Baurecht

Sachentscheidungsinteresse

Aktenzeichen  2 ZB 21.73

Datum:
17.5.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 12080
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

M 8 K 19.1671 2020-11-09 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 55.000 € festgesetzt.

Gründe

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung nach §§ 124, 124a Abs. 4 VwGO hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen bzw. nicht ausreichend dargelegt sind.
1. Das Urteil des Verwaltungsgerichts begegnet im Rahmen der dargelegten Zulassungsgründe keinen ernstlichen Zweifeln an seiner Richtigkeit (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Mit dem Erstgericht geht der Senat davon aus, dass die Klage auf Erteilung des beantragten Vorbescheids wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig ist. Das Rechtsschutzinteresse für eine auf Genehmigungserteilung gerichtete Verpflichtungsklage fehlt, wenn Ziel der Rechtsverfolgung der Erhalt einer öffentlich-rechtlichen Genehmigung ist, die sich mit Rücksicht auf rechtliche Verhältnisse außerhalb des Genehmigungstatbestandes nicht durchsetzen lässt und die Klage daher ersichtlich nutzlos ist (BayVGH, U.v. 27.1.2017 – 15 B 16.1834 – juris).
Bei einer Verpflichtungsklage auf Erteilung einer baurechtlichen Genehmigung oder eines baurechtlichen Vorbescheids fehlt das Rechtsschutzbedürfnis in der Regel dann, wenn der Antragsteller kein Sachbescheidungsinteresse hat. Davon ist nach der Rechtsprechung des Senats auszugehen, wenn feststeht, dass der Bauherr aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen an einer Verwertung der begehrten Genehmigung gehindert ist (BayVGH, U.v. 11.6.2014 – 2 B 13.2555 – juris; vgl. auch BVerwG, B.v. 20.7.1993 – 4 B 110.93 – juris). Das ist hier der Fall. Die Klägerin (bzw. Rechtsvorgängerin) ist nicht mehr Eigentümerin des Baugrundstücks. Nach Verkauf desselben durch die Rechtsvorgängerin der Klägerin mit Kaufvertrag vom 2. September 2016 und Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Beigeladene steht es nunmehr im Eigentum der Letzteren. Zwar wird die Baugenehmigung nach Art. 68 Abs. 5 BayBO unbeschadet der privaten Rechte Dritter erteilt. Gleiches gilt für den Vorbescheid (Art. 71 Satz 4 BayBO). Jedoch hat die Beigeladene – was die Zulassungsbegründung nicht in Abrede stellt – ernsthaft und unzweideutig schriftlich erklärt, ein etwaiges Baurecht, dessen Bestehen durch den streitgegenständlichen Vorbescheid vorab teilweise geklärt werden sollte, nicht ausüben zu wollen. Gegenüber dieser eindeutigen Willensäußerung kann entgegen der Zulassungsbegründung nicht eingewandt werden, eine positive Verbescheidung der im streitgegenständlichen Vorbescheid gestellten Fragen könne möglicherweise zu einem Sinneswandel bei der Beigeladenen führen, was wiederum zu einer Bejahung des Sachbescheidungsinteresses führen müsse. Nachdem die Beigeladene das Eigentum am Baugrundstück durch Ausübung ihres Vorkaufsrechts erworben hat, ist es auch ausgeschlossen, dass die Klägerin kurz- oder mittelfristig wieder das Eigentum am Baugrundstück erwerben kann. Eine solche Absicht hat sie auch nicht vorgetragen. Eine unabhängig von der Realisierung des im streitgegenständlichen Vorbescheid abgefragten Vorhabens bestehende Motivation, die dennoch zu Bejahung des Sachbescheidungsinteresses führen würde, ist nicht ersichtlich. Sie liegt insbesondere nicht in der vertraglichen Gestaltung im Kaufvertrag vom 2. September 2016, die für den Fall der Einräumung weiteren Baurechts auf dem Baugrundstück zu einer Erhöhung des Kaufpreises des Baugrundstücks führt. Es besteht kein Anspruch auf Tätigwerden der Baugenehmigungsbehörde durch Beantragung eines Vorbescheids bzw. Stellung eines Bauantrags allein zur Verbesserung von Einnahmeerzielungsmöglichkeiten unabhängig von dem Realisierungswillen bzw. von der Realisierungsmöglichkeit eines Bauvorhabens. Es ist für den Senat nicht ersichtlich, dass sich an diesen Grundsätzen etwas ändern sollte, weil in dem hier zu entscheidenden Fall die Beigeladene eine Gesellschaft des Rechtsträgers der Baugenehmigungsbehörde ist.
Eine Ausnahme vom Regelfall, dass bei Nichtbestehen eines Sachbescheidungsinteresses auch das gerichtliche Rechtsschutzbedürfnis fehlt, liegt entgegen der Zulassungsbegründung ebenfalls nicht vor. Diese meint unter Berufung auf das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 11. August 1997 (Az. 5 S 3509/95 – juris), dass ein gerichtliches Rechtsschutzbedürfnis für die Überprüfung, ob die Ablehnung eines Bauvorbescheids zu Recht erfolgte oder nicht, immer dann besteht, wenn die Behörde – wie hier – in der Sache entschieden hat, anstatt sich auf ein fehlendes Sachbescheidungsinteresse zu berufen. Es ist bereits fraglich, ob diese Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg auf die bayerische Rechtslage, die nicht die Möglichkeit vorsieht, den Bauherrn zur Beibringung eines Nachweises, dass er zur Ausführung des Vorhabens berechtigt ist, aufzufordern, übertragbar ist. Im Übrigen ging es im dortigen Fall um die Frage der Bejahung der landwirtschaftlichen Privilegierung des Klägers, die für absehbare weitere den Kläger betreffende Genehmigungsverfahren von Bedeutung war. Jedenfalls aber kann die Bejahung einer prozessualen Zulässigkeitsvoraussetzung einer Klage nicht davon abhängen, wie eine Behörde die vergleichbare Frage für den Bereich des Verwaltungsverfahrens entschieden hat. Eine wie auch immer geartete gerichtliche Bindung hieran besteht nicht.
2. Die Rechtssache weist auch keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Denn sie verursacht in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht keine größeren, d.h. überdurchschnittlichen, das normale Maß nicht unerheblich übersteigende Schwierigkeiten und es handelt sich auch nicht um einen besonders unübersichtlichen oder kontroversen Sachverhalt, bei dem noch nicht abzusehen ist, zu welchem Ergebnis ein künftiges Berufungsverfahren führen wird. Vielmehr ist der Rechtsstreit im tatsächlichen Bereich überschaubar und die entscheidungserheblichen rechtlichen Fragen sind durch die Rechtsprechung hinreichend geklärt (vgl. oben 1.).
3. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) liegt ebenfalls nicht vor. Dessen Darlegung erfordert nicht nur die genaue Benennung des Gerichts und die zweifelsfreie Angabe seiner Divergenzentscheidung. Darzulegen ist auch, welcher tragende Rechts- oder Tatsachensatz in dem Urteil des Divergenzgerichts enthalten ist und welcher bei der Anwendung derselben Rechtsvorschrift in dem angefochtenen Urteil aufgestellte tragende Rechts- oder Tatsachensatz dazu in Widerspruch steht. Die divergierenden Sätze müssen einander so gegenübergestellt werden, dass die Abweichung erkennbar wird (stRspr, vgl. BVerwG, B.v. 17.7.2008 – 9 B 15.08 – NVwZ 2008, 1115 Rn. 22 m.w.N.). Die Zulassungsbegründung sieht eine Abweichung der erstinstanzlichen Entscheidung von der unter 1. genannten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg. Bei diesem handelt es sich allerdings nicht um ein Divergenzgericht im Sinne der Vorschrift. Ein solches ist nur das im Rechtszug übergeordnete Oberverwaltungsgericht (Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, 41. EL Juli 2021, § 124 VwGO, Rn. 38), mithin der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
5. Schließlich liegt auch der geltend gemachte Verfahrensmangel (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) nicht vor. Die Zulassungsbegründung erblickt ihn darin, dass das Verwaltungsgericht eine weitere Aufklärung dahingehend unterlassen habe, den Willen der Beigeladenen zur Ausnutzung des beantragten Vorbescheids weitergehend zu ermitteln. Damit wird in der Sache ein Verstoß gegen die Amtsaufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO) gerügt. Die Anforderungen an eine erfolgreiche Aufklärungsrüge werden insoweit aber nicht erfüllt. Diese erfordert bei anwaltlich vertretenen Beteiligten insbesondere auch die Darlegung, dass ein Beweisantrag erstinstanzlich gestellt wurde oder dass sich dem Ausgangsgericht die weitere Aufklärung von Amts wegen hätte aufdrängen müssen (vgl. BVerwG, B.v. 8.7.2016 – 2 B 57.15 – ZBR 2017, 41 = juris Rn. 13). Daran fehlt es hier. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ausweislich des Sitzungsprotokolls keinen förmlichen Beweisantrag gestellt. Eine solche weitere Aufklärung musste sich dem Erstgericht auch nicht aufdrängen. Vielmehr ist es im Rahmen seiner Beweiswürdigung – aufgrund der eindeutigen Erklärung der Beigeladenen (vgl. oben 1.) zurecht – zu der Annahme gelangt, dass die Beigeladene an der Ausnutzung des beantragten Vorbescheids nicht interessiert ist.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst (§ 162 Abs. 3 VwGO). Im Berufungszulassungsverfahren sind die außergerichtlichen Kosten eines Beigeladenen in der Regel nicht aus Billigkeitsgründen der unterliegenden Partei aufzuerlegen (vgl. BayVGH, B.v. 11.10.2001 – 8 ZB 01.1789 – BayVBl 2002, 378). Ein Ausnahmefall ist vorliegend nicht gegeben. Die Streitwertentscheidung folgt aus §§ 47, 52 Abs. 1 GKG.


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