Baurecht

Stellplatznachweis für Wettannahmestelle

Aktenzeichen  M 8 K 18.1236

Datum:
5.10.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 29656
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 47 Abs. 1 S. 2, Art. 58 Abs. 5 S. 2

 

Leitsatz

1. Der durch eine Nutzungsänderung verursachte Mehrbedarf wird durch einen rechnerischen Vergleich zwischen dem Stellplatzbedarf der geänderten Anlage (sog. Sollbedarf) und des genehmigten Altbestandes ermittelt. Bei der rechnerischen Ermittlung des Bedarfs ist dabei auch im Hinblick auf den Altbestand auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag (bzw. der letzten mündlichen Verhandlung) abzustellen. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Anrechnung des durch einen Altbestand ausgelösten Stellplatzbedarfs kann nur erfolgen, wenn es sich um einen formell und/oder materiell legalen und legal genutzten Altbestand handelt. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage bleibt ohne Erfolg. Die Ablehnung der beantragten Baugenehmigung ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Gemäß Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BayBO ist die Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind. Das klägerische Bauvorhaben unterfällt dem Anwendungsbereich des vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens nach Art. 59 BayBO. Zu prüfen ist danach neben der Übereinstimmung des Vorhabens mit den Vorschriften über die Zulässigkeit baulicher Anlagen nach den §§ 29 bis 38 BauGB (vgl. Art. 59 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a BayBO) auch die Erfüllung der Anforderungen der Stellplatzsatzung der Beklagten vom 2. Januar 2008 (MüABl. Sondernummer 1, S. 1 – StPlS -), da es sich bei dieser um eine örtliche Bauvorschrift im Sinne von Art. 81 Abs. 1 BayBO handelt (vgl. Art. 59 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c BayBO).
1. Ein Anspruch auf Erteilung der begehrten Baugenehmigung scheidet schon deshalb aus, da der streitgegenständliche Bauantrag nicht hinreichend bestimmt ist, um die bauplanungsrechtliche Beurteilung des Vorhabens zu ermöglichen. Insofern wird auf die Gründe des den Parteien bekannten Beschlusses des erkennenden Gerichts vom 16. Mai 2018 im Verfahren M 8 E 18.1233 Bezug genommen. Das Gericht sieht im Klageverfahren keine Veranlassung von seiner bereits im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes geäußerten Rechtsauffassung abzuweichen.
2. Unabhängig davon hat die Klägerin keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung, da für das Bauvorhaben Stellplätze nachzuweisen sind und dieser Nachweis nicht geführt wurde.
Gemäß Art. 47 Abs. 1 Satz 2 BayBO sind bei Änderungen oder Nutzungsänderungen von Anlagen Stellplätze zwar nur in solcher Zahl und Größe herzustellen, dass die Stellplätze die durch die Änderung zusätzlich zu erwartenden Kraftfahrzeuge aufnehmen können. Ermittelt wird der durch eine Nutzungsänderung verursachte Mehrbedarf durch einen rechnerischen Vergleich zwischen dem Stellplatzbedarf der geänderten Anlage (sog. Sollbedarf) und des genehmigten Altbestandes. Bei der rechnerischen Ermittlung des Bedarfs ist dabei auch im Hinblick auf den Altbestand auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag (bzw. der letzten mündlichen Verhandlung) abzustellen (vgl. BayVGH, U.v. 2.5.2018 – 2 B 18.458 – juris Rn. 24; VG München, U.v. 15.1.2018 – M 8 K 16.2312 – juris)
Die Zahl der notwendigen Stellplätze bemisst sich gemäß § 2 Abs. 1 StPlS nach den Richtwerten in der Anlage 1 zur Satzung. Selbst wenn man hier zugunsten der Klägerin davon ausgehen würde, dass es sich bei der beantragten Nutzung um eine Ladennutzung i.S.v. Nr. 3.1 der Anlage 1 zur StPlS und nicht um eine Vergnügungsstätte i.S.v. Nr. 10.1 der Anlage 1 zur StPlS handelt, müssten für das Vorhaben zwei Stellplätze nachgewiesen werden. Bei Läden mit einer Verkaufsfläche bis zu 400 m² ist ein Stellplatz je 50 m² Verkaufsnutzfläche nachzuweisen (Nr. 3.1 der Anlage 1 zur Stellplatzsatzung). Für die dem Laden zugeordnete Lagerfläche ist daneben nach Randziffer 1 zu Nr. 3.1 der Anlage 1 zur StPlS ein zusätzlicher Stellplatz erforderlich, da die Lagerfläche 20% der Verkaufsfläche übersteigt.
Vorliegend ist dieser Stellplatzbedarf jedoch gem. Art. 47 Abs. 1 Satz 1 BayBO in Gänze nachzuweisen und Art. 47 Abs. 1 Satz 2 BayBO nicht anwendbar. Eine Anrechnung des durch den Altbestand ausgelösten Stellplatzbedarfs scheidet hier aus, da eine solche nur erfolgen kann, wenn es sich um einen formell und/oder materiell legalen und legal genutzten Altbestand handelt (vgl. BayVGH, B.v. 11.11.2002 – 2 ZB 02.2472 – juris Rn. 3 ff.; Würfel in Simon/Busse, BayBO, Stand Juli 2020, Art. 47 Rn. 69). Ein rechtmäßig genutzter Altbestand liegt hier indes nicht vor. Die bisher im Genehmigungsfreistellungsverfahren für den Raum im Erdgeschoss angegebene Nutzung ist inhaltlich nicht bestimmt und daher nicht geeignet einen für die Anrechnung des Stellplatzbedarfs erforderlichen Bestandsschutz zu vermitteln. Nach Art. 58 Abs. 3 Satz 1, Art. 58 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Art. 64 Abs. 2 BayBO sind im Genehmigungsfreistellungsverfahren die für die Beurteilung des Bauvorhabens erforderlichen Bauvorlagen einzureichen. Diese müssen stets eine hinreichend bestimmte Bezeichnung der Art der Nutzung enthalten (vgl. § 3 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 9 Satz 1 BauVorlV). In den im Genehmigungsfreistellungsverfahren eingereichten Planunterlagen (Plan vom 21.2.2011; Plan Nr. … * …*) ist jedoch keine bestimmte Art der Nutzung benannt worden. Vielmehr wurden für den Raum in Erdgeschoss vier verschiedene (mögliche) Nutzungsarten angegeben („Laden/Praxis/Gemeinschaft/Büro“). Es handelt sich um sowohl bauplanungsrechtlich als auch hinsichtlich des Stellplatzbedarfs unterschiedlich zu beurteilende Nutzungsarten, weshalb die alternative Angabe der beabsichtigten baulichen Nutzung eine Beurteilung der Zulässigkeit nicht zulässt und zur Unbestimmtheit der Bauvorlage führt.
Angesichts der alternativ angegebenen Nutzungsmöglichkeiten ist es im Übrigen auch nicht möglich festzustellen, welche Art der Bestandsnutzung unterstellt und als Grundlage für das von der Klägerin im Stellplatznachweis von 21. Juli 2017 behauptete Fehlen eines Mehrbedarfs herangezogen werden kann. Eine Berücksichtigung der Bestandsnutzung für die Berechnung des Stellplatzbedarfs scheidet daher aus.
Ein Mehrbedarf von einem Stellplatz ergäbe sich unabhängig von dem fehlenden Bestandsschutz auch dann, wenn man den in der Stellplatzberechnung vom 21. Februar 2011 zum Genehmigungsfreistellungsverfahren für das „Gewerbe-Büro“ angesetzten Stellplatz als Bestand für das streitgegenständliche Vorhaben anrechnen würde. Dies folgt daraus, dass der Ladennutzung im Erdgeschoss im Rahmen des Bauantrags eine Lagerfläche im Keller zugeordnet wurde, für die bisher keine Stellplätze angesetzt wurden. Durch diese Zuordnung erhöht sich der Stellplatzbedarf gem. Randziffer 1 zu Nr. 3.1 der Anlage 1 zur StPlS um einen Stellplatz.
Einen Nachweis der Erfüllung der Stellplatzpflicht durch Herstellung der Stellplätze auf dem Baugrundstück oder in dessen Nähe (vgl. Art. 47 Abs. 3 Nrn. 1 und 2 BayBO) hat die Klägerin nicht geführt.
3. Die Klägerin hat als unterlegene Partei die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO). Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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