Hintergrund war die gerichtsbekannte besondere Verkehrssituation in der Stadt … Für die Beklagte stellte sich aufgrund der konkreten Lage des nahe des Ufers des … Sees gelegenen bisherigen Bahnhofs („Bahnhof See“) ein wachsendes Verkehrsproblem. Der Bahnhof besitzt aufgrund der Lage am Seeufer – in Bezug auf alle Himmelsrichtungen – nur ein eingeschränktes Einzugsgebiet. Zudem gestaltet sich die verkehrliche Anbindung aufgrund der Lage schwierig. Die Beklagte verfolgte daher das Ziel, durch mehrere Maßnahmen die Verkehrssituation nachhaltig zu verbessern. Zum einen sollte der bisherige, „Bahnhof See“ umgestaltet, zum anderen aber insbesondere ein neuer „Bahnhof Nord“, einschließlich „Park + Ride“-Anlage und Busbahnhof neu geschaffen werden. Ziel war insgesamt, den Verkehr vom Bahnhof See auf den neuen Bahnhof Nord zu verlagern. In der Folge sollte der Haltepunkt am See verkleinert werden. Freiwerdende Flächen sollten sodann der Stadt zur Neugestaltung der Seepromenade und für weitere städtebauliche Maßnahmen übertragen werden.
Im Einzelnen regelte die Vereinbarung 1987 u.a. Folgendes:
– Gegenstand der Vereinbarung sind die zur Verbesserung der Verkehrsverhält nisse notwendige Umgestaltung der Bahnanlagen in … gemäß den Anlagen zur Vereinbarung, die Finanzierung dieser Maßnahmen und Regelungen zur Veräußerung der neben den umgestalteten Bahnanlagen liegenden Grundstücke der DB (§ 1 Nr. 1)
– Träger des Vorhabens zur Umgestaltung der Bahnanlagen ist die Beklagte. Sie übernimmt die Finanzierung der Bau- und Grunderwerbskosten, der Umsatzsteuer und einen Verwaltungskostenanteil in Höhe von 10% der Baukosten, sowie die Mehrkosten der DB infolge einer Mehrung der Bahnanlagen durch das Umgestaltungsvorhaben, abzüglich der Ersparnisse (§ 2 Nr. 1, Nr. 2).
– Die DB führt auf Grundlage einer noch abzuschließenden Planungsvereinba rung die Baumaßnahmen im Bereich der vorhandenen und neu entstehenden Bahnanlagen durch, die Beklagte führt die Baumaßnahmen außerhalb der Bahnanlagen durch, einschließlich des Baus der „Park + Ride“-Anlage und des Busbahnhofs im Bereich des neuen Bahnhofs … Nord (§ 2 Nr. 4, Nr. 5).
– Müssen Teilmaßnahmen durch Dritte ausgeführt werden, so geschieht dies auf der Grundlage von Vereinbarungen, die zwischen der Beklagten und dem Dritten getroffen werden (§ 2 Nr. 6).
– Die Beklagte verpflichtet sich, der DB die für die Schaffung der neuen Bahnanlagen erforderlichen Grundstücksflächen zu beschaffen und zu übereignen (§ 2 Nr. 7). Umgekehrt übereignet die DB die im Umgestaltungsbereich liegenden Grundstücke, die zukünftig keine Bahnflächen mehr darstellen, für einen im Vertrag festgelegten Kaufpreis an die Beklagte (§ 5).
– Kostenerhöhungen werden von der Beklagten getragen, wesentliche Planungs änderungen bedürfen der vorherigen Zustimmung der Beklagten, Baukostenminderungen gehen zugunsten der Beklagten (§ 2 Nr. 8).
– Die Beklagte trägt die zukünftigen Folgekosten (Unterhalt, Erneuerung, Ver kehrssicherung etc.) für die „Park + Ride“-Anlage und den Busbahnhof (§ 3).
– Alle mit der Veräußerung an die Beklagte entstehenden Kosten (Notar, Vermes sung, Grunderwerbsteuer usw.) trägt die Beklagte (§ 8).
– Die DB ist damit einverstanden, dass die Beklagte mit dem Abschluss der Ver einbarung Bahnanlagen in die Bauleitplanung einbezieht (§ 9).
– Die Beklagte tritt in sämtliche Rechte und Pflichten der zwischen der DB und ihren Mietern bzw. Pächtern bestehenden Verträge ein (§ 10).
Die im Rahmen der Umgestaltung vorgesehenen Baumaßnahmen sind aus den Anlagen 1 und 2 zur Vereinbarung 1987 ersichtlich.
1.2. Mit dem 1. Nachtrag zu der Vereinbarung 1987 (im Folgenden: 1. Nachtrag), vereinbart am 19. Februar 1987, wurde die als Anlage 1 zur Vereinbarung 1987 beigefügte Planbeilage durch eine neue ersetzt. Laut diesem Planungskonzept und der weiteren sogenannten Planungsvereinbarung vom 11./29. Januar 1990 (im Folgenden: Planungsvereinbarung 1990) sollte letztlich am „Bahnhof See“ eine oberirdische Gleisverlegung erfolgen, neue Bahnsteige anstelle der bisherigen entstehen und eine Anbindung des Bahnhofs an den See geschaffen werden.
1.3. Mit dem Grundabtretungsvertrag vom 15. Juni 1993 wurde die Vereinbarung 1987 teilweise vollzogen. Dabei übertrug die DB gemäß § 5 Nr. 1 der Vereinbarung 1987 Teile der bereits zu diesem Zeitpunkt als entbehrlich eingestuften Grundstücke auf einen von der Beklagten benannten Erwerber.
1.4. Bei Planung und Bau des „Bahnhofs Nord“ hatte sich herausgestellt, dass Teile des „Bahnhofs Nord“, anders als zuvor den Planungen zu Grunde gelegt, nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) nicht förderfähig waren, mithin der diesbezügliche Refinanzierungsanteil der Beklagten geringer. Das von der Beklagten vertraglich vereinbarte, zu leistende Finanzierungsvolumen wurde somit höher, als ursprünglich von der Beklagten erwartet. Die Beklagte begehrte daraufhin von der DB eine Vertragsanpassung, welche die DB ablehnte. Am 8. Mai 2006 wurde schließlich als 2. Nachtrag zu der Vereinbarung 1987 eine weitere Vereinbarung (im Folgenden: 2. Nachtrag) geschlossen. Die Klägerinnen als Rechtsnachfolgerinnen der DB übereigneten danach den „Bahnhof See“ bereits vor Abschluss der Planfeststellungsverfahren und Fertigstellung der Bahnanlagen am „Bahnhof See“ in Teilerfüllung ihrer Übereignungsverpflichtung aus der Vereinbarung 1987 an die Beklagte, die im Gegenzug auf die Geltendmachung von ihr behaupteter Vertragsanpassungsansprüche verzichtete. Weiter wurde mit der Vereinbarung der für den „Bahnhof Nord“ erforderliche Grunderwerb vorgenommen. Die Vereinbarung, die zwischen der Beklagten und den Klägerinnen des vorliegenden Verfahrens unterzeichnet war, regelte darüber hinaus, dass weitere Verpflichtungen der Beteiligten aus der Vereinbarung 1987 und dem 1. Nachtrag unberührt bleiben sollten. Zudem wurde ein Übereinkommen dahingehend erzielt, dass Ansprüche der DB und der Stadt … auf Erfüllung der mit der Vereinbarung 1987 nebst Nachtrag übernommenen Verpflichtungen mit Ablauf des 31. Dezember 2017 verjähren sollten.
2. Der „Bahnhof Nord“ wurde genehmigt, entsprechend der Vereinbarung errichtet und bereits im Jahr 2001 eröffnet. Die vorgesehenen Maßnahmen zum Umbau des Bahnhofs See, wie in der Vereinbarung 1987, dem 1. Nachtrag und der Planungsvereinbarung festgelegt, wurden bislang nicht durchgeführt. Es wurden lediglich, wie bereits dargestellt, Teilflächen wie etwa das alte Bahnhofsgebäude an die Stadt übereignet.
Die Beteiligten haben über die Jahre die Verhandlungen über die konkrete Ausgestal tung des Teilprojekts „Bahnhof See“ fortgeführt, um dieses zu einem erfolgreichen Abschluss zu führen, zuletzt in einem Mediationsverfahren vor der IHK München seit Dezember 2017, das zum 10. Juli 2019 ohne Ergebnis förmlich beendet wurde.
Nach Ende des Mediationsverfahrens unterbreiteten die Klägerinnen mit Schreiben vom 29. Juli 2019 der Beklagten nochmals ein Angebot zur Umsetzung des Projekts. Eine Einigung kam nicht zustande.
Mit Schreiben vom 4. Dezember 2019 forderten die Klägerinnen von der Beklagten Schadensersatz statt der Leistung für den nicht erfüllten Teil der Verträge. Ein Rücktritt wurde nicht erklärt. Eine der Beklagten gesetzte Zahlungsfrist verstrich fruchtlos.
3. Mit Schriftsatz vom 23. Dezember 2019, eingegangen bei Gericht am gleichen Tag, ließen die Klägerinnen durch ihre Bevollmächtigten Klage zum bayerischen Verwaltungsgericht München erheben. Sie beantragen
I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerinnen 170.436.794,46 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p.a. seit 14. Dezember 2019 zu bezahlen.
II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte zusätzlich verpflichtet ist, den Kläge rinnen die gesetzliche Umsatzsteuer, wie in § 2 Nr. 1 des notariellen Vertrags von 23. Januar 1987 vorgesehen, zu bezahlen, wenn und soweit diese tatsächlich anfallen wird.
III. Es wird weiterhin festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläge rinnen sämtliche Bau- und Grunderwerbskosten, zuzüglich gesetzlich anfallender Umsatzsteuer, sowie sämtliche Vorhaltungskosten durch eine Mehrung der Anlagen nach Abzug der Minderkosten durch die Betriebsführung für das Bauvorhaben „… See“ („Bahnhof See“) sowie sämtliche Kosten für den Rückbau des Haltepunktes „…“, wie diese in dem notariellen Vertrag vom 23. Januar 1987 (insbes. unter § 2 Nr. 1 und Nr. 2), dessen 1. Nachtrag vom 19. Februar 1987, dessen 2. Nachtrag vom 8. Mai 2006 und in der Planungsvereinbarung vom 11./29. Januar 1990 definiert sind, zu erstatten, soweit diese Kosten über den Zahlbetrag laut dem Klageantrag zu I. hinausgehen.
IV. Es wird weiterhin festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläge rinnen sämtliche für das Bauvorhaben „Bahnhof See“ erforderlich werdende Grundstücke laut § 2 Nr. 7 des notariellen Vertrags vom 23. Januar 1987 zu beschaffen und zu übereignen.
V. Hilfsweise, für den Fall der Abweisung der Klageanträge zu I. bis IV. wird beantragt, dass die Beklagte verurteilt wird, an die Klägerinnen 6.646.794,46 EUR zu bezahlen sowie die Grundstücke Gemarkung …, Flurstücke 51, 53 und 54, an die Klägerinnen zurück zu übereignen.
VI. Es wird weiterhin festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläge rinnen die ihnen vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltsgebühren in gesetzlicher Höhe zu erstatten.
Zur Begründung führten die Klägerinnen, soweit hier von Interesse, Folgendes aus: Es stehe fest, dass die Beklagte die Kosten des Projekts nicht mehr tragen werde. Der Bahnhof … (See) befinde sich in sanierungsbedürftigen Zustand und sei nicht barrierefrei. Für die Klägerinnen gebe es keine Möglichkeit, anderweitig Mittel für die Durchführung der Maßnahmen am Bahnhof zu erhalten. Die Klägerinnen wären dann auf Fördermittel angewiesen, solange allerdings das Vertragswerk zwischen den Beteiligten des vorliegenden Rechtsstreits bestehe, seien potentielle Dritte als Fördermittelgeber wegen des sogenannten Subsidiaritätsprinzips rechtlich gehindert, das Projekt mit öffentlichen Mitteln zu fördern. Beide Beteiligte seien an das Vertragswerk gebunden. Weil sich die Beklagte zur Übernahme der Kosten des Projekts verpflichtet habe und diese Verpflichtung bis heute fortbestehe, könne kein Dritter als Fördermittelgeber an ihre Stelle treten. Die Fördermittel seien überdies nach Auskunft der möglichen Fördermittelgeber für die kommenden 10 Jahre in anderen Priorisierungsprojekten gebunden, sodass eine Finanzierung durch Dritte nicht möglich sei, sondern letztlich die Beklagte an deren vertragliche Verpflichtung festgehalten werden müsse.
Für die gerichtliche Durchsetzung der vertraglichen Ansprüche sei der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) eröffnet. Bei den zwischen der DB und der Beklagten geschlossenen Vereinbarungen handele es sich um öffentlichrechtliche Verträge nach Art. 54 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG), so dass Streitigkeiten aus diesen Verträgen „öffentlichrechtliche Streitigkeiten“ im Sinne des § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO seien. Im Übrigen wird zum klägerischen Vorbringen auf den Inhalt der Klageschrift vom 23. Dezember 2019, sowie die weiteren Schriftsätze vom 23. Dezember 2020 und 5. März 2021 verwiesen.
Die Beklagte erwiderte mit Schriftsätzen ihrer Bevollmächtigten vom 12. März 2020, 31. August 2020 und 4. März 2021. Darin kündigt sie an, Klageabweisung zu beantragen. Sie hält bereits den Verwaltungsrechtsweg für nicht eröffnet und beantragt daher:
Der Rechtsstreit wird gemäß § 17a Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) an das Landgericht München II verwiesen.
Bei der Vereinbarung 1987 handele es sich um einen bloßen Vorvertrag, der entgegen der klägerischen Darstellung keine Pflichten zur Erbringung bestimmter Leistungen des Bahnbaus und zur Zahlung einer bestimmten Gegenleistung hierfür begründe, sondern vielmehr auf die Pflicht der Beteiligten abzielte, die im Zusammenhang mit der Vereinbarung 1987 sich ergebenden Fragen in gegenseitige vertrauensvolle Zusammenarbeit zu regeln und darauf hinzuwirken, dass die für den Abschluss endgültiger Verträge erforderlichen Voraussetzungen alsbald vorlägen. Anders als im Hinblick auf den „Bahnhof Nord“ sei eine Baudurchführungsvereinbarung für die ins Auge gefasste Verbesserung der Verkehrsverhältnisse im Bereich des „Bahnhofs See“ zu keinem Zeitpunkt geschlossen worden. Ein Schadensersatzanspruch statt der Leistung sei somit mangels vertraglicher Leistungspflicht, an deren Stelle die Klägerinnen Schadensersatz verlangen wollten, offensichtlich ausgeschlossen.
Im Hinblick auf die Frage des Rechtswegs führt die Beklagte aus, es handele sich um eine bürgerliche Streitigkeit, für die der ordentliche Rechtsweg eröffnet sei. Der Bau von Schienenwegen und von Bahnhöfen durch Eisenbahnen des Bundes sei gemäß Art. 87e Grundgesetz (GG) keine öffentliche Aufgabe mehr. Beides gehöre seit 1993 zum Geschäftsfeld privater Eisenbahnunternehmen, nämlich der Klägerinnen. Der Betrieb der Klägerinnen sei privatrechtlich gestaltet, unabhängig davon ob mit ihrer Tätigkeit eine Aufgabe der Daseinsvorsorge erfüllt werde. Klägerinnen und Beklagte träten in dem hier zugrundeliegenden Vertragsverhältnis auf der Ebene der Gleichordnung gegenüber. Die von den Klägerinnen geltend gemachten Zahlungs- und Feststellungsansprüche gingen nicht auf die Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt zurück. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung sei für Planungsarbeiten der Klägerin zu 2) geklärt, dass diese mit keiner Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt in Zusammenhang stünden und Streitigkeiten darüber auf den Zivilrechtsweg zu verweisen sein. Im Übrigen wird auf die Klageerwiderung Bezug genommen.
Die Beteiligten wurden mit Schreiben des Gerichts vom 19. Februar 2021 zur beabsichtigten Verweisung an das Landgericht München II angehört. Auf ihre Stellungnahmen vom 4. März 2021 bzw. 5. März 2021 wird verwiesen.
II.
Der Rechtsstreit war an das zuständige Gericht des ordentlichen Rechtswegs, das Landgericht München II, zu verweisen, weil es sich vorliegend nicht um eine öffentlichrechtliche Streitigkeit im Sinne von § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO, sondern um eine bürgerliche Rechtstreitigkeit nach § 13 GVG handelt.
1. Ist der beschrittene Rechtsweg unzulässig, so spricht dies das Gericht nach Anhörung der Beteiligten von Amts wegen durch Beschluss aus und verweist den Rechtsstreit zugleich an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtsweges (§ 173 Satz 1 VwGO, § 17a Abs. 2, Abs. 4 Satz 1 GVG).
Die Beteiligten wurden ordnungsgemäß angehört. Der Beschluss ergeht gemäß § 173 Satz 1 VwGO, § 17a Abs. 4 Satz 1 GVG ohne mündliche Verhandlung.
2. Nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlichrechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.
2.1. Die Art einer Streitigkeit – öffentlichrechtlich im Sinne von § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO oder bürgerlichrechtlich im Sinne von § 13 GVG – bestimmt sich, wenn wie hier eine ausdrückliche Rechtswegzuweisung des Gesetzgebers fehlt, nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird (BVerwG, B.v. 12.4.2013 – 9 B 37/12 – juris Rn. 6 m.w.N.). Es kommt darauf an, ob der zur Klagebegründung vorgetragene Sachverhalt für die aus ihm hergeleitete Rechtsfolge von Rechtssätzen des Zivil- oder des öffentlichen Rechts geprägt wird, ob die an der Streitigkeit Beteiligten zueinander in einem hoheitlichen Verhältnis der Über- und Unterordnung stehen und ob sich der Träger hoheitlicher Gewalt der besonderen, ihm zugeordneten Rechtssätze des öffentlichen Rechts bedient oder ob er sich den für jedermann geltenden zivilrechtlichen Regelungen unterstellt. Eine öffentlichrechtliche Streitigkeit kann auch auf einem Gleichordnungsverhältnis beruhen. Gleichordnungsverhältnisse sind öffentlichrechtlich, wenn die das Rechtsverhältnis beherrschenden Rechtsnormen nicht für jedermann gelten, sondern Sonderrecht des Staates oder sonstiger Träger öffentlicher Aufgaben sind, das sich zumindest auf einer Seite nur an Hoheitsträger wendet (BayVGH v. 6.10.2014 – 7 C 14.1372 – juris Rn. 10 m.w.N.). Die Natur eines durch Vertrag begründeten Rechtsverhältnisses bestimmt sich danach, ob der Vertragsgegenstand dem öffentlichen oder dem bürgerlichen Recht zuzuordnen ist (GmS-OBG, BGHZ 97, 312 [314] = NJW 1986, 2359 m. w. Nachw.). Maßgeblich ist, ob die Vereinbarungen mit ihrem Schwerpunkt öffentlichrechtlich oder privatrechtlich ausgestaltet sind und welcher Teil dem Vertrag das entscheidende Gepräge gibt (BGH Beschluss vom 19. 9. 2012 – V ZB 86/12, juris Rn. 51 m.w.N.; Eyermann/Rennert, 15. Aufl. 2019, VwGO § 40 Rn. 31).
Nicht maßgeblich ist, dass die Vertragsparteien bei Abschluss der Vereinbarung 1987 öffentliche Aufgaben wahrnahmen. Die Deutsche Bundesbahn war zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung 1987 ein von der Bundesrepublik Deutschland getrennt von ihrem sonstigen Vermögen verwaltetes, nicht rechtsfähiges Sondervermögen des Bundes, das mit eigener Wirtschafts- und Rechnungsführung ausgestattet war. Maßnahmen zum Bau der Eisenbahninfrastruktur einschließlich der Bahnhöfe waren nach Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG a.F. im Jahr 1987 eine Aufgabe der bundeseigenen Verwaltung, die durch die damalige Deutsche Bundesbahn wahrgenommen wurde. Für die Beklagte bildeten städtebauliche und verkehrliche Erwägungen den Hintergrund der Vereinbarung (Art. 6 Abs. 1, Art. 7, Art. 57 Abs. 1 Gemeindeordnung – GO). Aus der öffentlichrechtlichen Zielsetzung und öffentlichrechtlicher Trägerschaft darf aber nicht ohne weiteres auf eine Wahrnehmung einer Aufgabe mit öffentlichrechtlichen Mitteln geschlossen werden. Ebenso wenig reicht es aus, dass mit einem Vertrag öffentliche Aufgaben wahrgenommen werden sollen, denn die öffentliche Verwaltung kann in vielen Bereichen die ihr anvertrauten Aufgaben auch in der Form und mit den Mitteln des Privatrechts erfüllen (Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Auflage 2018 Rn. 58 m.w.N.). Es ist öffentlichen Rechtsträgern gestattet, sich zur Verwirklichung öffentlichrechtlicher Ziele privatrechtlicher Mittel zu bedienen (BVerwG, Az. 4 C 18/91, NJW 1993, 2695 (2697)).
2.2. Die zwischen den Beteiligten geschlossenen vertraglichen Vereinbarungen, die die Grundlage für die von den Klägerinnen geltend gemachten Klageansprüche bilden, sind dies zu Grunde gelegt dem Zivilrecht zuzuordnen.
2.2.1. Gegenstand der mit dem Ziel der Verbesserung der Verkehrssituation in … geschlossenen Vereinbarung 1987 ist die Regelung der Finanzierung der hierfür erforderlichen Eisenbahnbaumaßnahmen einschließlich des wechselseitigen Austauschs von Grundstücken und grundlegender Absprachen zur Durchführung des Gesamtprojekts. Die Vertragsschließenden standen dabei zueinander nicht in einem hoheitlichen Verhältnis der Über- und Unterordnung.
Die von den Parteien getroffenen vertraglichen Vereinbarungen sind, unabhängig von der Frage, ob aus ihnen die klägerseitig geltend gemachten Ansprüche tatsächlich abgeleitet werden können, dem bürgerlichen Recht zuzuordnen. Kern der Vereinbarung 1987 sind wechselseitige Verpflichtungen zur Durchführung von Baumaßnahmen, zur Finanzierung der Bau- und Planungskosten, der Umsatzsteuer und von Verwaltungskosten, sowie von Mehrkosten aufgrund der Vorhaltung zusätzlicher Bahninfrastruktur, zu gegenseitigen Absprachen bei der Baudurchführung und zur Abgrenzung der einzelnen Baumaßnahmen, sowie zur wechselseitigen Übertragung des Eigentums an Grundstücken. Die Vertragsparteien wollten mit Durchführung des Projekts eine vor allem im Interesse der Beklagten liegende, aber von beiden Seiten als sinnvoll erachtete Verbesserung der verkehrlichen Situation in der Stadt … erreichen. Die Vereinbarung schafft die zwischen den Parteien hierfür erforderlichen Absprachen. Dass es letztlich die Beklagte war, welche die DB „ins Boot holte“, um die auf dem Gebiet der Stadt … bestehenden Verkehrsprobleme zu bewältigen, zeigt schon der Umstand, dass diese nahezu die gesamte Finanzierung der Maßnahmen übernahm. Das Ziel der Beklagten, durch den Einsatz finanzieller Mittel zu einer Verbesserung der Verkehrs- und Infrastruktur-Situation in der Stadt … zu kommen, die ohne einen neuen „Hauptbahnhof“ in stadtgeographisch besserer Lage in … nicht erreichbar war, gibt dem streitgegenständlichen Vertragsverhältnis das wesentliche Gepräge. Die Vertragsparteien haben sich dabei den für jedermann geltenden zivilrechtlichen Regelungen unterstellt. Die Vereinbarung war inhaltlich nicht durch öffentlichrechtliche Normen vorgeprägt. Soweit öffentlichrechtliche Fragen anklingen (vgl. etwa § 9 der Vereinbarung 1987), sind diese im Hinblick auf das gesamte Vertragswerk von untergeordnetem Gewicht. Zwar wollten die Vertragsparteien Fördermittel für die geplanten Maßnahmen gewinnen. Auch dieser Umstand macht die Vereinbarung aber noch nicht zu einem öffentlichrechtlichen Vertrag.
2.2.2. Darüber hinaus stellen Errichtung und Bau von Eisenbahnen und Bahnhöfen seit der Bahnreform 1993 mit der Einführung des Art. 87e GG inzwischen keine öffentliche Aufgabe des Bundes mehr dar. Sie sind ungeachtet der in Art. 87a Abs. 4 Satz 1 GG formulierten Gewährleistungsverantwortung des Bundes beim Ausbau des Schienennetzes der Eisenbahnen des Bundes vielmehr privatrechtlich organisiert. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung zum Projekt „Stuttgart 21“ vom 14. Juni 2016, Az. 10 C 7/15, dort juris Rn. 22 ff., festgestellt, dass der Bau von Schienenwegen und Bahnhöfen nach der im Jahr 1993 mit der Bahnreform in das Grundgesetz eingefügten Regelung des Art. 87e GG „keine öffentliche Aufgabe des Bundes (…) mehr“ darstellt, sondern vielmehr zum Geschäftsfeld privater Eisenbahnunternehmen zählt. Dies gelte auch, soweit Schienenwege und Bahnhöfe von den Eisenbahnen des Bundes gebaut und unterhalten werden. Der Bau von Bahnhöfen und Schienenwegen bleibt danach auch nicht deshalb eine öffentliche Aufgabe des Bundes, weil er eine Gewährleistungsverantwortung beim Ausbau des Schienennetzes der Eisenbahnen des Bundes trägt ( Art. 87e Abs. 4 Satz 1 GG , vgl. BVerwG, aaO., Rn. 26). Damit kann aus dem Umstand, dass die zwischen den Beteiligten vorliegend geschlossenen Verträge dem Ziel der Umsetzung von Bahnbaumaßnahmen dienen, nunmehr erst Recht keine Zuordnung zum öffentlichen Recht abgeleitet werden. Dem steht auch nicht entgegen, dass – wie die Klägerinnen ausführen – das Bundesverwaltungsgericht überhaupt über die Frage entscheiden konnte. Denn Kern der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zu „Stuttgart 21“ war nicht etwa die Frage der Zuordnung des Finanzierungsvertrags zum bürgerlichen oder öffentlichen Recht, sondern die Zulässigkeit des damaligen Bürgerbegehrens.
3. Der vorliegende Rechtsstreit war somit gemäß § 173 S. 1 VwGO, § 17a Abs. 2 Satz 2 GVG an das funktional und örtlich zuständige Gericht des ordentlichen Rechtswegs, das Landgericht München II (§ 71 Abs. 1 GVG, § 17 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung – ZPO) zu verweisen.


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