Aktenzeichen 2 U 2524/20
Leitsatz
1. Jedenfalls für Ansprüche wegen (Begleit-)Schäden, die dem Besteller bereits vor Abnahme entstanden sind und die ihrerseits – wie Verzögerungsschäden – durch die Erfüllung bzw. Nacherfüllung nicht mehr behoben werden können, greift die Regelverjährung; § 634a BGB findet auf einen Anspruch nach allgemeinen Leistungsstörungsrecht auf Schadensersatz neben der Leistung gemäß § 280 Abs. 1 BGB keine Anwendung.*).
2. Liegt der den Schaden auslösende Mangel bei Abnahme bzw. Eintritt eines Abnahmesurrogats nicht mehr vor, weil er noch während der Erfüllungsphase nachgebessert worden ist, bleibt es dabei, dass die regelmäßige Verjährung greift.*).
Verfahrensgang
2 U 2524/20 2021-07-13 Hinweisbeschluss OLGNUERNBERG OLG Nürnberg
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 01.07.2020, Aktenzeichen 13 O 1655/18, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Regensburg ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 2.242.063,00 Euro festgesetzt.
Gründe
A.
Die Klägerin verlangt von dem Beklagten, der mit der Erbringung von Leistungen der Tragwerksplanung für das Bauvorhaben „S. 3“ in M. beauftragt war, Schadensersatz gestützt auf die Behauptung, eine Verzögerung des Bauvorhabens sei dadurch eingetreten, dass der Beklagte Bewehrungspläne beim Prüfstatiker vorgelegt habe, die dieser als untauglich oder zumindest in erheblichem Umfang als fehlerhaft beurteilt und daher nicht zur Ausführung freigegeben habe. Im geringen Umfang seien – so die Klägerin weiter – Schäden auch dadurch entstanden, dass Pläne durch den Beklagten verspätet fertiggestellt worden seien.
Im Übrigen wird auf die Feststellungen in dem angefochtenen Urteil vom 01.07.2020 (Bl. 242 ff. d. A.) sowie die dortige Darstellung des Sach- und Streitstands Bezug genommen und ergänzend auf den Hinweis des Senats vom 13.07.2021 (Bl. 325 ff. d. A.) verwiesen.
Im Berufungsverfahren wird von der Klägerin beantragt,
1.Unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Regensburg vom 01.07.2020 – Az. 13 O 1655/18 – wird der Beklagte verurteilt, an die Klägerin 2.242.063 Euro nebst Zinsen hierauf in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Klageerhebung zu bezahlen.
2.Hilfsweise: Das Urteil des LG Regensburg vom 01.07.2020 – Az. 13 O 1655/18 – wird aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Regensburg zurückverwiesen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
B.
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 01.07.2020, Aktenzeichen 13 O 1655/18, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats vom 13.07.2021 (Bl. 325 ff. d. A.) Bezug genommen. Auch die Ausführungen in der Gegenerklärung vom 10.08.2021 (Bl. 350 ff. d. A.) geben zu einer Änderung keinen Anlass. Zu dieser ist lediglich das Folgende auszuführen:
1. Es ist höchstrichterlich geklärt, dass der Besteller Mängelrechte nach § 634 BGB in der seit 01.01.2002 geltenden Fassung (im Folgenden: n. F.) grundsätzlich erst nach Abnahme des Werks gelten machen kann und ihm bis dahin Ansprüche nach dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht zustehen (BGH, Urteil vom 19.01.2017 – VIII ZR 301/13 -). Die Abnahme grenzt im Sinne einer zeitlichen Zäsur die Erfüllungsvon den Nacherfüllungsansprüchen ab. Eine Parallelität zwischen allgemeinem Leistungsstörungs- und Gewährleistungsrechten gibt es daher nicht. Eine fehlerhafte Planung kann vor einer Abnahme (oder dem Eintritt eines Abnahmesurrogats, das die Abnahmewirkungen auslöst) wegen eines Folgeschadens demgemäß ausschließlich einen Schadensersatzanspruch neben der Leistung (unmittelbar) nach § 280 Abs. 1 BGB begründen. Die Regelung des § 634 Nr. 4 BGB ist insoweit nicht einschlägig.
2. Es ist weiter höchstrichterlich entschieden, dass Ansprüche nach dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht der Regelverjährung unterliegen (BGH, Urteil vom 08.07.2010 – VII ZR 171/08 -).
3. In Kombination bedeutet dies, dass § 634a BGB, der sich nach seinem eindeutigen Wortlaut auch auf § 634 Nr. 4 BGB bezieht, auf einen Anspruch nach allgemeinen Leistungsstörungsrecht auf Schadensersatz neben der Leistung gemäß § 280 Abs. 1 BGB keine Anwendung findet, sondern die §§ 195, 199 BGB gelten. In Übereinstimmung damit führte der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 08.07.2010 – VII ZR 171/08 – zu dem bis zum 31.12.2001 maßgeblichen Schuldrecht (im Folgenden: a. F.) aus:
„Der Senat muss nicht entscheiden, ob diese Grundsätze [Anmerkung: die dazu führten, dass die fünfjährige Gewährleistungsfrist ab Abnahme gemäß § 638 BGB a. F. auch für Gewährleistungsansprüche zur Anwendung kommt, die – wie nach altem Schuldrecht möglich – vor der Abnahme entstanden sind] auch für die mit der Einführung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes seit dem 01.01.2002 bestehende Gesetzeslage gelten. Das wird unter anderem davon abhängen, ob dem Besteller auch nach neuem Schuldrecht schon vor der Abnahme Mängelansprüche nach § 634 BGB n. F. zustehen.“
Das ist aber – wie der Bundesgerichtshof am 19.01.2017 entschieden hat – gerade nicht der Fall (dies verkennend: OLG Düsseldorf, Urteil vom 25.04.2019 – 5 U 91/18 -). Hierauf verweist auch das OLG Rostock in seinem Teilurteil vom 02.02.2021 – 4 U 70/19 -. In diesem vertritt das Gericht – anders als die Klägerin meint – gerade die Auffassung, dass nach dem ab 01.01.2002 geltenden Schuldrecht der werkvertragliche Erfüllungsanspruch vor dem nach der Abnahme bestehenden Nacherfüllungsanspruch verjähren kann.
Soweit sich die Klägerin auf die Ausführungen des Bundesgerichtshofs in seinem Urteil vom 24.02.2011 – VII ZR 61/10 – unter dem Punkt II. 2. b) beruft, betreffen diese die im Hinblick auf Art. 229 § 6 Abs. 1 EGBGB dort relevante Frage, ob auf die Verjährung eines am 01.01.2002 noch nicht verjährten Schadensersatzanspruchs gemäß § 635 BGB a. F. § 634a BGB n. F. Anwendung findet. Ob ein gemäß § 635 BGB a. F. entstandener Schadensersatzanspruch wegen Mängeln zu den in § 634a Abs. 1 BGB a. F. in Bezug genommenen Ansprüchen gehört, weil es sich ebenso wie bei den in § 634 Nr. 4 BGB n. F. erwähnten Ansprüchen um einen Schadensersatzanspruch wegen Mängeln handelt, ist für die Entscheidung des vorliegenden Falls indes irrelevant. Denn zum einen kann sich der Anspruch der Klägerin aus dem im Jahr 2011 geschlossenen Vertrag nicht nach § 635 BGB in der bis 31.12.2001 geltenden Fassung richten. Und zum anderen folgt aus den Erwägungen des Bundesgerichtshofs nicht, dass § 634a BGB unabhängig von einer Änderung der Rechtslage auf sämtliche Ansprüche anzuwenden ist, die unter § 635 BGB a. F. gefallen wären, wenn dieser fortgelten würde. Ob die Entstehung von Ansprüchen gemäß § 634 BGB n. F die Abnahme des Werks voraussetzt und insofern ein Unterschied zu der bis zum 31.12.2001 geltenden Rechtslage besteht, hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 24.02.2011 ausdrücklich offengelassen und mit Urteil vom 19.01.2017 – VIII ZR 301/13 – schließlich in diesem Sinn entschieden.
4. Ob der auf die Herstellung einer mangelfreien Sache gerichtete Erfüllungsanspruch nicht früher verjährt als der nach Abnahme bestehende Nacherfüllungsanspruch, weil sich dieser Erfüllungsanspruch mit der Abnahme in den Nacherfüllungsanspruch wandelt (so das OLG Hamm, Urteil vom 30.04.2019 – 24 U 14/18 -; dies ausdrücklich ablehnend: OLG Rostock, Teilurteil vom 02.02.2021 – 4 U 70/19 -) ist im vorliegenden Fall unerheblich und deshalb hier nicht zu entscheiden. Denn die Klägerin macht keinen unerledigten Anspruch auf Herstellung einer mangelfreien Sache geltend, sondern verlangt Schadensersatz wegen (behaupteter) Folgeschäden einer zunächst (möglicherweise) fehlerhaft, schließlich aber vereinbarungsgemäß erbrachten Planungsleistung.
Selbst wenn erstmals durch die Schadensersatzforderung der Klägerin im März 2015 ein Abrechnungsverhältnis begründet worden und es vorher zu keiner Abnahme gekommen sein sollte, hat das einen (etwaigen) bereits entstandenen Anspruch der Klägerin nach dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht, nämlich gemäß § 280 Abs. 1 BGB, nicht in ein Gewährleistungsrecht im Sinne von § 634 Nr. 4 BGB umgewandelt. Denn erforderlich für das Bestehen von Gewährleistungsrechten ist zumindest das Vorliegen eines Werkmangels zum Zeitpunkt der Abnahme bzw. des Eintritts eines Abnahmesurrogats. Liegt der den Schaden auslösende Mangel zu diesem Zeitpunkt nicht mehr vor, weil er – wie hier – noch während der Erfüllungsphase nachgebessert worden ist, bleibt es hingegen dabei, dass die regelmäßige Verjährung greift (Raab-Gaudin in: BeckOGK, BGB, Stand 7/2021, § 634a BGB Rn. 152 und Rn. 155). Insbesondere gibt es in einem solchen Fall keinen anderen Anspruch, der auf ein wirtschaftlich gleiches Ziel gerichtet wäre.
Eine Benachteiligung des Bestellers entgegen einer sich aus § 634a Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 BGB ergebenden Wertung des Gesetzgebers ergibt sich daraus nicht (anderer Ansicht: Kniffka, ibr-online-Kommentar Bauvertragsrecht 2017, Stand 8/2017, § 648 Rn. 292 f.). Insbesondere liegt dieser Verjährungsregelung gerade nicht das Motiv einer (einseitigen) Begünstigung des Bestellers mit dem Ziel zugrunde, dass ihm im Falle eines Bauwerks als Vertragsgegenstand immer eine Verjährungsfrist von (mindestens) fünf Jahren zur Verfügung stehen müsste. Mit der gegenüber der Regelverjährung längeren Frist geht nämlich einher, dass für den Beginn der Frist nicht wie in § 199 Abs. 1 BGB subjektiv auf das Erkennen oder grobfahrlässige Nichterkennen des Mangels abgestellt wird, sondern auf den objektiv zu bestimmenden Zeitpunkt der Abnahme. Dadurch kann sich die längere Frist erheblich relativieren. Es wurde vom Gesetzgeber letztlich in Kauf genommen, dass Mängelansprüche verjähren können, bevor der Besteller überhaupt von ihnen Kenntnis genommen hat.
Im Herstellungsstadium eines Bauvertrags gilt für den betreffenden Anspruch zwar nur die dreijährige Regelverjährung. Diese beginnt jedoch erst mit der Kenntnis der anspruchsbegründenden Tatsachen zu laufen. Aufgrund dieser subjektiven Voraussetzung für den Beginn der Verjährungsfrist sind die Interessen des Bestellers im Herstellungsstadium des Bauvertrags auch bei einer Dauer von nur drei Jahren gewahrt, während allein die Betroffenheit einer Bauleistung nicht zwangsläufig eine Verjährungsfrist von fünf Jahren bedingen muss (OLG Rostock, Teilurteil vom 02.02.2021 – 4 U 70/19 -). Da der Gläubiger bei entsprechender Kenntnis ohne weiteres in der Lage ist, verjährungshemmende Maßnahmen einzuleiten, besteht insbesondere auch kein Bedürfnis, den Rechtsgedanken des § 634a Abs. 3 Satz 2 BGB fristerstreckend auf § 195 BGB anzuwenden (OLG Rostock a. a. O; auch: OLG Karlsruhe, Urteil vom 09.03.2010 – 19 U 100/09 -).
Wurde ein Mangel – wie hier – während der Erfüllungsphase nachgebessert, realisiert sich darüber hinaus die für Bauwerke typische Risikolage nicht, die der Grund für die längere Verjährungsfrist ist. Denn dabei geht es um die späte Erkennbarkeit von Mängeln aus Gründen der Verdeckung durch aufeinanderfolgende Arbeiten einerseits sowie der Witterung und Nutzung andererseits (BGH, Urteil vom 20.12.2012 – VII ZR 182/10 -; Raab-Gaudin in: BeckOGK, BGB; Stand 7/2021, § 634a Rn. 23). Angesichts dessen greift das Argument nicht, der Gesetzgeber gehe davon aus, dass es für Mängelansprüche stets einer Sonderverjährung bedürfe (darauf abstellend: Kniffka, ibr-online-Kommentar Bauvertragsrecht 2017, Stand 8/2017, § 648 Rn. 292 f.). Denn dies lässt sich nur mit dem spezifischen Gesetzeszweck rechtfertigen.
C.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß §§ 708 Nr. 10, 711, 709 Satz 2 ZPO. Die Vollstreckbarkeit dieses Zurückweisungsbeschlusses folgt unmittelbar aus § 794 Abs. 1 Nr. 3 ZPO und bedarf keines besonderen Ausspruchs (Ulrici in: BeckOK, ZPO, 41. Edition, § 708 Rn. 24.3; Götz in: Münchener Kommentar, ZPO, 6. Aufl., § 708 Rn. 18).
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.