Baurecht

Straßenausbaubeitrag, Anlagenbildung, Stichweg, keine selbstständige Einrichtung, Dorfplatz mit Brotbackhäuschen kein beitragspflichtiges Grundstück

Aktenzeichen  B 4 K 16.327

Datum:
31.5.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 152155
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
KAG Art. 5
ABS § 7

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerinnen tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldnerinnen.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1. Die Klagen sind zulässig, aber unbegründet. Die Ausbaubeitragsbescheide der Beklagten vom 06.02.2013 in der Fassung der Widerspruchsbescheide des Landratsamts Wunsiedel vom 06.04.2016 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerinnen nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).
Gemäß Art. 2 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG kann die Beklagte auf Grund einer besonderen Abgabesatzung zur Deckung des Aufwands für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung ihrer öffentlichen Einrichtungen (Investitionsaufwand) Beiträge von den Grundstückseigentümern und Erbbauberechtigten erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtungen besondere Vorteile bietet. Für die Verbesserung oder Erneuerung von Ortsstraßen und beschränkt-öffentlichen Wegen sollen gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG solche Beiträge erhoben werden, soweit nicht Erschließungsbeiträge nach Art. 5a KAG zu erheben sind.
Demgemäß war die Beklagte auf Grund ihrer Ausbaubeitragssatzung vom 24.02.2011 (ABS) dem Grunde nach berechtigt, für die Erneuerung des …rings einen Straßenausbaubeitrag zu verlangen.
a. Gegenstand einer beitragsfähigen Ausbaumaßnahme ist die einzelne Ortsstraße als maßgebliche öffentliche Einrichtung im Sinn von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG. Wo eine solche Ortsstraße beginnt und wo sie endet, bestimmt sich grundsätzlich nach dem Gesamteindruck, den die jeweiligen tatsächlichen Verhältnisse einem unbefangenen Beobachter vermitteln. Dabei ist auf Straßenführung, Straßenlänge, Straßenbreite und Ausstattung mit Teileinrichtungen abzustellen. Zugrunde zu legen ist der Zustand nach Durchführung der Ausbaumaßnahme (ständige Rechtsprechung; vgl. BayVGH, Urteil vom 01.06.2011 – 6 BV 10.2467, juris Rn. 41).
Ausgehend davon ist hier die maßgebliche Einrichtung die 57 m lange Ortsstraße …ring, die im Süden an der Abzweigung von der E … straße (Kreisstraße, Ortsdurchfahrt) beginnt, und im Norden, deutlich abgesetzt durch eine gepflasterte Rinne, an der Einmündung in die S … straße/ …ring(Ost) endet. Teil der streitgegenständlichen Einrichtung ist auch die rechtwinkelig vom …ring abzweigende, am privaten S …weg endende gepflasterte Stichstraße. Aufgrund der geringen Länge von nur ca. 30 m kann dieser Stichstraße nicht die Eigenschaft einer selbständigen Anlage zukommen. Dass sie sich wegen der Pflasterung optisch vom asphaltierten …ring abhebt, spielt unter diesen Umständen keine Rolle.
Die Mindestausbaubreite von 3,75 m des asphaltierten …rings hat sich bei der Ortseinsicht bestätigt. Maßgeblich sind die gesamten Breiten, die dem öffentlichen Straßengrundstück zuzurechnen sind. Somit bestehen auch keine Bedenken, dass eine abrechnungsfähige Einrichtung vorliegt.
b. Beitragsfähige Maßnahme ist die Erneuerung des …rings einschließlich des Stichwegs. Der Erneuerungsbedarf ergibt sich anschaulich aus den vorgelegten Fotos (Bl. 27 bis 29 der Beiakte II), die den verschlissenen Zustand der Straße vor der Maßnahme zeigen.
c. Der umlagefähige Aufwand besteht aus den Ausbaukosten, von denen nach Angaben der Beklagten die Kostenersparnis aufgrund der gleichzeitig durchgeführten Kanalbaumaßnahme entsprechend der Verursachung vollständig abgezogen wurde. Von Klägerseite sind hiergegen keine substantiierten Rügen mehr erhoben worden.
Der Gemeindeanteil wurde gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 1 ABS in Höhe von 40% der Kosten abgezogen. Die Einordnung des …rings als Anliegerstraße nach § 7 Abs. 3 Nr. 1 ABS ist korrekt. Die ohnehin nur kurze und schmale Straße ist schon vom Ausbauprofil her nicht geeignet, in nennenswertem Umfang innerörtlichen Durchgangsverkehr aufzunehmen. Diese Funktion hat die Ortsstraße S … straße/ …ring(Ost) inne, die über eine entsprechende Ausbaubreite verfügt und den Verkehr aus dem H …weg, dem S …gäßlein und dem F …weg über einen übersichtlichen Einmündungstrichter in die E … straße (Ortsdurchfahrt) führt.
d. Auch das Abrechnungsgebiet begegnet keinen Bedenken.
aa. Insbesondere sind das Grundstück Fl.-Nr. aa/1 der Klägerinnen sowie die übrigen am „S …weg“ anliegenden Grundstücke, die allesamt Verwandten der Klägerinnen gehören, beitragspflichtig.
Zwar grenzen diese Grundstücke nicht unmittelbar an den …ring, sondern an den privaten S …weg an. Sie gehören aber zum Kreis der Grundstücke, welchen durch den …ring ein straßenausbaubeitragsrechtlich relevanter Sondervorteil vermittelt wird.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs sind für die Annahme eines Sondervorteils im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG zwei Merkmale entscheidend, nämlich die spezifische Nähe des Grundstücks zur ausgebauten Anlage, wie sie bei Anliegergrundstücken und ihnen gleichzustellenden Hinterliegergrundstücken gegeben ist, sowie eine Grundstücksnutzung, auf die sich die durch den Ausbau verbesserte Möglichkeit, als Anlieger von der Ortsstraße Gebrauch zu machen, positiv auswirken kann (vgl. z.B. BayVGH v. 15.04.2010 – 6 B 08.1849 – juris). Diese die Beitragserhebung rechtfertigende vorteilsrelevante Inanspruchnahmemöglichkeit wird einem Grundstück grundsätzlich durch die nächste erreichbare selbständige Verkehrseinrichtung vermittelt, wobei es sich dabei um einen öffentlichen oder auch privaten Weg handeln kann (vgl. BayVGH v. 14.04.2011 – 6 BV 08.3182, juris).
Grenzt ein Grundstück an einen von einer ausgebauten Straße abzweigenden – öffentlichen oder privaten – Weg, beantwortet sich die Frage, ob das betreffende Grundstück an der Verteilung des umlagefähigen Aufwandes für den Ausbau der Straße teilnimmt, danach, ob der Weg als ausbaubeitragsrechtlich selbständig oder unselbständig zu qualifizieren ist. Ist der Weg selbständig, koppelt er die nur an ihm gelegenen Grundstücke ab und schließt eine Beitragspflicht für die Straße, von der der Weg abzweigt, aus (BayVGH, U. v. 30.06.2016 – 6 B 16.515, juris; U.v. 14.04.2011 – a.a.O., juris Rn. 20; B.v.04.12.2014 – 6 ZB 13.431 – juris Rn. 8). Ausschlaggebend für die Unterscheidung zwischen selbständigen Ortsstraßen im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG einerseits und unselbständigen Zufahrten zu Ortsstraßen als deren Bestandteil („Anhängsel“) andererseits ist der Gesamteindruck der zu beurteilenden Einrichtung. Besondere Bedeutung kommt ihrer Ausdehnung und Beschaffenheit sowie vor allem dem Maß der Abhängigkeit zwischen ihr und der Straße, in die sie einmündet, zu (vgl. BayVGH, U.v. 14.04.2011, a.a.O., juris Rn. 21). Das Maß der Abhängigkeit ist deshalb von erheblichem Gewicht, weil eine Verkehrsanlage ohne Verbindungsfunktion (Stichweg) ausschließlich auf die Straße angewiesen ist, von der sie abzweigt, sie dadurch ein typischerweise eine Unselbständigkeit kennzeichnendes Merkmal aufweist und deshalb der Eindruck der Unselbständigkeit häufig noch bei einer Ausdehnung erhalten bleibt, bei der eine Anlage mit Verbindungsfunktion schon den Eindruck der Selbständigkeit vermittelt (Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl., Rn. 7 zu § 5).
Gemessen daran ist der private, vom …ring bis zur westlichen Grundstücksgrenze der Fl.-Nr. aa/1 reichende, grundbuchmäßig unselbständige S …weg (Teilfläche der Fl.-Nr. aa) keine selbständige Einrichtung im Sinne des Ausbaubeitragsrechts. Dies ergibt sich aus dem Gesamteindruck, den die Kammer durch die Lagepläne, die Fotos (Bl. 142 bis 148 Beiakte II) und durch die Ortseinsicht gewonnen hat.
Der bei Stichstraßen normalerweise für eine Selbständigkeit sprechenden Länge des S …wegs von ca. 114 m kommt hier kein entscheidendes Gewicht zu. Der Privatweg weist lediglich eine notdürftige Teerdecke ohne Randbefestigung mit einer Breite von 2,58 m bis maximal 2,80 m auf und erreicht damit nicht die Mindestanforderungen an eine beitragspflichtige Erschließungsanlage, auch wenn er den anliegenden Grundstücken die Bebaubarkeit vermittelt. Er dient der Verbindung von nur drei Wohngrundstücken mit dem öffentlich gewidmeten …ring und verfügt an keine Stelle über eine Wendemöglichkeit. Besucher oder Lieferfahrzeuge können nur auf den Wohngrundstücken wenden. Die Müllabfuhr erfolgt über den …ring. Im vorderen Drittel des Weges können noch zwei Garagengrundstücke, die ebenfalls im Eigentum der Wohngrundstücksinhaber stehen, angefahren werden. Das Geh- und Fahrtrecht für die Fl.-Nrn. aa/1, ccc/1 und die Garagengrundstücke Fl.-Nrn. bbb/5 und bbb/6 ist über Grunddienstbarkeiten zulasten der Fl.-Nr. aa gegeben. Für sonstige Verkehrsteilnehmer – außer den Anwohnern der drei Grundstücke und deren Anliegerverkehr – besteht weder ein Anlass noch das Recht, den Weg zu benutzen. Der S …weg ist deshalb nach dem Gesamteindruck nur die jeweils verlängerte Zufahrt zu den Grundstücken und damit ein von der öffentlichen Einrichtung …ring abhängiges „Anhängsel“.
bb. Nicht in das Abrechnungsgebiet einzubeziehen ist der …platz, auf dem sich das Backhäuschen befindet. Der …platz mit einer Fläche von 300 m² ist grundbuchmäßig unselbständiger Teil der öffentlichen Fläche Fl.-Nr. gg, die auch den …ring, die S … Straße, das S …gäßlein und den F …weg umfasst. Der …platz besteht aus einer befestigten Fläche, auf dem das Backhäuschen (5,00 x 3,00 m) steht, einer Grünfläche und einer treppenartigen Granitstützmauer am westlichen und nördlichen Rand. Er wurde im Rahmen der Dorferneuerung gestaltet auf der Grundlage des Plangenehmigungsbescheids des Amtes für ländliche Entwicklung Oberfranken vom 30.01.2008, in dem die gemeinschaftlichen und öffentlichen Anlagen im Flurbereinigungsgebiet S … planfestgestellt wurden. Der …platz ist somit selbst eine öffentliche Einrichtung, der wie eine öffentliche Grünfläche, eine Festwiese oder ein Markt aus dem Kreis der an der Aufwandsverteilung teilnehmenden Grundstücke ausscheidet (Driehaus, a.a.O., Rn. 32 zu § 35).
cc. Weder die Fl.-Nr ee die ausschließlich an der S … straße anliegt, noch die Fl.-Nr. ff, die ausschließlich an der E … straße anliegt, haben einen Sondervorteil von der ausgebauten Einrichtung …ring.
e. Die Beklagte hat zu Recht keine Eckgrundstücksvergünstigung für das Grundstück Fl.-Nr. aa/1 der Klägerinnen angesetzt. Unabhängig davon, ob überhaupt eine Inanspruchnahmemöglichkeit der Straße „A B …“ von dem Garagengrundstück Fl.-Nr. bbb/5 aus besteht, verfügt jedenfalls das Grundstück der Klägerinnen laut Grundbuchauszug nicht über ein Geh- und Fahrtrecht zulasten der Garagengrundstücke Fl.-Nrn. bbb/5 und bbb/6. Nur über letztere wäre eine Zufahrt auf die Straße „A B …“ theoretisch möglich.
2. Als Unterliegende tragen die Klägerinnen gemäß §§ 154 Abs. 1, 159 VwGO die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldnerinnen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 167 VwGO, § 708 Nr. 11 ZPO.


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