Baurecht

Unfallversicherung: Unfallversicherungsschutz bei einer für eine Gemeinde verrichteten ehrenamtlichen Tätigkeit – Renovierung des Sportheims

Aktenzeichen  L 3 U 333/19

Datum:
10.2.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
NWB – 2021, 1299
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB II § 8 Abs. 1, § 2 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. a

 

Leitsatz

1. Für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit Zustimmung von Gemeinden tätig zu sein, verlangt, dass es sich um die Tätigkeit für ein Projekt handelt, das der Gemeinde – insbesondere als im eigenen oder übertragenen Wirkungskreis obliegende Aufgabe – zuzurechnen ist. (Rn. 23 – 24)
2. Erklärungsempfänger eines Auftrages oder einer Zustimmung sind die in Anspruch genommenen Organisationen, nicht die von ihnen herangezogenen Helfer. (Rn. 27)
3. Das Erfordernis der Ausdrücklichkeit schließt eine mündliche Einwilligung nicht aus. (Rn. 27)
4. Die Handlungstendenz in Richtung ehrenamtlicher Tätigkeit muss sich nicht auf eine Tätigkeit für die Gebietkörperschaft beziehen, sondern nur auf eine Tätigkeit für die privatrechtliche Organisation. (Rn. 33 – 34)

Verfahrensgang

S 5 U 206/16 2019-09-19 Urt SGREGENSBURG SG Regensburg

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 19. September 2019 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten auch für das Berufungsverfahren zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung der Beklagten, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz ), bleibt ohne Erfolg. Zu Recht hat das SG entschieden, dass das Ereignis vom 18.7.2014 einen in der GUV versicherten Arbeitsunfall iS des § 8 SGB VII darstellt.
Der Kläger begehrt mit der zulässigen Kombination (§ 56 SGG) aus Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 und 3 (vgl. zum Wahlrecht zwischen Feststellungs- und Verpflichtungsklage bei begehrter Anerkennung von Arbeitsunfällen stellv. BSG, Urteil vom 5.7.2016 – B 2 U 5/15 R – juris; BSG, Urteil vom 15.5.2012 – B 2 U 8/11 R juris) die Aufhebung der streitbefangenen Entscheidung und die Verpflichtung der Beklagten zur Anerkennung des Ereignisses vom 18.7.2014 als Arbeitsunfall. Soweit der Kläger erstinstanzlich darüber hinaus im Wege der Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG) die Gewährung einer Rentenzahlung beantragt hat, hat das Vordergericht hierüber nicht befunden. Da aber die Beklagte durch den diesbezüglichen fehlenden Ausspruch des SG nicht beschwert ist, braucht diesem klägerischen Ansinnen (zu dessen Zulässigkeit vgl. BSG, Urteile vom 7.9.2004 – B 2 U 35/03 R – juris Rn. 12; BSG, Urteil vom 2.4.2009 – B 2 U 30/07 R – juris Rn. 11) im Rahmen des Berufungsverfahren nicht weiter nachgegangen zu werden.
Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt daher nach ständiger Rechtsprechung (vgl. stellv. BSG, Urteil vom 30.1.2020 – B 2 U 2/18 R – SozR 4-2700 § 8 Nr. 70 Rn. 20; BSG, Urteil vom 19.6.2018 – B 2 U 2/17 R – SozR 4-2700 § 2 Nr. 46 Rn. 13; BSG, Urteil vom 5.7.2016 – B 2 U 19/14 R – BSGE 121, 297 = SozR 4-2700 § 2 Nr. 36, Rn. 11; Senatsurteil vom 28.7.2020 – L 3 U 117/18 – juris Rn. 26) voraus, dass die Verrichtung zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang), sie zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis – dem Unfallereignis – geführt und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht hat (Unfallkausalität und haftungsbegründende Kausalität). Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
Der Kläger erlitt, als er mit dem geliehenen Transportwagen verunglückte, eine zeitlich begrenzte, von außen kommende Einwirkung auf seinen Körper und damit einen Unfall iS des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII. Dieser führte zu einem seine körperliche Unversehrtheit verletzenden Gesundheitsschaden u.a. in Form einer HWK 5/6 Luxationsfraktur mit Tetraplegie unterhalb C5.
Weiter ist das Vordergericht zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger zur Zeit dieses Unfalls gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. a SGB VII zum grundsätzlich versicherten Personenkreis gehörte. Auch stand die konkrete Verrichtung zu diesem Zeitpunkt in einem inneren Zusammenhang mit der grundsätzlich versicherten Tätigkeit des Klägers als ehrenamtlich Tätiger.
Die zum 1.1.2005 in Kraft getretenen Neufassung des § 2 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. a SGB VII (Gesetz vom 9.12.2004, BGBl I 3299) erfuhr gegenüber der Vorgängerregelung (Gesetz vom 7.8.1996, BGBl I 1254) eine Tatbestandsausweitung. Gesetzlich unfallversichert sind seither nicht nur Personen, die für Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts oder deren Verbände oder Arbeitsgemeinschaften oder für die in den Nrn. 2 und 8 genannten Einrichtungen ehrenamtlich tätig sind (also etwa unmittelbar für Gemeinden ehrenamtlich Tätige), sondern auch Personen, die für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von Gebietskörperschaften ehrenamtlich tätig sind. Mit dieser Neufassung wurde insbesondere der Entwicklung Rechnung getragen, dass bislang von den Gebietskörperschaften selbstständig wahrgenommene Aufgaben vermehrt durch bürgerschaftlich Engagierte unentgeltlich erfüllt werden. Dabei werden mit der Aufgabenwahrnehmung in der Regel nicht Einzelpersonen betraut, für die sich der Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 SGB VII beurteilt. Vielmehr nimmt im Allgemeinen eine privatrechtliche Organisation unmittelbar die Aufgaben wahr. Dieser gegenüber werden die einzelnen Engagierten regelmäßig im Rahmen ihrer mitgliedschaftlichen Verpflichtung tätig, sodass Versicherungsschutz in der GUV für diese Tätigkeiten nach alter Rechtslage versagt bleiben musste. Nach neuem Recht ist für das Bestehen des Versicherungsschutzes entscheidend, ob die Gebietskörperschaft zur Durchführung eines konkreten Vorhabens einen Auftrag erteilt oder ihre Zustimmung erklärt. Die Zustimmung kann vor dessen Durchführung – in Anlehnung an das bürgerliche Recht (§§ 183 f. Bürgerliches Gesetzbuch ) – als Einwilligung oder nachträglich als Genehmigung erklärt werden (vgl. BT-Drucks. 15/ 3439, 5; Merten/Ziegler, SGb 2005, 427). Zuständig auch für den nunmehr erweiterten Versicherungsschutz sind ausschließlich die Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand (§ 129 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. 136 Abs. 3 Nr. 5 SGB VII), hier also die Beklagte.
Für privatrechtliche Organisationen im Auftrag von Gebietskörperschaften – aber auch mit deren Einwilligung – tätig zu sein verlangt, dass es sich um die Tätigkeit für ein Projekt handelt, das der Gemeinde zuzurechnen ist (vgl. Bieresborn, in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, § 2 Rn. 217, Stand 8.12.2020). Vorliegend hat die Gemeinde mit der Errichtung eines Sportplatzes auf ihrem Gemeindegebiet im eigenen Wirkungskreis und als Soll-Aufgabe (Art. 57 Abs. 1 Bayerische Gemeindeordnung ) eine öffentliche Einrichtung iS von Art. 21 GO geschaffen in Übereinstimmung mit dem Aufgabenkatalog des Art. 83 Abs. 1 GO (Körperliche Ertüchtigung der Jugend, Breitensport – vgl. Widtmann/Grasser/Glaser, GO, Art. 57 Rn. 6 und 16, Stand Februar 2020). Die mit dieser Anlage verbundene Aufgabenwahrnehmung hat die Gemeinde mit Pachtvertrag vom 29.11.2011 weitgehend dem ASV – als privatrechtliche Organisation iS von §§ 21 ff. BGB – übertragen (zur Aufgabenübertragung an Vereine vgl. LSG Hamburg, Urteil vom 10.10.2018 – L 2 U 16/18 – juris Rn. 20; Wietfeld, in BeckOk Sozialrecht, § 2 SGB VII Rn. 130, Stand 1.9.2020; Bieresborn, in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, § 2 Rn. 217, Stand 8.12.2020). Dabei verpflichtete sich der ASV, die Sportanlage in ordnungsgemäßem Zustand zu unterhalten (§ 8 Abs. 1 des Pachtvertrags), während eine Änderung baulicher Anlagen nicht ohne schriftliche Zustimmung der Gemeinde vorgenommen werden darf (§ 8 Abs. 2 des Pachtvertrages).
Mit der so beschriebenen Verteilung von Aufgaben und Zuständigkeiten zwischen Verein und Gemeinde war aber nicht von vornherein eine Aufgabenübertragung an den Verein iS einer Vorwegbeauftragung gemäß §§ 662 ff. BGB auch für die Behebung größerer Schäden verbunden, zumal sich die Gemeinde eigene Nutzungsrechte weiterhin vorbehalten hat (§ 9 Abs. 2 des Pachtvertrages). Wenn es vorliegend durch einen Wasserrohrbruch zu einer Verschimmelung der Holzpaneele auf einer größeren Fläche der Decke der Duschkabine gekommen ist, handelt es sich um den Eintritt eines nicht unerheblichen Schadens verbunden mit anstehenden Reparaturkosten im oberen dreistelligen bzw. niedrigen vierstelligen Eurobereich, sodass von einem nachträglichen Mangel der verpachteten Anlage auszugehen ist, dessen Behebung allein in die Zuständigkeit der Gemeinde fällt (§ 581 Abs. 2 i.V.m. § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB). Hierauf hat das SG zutreffend abgehoben.
Der ASV war zur Beseitigung dieses Mangels auch nicht im Rahmen der ihm obliegenden Schönheitsreparaturen nach Maßgabe von § 8 Abs. 1 des Pachtvertrages verpflichtet (siehe dazu BGH 14.7.2004 – VIII ZR 339/03 – NZM 2004, 734, 735). Der Begriff der Schönheitsreparaturen bestimmt sich nach allgemeiner Auffassung anhand der in § 28 Abs. 4 Satz 3 der Verordnung über wohnungswirtschaftliche Berechnungen nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz enthaltenen Definition, wonach als Schönheitsreparaturen das Tapezieren, Anstreichen oder Kalken der Wände und Decken, das Streichen der Fußböden und der Heizkörper einschließlich der Heizrohre, der Innentüren sowie der Fenster und der Außentüren von innen anzusehen sind (st. Rspr., vgl. stellv. BGH, Urteil vom 10.2.2010 – VIII ZR 222/09 – juris Rn. 16 m.w.N.). Er umfasst also grundsätzlich nur Maler- und Tapezierarbeiten zur Herstellung der äußerlichen Ansehnlichkeit der Mieträume, nicht jedoch eigentliche Reparaturen oder Instandsetzungen. Dieser Beschränkung liegt der Gedanke zugrunde, dass eine Belastung des Mieters mit Schönheitsreparaturen nur hinsichtlich solcher Arbeiten gerechtfertigt sein kann, mit denen eine typischerweise vom Mieter verursachte Abnutzung des dekorativen Erscheinungsbildes innerhalb der gemieteten Wohnung beseitigt wird (st. Rspr., vgl. stellv. BGH, Urteil vom 18.2.2009 – VIII ZR 210/08 – juris Rn. 10). Von einem solchermaßen durch den vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache herbeigeführten Mangel kann vorliegend keine Rede sein.
Erfolgte somit weder nach dem Inhalt des Pachtvertrags noch durch eine sonstige Erklärung der Gemeinde eine Beauftragung des Sportvereins für die Behebung der Schäden in der Duschkabine – die Initiative hierzu ging auch nicht von der Gemeinde aus (siehe dazu Wietfeld, in BeckOk Sozialrecht, § 2 SGB VII Rn. 132, Stand 1.9.2020) -, so begründet aber gleichfalls die in § 2 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. a SGB VII vorgesehene Zustimmung in Form einer (ausdrücklichen) vorherigen Einwilligung oder nachträglichen (schriftlichen) Genehmigung der Gebietskörperschaft für eine bestimmte Tätigkeit den Versicherungsschutz, wobei bei vordergründig fehlender Eindeutigkeit einer Einwilligung nach Maßgabe der üblichen Auslegungsregelungen (siehe dazu BGH, Urteil vom 14.10.2020 – VIII ZR 318/19 – juris Rn. 32) dennoch von einer dem Gesetz entsprechenden Willenserklärung ausgegangen werden kann; dabei ist unerheblich, wie sich für einen herangezogenen Helfer – hier dem Kläger – die Sachlage darstellt, weil nicht dieser, sondern der Verein Erklärungsempfänger ist (vgl. Lilienfeld, in KassKomm, § 2 SGB VII Rn. 47f, Stand Juli 2020). Darüber hinaus kann vorliegend dahinstehen, ob die vorherige Einwilligung (von vornherein erkennbar) ausdrücklich – als unmissverständliche Erklärung gleichsam wie eine nachträgliche Genehmigung in Schriftform – erfolgen muss oder von der Gebietskörperschaft auch konkludent, aber entsprechend einer konkludenten Beauftragung eindeutig erkennbar auf ein bestimmtes Vorhaben bezogen abgegeben werden kann (vgl. einerseits Franke/Spanknebel, in LPK-SGB VII, 5. Aufl. 2018, § 2 Rn 95b; Wietfeld, in BeckOk Sozialrecht, § 2 SGB VII Rn. 132, Stand 1.9.2020 und andererseits Holstraeter, in Kommentar zum Sozialrecht, 6. Aufl. 2019, § 2 SGB VII Rn. 31). Denn dieses Erfordernis der Ausdrücklichkeit schließt eine (formlose) mündliche Einwilligung – wovon vorliegend auszugehen ist – nicht aus (vgl. nur Lilienfeld, in KassKomm, § 2 SGB VII Rn. 47e, Stand Juli 2020), was schon aus dem lediglich für die nachträgliche Genehmigung gebotenen Schriftformerfordernis folgt.
Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten folgt nichts Anderes aus § 8 Abs. 2 des Pachtvertrages, wonach eine Änderung der baulichen Anlagen nicht ohne schriftliche Zustimmung der Gemeinde vorgenommen werden darf. Dabei ist von einer Änderung der baulichen Anlage in Übereinstimmung mit bauplanungs- und bauordnungsrechtlichen Bestimmungen (§ 29 Abs. 1 Baugesetzbuch bzw. Art. 55 Abs. 1 Bayerische Bauordnung) in Fällen auszugehen, in denen in die bauliche Substanz einer Anlage eingegriffen wird, d.h. ein Umbau, ein Ausbau, eine Erweiterung oder Verkleinerung der Anlage erfolgt, somit die Anlage nach Durchführung von Baumaßnahmen als eine andere erscheint als vorher (st. Rspr., vgl. stellv. BVerwG, Urteil vom 14.4.2000 – 4 C 5.99 – juris Rn. 26 m.w.N.). Nicht unter die Änderung einer baulichen Anlage fallen damit bloße Unterhalt- oder Reparaturmaßnahmen, wobei zu deren Abgrenzung von baulichen Änderungsmaßnahmen eine an der Verkehrsauffassung orientierte Gesamtbetrachtung maßgeblich ist (Krämer, in BeckOK BauGB, § 29 Rn. 9, Stand November 2020; König, in Schwarzer/König, BayBO, 4. Aufl. 2012, § 55 Rn. 7). Nach diesen Maßgaben kann bei einem bloßen Austausch verschimmelter Deckenpaneele von keiner Änderung einer baulichen Anlage ausgegangen werde.
Die Einvernahme des Zeugen und früheren 1. Bürgermeisters W. durch das Erstgericht hat unmissverständlich ergeben, dass für das Sportgelände die Organisation und tatsächliche Ausführung von im Pachtvertrag nicht geregelten Sanierungsarbeiten am Vereinsheim in den Händen des Vereins lagen, die Gemeinde in derartige projektbezogene Arbeiten auch einwilligte und finanzielle Unterstützung für von ihr letztlich bestimmte Reparaturen (etwa auch die Sanierung der Heizung) gab. So sei auch über die Erneuerung der verschimmelten Decke im Duschraum, somit über ein konkretes Projekt, bereits vor Ablauf seiner Amtszeit im Mai 2014 gesprochen worden. Für derartige Sanierungsmaßnahmen sei vom Verein zunächst die Notwendigkeit von Arbeiten festzustellen, sodann werde ermittelt, welche Arbeiten der Verein leisten könne, und erst zum Abschluss werde aus noch nicht gedeckten Aufwendungen die Höhe der finanziellen Leistungen bestimmt, die die Gemeinde übernimmt. Auszugehen ist bei diesem Geschehensablauf somit von einer ausdrücklichen und auch vom Eigeninteresse bestimmten Einwilligung der Gemeinde in das konkrete Vorhaben „Duschkabinensanierung“, die sie sich letztlich auch durch die Zusage deren Teilfinanzierung zu eigen macht. Dabei geht zwar in solchen Fällen, anders als bei einem Auftrag durch die Körperschaft, von der privatrechtlichen Organisation die Initiative zur Verwirklichung eines anstehenden Projektes aus, in dessen Realisierung die Gemeinde durch eine mehr oder weniger erhebliche Beteiligung einwilligt (vgl. Riebl, in Hauck/Noftz, SGB VII, § 2 Rn. 138f a.E., Stand August 2019), wobei diese gemeindliche Einwilligung entscheidend bestimmt ist durch den unweigerlich mit dem Einbau einer neuen Decke sich verbindenden Wertzuwachs (§ 946 BGB) für die gemeindeeigene Anlage. Auch Letzteres spricht zusätzlich für das Vorliegen einer ausdrücklichen Einwilligung.
Der Zeuge W. durfte in seiner Funktion als 1. Bürgermeister gegenüber dem Zeugen B. nach dessen Wahl zum 1. Vorstand des ASV im März 2013 in die Durchführung anstehender (werterhaltender) Sanierungsarbeiten vorbehaltlich seiner Zuständigkeit einwilligen, wozu im weiteren konkret auch die Beseitigung des Schimmelbefalls an der Decke der Duschkabine gehörte und vereinbart wurde. Formloses Ersuchen oder Anfragen des Vereins sind als Voraussetzung einer Einwilligung ausreichend, solange das zuständige Organ der Gemeinde das Tätigwerden der privatrechtlichen Organisation billigt (Wietfeld, in BeckOk Sozialrecht, § 2 SGB VII Rn. 131, Stand 1.9.2020). Vorliegend hat auf Seiten der Gebietskörperschaft der zuständige 1. Bürgermeister gehandelt und die erforderliche Einwilligung erteilt, die im weiteren zeitlichen Verlauf nicht deshalb entfiel, weil dessen Amtszeit Anfang Mai 2014 endete. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten bedurfte es auch keines Gemeinderatsbeschlusses. Vielmehr nahm der 1. Bürgermeister mit der Einwilligung zur Sanierung der Duschkabine in eigener Zuständigkeit eine laufende Angelegenheit war (Art. 37 Abs. 1 Nr. 1 GO); gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 2a zweiter Spiegelstrich der Geschäftsordnung der Gemeinde konnte er innerhalb eines Verfügungsrahmens von 4.000 € Verpflichtungsgeschäfte für die Gemeinde eingehen, worunter auch die Einwilligung zu der hier in Rede stehenden Sanierung im oberen dreistelligen bzw. niedrigen vierstelligen Eurobereich zählt. Im Übrigen würde – ohne dass es hierauf noch ankäme – das Vorliegen einer ausdrücklichen Einwilligung iS von § 2 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. a SGB VII auch nicht an einer fehlenden Zuständigkeit des Gemeindeorgans scheitern; denn es ist ausreichend, wenn die privatrechtliche Organisation von der Zuständigkeit des Handelnden ausgegangen ist und dies auch konnte (vgl. Lilienfeld, in KassKomm, § 2 SGB VII Rn. 47d, Stand Juli 2020; Merten/Ziegler, SGb 2005, 427, 433).
All dies deckt sich mit den von der Beklagten im Verwaltungsverfahren eingeholten Auskünften bei der Gemeinde. Die Gemeinde hat bereits mit Schreiben 5.10.2015 unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass die Sanierung in ihrem Auftrag erfolgte und auf die Ausführungen des Altbürgermeisters verwiesen. Dieser hat angegeben, dass der Auftrag zur Renovierung der Deckenpaneele – wie üblich – „im Gespräch erledigt“ wurde. An der Richtigkeit dieser Angaben zu zweifeln besteht kein Anlass.
Zu einer nochmaligen Zeugeneinvernahme des Altbürgermeister W. bzw. des 1. Vorstands des ASV B. ist der erkennende Senat nicht verpflichtet. Eine in der Vorinstanz durchgeführte Beweisaufnahme braucht vom Rechtsmittelgericht grundsätzlich nicht wiederholt zu werden. Für den Zeugenbeweis folgt aus §§ 153 Abs. 1, 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 398 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO), dass ein bereits in der ersten Instanz gehörter Zeuge nicht stets in der Berufungsinstanz erneut zu vernehmen ist. Das Berufungsgericht darf seine Entscheidung vielmehr grundsätzlich ohne erneute Vernehmung auf das Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme stützen (st. Rspr., vgl. stellv. BSG, Urteil vom 18.2.1988 – 6 RKa 24/87 – juris Rn. 16). Zur erneuten Beweisaufnahme verpflichtet ist es dagegen dann, wenn es an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungstragenden Feststellungen der Vorinstanz zweifelt (vgl. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), insbesondere wenn es die Glaubwürdigkeit eines Zeugen abweichend vom Erstrichter beurteilen will (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22.11.2004 – 1 BvR 1935/03 – juris m.w.N.). Das ist hier nicht der Fall.
Der Unfall geschah auch während der Ausübung eines Ehrenamtes „infolge“ einer versicherten Tätigkeit iS des § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII. Die Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses (das Autofahren) stand im sachlichen Zusammenhang mit der grundsätzlich versicherten Tätigkeit des Klägers als ehrenamtlich Tätiger, jedenfalls im Sinne einer mit der eigentlichen Kerntätigkeit zeitlich und sachlich zusammenhängenden Vorbereitungshandlung (vgl. nur Köhler, WzS 2015, 299, 306; weiterführend BSG, Urteil vom 30.1.2020 – B 2 U 9/18 R – juris). Eine versicherte Tätigkeit wird ausgeübt, wenn, solange und soweit der Versicherte den jeweiligen Versicherungspflichttatbestand – hier § 2 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. a SGB VII – durch eigene Verrichtungen erfüllt (vgl. BSG, Urteil vom 27.11.2018 – B 2 U 15/17 R – juris Rn. 14). Eine Verrichtung ist jedes konkrete Handeln, das objektiv seiner Art nach von Dritten beobachtbar und subjektiv – zumindest auch – auf die Erfüllung des Tatbestands der jeweiligen versicherten Tätigkeit ausgerichtet ist. Diese innere Tatsache der subjektiven Ausrichtung des objektiven konkreten Handelns des Verletzten wird auch als „Handlungstendenz“ bezeichnet. Die subjektive Handlungstendenz als von den Tatsachengerichten als Ausdruck ihrer begründeten, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen freien Überzeugung (§ 128 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGG) festzustellende innere Tatsache muss sich mithin im äußeren Verhalten des Handelnden (Verrichtung) widerspiegeln, so wie es objektiv beobachtbar ist (st. Rspr., vgl. stellv. BSG, Urteil vom 6.10.2020 – B 2 U 9/19 R – juris Rn. 20 ff.).
In diesem Zusammenhang gilt es zu berücksichtigen, dass ehrenamtliche Tätigkeit auch im Bereich des Privatrechts und nicht nur im Bereich des öffentlichen Rechts vorkommt; sie erhält ihr Gepräge durch ihre ideellen Zwecke und Unentgeltlichkeit, ohne dass insoweit Aufgaben der Repräsentation ausgeübt werden müssen (vgl. BSG, Urteil vom 16.8.2017 – B 12 KR 14/16 R – juris Rn. 30 f.). Dabei muss die solchermaßen geforderte Handlungstendenz in Richtung ehrenamtlicher Tätigkeit sich nicht auf eine Tätigkeit für die öffentlich-rechtlichen Körperschaften beziehen, sondern schon nach dem Gesetzeswortlaut nur auf eine Tätigkeit für die privatrechtliche Organisation (vgl. Lilienfeld, in KassKomm, § 2 SGB VII Rn. 47f, Stand Juli 2020; Schlegel, in Schulin, Handbuch der SozVers – Band 2, 1996, § 17 Rn. 122). Für die Beurteilung, ob eine ehrenamtlich tätige Person einer versicherten Tätigkeit nachgeht, kommt es entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten nicht darauf an, ob sie subjektiv davon ausgeht, in dieser Funktion tätig zu sein, sondern darauf, dass sie eine der ihr ausdrücklich übertragenen Aufgaben wahrgenommen hat (vgl. Bieresborn, in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, § 2 Rn. 213.3, Stand 8.12.2020). Ebenso ist für die Ausübung des Ehrenamts und das Bestehen des Versicherungsschutzes ohne Bedeutung, ob der Kläger Kenntnis von einer Einwilligung der Gemeinde iS von § 2 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. a SGB VII bezüglich seiner Tätigkeit hatte.
Nach Maßgabe dieser Grundsätze war die konkrete Verrichtung des Klägers unmittelbar vor Eintritt des Unfallereignisses objektiv und subjektiv ehrenamtsbezogen iS von § 2 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. a SGB VII. Als der Kläger, dem als 3. Vereinsvorstand durch den Vorstandsbeschluss vom 16.5.2014 verbunden mit einem Übertragungsakt die Aufgabe der Duschkabinensanierung zugewiesen worden ist, am Abend des 18.7.2014 auf der Staatsstraße … mit einem Transportwagen in Richtung A-Stadt fuhr, diente diese Verrichtung nach seiner Vorstellung allein der Fortbewegung auf der Strecke zum Ort der Entleihe des vorbenannten Fahrzeuges. Der Zeitpunkt und der Weg war allein durch das ehrenamtlich bedingte Erfordernis bestimmt, den für die Durchführung der Reparaturarbeiten notwenigen Transportwagen dem Eigentümer an diesem Tage rechtzeitig zurückzubringen. Dabei befand sich der Kläger zum Zeitpunkt des Unfalls auch auf dem direkten, d.h. kürzesten Weg nach A-Stadt.
Schließlich ist im vorliegenden Falle neben dem sachlichen Zusammenhang auch die für die Annahme eines Arbeitsunfalles erforderliche Unfallkausalität gegeben, weil die versicherte Tätigkeit den Unfall rechtlich wesentlich verursacht hat (siehe dazu ausführlich Senatsurteil vom 23.9.2020 – L 3 U 305/19 – juris Rn. 22 ff.). Dass neben der im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehenden Verrichtung zur Zeit des Unfalls eine weitere, nicht versicherten Zwecken zuzurechnende, rechtserhebliche Ursache hinzugetreten ist, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Ob darüber hinaus die besonderen Voraussetzungen einer „Wie“-Beschäftigung iS von § 2 Abs. 2 SGB VII erfüllt sind (siehe dazu BSG, Urteil vom 20.8.2019 – B 2 U 1/18 R – BSGE 129, 44 = SozR 4-2700 § 2 Nr. 51; Senatsurteil vom 28.7.2020 – L 3 U 117/18 – juris Rn. 36 ff.; Spellbrink/Bieresborn, NJW 2019, 3745), braucht vorliegend nicht entschieden zu werden. Denn eine Person kann überhaupt nur dann dem subsidiären Versicherungstatbestand des § 2 Abs. 2 Satz SGB VII unterfallen, wenn kein anderer Tatbestand eingreift, nach dem Versicherungspflicht besteht (vgl. nur Wietfeld, in BeckOK Sozialrecht, § 2 SGB VII Rn. 241, Stand 1.12.2020 unter Verweis auf § 135 Abs. 6 SGB VII). So liegt es aber hier.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).


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