Baurecht

Sondervorteil aufgrund Straßenausbau rechtfertigt Beitragspflicht des Grundstückseigentümers

Aktenzeichen  6 BV 17.1320

Datum:
27.9.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BayVBl – 2019, 198
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
KAG Art. 2 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Die satzungsmäßige Festlegung von Gemeindeanteil nach Art. 5 III KAG (in der bis 31.12.2017 geltenden Fassung) ist nur dann rechtswidrig, wenn der jeweils gewählte Anteil unter Vorteilsgesichtspunkten schlechterdings nicht mehr vertretbar ist. Die gemeindliche Eigenbeteiligung bei einer Anliegerstraße und deren Teileinrichtungen darf zwischen 20 und 40 vH liegen.
2. Eine Ausbaubeitragssatzung bedarf keiner gesonderten Begründung. Eine solche ist weder im Kommunalabgabengesetz noch in der Gemeindeordnung vorgesehen. Es ist daher rechtlich nicht relevant, dass die Behörde die Erhöhung von gemeindlichen Eigenbeteiligungssätzen in erster Linie „zur Entlastung der Bürger“ beschlossen hat. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der besondere Vorteil, der die Auferlegung eines Straßenausbaubeitrags rechtfertigt, liegt in der qualifizierten Möglichkeit, eine erneuerte Ortsstraße in Anspruch zu nehmen. Ob der Betroffene den Straßenausbau subjektiv als vorteilhaft empfindet, ist beitragsrechtlich ohne Belang. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
4. Der Gemeinde steht hinsichtlich der Ausgestaltung einer Ortsstraße im Rahmen einer Erneuerungs- oder Verbesserungsmaßnahme ein weiter, gerichtlich nur beschränkt überprüfbarerer Gestaltungsspielraum zu. Die Grenze ist erst überschritten, wenn die von der Gemeinde im Einzelfall gewählte Lösung sachlich schlechthin unvertretbar ist. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 3 K 15.1217 2017-03-23 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 23. März 2017 – W 3 K 15.1217 – abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden‚ sofern nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.
Das Verwaltungsgericht hat den Straßenausbaubeitragsbescheid der Beklagten vom 18. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Oktober 2015 zu Unrecht aufgehoben.
Anwendung findet nach der Übergangsvorschrift des Art. 19 Abs. 7 Satz 1 Kommunalabgabengesetz (KAG) in der Fassung vom 26. Juni 2018 (GVBl S. 449) dieses Gesetz in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung (der Bek. vom 4.4.1993, GVBl. S. 264, zuletzt geändert durch Gesetz vom 13.12.2016, GVBl. S. 351). Nach dieser Rechtslage ist die der Beitragserhebung zugrunde liegende Ausbaubeitragssatzung der Beklagten vom 20. April 2010 entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht nichtig (1.). Die Beklagte hat zwar die abgerechnete Einrichtung Zeller Weg und das Abrechnungsgebiet unzutreffend gebildet; das wirkt sich jedoch nicht zulasten des Klägers aus, weil nach der Vergleichsberechnung bei Berücksichtigung der tatsächlich angefallenen Kosten für Beleuchtung und Pflasterung auch bei zutreffendem Abrechnungsgebiet ein höherer Straßenausbaubeitrag auf das klägerische Grundstück entfiele als von der Beklagten festgesetzt, so dass die Klage abzuweisen war (2.). Die vom Kläger gegen die Beitragserhebung vorgebrachten Einwendungen bleiben ohne Erfolg (3.).
1. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts bildet die Ausbaubeitragssatzung der Beklagten (ABS) vom 20. April 2010 eine wirksame Rechtsgrundlage für die Heranziehung des Klägers zu einem Straßenausbaubeitrag.
a) Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG in der maßgeblichen bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung können die Gemeinden zur Deckung des Aufwands für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung ihrer öffentlichen Einrichtungen (Investitionsaufwand) Beiträge von den Grundstückseigentümern und Erbbauberechtigten erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtungen besondere Vorteile bietet. Gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG sollen für die Verbesserung oder Erneuerung von Ortsstraßen und beschränkt-öffentlichen Wegen Ausbaubeiträge erhoben werden, soweit nicht Erschließungsbeiträge nach Art. 5a KAG zu erheben sind. In den als Grundlage der Beitragserhebung gemäß Art. 2 Abs. 1 KAG zu erlassenden Abgabesatzungen treffen die Gemeinden nähere Bestimmungen. Nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 KAG ist in der Abgabesatzung eine Eigenbeteiligung der Gemeinde vorzusehen, wenn die Einrichtung neben den Beitragspflichtigen nicht nur unbedeutend auch der Allgemeinheit zugutekommt. Die Eigenbeteiligung muss die Vorteile für die Allgemeinheit angemessen berücksichtigen (Satz 2). Satzungen nach Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG haben eine vorteilsgerecht abgestufte Eigenbeteiligung einheitlich für das gesamte Gemeindegebiet vorzusehen (Satz 3).
Da das Kommunalabgabengesetz die (Mindest-)Höhe der gemeindlichen Eigenbeteiligung nicht regelt, bleibt es grundsätzlich dem Gestaltungsspielraum des Ortsgesetzgebers überlassen, die gemeindliche Eigenbeteiligung in der Satzung zu bestimmen. Der Gemeinde als ortsrechtlicher Normgeberin steht aufgrund ihrer Satzungs- und Abgabenhoheit ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer weiter Gestaltungsspielraum zu (BVerwG, B.v. 3.9.2014 – 9 B 45.14 – juris Rn. 4). Aus der gesetzlichen Vorgabe, den öffentlichen Nutzen „angemessen“ in die Eigenbeteiligung einzustellen, sowie der Erkenntnis, dass sich aus Straßenbaumaßnahmen erwachsende Vorteile einer rechnerischen exakten Bemessung von vornherein entziehen, weshalb nur nach einem Wahrscheinlichkeitsmaßstab vorgegangen werden kann, folgt zwangsläufig, dass der Gemeinde bei der Entscheidung über die Eigenbeteiligungssätze im Einzelnen ein Bewertungsspielraum zuzubilligen ist, der nicht voll der gerichtlichen Kontrolle unterliegt. Die Ermächtigung des Satzungsgebers, einen Spielraum auszuschöpfen, findet ihre rechtliche Grenze erst in den allgemeinen abgaberechtlichen Grundsätzen des Prinzips, dass der Beitrag einen Ausgleich für einen Vorteil darstellen muss, der Verhältnismäßigkeit und des Willkürverbots. Innerhalb dieser Grenzen ist es jedoch nicht zu beanstanden, wenn die Gemeinde typische Fallgruppen in einer vereinheitlichenden Weise erfasst, die das Heranziehungsverfahren praktikabel, überschaubar und effizient gestaltet (BayVGH, U.v. 16.8.2001 – 6 B 97.111 – juris Rn. 14).
Ausgehend hiervon ist die gemeindliche Selbstbeteiligung so abzustufen, dass der Vorteil, der der Allgemeinheit im Verhältnis zu den Anliegern zuwächst, ausreichend differenziert berücksichtigt wird. Der Satzungsgeber hat daher bei seiner Wertung zu berücksichtigen, ob und inwieweit den Anliegern durch ihre räumliche Beziehung zu der Straße und deren Inanspruchnahme ein Vorteil zuwächst und in welchem Umfang der Vorteil der Allgemeinheit sich hierdurch gegebenenfalls verringert. Entscheidendes Kriterium ist dabei das Maß der zu erwartenden Inanspruchnahme der ausgebauten Straße durch die Anlieger einerseits und die Allgemeinheit andererseits (BayVGH, U.v. 29.10.1984 – 6 B 82 A.2893 – BayVBl 1985, 117 ff.; Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 366 ff.). Bei der Abwägung zwischen dem individuellen Vorteil des Anliegers und dem Vorteil der Allgemeinheit ist die Verkehrsbedeutung der jeweiligen Straße das wichtigste Kriterium. Es ist notwendig, zumindest drei Straßenkategorien (einschließlich ihrer Teileinrichtungen) entsprechend der Verkehrsfunktion aufzustellen, nämlich Anliegerstraßen, Haupterschließungsstraßen und Hauptverkehrsstraßen, wobei für die konkrete Einordnung die in der Satzung notwendigerweise enthaltene Definition des jeweiligen Straßentyps heranzuziehen ist. Die Eigenbeteiligung der Gemeinde muss sich in Bezug auf den jeweiligen Straßentyp sachgerecht in das System der festgelegten Anteilsätze einfügen, um dem Gebot der angemessenen Vorteilsabwägung zu entsprechen (BayVGH, U.v. 29.10.1984 – 6 B 82 A.2893 – BayVBl 1985, 117 ff.). Je mehr die ausgebaute Einrichtung erfahrungsgemäß von der Allgemeinheit benutzt wird, desto höher ist der Wert des durch die Inanspruchnahmemöglichkeit der Allgemeinheit vermittelten Vorteils zu bemessen und desto höher muss dementsprechend der Gemeindeanteil sein. Umgekehrt muss der Anliegeranteil umso höher sein, je mehr die ausgebaute Einrichtung erfahrungsgemäß von den anliegenden Grundstücken aus benutzt wird. Dabei ist auch nach den einzelnen Teileinrichtungen der Ortsstraßen zu differenzieren (BayVGH, U.v. 16.8.2001 – 6 B 97.111 – juris). In einer Anliegerstraße können die Vorteile für die Anlieger im Verhältnis zur Allgemeinheit für alle Teileinrichtungen gleich bemessen werden. Bei Haupterschließungsstraßen und Hauptverkehrsstraßen hingegen unterscheiden sich die von unterschiedlichen Teileinrichtungen ausgehenden Vorteile so stark voneinander, dass ein einheitlicher Gemeindeanteil zu pauschal wäre, um dem Vorteilsprinzip noch zu genügen. Schließlich darf der gemeindliche Anteil nicht so hoch bemessen sein, dass die Gemeinde der gesetzlichen Beitragserhebungspflicht nach Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG a.F. nicht mehr nachkommt (grundlegend dazu BayVGH, U.v. 9.11.2016 – 6 B 15.2732 – juris; nachfolgend: BVerwG, B.v. 16.11.2017 – 10 B 2.17 – juris). Abgesehen von den vorgenannten gesetzlichen Vorgaben sowie von den durch das Vorteilsprinzip gesetzten Grenzen ist es Sache des Satzungsgebers, den Gemeindeanteil in der Satzung zu bestimmen. Die satzungsmäßige Festlegung von Gemeindeanteil und Anliegeranteil ist nur dann rechtswidrig, wenn der jeweils gewählte Anteil unter Vorteilsgesichtspunkten schlechterdings nicht mehr vertretbar ist, d.h. die Überschreitung des höchstzulässigen oder die Unterschreitung des mindestens Gebotenen völlig eindeutig ist und außer Frage steht (OVG Berlin-Bbg, B.v. 22.5.2015 – 9 S 8.14 – juris Rn. 12; Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 371).
b) Diesen gesetzlichen Anforderungen wird die vom Verwaltungsgericht beanstandete Ausbaubeitragssatzung der Beklagten vom 20. April 2010 noch gerecht.
Die Beklagte hat in § 7 Abs. 2 Nr. 1.1 bis 1.3 ABS u.a. die drei Straßenkategorien Anliegerstraßen, Haupterschließungsstraßen und Hauptverkehrsstraßen einschließlich deren Teileinrichtungen gebildet und diese entsprechend ihrer Verkehrsbedeutung mit verschieden hohen Eigenbeteiligungssätzen der Gemeinde gestaffelt. Diese belaufen sich auf 35 v.H. für sämtliche Teileinrichtungen einer Anliegerstraße, 65 v.H. für die Fahrbahn einer Haupterschließungsstraße und 50 v.H. für deren sonstige Teileinrichtungen sowie auf 85 v.H. für die Fahrbahn einer Hauptverkehrsstraße und 60 v.H. für deren sonstige Teileinrichtungen. Die Eigenbeteiligung der Gemeinde liegt somit durchgehend 15 Prozentpunkte über den im Muster des Bayerischen Gemeindetags (Stand 23.11.2016) in § 6 Abs. 2 Nr. 1.1 bis 1.3 vorgesehenen Mindestgemeindeanteilen, die eine die Gemeinde nicht bindende Empfehlung darstellen und vom Senat bislang nicht beanstandet wurden. Die in der Satzung der Beklagten vorgesehenen Gemeindeanteile stehen im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften, weil sie das System der vorteilsgerechten Abstufung im Sinn des Art. 5 Abs. 3 KAG beachten und (noch) nicht gegen das Beitragserhebungsgebot des Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG a.F. verstoßen.
Greift man aus der Satzung der Beklagten beispielsweise eine Anliegerstraße heraus, ist der von der Gemeinde festgelegte Eigenanteil von 35 v.H. für sämtliche Teileinrichtungen einer Anliegerstraße rechtlich nicht zu beanstanden. Anliegerstraßen sind nach § 6 Abs. 3 Nr. 1 ABS Straßen, die ganz überwiegend der Erschließung der Grundstücke dienen. Bei solchen Straßen hat der Senat einen Gemeindeanteil von 20% als Untergrenze angesehen (BayVGH, U.v. 29.10.1984 – 6 B 82 A. 2893 – UA S. 16). Auch eine Ausbaubeitragssatzung, die u.a. bei Fahrbahnen von Anliegerstraßen einen Anteil der Beitragsschuldner von 60 v.H. und somit einen Anteil der Gemeinde von 40 v.H. vorsah, wurde vom Senat nicht beanstandet (BayVGH, U.v. 10.1.1990 – 6 B 88.2849 – UA. S. 8 ff.). Die gemeindliche Eigenbeteiligung bei einer Anliegerstraße und deren Teileinrichtungen kann somit zwischen 20 und 40 v.H. liegen. In diesem Rahmen bewegt sich die von der Beklagten für eine Anliegerstraße und deren Teileinrichtungen festgesetzte gemeindliche Eigenbeteiligung. Die Gemeindeanteile für Haupterschließungsstraßen (nach § 6 Abs. 3 Nr. 2 ABS Straßen, die der Erschließung von Grundstücken und gleichzeitig dem durchgehenden innerörtlichen Verkehr dienen und nicht Hauptverkehrsstraßen sind) wurden entsprechend der höheren Inanspruchnahme durch die Allgemeinheit höher gestaffelt. Entsprechendes gilt für Hauptverkehrsstraßen, die nach § 6 Abs. 3 Nr. 3 ABS ganz überwiegend dem durchgehenden innerörtlichen und/oder überörtlichen Durchgangsverkehr dienen und somit einen noch höheren Gemeindeanteil aufweisen.
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts bedurfte die Ausbaubeitragssatzung der Beklagten keiner gesonderten Begründung. Eine solche ist weder im Kommunalabgabengesetz noch in der Gemeindeordnung vorgesehen. Welche Motive den Satzungsgeber zu der Erhöhung der gemeindlichen Eigenanteile bewogen haben, ist unerheblich; denn für die Gültigkeit untergesetzlicher Normen ist, soweit – wie hier – keine anderweitigen Rechtsvorschriften bestehen, allein das Ergebnis des Rechtsetzungsaktes maßgeblich (BayVGH, U.v. 15.10.2009 – 6 B 08.1431 – juris Rn. 25). Dieses muss im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften stehen, was hier (noch) der Fall ist. Es ist daher rechtlich nicht relevant, dass die Beklagte die Erhöhung der gemeindlichen Eigenbeteiligungssätze in erster Linie „zur Entlastung der Bürger“ beschlossen hat. Schon aus Praktikabilitätsgründen ist es auch nicht erforderlich, dass die Gemeinden jeweils bezogen auf ihr Gebiet in eine nähere, nachvollziehbare Untersuchung der Anlieger- und Allgemeinvorteile einer Straße eintreten, valide Daten ermitteln und sodann einen dem Untersuchungsergebnis entsprechenden Anliegeranteil regeln müssen (vgl. OVG Berlin-Bbg, B.v. 22.5.2015 – 9 S 8.14 – juris Rn. 12).
2. Auf dieser wirksamen satzungsrechtlichen Grundlage ist der angefochtene Straßenausbaubeitragsbescheid sowohl dem Grunde nach als auch in der Höhe berechtigt.
Zwar hat die Beklagte die abzurechnende Einrichtung Zeller Weg nicht ordnungsgemäß bestimmt und damit das Abrechnungsgebiet unzutreffend gebildet, weil sie einerseits nicht zum Zeller Weg gehörende Bestandteile der Eichhorngasse und des „Platzes Badgasse“ in die Aufwandsverteilung miteinbezogen und andererseits den Zeller Weg nicht in seiner gesamten Ausdehnung als Ortsstraße berücksichtigt hat (a). Dies wirkt sich aber nach der Vergleichsberechnung nicht zulasten des Klägers aus. Die Beklagte hatte nämlich bei der Ermittlung des umlagefähigen Aufwands die Kosten der Straßenbeleuchtung nicht angesetzt und sie hätte die Kosten der tatsächlich durchgeführten Pflasterung einstellen können, anstatt lediglich fiktive Kosten für eine Asphaltierung zu Grunde zu legen (b).
a) Gegenstand einer beitragsfähigen Erneuerung oder Verbesserung ist grundsätzlich die einzelne Ortsstraße als öffentliche Einrichtung im Sinn von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG. Wie weit diese reicht und wo eine andere Verkehrsanlage beginnt, bestimmt sich grundsätzlich nach dem Gesamteindruck, den die jeweiligen tatsächlichen Verhältnisse einem unbefangenen Beobachter im Hinblick auf Straßenführung, Straßenbreite und -länge sowie Ausstattung mit Teileinrichtungen vermitteln (ständige Rechtsprechung, u.a. BayVGH, B.v. 16.10.2012 – 6 CS 12.1594 – juris Rn. 10).
Die von der Beklagten als Bestandteil der Ortsstraße Zeller Weg angesehene Eichhorngasse (südlicher Teil) und der „Platz Badgasse“ (sog. „Abschnitte“ 3 und 4) gehören nach natürlicher Betrachtungsweise nicht zur abgerechneten Einrichtung, wie sich aus den vorgelegten Fotos und den in den Akten befindlichen Luftbildern ergibt (siehe auch Abrechnungsgebietsplan S. 92 und Lageplan S. 76). Außerdem handelt es sich dabei keinesfalls um eine Haupterschließungsstraße, wie von der Beklagten angenommen, sondern um eine Anliegerstraße, so dass auch aus Rechtsgründen keine Zusammenfassung mit dem Zeller Weg erfolgen durfte. Deshalb ist der hierfür entstandene Aufwand herauszurechnen und das Abrechnungsgebiet um die nur an der Eichhorngasse und dem „Platz Badgasse“ gelegenen Grundstücke zu verkleinern.
Andererseits führt der Zeller Weg nach natürlicher Betrachtungsweise in südöstlicher Richtung weiter als bis auf Höhe des Grundstücks FlNr. 442, wie von der Beklagten angenommen (siehe Abrechnungsgebietsplan S. 92), nämlich bis auf Höhe des sich anschließenden Grundstücks FlNr. 429/25, das daher in das Abrechnungsgebiet mit aufgenommen werden muss. Dies entspricht auch der Widmung des Zeller Weges als Ortsstraße (Art. 46 Nr. 2 BayStrWG) ab der Einmündung in die Eschenauer Straße bei dem Grundstück FlNr. 84/1 bis zum südlichen Endpunkt bei FlNr. 1285/6 auf einer Länge von 320 m. Ab der Einmündung in die Straße Im Gumperts auf der Höhe des Grundstücks FlNr. 443 endet die Ortsstraße Zeller Weg und setzt sich ein deutlich schmalerer ausgebauter öffentlicher Feldweg mit Teerdecke fort (Leitzordner Bl. 148).
b) Nach der Vergleichsberechnung wirkt sich dies allerdings nicht zulasten des Klägers aus. Denn die Beklagte hatte es bislang – rechtswidrig zugunsten der Beitragspflichtigen – unterlassen, die Kosten der Beleuchtung und der Pflasterung als beitragsfähigen Aufwand anzusetzen. Werden diese Aufwandsposten, wie rechtlich geboten, hinzugerechnet, ergibt sich – unter Zugrundelegung eines Nutzungsfaktors von 1,3 – für das klägerische Grundstück ein höherer Straßenausbaubeitrag als ihn die Beklagte verlangt hat, nämlich 4.356,82 € statt der festgesetzten 4.055,71 € (62.220,97 € : 17.466 m² = 3,5624052 €/m² x 1.223 m² = 4.356,82 €).
3. Die vom Kläger in der Klagebegründung erhobenen Einwände gegen die Beitragserhebung bleiben ohne Erfolg:
a) Nicht überzeugen kann der Einwand, beim Zeller Weg habe kein Erneuerungsbedarf bestanden. Nach den unbestrittenen Angaben der Beklagten wurde der Zeller Weg Ende der 1960er/Anfang der 1970er Jahre erstmals hergestellt (betoniert) und 1980 erneuert bzw. verbessert und asphaltiert. Die Nutzungsdauer von etwa 20 bis 25 Jahren war demnach zum Zeitpunkt der nunmehr abgerechneten Ausbaumaßnahme abgelaufen. Wie sich aus den Fotos (VG-Akte 6 BV 17.1320 S. 70, Leitzordner S. 139 bis 141) ergibt, war der Zeller Weg verschlissen. Eine Oberflächenbefestigung war streckenweise kaum noch vorhanden und die seitliche Befestigung ausgefranst. Außerdem wurde der Zeller Weg auch verbessert im Sinn von Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG, weil der Unterbau verstärkt und eine neue Deckschicht inklusive Frostschutzschicht aufgebracht worden ist, die Gehsteige wurden gepflastert.
b) Der besondere Vorteil, der die Auferlegung eines Straßenausbaubeitrags rechtfertigt, liegt in der qualifizierten Möglichkeit, die erneuerte Ortsstraße in Anspruch zu nehmen. Ein solcher Sondervorteil kommt ohne Zweifel auch dem Grundstück des Klägers zu, weil es unmittelbar an der Straße anliegt und bebaut ist (vgl. u.a. BayVGH, B.v. 18.7.2017 – 6 ZB 16.681 – juris Rn. 14; BVerwG, B.v. 30.7.2018 – 9 B 23.17 -). Ob der Kläger den Straßenausbau subjektiv als vorteilhaft empfindet, ist beitragsrechtlich ohne Belang.
c) Ohne Erfolg bleiben auch die Rügen des Klägers, dass die Zufahrt zu seinem Grundstück FlNr. 442 mangelhaft ausgeführt worden sei. Sie sei als einzige nicht gepflastert worden, was eine Ungleichbehandlung darstelle. Da es sich um ein landwirtschaftlich genutztes Grundstück handele, sei eine größere und insbesondere geteerte Auffahrt notwendig. Abgesehen davon, dass diese Rügen in sich widersprüchlich sind, greifen sie in der Sache nicht durch. Der Gemeinde steht nämlich hinsichtlich der Ausgestaltung einer Ortsstraße im Rahmen einer Erneuerungs- oder Verbesserungsmaßnahme ein weiter, gerichtlich nur beschränkt überprüfbarerer Gestaltungsspielraum zu (u.a. BayVGH, B.v. 20.12.2001 – 6 ZB 00.3059 – juris Rn. 6). Die Grenze ist erst überschritten, wenn die von der Gemeinde im Einzelfall gewählte Lösung sachlich schlechthin unvertretbar ist (zum insoweit vergleichbaren Erschließungsbeitragsrecht: Schmitz, Erschließungsbeiträge, 2018, § 9 Rn. 4 m.N.d. Rspr.). Greifbare Anhaltspunkte hierfür ergeben sich weder aus den Angaben des Klägers noch aus den vorliegenden Unterlagen.
d) Der 5-seitige Widerspruchsbescheid vom 29. Oktober 2015 ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht lediglich formelhaft, sondern ausreichend begründet und genügt den Anforderungen des § 73 Abs. 3 VwGO.
e) Die Voraussetzungen für eine Verwirkung des Beitragsanspruchs liegen ersichtlich nicht vor. Weder hat die Beklagte die Beitragsforderung längere Zeit nicht geltend gemacht noch hat sie gegenüber dem Kläger zum Ausdruck gebracht, er schulde den Beitrag nicht mehr oder er brauche mit seiner Heranziehung nicht mehr zu rechnen (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 29.2.2000 – 6 B 96.360 – juris Rn. 33). Dass die Widerspruchsbehörde den Widerspruchsbescheid erst ca. 5 Jahre nach Erlass des Beitragsbescheids erlassen hat, führt nicht zur Verwirkung. Abgesehen davon hätte der Kläger auch vor Erlass des Widerspruchsbescheides Untätigkeitsklage zum Verwaltungsgericht gemäß § 75 VwGO erheben können.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10‚ § 711 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen‚ weil kein Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.


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