Baurecht

Straßenreinigungsgebühr, Äquivalenzprinzip, Nichterbringung der Reinigungsleistung

Aktenzeichen  B 4 K 19.436

Datum:
24.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 31096
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
KAG Art. 8 Abs. 1 und 4

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I. Das Gericht kann über die Klage nach § 101 Abs. 2 VwGO ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt haben.
II. Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
Der Bescheid der Beklagten vom 22.03.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Regierung von Oberfranken vom 29.04.2019 ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
1. Die Festsetzung von Straßenreinigungsgebühren mit Bescheid der Beklagten vom 22.03.2019 für den Zeitraum vom 01.03.2015 bis zum 31.12.2019 ist rechtmäßig.
a) Rechtsgrundlage für die Erhebung der Straßenreinigungsgebühren ist die aufgrund von Art. 2 Abs. 1 S. 1, Art. 8 Abs. 1 S. 1 des Kommunalabgabengesetzes – KAG – erlassene Satzung für die Erhebung einer Straßenreinigungsgebühr in der Stadt … vom 13.11.2006 (Straßenreinigungsgebührensatzung – SRGS) in der jeweils gültigen Fassung.
Nach Art. 2 Abs. 1 S. 1, Art. 8 Abs. 1 S. 1 KAG kann die Beklagte aufgrund einer besonderen Abgabensatzung für die Benutzung ihrer öffentlichen Einrichtungen Benutzungsgebühren erheben. Bei der von der Beklagten betriebenen Straßenreinigungsanstalt handelt es nach § 1 Abs. 1 S. 1 der aufgrund von Art. 23, 24 Abs. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 2 der Gemeindeordnung – GO – erlassenen Satzung über die Straßenreinigung in der Stadt … vom 12.11.2014 (Straßenreinigungssatzung – SRS) um eine öffentliche Einrichtung. Für deren Benutzung erhebt die Beklagte nach § 1 SRGS Gebühren.
b) Die Klägerin bestreitet nicht, dass ihr Grundstück dem Grunde nach der Gebührenpflicht unterliegt.
Sie beruft sich ausschließlich darauf, dass die Gebühr ausnahmsweise nicht erhoben werden darf, weil wesentliche Bestandteile der …, insbesondere der Gehwegbereich vor ihrem Grundstück, nicht gereinigt wurden, weshalb das Austauschverhältnis zwischen Gebühr und Wert der Leistung gröblich verletzt sei. Diese Ansicht teilt die Kammer nicht.
Die Festsetzung der Straßenreinigungsgebühr verstößt nicht gegen Art. 8 Abs. 4 KAG. Danach sind Gebühren nach dem Ausmaß zu bemessen, in dem die Gebührenschuldner die öffentliche Einrichtung benutzen; sonstige Merkmale können zusätzlich berücksichtigt werden, wenn öffentliche Belange dies rechtfertigen.
Nach diesem in Art. 8 Abs. 4 Halsb. 1 KAG enthaltenen Äquivalenzprinzip muss wesentlichen Leistungsunterschienden der öffentlichen Einrichtung durch eine differenzierte Gebührenstruktur Rechnung getragen werden (BayVGH, U.v. 31.1.2008 – 4 N 05.1854 – juris Rn. 24).
Die Gebührenerhebung verstößt nicht deshalb gegen das Äquivalenzprinzip, weil die Fläche zwischen dem Anwesen der Klägerin und den Pkw-Stellplätzen bis zum 31.03.2019 nicht gereinigt wurde.
Nach dem Äquivalenzprinzip, das der auf die Gebühr bezogene Ausdruck des allgemeinen, auf Verfassungsrecht beruhenden Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ist, darf die Gebühr nicht in einem Missverhältnis zu der vom Träger öffentlicher Verwaltung erbrachten Leistung stehen. Das Äquivalenzprinzip ist nur bei einer gröblichen Störung des Ausgleichsverhältnisses zwischen der Gebühr und dem Wert der Leistung für den Empfänger verletzt (BVerwG, U.v. 9.11.1984 – 8 C 37/82 – juris Rn. 17; NdsOVG, U.v. 13.1.2010 – 9 LA 205/08 – juris Rn. 5). Da bei einer Gebührenerhebung mittels eines Wahrscheinlichkeitsmaßstabs – hier nach Frontmetern – lediglich eine generalisierende und pauschalierende Bemessung der Abgabe nach der Leistung stattfindet, kann bei Benutzungsgebühren nicht jede behördliche Minder- oder Schlechtleistung einen Anspruch auf Gebührenermäßigung oder den Wegfall der Gebühr nach sich ziehen. Vielmehr muss, um für die Höhe des Gebührenanspruchs erheblich zu sein, eine Leistungsstörung von (nach Art, Dauer und/oder Umfang) gewissem Gewicht vorliegen (NdsOVG, U.v. 13.1.2010 – 9 LA 205/08 – juris Rn. 5; SächsOVG, U.v. 17.6.1998 – 2 S 646/96 – LKV 1998, 457, 458; OVG RhPf, U.v. 9.2.2006 – 7 A 11037/05 – juris Rn. 35; OVG NW, B.v. 27.5.1994 – 9 A 199/94 – juris Rn. 3).
Bei der Beurteilung, ob eine solche Leistungsstörung vorliegt, ist zunächst zu berücksichtigen, dass sich die durch die Straßenreinigungsgebühr abgegoltene Leistung auf die Straße als Ganzes, also nicht auf alle einzelnen Teilbereiche der Straße bezieht (NdsOVG, U.v. 13.1.2010 – 9 LA 205/08 – juris Rn. 6). Denn mit der Straßenreinigungsgebühr wird nicht die auf ein bestimmtes Straßengrundstück bezogene Reinigungsleistung abgegolten, sondern der Vorteil, der mit der Sauberhaltung der Straße insgesamt verbunden ist (BayVGH, U.v. 14.8.2008 – 4 B 08.916 – juris Rn. 14; vgl. BVerwG, B.v. 15.3.2002 – 9 B 16/02 – NVwZ-RR 2002, 599, juris Rn. 6). Zur Wahrung des vollen Gebührenanspruchs reicht es daher aus, dass die Straße in ihrer Gesamtheit, also nicht notwendig an jeder Stelle, in einen sauberen Zustand versetzt wird (NdsOVG, U.v. 13.1.2010 – 9 LA 205/08 – juris Rn. 6). Eine Nicht- oder Schlechterfüllung führt also erst dann zu einem Wegfall oder einer Minderung der Straßenreinigungsgebühr, wenn nach Art, Dauer und/oder Umfang erhebliche Reinigungsmängel festzustellen sind, so dass die Straße als Ganzes nicht mehr als gereinigt angesehen werden kann. Dies ist beispielsweise dann gegeben, wenn die unzureichende Straßenreinigung die Verkehrssicherheit beeinträchtigt oder mit den allgemeinen Hygienebedürfnissen unvereinbar ist (NdsOVG, U.v. 13.1.2010 – 9 LA 205/08 – juris Rn. 7).
Gemessen hieran führt die Nichtreinigung der Fläche zwischen dem Anwesen der Klägerin und den Pkw-Stellplätzen bis zum 31.03.2019 nicht zu einem das Äquivalenzprinzip verletzenden Missverhältnis zwischen der festgesetzten Gebühr und der erbrachten Straßenreinigungsleistung. Dass es aufgrund der Nichtreinigung dieser Fläche zu erheblichen Reinigungsmängeln gekommen ist, die dazu geführt haben, dass die … ohne Stichwege als Ganzes nicht mehr als gereinigt angesehen werden konnte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Die Klägerin bezieht sich insoweit lediglich auf die Nichtvornahme von Reinigungsarbeiten vor ihrem Grundstück. Eine Leistungsstörung von für die Gebührenhöhe erheblichem Gewicht ist schon deshalb nicht gegeben, weil die bis zum 31.03.2019 nicht gereinigte Fläche von ca. 95 m² lediglich einen sehr geringen Teil (2,57%) der zu reinigenden Fläche der … ohne Stichwege von ca. 3700 m² ausmacht.
Gegen die Höhe der Gebühr wurden keine Einwände erhoben. Die Gebührenberechnung hält einer Überprüfung auch stand.
Damit war die Klage abzuweisen.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V. m. § 708 Nr. 11 der Zivilprozessordnung – ZPO.


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