Baurecht

sanierungsrechtliche Genehmigung, Abrissgenehmigung, Gültigkeit der Sanierungssatzung

Aktenzeichen  W 4 K 21.55

Datum:
23.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 34520
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 144
BauGB § 145

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen. 
II. Die Kläger haben gesamtschuldnerisch die Kosten des Verfahrens zu tragen. 
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet. 

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. In dem hier maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung am 23. März 2021 haben die Kläger keinen Anspruch auf Erteilung der von ihnen begehrten sanierungsrechtlichen Genehmigung. Der Bescheid des Beklagten vom 22. August 2018 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
1. Ausgangspunkt der rechtlichen Beurteilung sind die §§ 144 Abs. 1 Nr. 1, 145 BauGB. Nach diesen Vorschriften (§ 144 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 14 Abs. 1 Nr. 1 BauGB) bedarf die Beseitigung einer baulichen Anlage im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet der schriftlichen Genehmigung der Gemeinde. Das streitgegenständliche Grundstück, auf dem sich das Haus befindet, für das die Abbruchgenehmigung mit Schreiben der Kläger vom 26. April 2018 beantragt ist, liegt im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet „Altort G …“, das durch Satzung vom 10. August 2017 beschlossen wurde. Es ist dort unter § 1 explizit genannt. Nach § 2 der Satzung gilt das vereinfachte Verfahren unter Geltung des § 144 Abs. 1 BauGB und beinhaltet damit auch die Genehmigungspflicht für den Abbruch des Hauses.
2. Nach § 145 Abs. 2 BauGB darf die Genehmigung nur versagt werden, wenn Grund zur Annahme besteht, dass das Vorhaben die Durchführung der Sanierung unmöglich macht oder wesentlich erschwert oder den Zielen und Zwecken der Sanierung zuwiderlaufen würde. Vorliegend beruft sich der Beklagte zu Recht darauf, dass der Abbruch des Hauses den Zielen und Zwecken der Sanierung zuwiderlaufen würde.
Die Beurteilung, ob Grund zu der Annahme besteht, dass ein Vorhaben dem Sanierungszweck zuwiderläuft, setzt voraus, dass ein Mindestmaß an Konkretisierung der Sanierungsziele erkennbar ist. Insoweit muss allerdings nicht unmittelbar nach Inkrafttreten der Sanierungssatzung erkennbar sein, wie das Gebiet im Einzelnen saniert werden soll. Da § 145 BauGB die Vorstellung zugrunde liegt, dass den Gemeinden für die Verwirklichung ihrer Sanierungsziele bis hin zur Aufstellung eines Sanierungsbebauungsplans hinreichend Zeit zur Verfügung stehen muss und Vorhaben verhindert werden sollen, die die Sanierung erschweren könnten, dürfen gerade zu Beginn des Sanierungsverfahrens keine zu hohen Anforderungen an die Konkretisierung der Sanierungsziele gestellt werden. Dagegen müssen sich im Lauf des Sanierungsverfahrens die Sanierungsziele hinreichend verdichten und damit zunehmend konkreter werden. Aus der anfänglich umfassenden Sperrwirkung der §§ 144, 145 BauGB wird deswegen mit zunehmender Verdichtung der Sanierungsziele ein Rechtsinstitut, mit dessen Hilfe nur noch diejenigen Vorhaben abgewehrt werden können, die den nunmehr detaillierten Planungsvorstellungen der Gemeinde widersprechen. Daraus folgt, dass in Fällen, in denen eine Sanierungssatzung vor längerer Zeit erlassen wurde, ohne dass das Sanierungsverfahren vorangetrieben worden ist und ohne dass die Sanierungsziele – bis hin zur Aufstellung eines Sanierungsbebauungsplans – zunehmend konkreter geworden sind, sich dies in der Gestalt auswirken kann, dass gegebenenfalls eine Genehmigung nach § 145 Abs. 2 BauGB erteilt werden muss (BVerwG, B.v. 27.5.1997 – BVerwGE 4 B 98.96 – NVwZ-RR 1998, 216; BVerwG, U.v. 7.9.1984 – BVerwGE 4 C 20.81 – NJW 1985, 278). Dieser Fall ist hier allerdings nicht gegeben.
Nach ersatzloser Aufhebung des § 10 StBauFG im Jahr 1984, der die Aufstellung eines Bebauungsplans für die Neugestaltung eines förmlich festgelegten Sanierungsgebiets vorschrieb, müssen die Sanierungsziele nunmehr nicht mehr zwingend im Bebauungsplanverfahren, sondern können auch auf andere Weise konkretisiert werden (vgl. OVG Bautzen, U.v. 19.8.1999 – 1 S 55/98 – BRS 62, Nr. 230). Der Wegfall des zwingenden Erfordernisses eines Sanierungsbebauungsplans entbindet die Gemeinde aber nicht von der Verpflichtung zur Aufstellung eines Sanierungskonzepts.
3. Unter Berücksichtigung dieser allgemeinen Ausführungen hat die Kammer keinerlei Bedenken im Hinblick auf die Konkretisierung der Sanierungsziele, so dass auch verlässlich beurteilt werden kann, dass der von den Klägern beabsichtigte ersatzlose Abriss des Hauses den Zielen der Sanierung widerspricht.
So sieht zunächst die Begründung des einfachen Bebauungsplanes „Altort G …“ vom 29. April 1996 bereits die Umnutzungsmöglichkeit von rückwärtigen Scheunen vor. „Um meist leerstehende, ehemals landwirtschaftliche Gebäude nicht verfallen zu lassen, wird nach neuer Nutzung für diese Gebäude gesucht. Auch wenn die Abstandsflächen nach Bayer. Bauordnung nicht eingehalten werden, aber für ausreichende Belichtung und Belüftung gesorgt ist, sowie die Brandschutzbestimmungen eingehalten werden, können die Gebäude umgenutzt werden“. Zu Recht weist der Beklagte deshalb darauf hin, dass schon zum damaligen Zeitpunkt der Erhalt der ortsbildprägenden Strukturen vorrangiges Ziel war. Die Begründung zur 1. Änderung des einfachen Bebauungsplans „Altort G …“ vom 28. Oktober 2011 führt zudem aus, dass auf der Grundlage der (alten) Sanierungssatzung die bestehenden Missstände im Ortskern behoben werden und dieser wieder zum zentralen Mittelpunkt des Ortsteils entwickelt wird. Weiter heißt es, dass in diesem Zusammenhang auch die Erhaltung, Erneuerung und Fortentwicklung des alten Ortskerns von G … inklusive der bestehenden land- und weinwirtschaftlichen Betriebsstellen sowie die Gestaltung des Ortsbildes i.V.m. der Gestaltungssatzung für den alten Ortskern zu berücksichtigen seien. Die Begründung zur 2. Änderung des einfachen Bebauungsplans „Altort G …“ vom 11. März 2016 führt weiter aus, dass Ziel der Sanierung die Stabilisierung und Weiterentwicklung des Altortes als traditioneller Versorgungsbereich und multifunktionales Zentrum für die gesamte Marktgemeinde sein solle.
Nichts anderes ergibt sich aus dem integrierten städtebaulichen Entwicklungskonzept von Oktober 2011. Kein Bereich der Gemeinde G … weise eine solche Vielfalt an Nutzungen, eine solche Dichte an ortsgeschichtlichen Stätten und eine so hohe Bedeutung für die Gesamtgemeinde auf wie der Altort. Verbunden mit der Erlebbarkeit der Ortsgeschichte mache dies den Altort zum urbanen Zentrum und Identifikationsschwerpunkt der Gesamtgemeinde.
4. Der von den Klägern geplante Abriss des ehemals zu Wohnzwecken genutzten Hauses und ihre in dem Schreiben vom 10. Juni 2018 an den Beklagten bekundete Absicht, die dann freiwerdende Fläche als Parkplatz zu vermieten, liefe diesen eben dargestellten Zielen der Sanierung offensichtlich entgegen.
Die beabsichtigte Erhaltung, Erneuerung und Stärkung des alten Ortskerns von G … würde durch die ersatzlose Beseitigung des Hauses samt Scheune erheblich tangiert. Das wurde auch im Rahmen des Augenscheinstermins am 28. November 2019 deutlich. Gerade die traufständige Scheune entlang der N …gasse hat, wie der Augenschein gezeigt hat, eine wesentliche ortsbildprägende Funktion. Deren Abriss zum Zweck der Parkplatznutzung des Gebäudes würde den durch die Sanierung zu sichernden Charakter des Ortskerns eindeutig zerstören.
Dies hat auch die Untere Denkmalschutzbehörde so gesehen, die gemäß Stellungnahme vom 26. Juli 2018 ausgeführt hat, dass städtebaulich die Beseitigung der Scheune, die eine wesentlich ortsbildprägende Funktion innerhalb des Straßenzuges habe, nur abgelehnt werden könne. Das Grundstück liege in Nachbarschaft des geschützten Ensembles Marktplatz und direkt neben einem denkmalgeschützten Fachwerkhaus mit einer zur Wohnnutzung umgebauten Scheune. Der geplante Abbruch aller Baulichkeiten, insbesondere der Scheune, würde einen Rückschritt für die Ortsgestaltung, Ortsbildpflege und Sanierung bedeuten und eine nicht wiederherzustellende Lücke in die Bauzeile reißen. Weiter wird ausgeführt, dass der Erhalt und gegebenenfalls die Umnutzung der Scheune nicht nur für den Erhalt einer wesentlichen baulichen Kante für das Ortsbild und das Ensemble Marktplatz bedeutsam seien. Eine Sanierung sei wohnbedingt im Rahmen der Städtebauförderung anzustreben und zielführend.
Das Wohnen würde nach alldem zu Gunsten gewerblicher Nutzung zurückgedrängt, was eindeutig dem Sanierungsziel widerspricht.
Diesem Ergebnis können die Kläger auch nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass aufgrund des derzeitigen Zustandes und insbesondere aufgrund des Brandes eine Wohnnutzung des Hauses nicht mehr möglich sei. Ebenso wenig kann dem entgegengehalten werden, dass durch eine Sanierung nur wenig Wohnraum geschaffen werden könnte. Das qualitative Argument vermag deshalb schon keine andere Entscheidung zu rechtfertigen, da die Durchführung der Sanierung nach § 146 BauGB gerade Baumaßnahmen umfasst, die nach den Zielen der Sanierung erforderlich sind. Zu diesen Baumaßnahmen zählen nach § 148 Abs. 2 BauGB neben der Modernisierung und Instandsetzung auch die Errichtung von Ersatzbauten. Ebenso wenig vermag das quantitative Argument zu überzeugen, denn auch die Beseitigung kleinerer Wohnflächen zum Zweck, Stellplätze für einen Gewerbebetrieb zu schaffen, läuft dem Ziel entgegen, die Wohnnutzung im Altort zu erhalten, erneuern und zu stärken.
5. Die Beklagte hat mit ihrem Hinweis auf die Stellungnahme der Denkmalschutzbehörde auch nicht die Grenzen des Sanierungsrechts überschritten und der Sache nach mit Hilfe des Sanierungsrechts Denkmalschutz betrieben.
Nach § 136 Abs. 4 Nr. 4 BauGB sollen Sanierungsmaßnahmen dazu beitragen, dass die vorhandenen Ortsteile erhalten, erneuert und fortentwickelt werden, die Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes verbessert und den Erfordernissen des Denkmalschutzes Rechnung getragen wird. Danach zählt der Denkmalschutz zwar selbst nicht unmittelbar zu den Zielen einer Sanierungsmaßnahme. Soweit es in dieser Bestimmung allerdings heißt, dass städtebauliche Sanierungsmaßnahmen dazu beitragen sollen, dass den Erfordernissen des Denkmalschutzes Rechnung getragen wird, handelt es sich – wie in der Bestimmung des § 1 Abs. 5 Nr. 5 BauGB – um einen Planungsleitsatz, der bei der Abwägung nach § 136 Abs. 4 Satz 3 BauGB mit zu berücksichtigen ist. Mit Mitteln des städtebaulichen Sanierungsrechts, das auf dem BauGB beruht, darf unmittelbar zwar kein Denkmalschutz betrieben werden. Dies folgt schon daraus, dass nach Art. 74 Nr. 18 GG der Bund lediglich die Kompetenz besitzt, das Bodenrecht zu regeln (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 26.1.1987, 1 BvR 969/83 – juris). Die Vorschrift ergreift verfassungsgemäß zwar auch den Denkmalschutz, diesen jedoch nur in seinem städtebaulichen Aspekt, d.h. in seiner Ausstrahlungswirkung in das Bauplanungsrecht. Im Übrigen ist Denkmalschutz Sache der Länder. Die damit angesprochenen verschiedenen Regelungsbereiche sind nach den Zielen abzugrenzen, die der Gesetzgeber mit der Erhaltung baulicher Anlagen jeweils verfolgt. Denkmalschutz hat die Erhaltung baulicher Anlagen aus historischen Gründen im Auge. Er will durch sie geschichtliche Entwicklung, aber auch allgemein- oder sozialgeschichtliche Ereignisse und Zeitabschnitte dokumentieren. Das Bodenrecht hingegen nimmt die zu erhaltenden baulichen Anlagen und ihre Beziehung zur aktuellen Stadtstruktur und in ihrer räumlichen Funktion für das gegenwärtige Zusammenleben der Menschen in der Gemeinde in den Blick.
Städtebauliche Erhaltungsgründe und Gründe des Denkmalschutzes sind damit prinzipiell getrennt voneinander zu prüfen. Dies kann dazu führen, dass eine einzelne bauliche Anlage entweder nur aus städtebaulichen Gründen ohne denkmalschützerischen Bezug oder nur als Baudenkmal ohne städtebauliche Funktion erhaltungswürdig ist. Im Einzelfall spricht allerdings nichts dagegen, wenn beide Gründe zusammentreffen. Für die Erhaltungswürdigkeit einer baulichen Anlage i.S.d. städtebaulichen Sanierungsrechts kann deshalb auch an deren Denkmalcharakter angeknüpft werden, wie dies vorliegend geschehen ist. Entscheidend für die Anwendung des Sanierungsrechts bleibt aber, dass die Wahrung ihrer städtebaulichen Funktion das Ziel der Erhaltung einer baulichen Anlage darstellt.
Vor diesem Hintergrund ist die Genehmigungsversagung nicht zu beanstanden. Wie die obigen Ausführungen deutlich zeigen, ebenso der im Rahmen des Augenscheinstermins gewonnene Gesamteindruck, sprechen erhebliche städtebauliche Gründe für die Erhaltung des Hauses samt Scheune.
6. Die Kläger können der Sache nach auch nicht einwenden, ihnen sei die Genehmigung zu erteilen, weil die Sanierung des Objekts und dessen Nutzung zu Wohnzwecken unwirtschaftlich sei. Hier gilt es zu beachten, dass das Gesetz das Eigentümerinteresse, von unwirtschaftlichen Aufwendungen verschont zu bleiben, in § 145 Abs. 5 Satz 1 BauGB nicht berücksichtigt. Vielmehr heißt es dort, dass für den Fall, dass die Genehmigung versagt wird, der oder die Eigentümer von der Gemeinde die Übernahme des Grundstücks verlangen können, wenn und soweit es ihm/ihnen mit Rücksicht auf die Durchführung der Sanierung wirtschaftlich nicht mehr zuzumuten ist, das Grundstück zu behalten oder es in seiner bisherigen oder einer anderen zulässigen Art zu nutzen.
7. Die Verweigerung der Genehmigung stellt für die Kläger schließlich auch keine unzulässige Enteignung dar. Die verfahrensrechtlichen und inhaltlichen Beschränkungen der §§ 144, 145 BauGB sind als Bestimmungen des Inhalts und der Schranken des Eigentums i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zu beurteilen. Die gesetzlich angeordneten Beschränkungen sind Ausdruck der Sozialbindung des Eigentums i.S.d. Art. 14 Abs. 2 GG.
8. Die streitgegenständliche Versagung der beantragten sanierungsrechtlichen Genehmigung erweist sich nach alldem zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung als rechtmäßig, denn die Kläger haben keinen Anspruch auf Erteilung einer solchen Genehmigung. Ihre Klage war daher vollumfänglich abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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