Aktenzeichen 6 C 8/17
Art 14 Abs 1 GG
Art 87f GG
Art 19 Abs 4 GG
§ 42 Abs 2 VwGO
§ 88 VwGO
§ 137 VwGO
§ 54 VwVfG
§ 56 VwVfG
§ 58 VwVfG
§ 2 Abs 2 TKG 2004
§ 2 Abs 3 TKG 2004
§ 9 Abs 2 TKG 2004
§ 132 TKG 2004
§ 10 TKG 2004
§ 11 TKG 2004
§ 12 TKG 2004
§ 13 TKG 2004
§ 21 TKG 2004
§ 23 TKG 2004
Art 8 EGRL 19/2002
Art 12 EGRL 19/2002
Art 3 EGRL 21/2002
Art 4 EGRL 21/2002
Art 6 EGRL 21/2002
Art 7 EGRL 21/2002
Art 7a EGRL 21/2002
Art 8 EGRL 21/2002
Leitsatz
1. Eine telekommunikationsrechtliche Regulierungsverfügung ist in der Regel hinsichtlich der durch sie auferlegten Verpflichtungen sowie der auf einer gesonderten Abwägung beruhenden Bestandteile dieser Verpflichtungen teilbar.
2. Der Bundesnetzagentur steht bei der Frage, welche der in § 13 TKG vorgesehenen Maßnahmen sie ergreift und gegebenenfalls kombiniert, ein Regulierungsermessen zu, bei dessen Ausübung sie sich an den in § 2 Abs. 2 TKG vorgegebenen Regulierungszielen und den in § 2 Abs. 3 TKG normierten Regulierungsgrundsätzen auszurichten hat; die gerichtliche Kontrolle ist insoweit auf Abwägungsfehler beschränkt (Zusammenfassung der bisherigen Rechtsprechung).
3. Die Aufrüstung der bestehenden Kupferkabelnetze mit der sog. Vectoring-Technik wird als Ausbau eines hochleistungsfähigen öffentlichen Telekommunikationsnetzes der nächsten Generation von dem in § 2 Abs. 2 Nr. 5 TKG normierten Regulierungsziel erfasst.
4. Der Bundesnetzagentur steht für die Erfüllung ihrer Aufgaben – nach Maßgabe der §§ 54 ff. VwVfG und sofern eine Vorabbindung des Regulierungsermessens unterbleibt – die Handlungsform des öffentlich-rechtlichen Vertrages im Vorfeld einer telekommunikationsrechtlichen Regulierungsverfügung zur Verfügung.
5. Für die gebotene Konfliktbewältigung bei der Zugangsregulierung ist es erforderlich, aber auch ausreichend, dass die Regulierungsverfügung einen klaren Maßstab dafür vorgibt, ob eine später konkret nachgefragte Zugangsleistung oder ein an deren Stelle tretendes Surrogat dem Grunde nach beansprucht werden kann; demgegenüber kann die Regelung von Detailfragen der nachfolgenden Regelungsebene überlassen bleiben.
Verfahrensgang
vorgehend VG Köln, 17. März 2017, Az: 9 K 8589/16, Urteil
Tatbestand
1
Die Klägerin betreibt ein bundesweites Telekommunikationsnetz. Sie wendet sich gegen Bestimmungen in der gegenüber der Beigeladenen ergangenen Regulierungsverfügung der Bundesnetzagentur vom 1. September 2016 (Az.: BK 3g-15/004) wegen der Beibehaltung, der Änderung, der Auferlegung und des Widerrufs von Verpflichtungen auf dem Markt für den auf der Vorleistungsebene an festen Standorten lokal bereitgestellten Zugang zu Teilnehmeranschlüssen (Markt Nr. 3a der Märkteempfehlung 2014/710/EU).
2
Die überwiegend aus Kupferdoppeladern bestehenden Teilnehmeranschlussleitungen sind Teil des bundesweiten Telekommunikationsnetzes der Beigeladenen. Sie führen vom Hauptverteiler über den Kabelverzweiger und den Abschlusspunkt der Linientechnik zu den Räumlichkeiten der Endkunden. Die Beigeladene ist seit der Liberalisierung des Telekommunikationssektors verpflichtet, wegen ihrer insoweit bestehenden Marktmacht anderen Unternehmen vollständig entbündelten physischen Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung zu gewähren. Zuletzt wurde ihr diese Verpflichtung in uneingeschränkter Form durch die Regulierungsverfügung der Bundesnetzagentur vom 21. März 2011 (Az.: BK 3g-09/85) auferlegt. Die Klägerin nimmt beim Betrieb ihres Telekommunikationsnetzes teilweise die Teilnehmeranschlussleitungen der Beigeladenen in Anspruch.
3
Seit 1999 baute die Beigeladene ihr Anschlussnetz auf der Basis des Übertragungsstandards ADSL bzw. später ADSL 2+ breitbandig aus. Zu diesem Zweck errichtete sie sog. Digital Subscriber Line Access Multiplexer (DSLAM) an den Hauptverteilern. ADSL2+ ermöglicht der Beigeladenen und den zugangsberechtigten Wettbewerbern Datenübertragungsraten von bis zu 16 Mbit/s bzw. 18 Mbit/s im Download. Hierfür reicht eine Nutzung der Teilnehmeranschlussleitung bis zu der Frequenz 2,2 MHz aus. Seit 2006 setzt die Beigeladene zudem den Übertragungsstandard VDSL bzw. VDSL2 ein, der Frequenzen oberhalb von 2,2 MHz nutzt. Hierdurch können grundsätzlich Datenübertragungsraten von bidirektional 200 Mbit/s erreicht werden. Wegen der sog. Leitungsdämpfung ist dies jedoch nur bei relativ kurzen Kupferleitungen zu realisieren. Die Beigeladene verlagerte aus diesem Grund die DSLAM zu den Kabelverzweigern vor und erschloss diese Verzweiger von den Hauptverteilern aus zusätzlich mit Glasfaserleitungen. Ausgenommen von dieser Maßnahme waren die Kabelverzweiger, die über ein maximal 550 Meter langes Hauptkabel an einen der ca. 8 000 Hauptverteiler angeschlossen sind (Nahbereichs-Kabelverzweiger). In diesen Hauptverteiler-Nahbereichen (im Folgenden: Nahbereiche) durften bisher, damit es nicht zu technischen Störungen in Form von Interferenzen in Bezug auf das Hauptkabel kam, VDSL-Signale nur von den jeweiligen Hauptverteilern, nicht aber von den insgesamt ca. 40 000 Nahbereichs-Kabelverzweigern aus eingespeist werden. Dies hatte die Beigeladene für sich und ihre zugangsberechtigten Wettbewerber durch ihre sog. Prüfberichte festgelegt. Potentiell betroffen waren hierdurch neben den über einen Nahbereichs-Kabelverzweiger geführten Teilnehmeranschlüssen für ca. 5 300 000 Endkunden auch die direkt am Hauptverteiler angebundenen Anschlüsse (A0-Anschlüsse) für ca. 1 200 000 Endkunden.
4
Die Nutzung von VDSL wird ferner durch das sog. Übersprechen beeinträchtigt, das bei einer parallelen Nutzung von VDSL auf Leitungen im gleichen Kabel bzw. Kabelbündel entsteht. Die mit dem Übersprechen zwischen benachbarten Teilnehmeranschlussleitungen verbundene Störung lässt sich durch die Vectoring-Technik reduzieren. Dabei werden die Störsignale, die von den jeweils anderen Leitungen auf eine Leitung in einem Kabelbündel ausgehen, vorausberechnet und durch Erzeugung eines Gegenstörsignals ausgelöscht. Hierdurch können die Datenübertragungsraten erheblich gesteigert werden. Die Vectoring-Technik kann derzeit in praktisch sinnvoller Weise nur eingesetzt werden, wenn nur ein Unternehmen berechtigt ist, im Frequenzbereich oberhalb 2,2 MHz auf sämtliche Teilnehmeranschlussleitungen an den Einspeisungspunkten für VDSL-Signale zuzugreifen.
5
Mit Beschluss vom 29. August 2013 (Az.: BK 3d-12/131) änderte die Bundesnetzagentur die Regulierungsverfügung vom 21. März 2011 und schuf die Voraussetzungen für den Einsatz der Vectoring-Technik in den Gebieten außerhalb der Nahbereiche, den Hauptverteiler-Außenbereichen (im Folgenden: Außenbereiche). Hiernach ist, um die Nutzung der Technik durch die Beigeladene oder einen ihrer Wettbewerber an einem der dortigen Kabelverzweiger zu ermöglichen, der entbündelte Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung zur Nutzung von Frequenzen oberhalb von 2,2 MHz an dem betroffenen Kabelverzweiger für alle anderen Unternehmen ausgeschlossen. Ob insoweit die Beigeladene oder einer ihrer Wettbewerber zum Zuge kommt, bestimmt sich grundsätzlich danach, wer den betroffenen Kabelverzweiger zuerst mit VDSL2-Vectoring-Technik erschließt. Unter näher bestimmten Bedingungen ist die Beigeladene darüber hinaus berechtigt, den Zugang nachträglich zu verweigern.
6
Anfang des Jahres 2015 leitete die Bundesnetzagentur durch ihre zuständige Beschlusskammer von Amts wegen ein Verfahren zur turnusmäßigen Überprüfung der Verpflichtungen ein, die der Beigeladenen durch die Regulierungsverfügung vom 21. März 2011 in der durch den Beschluss vom 29. August 2013 geänderten Fassung in Bezug auf den Vorleistungsmarkt des Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung auferlegt worden waren. Im Rahmen dieses Verfahrens teilte die Beigeladene mit, sie beabsichtige, bis Ende des Jahres 2018 die Kabelverzweiger und A0-Anschlüsse in den Nahbereichen unter Aufwendung von ca. 1 Milliarde € flächendeckend mit VDSL2-Vectoring-Technik zu erschließen, und beantragte, ihr den störungsfreien, exklusiven Einsatz dieser Technik durch eine Änderung der bestehenden Zugangsregulierung zu ermöglichen. Sie sei zu der Abgabe einer verbindlichen Investitionszusage bereit. Ihren Wettbewerbern könne als Ausgleich für den Wegfall des entbündelten Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung für die Nutzung von Frequenzen oberhalb von 2,2 MHz ein Layer2-Bitstrom-Zugang zur Verfügung gestellt werden.
7
Die Beschlusskammer gab allen interessierten Marktteilnehmern Gelegenheit zu ersten schriftlichen Stellungnahmen, führte am 13. März 2015 eine erste öffentlich-mündliche Anhörung durch und räumte danach die Möglichkeit zu weiteren schriftlichen Stellungnahmen ein. In der Folgezeit ließ sie durch die zuständige Fachabteilung der Bundesnetzagentur eine Analyse über die Versorgung der Nahbereiche mit breitbandigen Anschlüssen und die Auswirkungen eines flächendeckenden Ausbaus dieser Bereiche mit VDSL2-Vectoring-Technik erstellen. Zur Frage der Zulässigkeit eines öffentlich-rechtlichen Vertrags zur Absicherung eines Ausbau- und Investitionsversprechens holte sie ein Rechtsgutachten ein. In Reaktion hierauf legten die Verbände B. und V. ein weiteres Rechtsgutachten vor.
8
Am 27. August 2015 erhielt die auf Grund einer Marktdefinition und Marktanalyse nach §§ 10, 11 TKG erstellte Festlegung der Präsidentenkammer der Bundesnetzagentur betreffend den Markt für den auf der Vorleistungsebene an festen Standorten lokal bereitgestellten Zugang (Markt Nr. 3a der Märkteempfehlung) ihre endgültige Fassung. Danach umfasst der hier relevante Teilmarkt A, auf dem die Beigeladene über beträchtliche Marktmacht verfügt, neben dem entbündelten/gebündelten Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung in Form der Kupferdoppelader am Hauptverteiler oder an einem anderen näher an der Teilnehmeranschlusseinheit gelegenen Punkt auch den lokalen virtuell entbündelten Zugang an den entsprechenden Punkten (VULA). Hierfür seien die nach der Märkteempfehlung entscheidenden Kriterien der Lokalität des Zugangs, der diensteunabhängigen, in der betrieblichen Anwendung nicht überbuchten Übertragungskapazität sowie der ausreichende Produktdifferenzierungen und Innovationen ermöglichenden Kontrolle der Zugangsnachfrager über das Übertragungsnetz erfüllt. Dagegen sei der Zugang zu Bitstrom, weil es sich nicht um einen lokalen Zugang handele, nicht dem Markt Nr. 3a, sondern dem Markt des für Massenprodukte auf der Vorleistungsebene an festen Standorten zentral bereitgestellten Zugangs (Markt Nr. 3b der Märkteempfehlung) zuzuordnen.
9
Am 28. Oktober 2015 legte die Beigeladene den Entwurf eines Angebots zur Begründung einer Verpflichtung gegenüber der Bundesnetzagentur zu einem in den Einzelheiten umschriebenen bundesweit flächendeckenden und vollständigen Ausbau der Nahbereiche mit VDSL2-Vectoring-Technik vor (im Folgenden: Ausbauzusage). In einer am 12. Februar 2016 eingereichten überarbeiteten Fassung dieses Entwurfs ergänzte sie das Angebot des Ausbaus um ein solches über ein Monitoring und räumte eine Frist für die Annahme der – bis dahin unwiderruflichen – Angebote bis zum Ablauf von 30 Monaten nach Veröffentlichung einer abschließenden Entscheidung über ein Standardangebot “Vectoring Nahbereich” ein. In der Folge brachten Wettbewerber der Beigeladenen Ausbauzusagen teils als Entwurf, teils in gezeichneter Form bei, die einen regionalen oder lokalen Bezug hatten.
10
Unter dem 23. November 2015 veröffentlichte die Bundesnetzagentur den Konsultationsentwurf der beabsichtigten Regulierungsverfügung. Die Beschlusskammer führte das Konsultationsverfahren nach § 13 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 12 Abs. 1 TKG sowie am 10./14. Dezember 2015 eine mündliche Verhandlung durch. Das Bundeskartellamt gab mit Datum vom 3. März 2016 eine Stellungnahme ab.
11
Am 7. April 2016 notifizierte die Bundesnetzagentur den Konsolidierungsentwurf der beabsichtigten Regulierungsverfügung gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 12 Abs. 2 Nr. 1 TKG der Kommission, dem GEREK und den Regulierungsbehörden der Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Mit Beschluss vom 10. Mai 2016 leitete die Kommission die zweite Untersuchungsphase nach Art. 7a der Rahmenrichtlinie ein, weil erhebliche Zweifel an der Vereinbarkeit der vorgeschlagenen Maßnahme mit Art. 8 Abs. 4 und Art. 12 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. d der Zugangsrichtlinie i.V.m. Art. 8 und Art. 16 Abs. 4 der Rahmenrichtlinie bestünden. Am 16. Juni 2016 zog die Bundesnetzagentur den Konsolidierungsentwurf der beabsichtigten Regulierungsverfügung unter Berufung auf Art. 7a Abs. 8 der Rahmenrichtlinie zurück, woraufhin die Kommission das Verfahren der zweiten Untersuchungsphase einstellte. Am 20. Juni 2016 notifizierte die Bundesnetzagentur der Kommission, dem GEREK und den Regulierungsbehörden der Mitgliedstaaten der Europäischen Union einen abgeänderten Konsolidierungsentwurf der beabsichtigten Regulierungsverfügung, mit dem die Beschlusskammer den von der Kommission geltend gemachten Bedenken Rechnung zu tragen suchte. Durch Internetveröffentlichung vom 5. Juli 2016 gab sie interessierten Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 15. Juli 2016. Mit Beschluss vom 19. Juli 2016 gab die Kommission eine Stellungnahme nach Art. 7 Abs. 3 der Rahmenrichtlinie ab, ohne ein Verfahren der zweiten Untersuchungsphase einzuleiten.
12
Ende August 2016 reichte die Beigeladene ihre am 20. Juli 2016 notariell beurkundete Ausbauzusage mit dem Text des Entwurfs vom 12. Februar 2016 ein.
13
Am 1. September 2016 erließ die Bundesnetzagentur durch die Beschlusskammer – unter Bezug auf die durch die Präsidentenkammer getroffene Feststellung der beträchtlichen Marktmacht der Beigeladenen – die angegriffene Regulierungsverfügung, durch die sie die Beigeladene in Bezug auf Zugangsgewährung (Ziffer 1.1. des Verfügungstenors) sowie Gleichbehandlung, Transparenz, Standardangebotsveröffentlichung und Entgelte (Ziffern 1.2. bis 1.8. des Verfügungstenors) verpflichtete. Überdies widerrief sie das bisher angeordnete sog. Carrier Line Sharing (Ziffer 2. des Verfügungstenors). Die übrigen im Verfahren gestellten Anträge lehnte sie ab (Ziffer 3. des Verfügungstenors). Im Rahmen der Zugangsregulierung wurde die Beigeladene nach dem Verfügungstenor unter anderem verpflichtet,
1.1. anderen Unternehmen
1.1.1. vollständig entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss am Hauptverteiler oder an einem näher an der Teilnehmeranschlusseinheit als der Hauptverteiler gelegenen Punkt (insbesondere Kabel- bzw. Endverzweiger – APL) zu gewähren, soweit sie den Zugang nicht nach den Bestimmungen der Anlage 1 – Zugangsverweigerung zum Teilnehmeranschluss außerhalb des Hauptverteiler-Nahbereichs – und der Anlage 2 – Zugangsverweigerung zum Teilnehmeranschluss innerhalb des Hauptverteiler-Nahbereichs – zu dieser Ziffer verweigern darf oder muss,
1.1.2. lokalen virtuell entbündelten Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung am Hauptverteiler oder einem anderen näher an der Teilnehmeranschlusseinheit gelegenen Punkt in Form des Zugangs zum ersten Konzentrationspunkt in den von Anlage 2 zu Ziffer 1.1.1 erfassten Gebieten zu gewähren, soweit die Betroffene den Teilnehmeranschluss unter Einsatz von VDSL2-Vectoring-Technologie oder auf Basis reiner Glasfaser (massenmarktfähiges FTTH) realisiert.
14
Die Anlage 1 zu Ziffer 1.1.1. des Verfügungstenors (im Folgenden: Anlage 1 der Regulierungsverfügung) nimmt die seit 2013 für die Außenbereiche geltenden Regelungen des Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung im Frequenzbereich oberhalb 2,2 MHz im Wesentlichen unverändert auf.
15
Die Anlage 2 zu Ziffer 1.1.1. des Verfügungstenors (im Folgenden: Anlage 2 der Regulierungsverfügung) enthält – neben Ziffer 1.1.2. des Verfügungstenors – die Regelungen des Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung für die Nutzung von Frequenzen oberhalb 2,2 MHz in den Nahbereichen. Danach kann die Beigeladene nach der Bekanntgabe der Regulierungsverfügung für Anschlüsse, die über einen Nahbereichs-Kabelverzweiger geführt werden, sowie für A0-Anschlüsse die erstmalige Bereitstellung eines Zugangs zum vollständig entbündelten Teilnehmeranschluss am Hauptverteiler zur Nutzung von Frequenzen oberhalb 2,2 MHz gegenüber dort bisher nicht kollokierten Nachfragern verweigern. Als Ersatz muss sie entsprechend dem jeweils aktuellen, gemäß § 23 TKG geprüften und veröffentlichten Standardangebot einen lokalen und virtuell entbündelten Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung (VULA) bzw. einen Layer2-Bitstrom-Zugang – an einem ihrer 899 Broadband Network Gateways (BNG) – anbieten (im Folgenden: Ersatzprodukte). Gegenüber am Hauptverteiler kollokierten Zugangsnachfragern kann die Beigeladene für die genannten Anschlüsse die Überlassung eines Zugangs zum vollständig entbündelten Teilnehmeranschluss in dem genannten Frequenzbereich kündigen und die Bereitstellung solcher Zugänge frühestens ab dem 1. Dezember 2017 verweigern, wenn sie den betreffenden Nahbereich vollständig mit VDSL2-Vectoring-Technik erschlossen hat, die betroffenen Zugangsnachfrager zwölf Monate zuvor informiert hatte und zum Zeitpunkt einer Kündigung die genannten Ersatzprodukte anbietet. Die Beigeladene hat in diesen Fällen der nachträglichen Zugangsverweigerung zudem in näher bestimmtem Umfang Kompensation zu leisten. Die Zugangsnachfrager können die erstmalige oder nachträgliche Zugangsverweigerung abwenden (das heißt, sie haben ein Abwehrrecht), wenn sie am 20. Juni 2016 in dem Anschlussbereich des Hauptverteilers, in dem Nahbereichs-Kabelverzweiger vorhanden sind, mindestens 40 Prozent aller dortigen Kabelverzweiger mit DSL-Technik erschlossen hatten und diese Erschließung diejenige der Beigeladenen um mindestens 33 Prozentpunkte übersteigt, wenn sie sich darüber hinaus dazu verpflichten, alle hierdurch erfassten Nahbereiche binnen bestimmter Frist mit VDSL2-Vectoring-Technik auszubauen und wenn sie außerdem ihrerseits den verdrängten Wettbewerbern inklusive der Beigeladenen die genannten Ersatzprodukte anbieten.
16
Für ihre Entscheidung betreffend die Verpflichtung der Beigeladenen zur Zugangsgewährung stützte sich die Beschlusskammer auf § 9 Abs. 2 i.V.m. § 13 Abs. 1, § 21 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 2 TKG und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Für die Nutzung von Frequenzen im Bereich bis einschließlich 2,2 MHz sei die Beibehaltung der Verpflichtung der Beigeladenen zur Gewährung des vollständig entbündelten Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung in Bezug auf alle in Betracht kommenden Regulierungsbelange geeignet, erforderlich und angemessen. Eine andere Beurteilung greife ein, was den entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss für die Nutzung von Frequenzen oberhalb 2,2 MHz anbelange. Der Einsatz der Vectoring-Technik sei als Ausbau eines hochleistungsfähigen öffentlichen Telekommunikationsnetzes der nächsten Generation im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 5 TKG zu qualifizieren. Zur Schaffung der Voraussetzungen für diesen Einsatz sei in Abwägung mit den übrigen betroffenen Belangen der Regulierung in den Außenbereichen ein Ausschluss des entbündelten Zugangs in dem genannten Frequenzbereich nach Maßgabe der Bestimmungen der Anlage 1 der Regulierungsverfügung angemessen. Für die Nahbereiche führe die Abwägung zu einem Zugangsausschluss unter den in der Anlage 2 der Regulierungsverfügung geregelten Vorgaben. Das von den Regelungen der Anlage 2 der Regulierungsverfügung vorausgesetzte Ausbaurecht der Beigeladenen beruhe – unabhängig von einer etwaigen weiteren Begründung aus dem Netzeigentum der Beigeladenen – maßgeblich auf dem Umstand, dass die Beigeladene sich durch ihre bindende und nach den Maßgaben der §§ 54 ff. VwVfG annahmefähige Ausbauzusage zu einem nahezu vollständigen Ausbau aller Nahbereichsanschlüsse mit VDSL2-Vectoring-Technologie verpflichtet habe. Die Beigeladene genieße allerdings insoweit angesichts des Zugangsinteresses ihrer Wettbewerber und der Sozialbindung ihres Eigentums keine Exklusivität. Zudem müssten die anzubietenden Ersatzprodukte möglichst ähnliche Bedingungen bieten wie der entbündelte Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung. Dabei sei der Beigeladenen die Verpflichtung zur Gewährung lokalen, virtuell entbündelten Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung (VULA) explizit aufzuerlegen.
17
Die Klägerin hat Anfechtungsklage erhoben und beantragt, die Regulierungsverfügung in Gänze, hilfsweise insoweit aufzuheben, als sie in Ziffer 1.1.1., Halbs. 2 ihres Tenors i.V.m. ihrer Anlage 2 sowie Ziffer 1.1.2. ihres Tenors eine Zugangsverweigerung zum Teilnehmeranschluss innerhalb des Hauptverteiler-Nahbereichs vorsehe. In der Klagebegründung hat sie sich auf Angriffe gegen die Zugangsregelungen für Frequenzen oberhalb von 2,2 MHz zu den Teilnehmeranschlüssen in den Nahbereichen beschränkt. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen: Der Hauptantrag richte sich in zulässiger Weise gegen die gesamte Regulierungsverfügung, die im Hinblick auf die in Ziffern 1.1. bis 2. ihres Tenors enthaltenen Verpflichtungen nicht teilbar sei. In der Sache bleibe der Antrag ohne Erfolg. Der Zugang zum Teilnehmeranschluss werde, was die Nutzung von Frequenzen oberhalb von 2,2 MHz in den Nahbereichen anbetreffe, durch die angegriffene Regulierungsverfügung auf der Grundlage von § 13 Abs. 1, § 21 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 2 TKG in rechtmäßiger Weise ausgestaltet. In formeller Hinsicht könne sich die Klägerin im Hinblick auf die Zurückziehung des Konsolidierungsentwurfs vom 7. April 2016 und die Renotifizierung des geänderten Entwurfs vom 20. Juni 2016 nicht auf eine Verletzung der in § 12 TKG enthaltenen Vorschriften über das Konsultations- und Konsolidierungsverfahren berufen, da diese keinen individualschützenden Charakter hätten. Unabhängig davon seien auch keine objektiven Verfahrensfehler ersichtlich, insbesondere habe es nicht der Durchführung eines weiteren Konsultationsverfahrens bedurft.
18
Materiell-rechtlich habe die Beschlusskammer ihr Regulierungsermessen abwägungsfehlerfrei ausgeübt. Die Abgrenzung der Nahbereiche durch das Abstellen auf diejenigen Anschlüsse, die über einen mit einem maximal 550 Meter langen Kupferkabel an einem Hauptverteiler angeschlossenen (Nahbereichs-)Kabelverzweiger geführt werden oder als A0-Anschlüsse direkt an einem Hauptverteiler angeschlossen sind, sei ausgehend von den technischen Gegebenheiten nicht zu beanstanden. Ebenso wenig weise die Einschränkung des entbündelten Zugangs zu diesen Anschlüssen Abwägungsfehler auf. Die Beschlusskammer sei fehlerfrei davon ausgegangen, dass die Beschleunigung des Ausbaus von hochleistungsfähigen öffentlichen Telekommunikationsnetzen der nächsten Generation (im Folgenden: NGA-Ausbau) im Sinne des Regulierungsziels des § 2 Abs. 2 Nr. 5 TKG für diese Einschränkung spreche. In diesem Zusammenhang habe die Beschlusskammer die Ausbauzusage der Beigeladenen als relevanten Belang in die Abwägung einstellen dürfen. Zweifel hieran ergäben sich weder aus den Anforderungen der §§ 54 ff. VwVfG noch im Hinblick auf die Verbindlichkeit der Zusage. Die Beschlusskammer habe zugleich den insbesondere in § 2 Abs. 2 Nr. 2 und § 21 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TKG verankerten Belang des Wettbewerbs seiner Bedeutung entsprechend berücksichtigt und mit anderen Belangen zum Ausgleich gebracht. Das von der Beschlusskammer nach Art einer Billigkeits- oder Härtefallregelung aus der Sozialbindung des Eigentums der Beigeladenen an den Teilnehmeranschlussleitungen abgeleitete Abwehrrecht der Zugangsnachfrager sei abwägungsfehlerfrei ausgestaltet. Frei von Abwägungsfehlern und hinreichend konkret seien auch die Festlegungen der Beschlusskammer zu den Ersatzprodukten VULA und Layer2-Bitstrom, denen ein in sich schlüssiges, abgestuftes Regelungskonzept zu Grunde liege.
19
Hinsichtlich der Regelung des Teilnehmeranschlusszugangs zur Nutzung von Frequenzen oberhalb von 2,2 MHz in den Außenbereichen hat sich das Verwaltungsgericht auf eine Inbezugnahme seiner Entscheidungen vom 22. September 2016 beschränkt, durch die es Klagen von Wettbewerbern der Beigeladenen gegen den Beschluss der Bundesnetzagentur vom 29. August 2013 abgewiesen hat (unter anderem in der Sache 1 K 5885/13 als erstinstanzlicher Entscheidung in dem mit Urteil des Senats vom heutigen Tag entschiedenen Revisionsverfahren zum Aktenzeichen BVerwG 6 C 50.16). Zu den übrigen Bestimmungen der angegriffenen Regulierungsverfügung hat sich das Verwaltungsgericht nicht verhalten. Die Zulässigkeit des gestellten Hilfsantrags hat es offengelassen und ausgeführt, die Unbegründetheit dieses Antrags ergebe sich aus den auf den Hauptantrag bezogenen Darlegungen.
20
Die Klägerin wendet sich mit ihrer von dem Verwaltungsgericht zugelassenen Revision gegen das erstinstanzliche Urteil insoweit, als dieses die Klage gegen die Regulierungsverfügung der Bundesnetzagentur vom 1. September 2016 auch im Hinblick darauf abgewiesen habe, dass die Verfügung in Ziffer 1.1.1. Halbs. 2 ihres Tenors i.V.m. ihrer Anlage 2 und Ziffer 1.1.2. ihres Tenors eine Zugangsverweigerung zum Teilnehmeranschluss innerhalb der Nahbereiche vorsehe. Sie macht geltend, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass die Regulierungsverfügung in ihrem angegriffenen Teil in mehrfacher Hinsicht revisibles Recht verletze. Im Hinblick auf das Regulierungsziel des § 2 Abs. 2 Nr. 5 TKG habe die Beschlusskammer einerseits – bereits ausgehend von einer fehlerhaften Sachverhaltsermittlung – den positiven Effekt des von der Beigeladenen angebotenen Vectoring-Ausbaus auf die Breitbandversorgung in den Nahbereichen überbewertet, andererseits die negativen Effekte dieses Ausbaus für das Fortschreiten des nach der Empfehlung 2010/572/EU der Kommission vom 20. September 2010 vorzugswürdigen alternativen Breitbandausbaus mit Glasfasern bis an das Gebäude oder die Wohnung (FTTB/FTTH-Ausbau) unterbewertet und insgesamt alternative, gegebenenfalls zu kombinierende Möglichkeiten zur Förderung des NGA-Ausbaus unzureichend berücksichtigt. Das telekommunikationsrechtliche Wettbewerbsziel, das von besonders hoher Bedeutung sei, habe die Beschlusskammer falsch gewichtet. Sie habe die Schwere der Wettbewerbsbeeinträchtigung unterschätzt, die mit der angeordneten Zugangsbeschränkung vor allem deshalb einhergehe, weil für die zukunftsträchtigen VDSL2-Nutzungen der entbündelte Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung faktisch remonopolisiert und das Prinzip der Investitionsleiter verlassen werde. Die angegriffene Regulierungsentscheidung sei ferner deshalb rechtsfehlerhaft, weil sich die Beschlusskammer zentral auf die Ausbauzusage der Beigeladenen gestützt habe. Der Abschluss des von der Beigeladenen mit dieser Zusage angebotenen öffentlich-rechtlichen Vertrags sei nach § 54 Satz 1 Halbs. 2 VwVfG unzulässig, weil wegen des zumindest faktisch bestehenden konditionalen Zusammenhangs mit der Regulierungsentscheidung das durch § 13 Abs. 5 und § 132 Abs. 1 Satz 2 (a.F.) TKG statuierte Gebot des Handelns durch Verwaltungsakt umgangen werde. Zudem sei das Regulierungsermessen der Beschlusskammer durch die Ausbauzusage der Beigeladenen und die politische Diskussion darüber in unzulässiger Weise faktisch vorgeprägt gewesen. Die Beigeladene habe ihre Ausbauzusage auf eine Weise in dem Verfahren der Beschlusskammer etablieren können, dass sich deren Handlungsoptionen faktisch auf eine Ja-Nein-Entscheidung reduziert hätten. Unabhängig hiervon bestünden erhebliche Zweifel an der Durchsetzbarkeit der Ausbauzusage. Die genannten Mängel seien vor dem Hintergrund von Art. 8 Abs. 4 Satz 1 der Zugangsrichtlinie und Art. 3 Abs. 2 bis 3a der Rahmenrichtlinie auch von unionsrechtlicher Relevanz. Die schwerwiegendsten Abwägungsfehler seien der Beschlusskammer schließlich im Hinblick auf die erforderlichen Maßgaben für die Ersatzprodukte unterlaufen. So wäre VULA für einen weiten Kreis von Zugangsnachfragern als Ersatzprodukt besser geeignet bzw. überhaupt nur wirtschaftlich einsetzbar, wenn es nicht – wie von der Beschlusskammer vorgesehen – an den Nahbereichs-Kabelverzweigern, sondern an den Hauptverteilern oder den BNG angeboten werden müsste. Die Inanspruchnahme von Layer2-Bitstrom setze die Erschließung von bis zu 899 BNG der Beigeladenen voraus, was eine zeitaufwändige Planung erfordere und hohe Kosten verursache. Vor diesem Hintergrund hätten die qualitativen und kommerziellen Eigenschaften des Layer2-Bitstrom-Zugangs – letztere in Gestalt einer sog. Als-Ob-Tarifierung – in der Regulierungsverfügung in hinreichend konkreter und verbindlicher Weise definiert werden müssen. Da dies nicht geschehen sei, werde die Regulierungsverfügung dem Gebot der Konfliktbewältigung nicht gerecht, verstoße gegen den Grundsatz der Einheit des Abwägungsvorgangs und verfehle die in Art. 8 Abs. 5 der Rahmenrichtlinie bzw. Art. 8 Abs. 4 der Zugangsrichtlinie enthaltenen Vorgaben. Die dadurch verursachten Rechts- und Planungsunsicherheiten verletzten das Regulierungsziel des § 2 Abs. 2 Nr. 2 TKG, die Regulierungsgrundsätze bzw. -kriterien des § 2 Abs. 3 Nr. 1 und 4 TKG und des § 21 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 2 TKG mitsamt den unionsrechtlichen Vorgaben dieser Vorschriften, die Grundrechte der Zugangsnachfrager aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG sowie den Grundsatz des Vertrauensschutzes. Verletzt sei zudem die Garantie effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG bzw. Art. 4 Abs. 1 der Rahmenrichtlinie.
21
Die Beklagte und die Beigeladene verteidigen das Urteil des Verwaltungsgerichts gegen die Angriffe der Revision und beantragen deren Zurückweisung.