Baurecht

Sondervorteil der ausgebauten Straße

Aktenzeichen  W 2 K 18.1060

Datum:
31.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 21007
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayKAG Art. 2 Abs. 1 S. 1, Art. 5 Abs. 1 S. 1, S. 3

 

Leitsatz

Eine vorteilsrelevante Inanspruchnahmemöglichkeit der ausgebauten Straße ist gegeben, wenn das Anliegergrundstück von der Straße in rechtlich zulässiger und tatsächlich zumutbarer Weise betreten werden kann.  (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Gemäß § 101 Abs. 2 VwGO kann das Gericht mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Entsprechende Einverständniserklärungen gaben die Beteiligten im Rahmen des Erörterungstermin am 3. Juli 2019 zu Protokoll.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 13. Juli 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamts Aschaffenburg vom 20. März 2017 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
1. Anwendung findet vorliegend nach der Übergangsvorschrift des Art. 19 Abs. 7 Satz 1 Kommunalabgabengesetz (KAG) in der Fassung vom 24. Mai 2019 (GVBl S. 266) das Kommunalabgabengesetz in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung.
Die Gemeinden können gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG zur Deckung des Aufwands für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung ihrer öffentlichen Einrichtungen Beiträge von den Grundstückseigentümern erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtungen besondere Vorteile bietet. Nach der hier geltenden alten Gesetzeslage sollen gem. Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG für die Verbesserung oder Erneuerung von Ortsstraßen und beschränkt-öffentlichen Wegen Beiträge erhoben werden, soweit nicht Erschließungsbeiträge nach Art. 5a KAG zu erheben sind.
Nach Art. 2 Abs. 1 Satz 1 KAG erfolgt die Heranziehung der Grundstückseigentümer zu Straßenausbaubeiträgen aufgrund einer besonderen Abgabesatzung. Von dieser Ermächtigung hat die Beklagte Gebrauch gemacht durch den Erlass der Satzung über die Erhebung von Beiträgen zur Deckung des Aufwandes für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung von Straßen, Wegen, Plätzen und Parkplätzen vom 5. Mai 2015 (Ausbaubeitragssatzung – ABS -). Anhaltspunkte für die Nichtigkeit dieser Satzung sind nicht gegeben und werden auch nicht vorgetragen.
Die abzurechnende Baumaßnahme an der H.Straße stellt unbestritten eine beitragsfähige Verbesserung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und 3 KAG dar.
Die Klägerin gehört als Anliegerin der H.Straße zum Kreis der Grundstückseigentümer, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtung besondere Vorteile bietet und von denen deshalb ein Straßenausbaubeitrag erhoben werden kann.
Für einen Sondervorteil im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG ist nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zum einen die spezifische Nähe des Grundstücks zur ausgebauten Straße erforderlich, zum anderen eine Grundstücksnutzung, auf die sich die durch den Ausbau verbesserte Möglichkeit, als Anlieger von der Ortsstraße Gebrauch zu machen, positiv auswirken kann. Den Eigentümern von Grundstücken, bei denen beide Voraussetzungen vorliegen, kommt der Straßenausbau in einer Weise zugute, die sie aus dem Kreis der sonstigen Straßenbenutzer heraushebt und die Heranziehung zu einem Beitrag rechtfertigt (st. Rspr., vgl. BayVGH, U.v. 6.4.2017 – 6 B 16.1043 – juris Rn. 13 m.w.N.). Bei der Erhebung eines Straßenausbaubeitrags genügt zur Annahme eines Sondervorteils – anders als im Erschließungsbeitragsrecht – bereits die qualifizierte Inanspruchnahmemöglichkeit einer vorhandenen, lediglich erneuerten oder verbesserten Ortsstraße als solche. Diese kommt im Grundsatz jeder sinnvollen und zulässigen, nicht nur der baulichen oder gewerblichen Nutzung zugute, soweit sie rechtlich gesichert ausgeübt werden kann (BayVGH, U.v. 8.3.2010 – 6 B 09.1957 – juris Rn. 18).
Eine vorteilsrelevante Inanspruchnahmemöglichkeit der ausgebauten Straße von einem bestimmten Grundstück aus setzt eine Erreichbarkeit voraus, die für dessen bestimmungsgemäße Nutzung erforderlich ist. Dazu bedarf es in der Regel der Erreichbarkeit mit Kraftfahrzeugen (Heranfahrenkönnen). Diese Grundform der Erreichbarkeit ist erfüllt, wenn auf der Fahrbahn der ausgebauten Ortsstraße bis zur Höhe dieses Grundstücks mit Personen- und kleineren Versorgungsfahrzeugen gefahren und es von da ab gegebenenfalls über einen dazwischen liegenden Gehweg, Radweg oder Seitenstreifen in rechtlich zulässiger und tatsächlich zumutbarer Weise betreten werden kann (vgl. etwa BayVGH, U.v. 29.11.2018 – 6 B 18.248 – juris Rn. 27)
Nach diesen Maßstäben ist ein Sondervorteil beim klägerischen Grundstück offensichtlich gegeben. Das Grundstück reicht in seiner gesamten Breite bis unmittelbar an die H.Straße heran und ist somit ein Anliegergrundstück. Es ist, wie das Gericht beim Erörterungstermin vor Ort selbst feststellen konnte, von dieser aus ohne weiteres in rechtlich zulässiger und tatsächlich zumutbarer Weise betretbar. Zwar kann das Grundstück von der H.Straße aus nicht unmittelbar befahren werden, da der gültige Bebauungsplan auf der Höhe des klägerischen Grundstücks ein Verbot von Ein- und Ausfahrten vorsieht. Zum einen aber vermittelt die H.Straße durchaus eine Zufahrt, weil diese über den sich unmittelbar anschließenden B.Platz erfolgt. Zum anderen aber kann unproblematisch auf der H.Straße bis zur Höhe des klägerischen Grundstücks gefahren und dieses dann betreten werden. Beim Erörterungstermin konnte festgestellt werden, dass die Klägerin auf ihrem Grundstück sogar einen asphaltierten Weg angelegt hat, um den direkten Zugang von der H.Straße aus zu ermöglichen. Es sind keinerlei Hindernisse tatsächlicher oder rechtlicher Art erkennbar, die einer Betretbarkeit des Grundstücks entgegenstehen könnten. Mit der Erreichbarkeit des klägerischen Grundstücks ist nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs eine vorteilsrelevante Inanspruchnahmemöglichkeit der ausgebauten Straße gegeben.
Soweit der Prozessbevollmächtigte der Klägerin meint, von einem Sondervorteil könne nicht die Rede sein, wenn von der Straße der genehmigte Zweck des Grundstücks nicht realisiert werden könne, verkennt er, dass dem Straßenausbaubeitragsrecht eine Koppelung zwischen der Qualität der Erreichbarkeit des Grundstücks und dessen baulicher Ausnutzbarkeit fremd ist (BayVGH, U.v. 30.10.2007 – 6 BV 04.2189 -, juris Rn. 20). Die streitgegenständliche Straße muss dem Grundstück also gerade nicht die für die gewerbliche Nutzung erforderliche wegemäßige Erschließung vermitteln. Vielmehr ist für eine qualifizierte Inanspruchnahmemöglichkeit im Sinne des Straßenausbaubeitragsrechts jede sinnvolle und zulässige Nutzung ausreichend, nicht nur die bauliche oder gewerbliche. Dass zur sinnvollen Nutzung des Grundstücks auch eine fußläufige Erreichbarkeit gehört, liegt auf der Hand und bringt auch die Klägerin selbst zum Ausdruck, wenn sie eigens einen Fußweg anlegt. Wenn der Klägerbevollmächtigte ausführt, es bestünde eine Gehwegsituation, nicht aber eine Zugangsmöglichkeit zu dem Grundstück der Klägerin, geht er von unzutreffenden tatsächlichen Gegebenheiten aus.
Da der Klägerin also die Möglichkeit der Inanspruchnahme der H.Straße besondere Vorteile bietet, konnte von ihr ein Straßenausbaubeitrag erhoben werden. Gegen die Berechnung des Beitrags in seiner konkreten Höhe werden keine Einwände erhoben. Offensichtliche Fehler sind auch nicht erkennbar. Mithin erweist sich der streitgegenständliche Bescheid als rechtmäßig und die Klage war abzuweisen.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


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