Baurecht

Sicherungsübereignung, Art der Sicherheitsleistung, Festsetzung einer Sicherheitsleistung, Anordnung einer Sicherheitsleistung, Höhe der Sicherheitsleistung, Vermieter, Verwaltungsgerichte, Bankbürgschaft, Bundsverwaltungsgericht, Insolvenzfestigkeit, Mietverträge, Abfallentsorgungsanlage, Dingliche Sicherheiten, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Betriebsgrundstück, Ermessenserwägungen, Kostenentscheidung, Sicherungsmittel, Entsorgungskosten, Insolvenzfall

Aktenzeichen  22 B 20.1347

Datum:
19.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 6102
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BImSchG § 17 Abs. 4a
BGB § 93 ff., § 232
BayVwVfG Art. 24 Abs. 1, § 26 Abs. 2

 

Leitsatz

Zu den Voraussetzungen der Festsetzung einer Sicherheitsleistung nach § 17 Abs. 4a BImSchG, insbesondere zu der Berücksichtigung einer Sicherungsübereignung eines auf dem Betriebsgrundstück des Abfallentsorgers befindlichen Bauwerks an dessen Vermieter, wenn die Sicherungsübereignung (auch) der Absicherung von im Insolvenzfall möglicherweise anfallenden Entsorgungskosten dient.

Verfahrensgang

AN 11 K 16.402 2018-12-05 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 5. Dezember 2018 und der Bescheid der Beklagten vom 24. Februar 2016 werden aufgehoben.
II. Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen trägt die Beklagte.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Über die Berufung konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Beklagten zu Unrecht abgewiesen. Denn die erhobene Anfechtungsklage ist begründet, da der angefochtene Bescheid rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Bescheid und das Urteil sind deshalb aufzuheben.
Auf die von der Klägerin aufgeworfenen Fragen der formellen Rechtmäßigkeit des Bescheids kommt es nicht an, weil dieser jedenfalls materiell rechtswidrig ist.
1. Der Bescheid findet seine Rechtsgrundlage in § 17 Abs. 4a Satz 1 BImSchG. Danach soll bei bestehenden Abfallentsorgungsanlagen im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 BImSchG zur Erfüllung der Pflichten nach § 5 Abs. 3 BImSchG im Nachgang zur Erteilung der Genehmigung (vgl. § 17 Abs. 1 BImSchG) eine Sicherheitsleistung angeordnet werden.
§ 17 Abs. 4a Satz 1 BImSchG bezweckt es sicherzustellen, dass die öffentliche Hand bei Zahlungsunfähigkeit des Betreibers einer Abfallentsorgungsanlage nicht die zum Teil erheblichen Sicherungs-, Sanierungs- und Entsorgungskosten zu tragen hat (vgl. BVerwG, B.v. 3.3.2016 – 7 B 44.15 – juris Rn. 12; U.v. 13.3.2008 – 7 C 44.07 – juris Rn. 27 f.). Insoweit besteht bei Abfallentsorgungsanlagen angesichts des in der Regel negativen Marktwerts von Abfällen ein besonderes Insolvenzrisiko, das über das bei allen immissionsschutzrechtlich genehmigungspflichtigen Anlagen bestehende Risiko hinausgeht. Im Falle der Insolvenz müsste, soweit keine Sicherheit geleistet würde, die öffentliche Hand die für die Entsorgung der Abfälle anfallenden Kosten tragen, ohne dass ihr hierfür die vom Anlagenbetreiber vor der Insolvenz vereinnahmten Entgelte zur Verfügung stehen. Dieses besondere Kostenrisiko der öffentlichen Hand soll durch die Anordnung einer Sicherheitsleistung vermieden werden (vgl. BVerwG, B.v. 3.3.2016 – 7 B 44.15 – juris Rn. 12; U.v. 13.3.2008 – 7 C 44.07 – juris Rn. 30; BayVGH, B.v. 9.1.2019 – 22 CS 18.2003 – juris Rn. 7).
2. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 17 Abs. 4a Satz 1 BImSchG liegen vor, wovon das Verwaltungsgericht zu Recht ausgegangen ist. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Klägerin eine genehmigungspflichtige Abfallentsorgungsanlage nach § 4 Abs. 1 Satz 1 BImSchG betreibt.
3. Von dem Verlangen nach einer Sicherheitsleistung – also dem „Ob“ der Anordnung – ist bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen lediglich in atypischen Fällen abzusehen, was sich aus der Formulierung des § 17 Abs. 4a Satz 1 BImSchG als Soll-Vorschrift ergibt. Dies entspricht der mit Art. 2 Nr. 3 des Gesetzes zur Bereinigung des Bundesrechts im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Rechtsbereinigungsgesetz Umwelt – RGU) vom 11. August 2009 (BGBl I S. 2723) verfolgten Absicht des Gesetzgebers, den Ermessensspielraum der Behörde einzuschränken (vgl. BT-Drs. 16/13301 S. 7; BVerwG, B.v. 3.3.2016 – 7 B 44.15 – juris Rn. 15; BayVGH, B.v. 14.5.2020 – 22 ZB 20.245 – juris Rn. 11; B.v. 9.1.2019 – 22 CS 18.2003 – juris Rn. 7). Für einen solchen atypischen Sonderfall ist hier nichts ersichtlich.
Ein solcher Sonderfall ergibt sich nicht daraus, dass Vermieterin der Klägerin die B. GmbH & Co KG ist, an der nach dem übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten der Freistaat Bayern als Gesellschafter beteiligt ist. Denn die Insolvenz der Klägerin als juristische Person des Privatrechts ist dadurch nicht ausgeschlossen; dies wurde vom Bundesverwaltungsgericht lediglich für den Fall angenommen, dass die Anlage unmittelbar oder als Eigenbetrieb von einer Körperschaft des öffentlichen Rechts betrieben wird (vgl. BVerwG, U.v. 13.3.2008 – 7 C 44.07 – juris Rn. 29). Würde die Klägerin insolvent, wäre mit dem Freistaat Bayern als Mitgesellschafter der Vermieterin der Klägerin entgegen der gesetzlichen Intention gerade doch die öffentliche Hand mit Entsorgungskosten belastet.
Ein atypischer Sonderfall, in dem gänzlich von der Festsetzung einer Sicherheitsleistung abzusehen wäre, liegt hier auch nicht deshalb vor, weil die Klägerin bereits (hinreichende) Sicherheiten gegenüber ihrer Vermieterin erbracht hätte (s. hierzu die Ausführungen unter C.4. des UMS vom 11. Mai 2010). Denn ungeachtet dessen, inwieweit eine solche Sicherheitsleistung an einen Dritten einen atypischen Ausnahmefall begründen könnte, ist vorliegend ausgeschlossen, dass die der Vermieterin gegenüber erbrachte Sicherheit die – unstreitig – abzusichernden Abfallentsorgungskosten von (gerundet) 3,84 Mio. Euro in voller Höhe abdecken könnte. Dies gilt ungeachtet der Meinungsverschiedenheiten über den Wert der Halle selbst unter Zugrundelegung des Vortrags der Klägerin, weil die sicherungsübereignete Halle „W.“ nach ihrer Aussage (nur) einen Wert von 3,39 Mio. Euro hat und zudem durch die Sicherungsübereignung nach dem Mietvertrag (Ziffer VIII., S. 14) noch weitere Ansprüche als derjenige auf Entsorgung gelagerter Abfälle gesichert werden.
4. Die Beklagte hat jedoch entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts bei der Festsetzung der Sicherheitsleistung der Höhe nach in einer der gerichtlichen Überprüfung unterliegenden Weise (§ 114 Satz 1 VwGO) fehlerhaft von ihrem Ermessen Gebrauch gemacht (Ermessensfehlgebrauch).
4.1 Hinsichtlich der Art und Höhe der Sicherheitsleistung – also dem „Wie“ der Anordnung – ist der Behörde Ermessen eingeräumt und von ihr pflichtgemäß auszuüben (BayVGH, B.v. 14.5.2020 – 22 ZB 20.245 – juris Rn. 11; B.v. 9.1.2019 – 22 CS 18.2003 – juris Rn. 7). Dabei ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass das Ermessen der Behörde durch Verwaltungsvorschriften, die die Behörde vorbehaltlich der Besonderheiten des Einzelfalls intern binden, im Interesse einer gleichmäßigen Verwaltungspraxis konkretisiert werden kann, auch bezüglich der Festsetzung einer Sicherheitsleistung für Abfallbehandlungsanlagen (vgl. BVerwG, U.v. 13.3.2008 – 7 C 44.07 – juris Rn. 39; OVG LSA, U.v. 25.10.2012 – 2 L 87.11 – juris Rn. 45). Um eine derartige Konkretisierung handelt es sich bei dem Rundschreiben des (damaligen) Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Gesundheit, das den Kreisverwaltungsbehörden, den Regierungen und nachrichtlich dem Landesamt für Umwelt zuging. Danach ist es zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen durch Ungleichbehandlung notwendig, einen Rahmen für die Ermittlung der Art und Höhe der Sicherheitsleistung durch die Genehmigungsbehörde vorzugeben (UMS vom 11.5.2010, S. 1). Zwar handelt es sich bei dem Rundschreiben nicht um eine veröffentlichte Verwaltungsvorschrift (s. zum Publikationsgebot bei Verwaltungsvorschriften mit unmittelbarer Außenwirkung für Dritte Schmitz in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 1 Rn. 212). Ungeachtet dessen bezweckt das Rundschreiben aber angesichts der einleitenden Formulierung auf S. 1 offensichtlich die Lenkung des Ermessens der Genehmigungsbehörden bei der Festsetzung der Sicherheitsleistungen, um Ungleichbehandlungen zu vermeiden; von einer entsprechenden rechtlichen Innenwirkung gegenüber den Behörden ist daher auszugehen (vgl. zu ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften Schmitz in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 1 Rn. 215).
4.2 Offen bleiben kann, ob und inwieweit die Ergänzung der Ermessenserwägungen des Bescheids im gerichtlichen Verfahren (vgl. Schriftsatz vom 29. März 2016) zulässig war. Die Zulässigkeit eines Nachschiebens oder einer Ergänzung von Ermessenserwägungen bestimmt sich nach ganz herrschender Meinung nach dem materiellen Recht und dem Verwaltungsverfahrensrecht; § 114 Satz 2 VwGO ermöglicht dagegen allein keine Mängelheilung, sondern bestimmt lediglich, dass einem danach zulässigen Nachholen von Ermessenserwägungen prozessuale Hindernisse unter den in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen nicht entgegenstehen (stRspr des BVerwG, vgl. z.B. U.v. 20.6.2013 – 8 C 46.12 – juris Rn. 31; BayVGH, U.v. 10.7.2018 – 10 B 17.1996 – juris Rn. 45; Riese in Schoch/Schneider, VwGO, Stand: Juli 2020, § 114 Rn. 254; Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 114 Rn. 85 f.). Auf die Frage kommt es vorliegend aber nicht an, weil sich der Bescheid auch unter Berücksichtigung der ergänzten Erwägungen als ermessensfehlerhaft jedenfalls in Bezug auf die Höhe der festgesetzten Sicherheitsleistung erweist.
4.3 Der Rahmen für die Ermessensausübung durch die Behörden bei der Entscheidung über die Art der Sicherheitsleistung ergibt sich aus der zu § 17 Abs. 4a BImSchG ergangenen Rechtsprechung sowie der ermessenslenkenden Verwaltungsvorschrift des StMUG.
Danach ist Voraussetzung zur Erreichung des Sicherungszwecks die Insolvenzfestigkeit des Sicherungsmittels. Die in § 232 Abs. 1 BGB genannten Sicherheiten sind hiervon bestimmt (vgl. BVerwG, U.v. 26.6.2008 – 7 C 50.07 – juris Rn. 18 zu einer Sicherheitsleistung nach KrW-/AbfG; für die Anwendbarkeit von § 232 BGB auch Jarass, BImSchG, 13. Aufl. 2020, § 12 Rn. 22; Czajka in Feldhaus, BImSchR, Stand: August 2020, § 12 BImSchG Rn. 53). Das Bundesverwaltungsgericht sah vor diesem Hintergrund neben der in der damals geltenden TA Abfall (außer Kraft seit 17.7.2009) unter Ziffer 3.2.1 benannten selbstschuldnerischen Bürgschaft und der Konzernbürgschaft insbesondere dingliche Sicherheiten oder die Hinterlegung von Geld mit daraus resultierendem Pfandrecht im Hinblick auf ihre Insolvenzfestigkeit (§§ 49 ff. InsO) als geeignete Sicherungsmittel an. Insoweit sei der begünstigte Gläubiger im Insolvenzverfahren absonderungsberechtigt; anders sei dies jedoch bei der Bildung betrieblicher Rückstellungen (vgl. BVerwG, U.v. 26.6.2008 – 7 C 50.07 – juris Rn. 18). Dingliche Sicherheiten werden auch von der Kommentarliteratur als geeignete Sicherungsmittel angesehen (vgl. Jarass, BImSchG, 13. Aufl. 2020, § 12 Rn. 22; Wasielewski in Führ, GK-BImSchG, 2019, § 12 Rn. 36; Posser in BeckOK Umweltrecht, Stand 1.10.2019, § 17 BImSchG Rn. 79c: neben der Bankbürgschaft auch Grundpfandrechte und andere insolvenzfeste Sicherheitsleistungen; Hansmann/Ohms in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand August 2020, § 17 BImSchG Rn. 197: Bestellung von Pfandrechten, Hypotheken oder Grundschulden).
Auch das UMS vom 11. Mai 2010 (Abschnitt D.1.) geht davon aus, dass die Sicherheitsleistung in den von § 232 BGB vorgesehenen Formen sowie durch andere Sicherungsmittel, die geeignet seien, den angestrebten Sicherungszweck zu erfüllen, erbracht werden könne. Dabei sei die Insolvenzfestigkeit sowie die Zweckmäßigkeit des Sicherungsmittels zu berücksichtigen. In erster Linie seien Sicherheitsleistungen unbedingte und unbefristete selbstschuldnerische Bankbürgschaften; eine Bürgschaft auf erstes Anfordern sei nicht erforderlich. Statt der Bürgschaft könne auch die Stellung dinglicher Sicherheiten (Hypothek, Grundschuld) erfolgen. Sicherungsübereignungen beweglichen Vermögens sollen danach nicht akzeptiert werden.
4.4 Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, dass die Beklagte der Klägerin auferlegt hat, eine selbstschuldnerische Bankbürgschaft zu hinterlegen. Insbesondere da andere Sicherungsmittel wie etwa dingliche Sicherheiten von der Klägerin nicht unmittelbar im Verhältnis zur Beklagten angeboten wurden, ist ein Ermessensfehler insoweit nicht ersichtlich. Allerdings mangelt es dem Bescheid an einer Begründung dafür, dass die Beklagte von der Klägerin eine Bürgschaft auf erstes Anfordern verlangt hat, obwohl dies nach dem UMS vom 11. Mai 2010 (Abschnitt D.1.) gerade nicht als erforderlich angesehen wird. Ob allein dies den Bescheid schon ermessensfehlerhaft macht, kann jedoch mit Blick auf die nachfolgenden Ausführungen dahinstehen.
4.5 Jedenfalls hat die Beklagte in fehlerhafter Weise von ihrem Ermessen Gebrauch gemacht, soweit sie es ablehnte, die Sicherungsübereignung der Halle „W.“ an die Vermieterin der Klägerin, die B. GmbH & Co KG, bei der Bemessung der Sicherheitsleistung der Höhe nach zu berücksichtigen.
Die Höhe der Sicherheitsleistung hat sich grundsätzlich an den Kosten einer etwaigen Ersatzvornahme zu orientieren (vgl. OVG LSA, U.v. 25.10.2012 – 2 L 87.11 – juris Rn. 46; OVG NW, B.v. 2.2.2011 – 8 B 1675.10 – juris Rn. 19; Jarass, BImSchG, 13. Aufl. 2020, § 12 Rn. 22). Die Höhe der zu erwartenden Entsorgungskosten (gerundet 3,84 Mio. Euro) ist nach dem Vortrag der Parteien unstreitig.
Ungeachtet dessen kann die Annahme der Beklagten, die Sicherungsübereignung der Halle an die Vermieterin der Klägerin könne eine unmittelbar ihr gegenüber zu erbringende Bankbürgschaft nicht – auch nicht teilweise – ersetzen, mit der gegebenen Begründung den Bescheid nicht tragen, auch wenn man berücksichtigt, dass die Sicherungsübereignung bereits im Vorfeld zugunsten der Vermieterin der Klägerin vorgenommen und nicht unmittelbar der Beklagten angeboten wurde. Insoweit ist nicht ersichtlich, dass hier die Maßstäbe, die von der Rechtsprechung für Sicherungsmittel im Rahmen des § 17 Abs. 4a Satz 1 BImSchG herausgebildet wurden, nicht auch für die Berücksichtigung der Sicherheitsleistung der Anlagenbetreiberin gegenüber ihrer Vermieterin gelten sollten. Diese Sicherheitsübereignung sichert nach dem Mietvertrag – jedenfalls teilweise – dieselben Risiken ab, wie es bei der Sicherheitsleistung nach § 17 Abs. 4a Satz 1 BImSchG der Fall ist, nämlich jedenfalls die Kosten für die Entsorgung verbleibender Abfälle (s. Mietvertrag Ziffer VIII., S. 14 unter Zugrundelegung einer nach Beendigung des Mietverhältnisses bestehenden Verpflichtung der Klägerin zur Beseitigung von gelagerten Abfällen mit Rückgabe des Grundstücks). Diese Überlegung steht offenkundig auch hinter Ziffer C.4. des UMS vom 11. Mai 2010, wonach Sicherheiten gegenüber dem Vermieter eines Betriebsgrundstücks zur Abdeckung möglicher Entsorgungskosten berücksichtigt werden können, wenn im Insolvenzfall des Anlagenbetreibers auch der Grundstückseigentümer als Abfallbesitzer zur Entsorgung herangezogen werden kann. Der Bescheid der Beklagten einschließlich der nachgeschobenen Erwägungen nennt keine Gründe, die – angesichts der mit der geforderten Bankbürgschaft verbundenen erheblichen wirtschaftlichen Belastung der Beklagten und der dadurch ausgelösten Grundrechtsbetroffenheit – ein vollständiges Absehen von dieser Möglichkeit rechtfertigen würden.
4.5.1 Soweit die Beklagte auf das Verwertungsrisiko bezüglich der Halle verweist, würde mit dieser Überlegung die Sicherungsübereignung von vornherein aus dem Kreis der möglichen Sicherungsmittel ausgeschieden, weil es zu ihrem Wesen gehört, dass die übereignete Sache erst verwertet werden muss, bevor Geldmittel zur Verfügung stehen. Gleiches gilt für die Bestellung von Grundpfandrechten. Dieser Annahme steht entgegen, dass § 232 Abs. 1 BGB die Bestellung von Hypotheken an inländischen Grundstücken zulässt, die ebenfalls mit einem Verwertungsrisiko verbunden ist, und das Bundesverwaltungsgericht dingliche Sicherheiten, zu denen auch die Sicherungsübereignung zählt, mit Blick auf ihre Insolvenzfestigkeit generell als taugliche Sicherungsmittel im Rahmen von § 17 Abs. 4a BImSchG angesehen hat. Auch das UMS vom 11. Mai 2010 sieht vor, dass statt einer Bürgschaft die Stellung dinglicher Sicherheiten erfolgen kann und insbesondere Sicherungsübereignungen nur in Bezug auf bewegliches Vermögen nicht akzeptiert werden sollen (zur Qualifikation der Halle „W.“ als unbewegliche Sache s. Ziffer 4.5.2). Zwischen verschiedenen gleich geeigneten Sicherheiten hat der Sicherungsgeber die Wahl (so in Bezug auf die verschiedenen Möglichkeiten des § 232 Abs. 1 BGB Grothe in Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2018, § 232 Rn. 2), wovon auch das UMS ausgeht (Abschnitt D.1., S. 7). Damit ist es nicht vereinbar, unter Verweis auf das Verwertungsrisiko und die Zweckmäßigkeit der Sicherheitsleistung die Sicherungsübereignung an die Vermieterin generell auszublenden.
Die Beklagte kann sich diesbezüglich auch nicht auf ihre Verwaltungspraxis, nach der sie in allen vergleichbaren Fällen Bankbürgschaften fordere, und eine damit ggf. einhergehende Selbstbindung der Verwaltung (Art. 3 Abs. 1 GG) berufen (s. auch die behördeninterne „Allgemeine Info zur Sicherheitsleistung“ auf Bl. 47 der Behördenakte I, Bd. 35: Danach werde die dingliche Sicherung von Grundstücken nicht akzeptiert, weil der geldwerte Anspruch im Zweifel nicht unmittelbar zu liquidieren sei. Akzeptiert würden nur Sicherheitsleistungen, die sich schnell liquidieren ließen, wie Bankbürgschaften, die Hinterlegung von Spareinlagen oder von Geld.). Eine solche Praxis, die andere Sicherungsmittel von vornherein nicht akzeptiert, wäre mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und dem UMS nicht vereinbar, zumal sie die erhebliche wirtschaftliche Belastung, die für die Betreiber von Abfallentsorgungsanlagen mit der Stellung von Bürgschaften verbunden sein kann, außer Betracht lässt. Insoweit wären auch Art. 12 und Art. 14 GG zu beachten.
4.5.2 Die Berücksichtigung der Sicherungsübereignung der Halle „W.“ an die Vermieterin der Klägerin konnte mit Blick auf das UMS vom 11. Mai 2010 auch nicht ermessensfehlerfrei mit der Begründung abgelehnt werden, es handele sich bei der Halle „W.“ um bewegliches Vermögen.
Die Halle „W.“ ist zwar nach dem zwischen der Klägerin und der B. GmbH & Co. KG geschlossenen Mietvertrag (Ziffer XII., S. 16) als unwesentlicher Bestandteil des Grundstücks anzusehen (§ 95 BGB), weil sie nur vorübergehenden Zwecken diene. Nur auf dieser Grundlage war es möglich, dass die Halle nicht bereits mit ihrer Errichtung gemäß § 93 BGB in das Eigentum der Vermieterin überging und einer Sicherungsübereignung an diese überhaupt zugänglich war (vgl. Stresemann in Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2018, § 93 Rn. 20), worauf die Beklagte zu Recht hingewiesen hat. Angesichts der vertraglichen Vereinbarung können die Ausführungen der Klägerin in der Berufungsbegründung vom 10. Juli 2020 dahinstehen, wonach die Halle mit dem Grundstück fest verbunden und daher wesentlicher Bestandteil nach § 94 BGB sei. An der Wirksamkeit der Sicherungsübereignung wecken sie angesichts der vertraglichen Abrede jedenfalls keine Zweifel. Auch als unwesentlicher Bestandteil des Grundstücks ist die Halle aber keine bewegliche Sache, da auch nicht wesentliche Bestandteile eines Grundstücks für die Dauer der Verbindung die Eigenschaft der beweglichen Sache verlieren (vgl. RGZ 158, 362/368 f.; Stresemann in Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2018, § 90 Rn. 13; Mansel in Jauernig, BGB, 18. Aufl. 2021, Vorbemerkung zu § 90 Rn. 3).
4.5.3 Soweit die Beklagte sich darauf bezieht, dass die Vermieterin nach dem Mietvertrag (Ziffer VIII., S. 14) das Objekt aus dem Sicherungseigentum auf Verlangen freigibt, wenn das Objekt zusammen mit anderen bestellten Sicherheiten den realisierbaren Wert sämtlicher Sicherheiten – mithin 100% der gesicherten Ansprüche – nicht nur vorübergehend überschreitet, begründet sie ebenfalls nicht in ausreichender Weise, dass die Sicherungsübereignung bei der Festsetzung der Sicherheitsleistung gänzlich außen vor zu lassen sei. Dass die Voraussetzungen für eine solche von der Beklagten angeführte Freigabe ohne weiteres eintreten würden, ist nicht ersichtlich. Es ist weder vorgetragen noch erkennbar, dass die Klägerin ihrer Vermieterin über die Halle „W.“ hinaus weitere Sicherheiten bestellt hätte, die allein zu einer Übersicherung führen könnten. Gäbe es weitere vergleichbare Sicherheiten, so könnten auch diese bei der Bemessung der immissionsschutzrechtlichen Sicherheitsleistung zu berücksichtigen sein. Zudem könnte die Beklagte im Bescheid eine Regelung treffen, nach der im Fall der Freigabe der Sicherheit die ihr gegenüber zu erbringende Sicherheitsleistung angepasst werden müsste.
4.5.4 Die Beklagte hat in dem angefochtenen Bescheid zudem ausgeführt, es sei fraglich, ob und ggf. welcher Betrag in Anbetracht der verschiedenen Zwecke, die über den Wert der Halle gesichert werden sollten, für die Abfallentsorgung zur Verfügung stehen würde, zumal Zweifel an dem angegebenen Wert von knapp 3,4 Mio. Euro bestünden. Im erstinstanzlichen Verfahren legte sie ihre Bedenken hinsichtlich des von der Klägerin vorgelegten Verkehrswertgutachtens im Einzelnen dar, ohne dass die Klägerin dem entgegentrat.
Die Beklagte hätte insoweit in ihre Überlegungen einbeziehen müssen, dass die Sicherungsübereignung der Halle an die Vermieterin der Klägerin jedenfalls auch dazu diente, Kosten für die Beseitigung von Reststoffen nach einer eventuellen Insolvenz abzusichern, und es durch die Bereitstellung der von ihr verlangten Bürgschaft jedenfalls teilweise zu einer doppelten Absicherung des gleichen Risikos kommen würde. Dabei dient die Sicherungsübereignung entgegen der Annahme der Beklagten gerade nicht auch als Sicherheit für Mietausfälle (s. Mietvertrag Ziffer VIII., S. 14). Es genügte nicht, bei der Vermieterin der Klägerin nachzufragen, welcher Betrag von dort zur Sicherung der Entsorgungskosten bereitgestellt werden könnte und auf deren – wenn auch nicht eindeutige – Antwort nicht mehr zu reagieren. Vielmehr hätte die Beklagte sich insoweit – ggf. unter Beteiligung der Klägerin – mit der Vermieterin näher ins Benehmen setzen müssen. Soweit sie am Wert der Halle zweifelte, hätte die Beklagte gemäß Art. 24 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG weitere Ermittlungen – ggf. unter Mitwirkung der Klägerin (vgl. Art. 26 Abs. 2 BayVwVfG, s. hierzu Kallerhoff/Fellenberg in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 26 Rn. 44 ff.; zur Darlegungslast des Beteiligten am Verwaltungsverfahren für die ausschließlich seinem Einflussbereich unterliegenden Tatsachen vgl. Kallerhoff/Fellenberg in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 24 Rn. 54) – anstellen müssen; die Zweifel allein boten ihr keine tragfähige Grundlage dafür, die Halle bei der Festsetzung der Sicherheitsleistung gänzlich außen vor zu lassen.
Nach entsprechenden Absprachen mit der Vermieterin und, soweit erforderlich, einer hinreichend tragfähigen Wertermittlung ggf. unter Beteiligung der Klägerin wäre insbesondere zu prüfen gewesen, ob die Sicherungsübereignung die Entsorgungskosten im Insolvenzfall zumindest teilweise sichern könnte mit der Folge, dass eine ggf. zusätzlich zu fordernde Bürgschaft nur noch einen geringeren Betrag absichern müsste als nach dem Bescheid vorgesehen. In eine solche Prüfung wäre – anders als im Bescheid ausgeführt – auch einzustellen gewesen, inwieweit das Risiko des Wertverlustes der Halle durch Brand von der Versicherung der Klägerin abgedeckt ist (s. hierzu die Äußerung des Klägervertreters in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 5.12.2018, Niederschrift S. 3, sowie die Angaben der Vermieterin der Klägerin im Schreiben vom 17.2.2016). Unabhängig von der aus Art. 24 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG folgenden Verpflichtung zur Sachverhaltsermittlung wäre allerdings im Fall der Nichterweislichkeit von Tatsachen nach Durchführung hinreichender Ermittlungsmaßnahmen die materiell-rechtliche Frage der Beweislast zu bewerten (s. hierzu Kallerhoff/Fellenberg in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 24 Rn. 55).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.


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