Baurecht

Unterlassene Ausfertigung von Anlagen der Satzung

Aktenzeichen  1 N 17.333

Datum:
10.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 41293
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 47
BauGB § 9 Abs. 2, § 10 Abs. 3
BauNVO § 1 Abs. 4 S. 1 Nr. 2
GO Art. 26 Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

Weist ein Bebauungsplan in der Satzung auf ein oder mehrere Planteile hin, müssen diese in der Satzung eindeutig beschrieben sein. Auch der Planteil als Bestandteil der Satzung muss grundsätzlich selbst ausgefertigt sein. (Rn. 22 – 23)

Tenor

I. Der Bebauungsplan Nr. 72 „für den Bereich L* …“ vom 22. Juli 2013, bekanntgemacht am 12. März 2016, ist unwirksam.
II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die im Wege der subjektiven Klagehäufung erhobenen Normenkontrollanträge der Antragstellerinnen haben Erfolg.
1. Die Anträge sind zulässig, insbesondere führt die Berichtigung der Bezeichnung der Antragstellerin zu 3 mit Schreiben vom 21. August 2017 nicht zu einem (unzulässigen) Parteiwechsel. Mit der Änderung der Bezeichnung in „R* GmbH“ wurde lediglich eine Berichtigung der im luftverkehrsrechtlichen Genehmigungsverfahren versehentlich unrichtig verwendeten Formulierung „R* … … … … GmbH“ vorgenommen. Dies ist, da es sich in beiden Fällen um die gleiche GmbH handelt, die Inhaberin der luftverkehrsrechtlichen Genehmigung ist, nicht zu beanstanden. Im Übrigen wäre ein Parteiwechsel auch sachdienlich gewesen (§ 91 Abs. 1 VwGO), sodass sich die fehlende Einwilligung des Antragsgegners bezüglich einer Klageänderung auf die Zulässigkeit des Normenkontrollantrags auch insoweit nicht ausgewirkt hätte.
Die Antragstellerinnen sind antragsbefugt. Gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist im Normenkontrollverfahren jede natürliche oder juristische Person antragsbefugt, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Der Antragsteller muss hinreichend substantiiert Tatsachen vortragen, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch die Festsetzungen des Bebauungsplans in einem Recht verletzt wird. Eine solche Rechtsverletzung kommt regelmäßig in Betracht, wenn sich der Eigentümer eines im Plangebiet liegenden Grundstücks gegen bauplanerische Festsetzungen wendet, die unmittelbar sein Grundstück betreffen. Denn bei den Festsetzungen eines Bebauungsplans handelt es sich um Inhalts- und Schrankenbestimmungen im Sinn des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Diese muss der Eigentümer nur hinnehmen, wenn der Bebauungsplan rechtmäßig ist. Greift der Eigentümer eines Grundstücks im Geltungsbereich des Bebauungsplans Festsetzungen an, die sein Eigentum nicht unmittelbar berühren, muss er aufzeigen, dass seine aus dem Abwägungsgebot folgenden Rechte verletzt sein können (vgl. BVerwG, B.v. 17.7.2019 – 3 BN 2.18 – NVwZ-RR 2019, 1027; B.v. 13.11.2012 – 4 BN 23.12 – juris Rn. 4; B.v. 22.8.2000 – 4 BN 38.00 – NVwZ 2000, 1413). Gleiches gilt für Personen, denen – etwa aus Miete, Pacht oder anderen vergleichbaren Vertragsverhältnissen – Nutzungsrechte übertragen worden sind (vgl. BVerwG, U.v. 29.6.2015 – 4 CN 5.14 – NVwZ 2015, 1457).
Daran gemessen haben die Antragstellerinnen Tatsachen vorgetragen, die eine Beeinträchtigung eigener Rechte zumindest möglich erscheinen lassen. Zwar hat der Antragsgegner für das im Eigentum der Antragstellerinnen zu 1 und 2 stehende Grundstück, auf dem die Antragstellerin zu 3 einen Hubschraubersonderlandeplatz betreibt, keine Festsetzungen getroffen, sondern den genehmigten Betrieb lediglich gemäß § 9 Abs. 6 BauGB nachrichtlich als Fläche für den Luftverkehr aufgenommen (s. Hinweis B.11). Jedoch erscheint eine Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Nutzbarkeit des Betriebs und damit von Rechten der Antragstellerinnen durch die im Bebauungsplan getroffenen Festsetzungen zu Art und Maß der baulichen Nutzung sowie hinsichtlich der Baugrenzen möglich, da im An- und Abflugbereich des Betriebs sowie in dessen unmittelbarer Nähe gewerbliche Nutzungen zugelassen werden, die sich auf den Betrieb des Hubschraubersonderlandeplatzes auswirken können. Entsprechende Befürchtungen haben die Antragstellerin vorgetragen. Die Abwägungsrelevanz ihrer Belange wird durch die Erwägungen des Antragsgegners bestätigt, die in das Bebauungsplanverfahren Eingang gefunden haben. Der Umstand, dass die Antragstellerin zu 3 auf diesem Grundstück lediglich Betreiberin des genehmigten Hubschraubersonderlandeplatzes ist, stellt ihre Antragsbefugnis nicht in Frage.
2. Die Anträge sind auch begründet. Die textliche Festsetzung A.8, soweit sie den Immissionsschutz im Bereich der Gewerbeflächen durch die Festsetzung von Emissionskontingenten regelt, verstößt gegen die rechtsstaatlichen Anforderungen an die Verkündung einer Rechtsnorm (2.1). Der Bebauungsplan ist zudem wegen eines Ausfertigungsmangels unwirksam (2.2). Dieser Mangel führt gleichzeitig zu einer Unbestimmtheit der Festsetzungen des Bebauungsplans zum Maß der baulichen Nutzungen (2.3). Auch soweit die textliche Festsetzung A.8 unter Verzicht auf eine Gliederung des Gewerbegebiets Emissionskontingente festsetzt, ist diese unwirksam (2.4). Unwirksam ist auch die textliche Festsetzung A.8, soweit sie auf der Grundlage von § 9 Abs. 2 BauGB die Einschränkungen der Nutzungen durch den Hubschraubersonderlandeplatz zeitlich beschränkt (2.5). Zwar führt der letztgenannte Fehler nur zur Teilunwirksamkeit des Bebauungsplans; die Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans ergibt sich jedoch jeweils aus den Fehlern 2.1 bis 2.4 (2.6).
2.1 Die öffentliche Bekanntmachung des Bebauungsplans am 12. März 2016 ist nicht ordnungsgemäß erfolgt. Der Antragsgegner hat in der textlichen Festsetzung A.8, soweit sie den Immissionsschutz im Bereich der Gewerbeflächen durch die Festsetzung von Emissionskontingenten regelt, Bezug genommen auf ein technisches Regelwerk (hier: DIN 45691), ohne darauf hinzuweisen, wo das dort in Bezug genommene Regelwerk eingesehen werden kann. Eine solche Bekanntgabe genügt nicht den sich aus dem Rechtsstaatsprinzip und aus § 10 Abs. 3 BauGB ergebenden Anforderungen.
Die Anforderungen des Rechtsstaatsprinzips an die Verkündung von Normen stehen einer Verweisung auf nicht öffentlich zugängliche technische Vorschriften in den textlichen Festsetzungen eines Bebauungsplans nicht von vornherein entgegen (vgl. BVerwG, U.v. 26.6.2020 – 4 CN 5.18 – BauR 2020, 1726; BayVGH, U.v. 28.11.2019 – 2 N 17.2338 – juris Rn. 22). Verweist eine Festsetzung auf eine solche Vorschrift und ergibt sich erst aus dieser Vorschrift, unter welchen Voraussetzungen ein Vorhaben planungsrechtlich zulässig ist, muss der Plangeber aber sicherstellen, dass die Planbetroffenen sich auch vom Inhalt der jeweiligen technischen Vorschrift verlässlich und in zumutbarer Weise Kenntnis verschaffen können. Den rechtsstaatlichen Anforderungen genügt die Gemeinde, wenn sie die in Bezug genommene Vorschrift bei der Verwaltungsstelle, bei der auch der Bebauungsplan eingesehen werden kann, zur Einsicht bereithält und hierauf in der Bebauungsplanurkunde hinweist. Ebenso genügt ein entsprechender Hinweis in der ortsüblichen Bekanntmachung, weil dieser in gleicher Weise wie der Hinweis in der Bebauungsplanurkunde geeignet ist, die Planbetroffenen über die Möglichkeit und den Ort der Einsicht in die technische Vorschrift zu informieren. Für die Bekanntmachung eines Bebauungsplans genügt es, wenn in der Bekanntmachung darauf hingewiesen wird, wo der Plan eingesehen werden kann (§ 10 Abs. 3 Satz 3 BauGB). Diese Anforderungen an die Verkündung einer Rechtsnorm stehen einer Verweisung auf nicht veröffentlichte technische Regelwerke in den textlichen Festsetzungen eines Bebauungsplans nicht von vornherein entgegen, und zwar auch dann nicht, wenn erst die Anwendung des betreffenden Regelwerks ergibt, unter welchen Voraussetzungen ein Vorhaben im Plangebiet zulässig ist (vgl. BVerwG, U.v. 26.6.2020 a.a.O. m.w.N.).
Diesen Anforderungen entspricht der Bebauungsplan nicht. Er enthält zwar im Rahmen des Immissionsschutzes im Bereich der Gewerbeflächen eine textliche Festsetzung zu den Emissionskontingenten und nimmt für deren Berechnung und Nachweis im Baugenehmigungsverfahren Bezug auf die DIN 45691. Entgegen den vorstehend ausgeführten Grundsätzen fehlt jedoch ein Hinweis in der Bebauungsplanurkunde selbst oder in der Bekanntmachung darauf, dass das technische Regelwerk bei der Verwaltungsstelle, bei welcher auch der Bebauungsplan eingesehen werden kann, zur Einsicht bereitgehalten wird. Der allgemeine Hinweis in der Bekanntmachung, dass auf Verlangen über den Inhalt des Bebauungsplan Auskunft gegeben wird, reicht hierfür nicht aus.
Bereits dieser Fehler führt zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans im Ganzen.
2.2 Der Bebauungsplan ist auch aufgrund eines von Amts wegen zu prüfenden, gegen Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GO verstoßenden Ausfertigungsmangels unwirksam. Zwar ist die Ausfertigung des Bebauungsplans mittels Unterschrift der 1. Bürgermeisterin am 26. Februar 2016 entgegen der Rüge der Antragstellerinnen nicht zu beanstanden. Jedoch hat es der Antragsgegner versäumt, die in der Planzeichnung aufgeführten Anlagen 1 und 2, die für die Berechnung des Maßes der baulichen Nutzung unabdingbar sind, auszufertigen.
Bebauungspläne sind Satzungen (§ 10 Abs. 1 BauGB) und als solche nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GO auszufertigen. Dies gebietet das in Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 3 Abs. 1 BV verfassungsrechtlich verankerte Rechtsstaatsprinzip (vgl. BVerwG, B.v. 4.9.2014 – 4 B 31.14 – ZfBR 2014, 782; U.v. 1.7.2010 – 4 C 4.08 – BVerwGE 137, 247; B.v. 9.5.1996 – 4 B 60.96 – NVwZ-RR 1996, 630), das die Identität der anzuwendenden Norm und ihres Inhalts mit dem vom Normgeber Beschlossenen verlangt. Durch die Ausfertigung wird die Satzung als Originalurkunde hergestellt, die den Willen des Normgebers nach außen wahrnehmbar macht. Zudem wird bestätigt und sichergestellt, dass der Inhalt des als Satzung beschlossenen Bebauungsplans mit dem Willen des Gemeinderats übereinstimmt (vgl. BayVGH, U.v. 28.4.2017 – 15 N 967 – juris Rn. 34; U.v. 28.10.2014 – 15 N 12.1633 – NVwZ-RR 2015, 321 m.w.N. – sog. „Identitätsfunktion“, „Beurkundungs- und Gewährleistungsfunktion“, vgl. auch BVerwG, B.v. 21.6.2018 – 4 BN 34.17 – ZfBR 2018, 796; U.v. 1.7.2010 a.a.O.). Darüber hinausgehende Anforderungen stellt das Bundesrecht nicht; Regelungen über Art, Inhalt und Umfang der Ausfertigung richten sich allein nach Landesrecht (vgl. BVerwG, B.v. 16.5.1991 a.a.O.; B.v. 4.9.2014 a.a.O.; BayVGH, U.v. 28.10.2014 a.a.O. m.w.N.). In Bayern gibt Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GO vor, dass Satzungen auszufertigen sind.
Zwar hat die 1. Bürgermeisterin am 26. Februar 2016 und damit nach Ergehen des Satzungsbeschlusses am 22. Juli 2013 und vor der öffentlichen Bekanntmachung am 12. März 2016 ihre Unterschrift unter die Verfahrensvermerke auf die Originalurkunde gesetzt und damit die Identität der „ausgefertigten“ Originalurkunde mit dem Inhalt des vom Marktgemeinderat am 22. Juli 2013 Beschlossenen dokumentiert.
Besteht die Satzung allerdings – wie hier – aus einem Textteil und einem oder mehreren Planteilen, müssen diese in der Satzung eindeutig beschrieben sein und in ihr und auch auf den Planteilen eindeutig zum Ausdruck kommen, dass diese Planteile Bestandteil der Satzung sind. Auch der Planteil als Bestandteil der Satzung muss grundsätzlich selbst ausgefertigt sein. Die Ausfertigung allein des Textteils genügt in einem solchen Fall nur dann, wenn durch eindeutige Angaben oder auf andere Weise jeder Zweifel an der Zugehörigkeit der Planteile zu der beschlossenen Satzung ausgeschlossen wird. Erforderlich ist, dass der Plan durch eine Art „gedanklicher Schnur“ mit dem ausgefertigten Textteil der Satzung derart verknüpft ist, dass seine Identifizierung ohne Weiteres möglich ist, sodass jeder Zweifel an der Zugehörigkeit des nicht gesondert ausgefertigten Teils zum ausgefertigten Satzungsteil ausgeschlossen ist (vgl. BayVGH, U.v. 10.10.2018 – 2 N 16.1285 – juris Rn. 20; U.v. 28.4.2017 – 15 N 967 – juris Rn. 37; U.v. 28.10.2014 – 15 N 12.1633 – NVwZ-RR 2015, 321; U.v. 5.2.2009 – 1 N 07.2713 – juris 8; B.v. 28.2.2008 – 1 NE 07.2946 – juris Rn. 36). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn in der Satzung auf einen bestimmten, genau bezeichneten Plan Bezug genommen wird und kein Zweifel bestehen kann, welcher Plan damit gemeint ist (vgl. VGH BW, U.v. 8.5.1999 – 5 S 3064/88 – NVwZ-RR 1991, 20). Ansonsten würde die Funktion des Ausfertigungsvermerks, nämlich sicherzustellen, dass alle Einzelteile des als Satzung beschlossenen Bebauungsplans mit dem Willen des beschließenden Gremiums im Zeitpunkt der Beschlussfassung übereinstimmen, verfehlt. Zudem ist nicht gewährleistet, dass sich die Betroffenen verlässlich Kenntnis vom Inhalt der als Satzung beschlossenen Rechtsnorm verschaffen können. Denn bei Bebauungsplänen ist die beim Normerlass übliche Verkündung bzw. Bekanntmachung diese Rechtsklarheit verschaffende Publizität nach § 10 Abs. 3 Satz 1 BauGB eingeschränkt, weil es insoweit ausreicht, den Beschluss des Bebauungsplans durch die Gemeinde ortsüblich bekannt zu machen und es im Übrigen genügt, den Bebauungsplan mit der Begründung und der zusammenfassenden Erklärung (§ 10 Abs. 4 BauGB) zu jedermanns Einsicht bereit zu halten, auf Verlangen über den Inhalt Auskunft zu geben und in der Bekanntmachung darauf hinzuweisen, wo der Bebauungsplan eingesehen werden kann (§ 10 Abs. 3 Sätze 2 und 3 BauGB). Da nur die Einsicht in die ausgefertigte Originalurkunde die rechtsstaatlich gebotene Publizität gewährleistet, sind an die Anforderungen an die Ausfertigung jedenfalls bei Bebauungsplänen eher strenge Maßstäbe anzulegen (vgl. BayVGH, U.v. 28.4.2017 – 15 N 967 – juris Rn. 39).
Diesen Anforderungen entspricht der verfahrensgegenständliche Bebauungsplan nicht. Denn die im Bebauungsplan ohne Nennung eines Datums und auch sonst textlich nicht näher umschriebenen Anlagen 1 und 2 befinden sich weder bei der Originalfassung des Bebauungsplans noch sind sie (gesondert) ausgefertigt worden. Dass der Antragsgegner in den Hinweisen B.15 und B.16 die Anlagen 1 und 2 mit einer textlichen Kurzbezeichnung aufgeführt hat, reicht insoweit nicht aus. Denn den Hinweisen kommt – anders als den Festsetzungen des Bebauungsplans – keine Rechtssatzqualität zu. Es fehlt daher an der erforderlichen „untrennbaren“ Verbundenheit der Anlagen mit der Originalfassung des Bebauungsplans und der „gedanklichen Schnur“ zwischen der Planurkunde und den beiden Anlagen.
2.3 Zudem liegt darin ein Verstoß gegen den Grundsatz der Bestimmtheit und Normenklarheit, weil die in der Planzeichnung aufgeführten Anlagen 1 und 2 dem Bebauungsplan nicht beigefügt wurden.
Die Festsetzungen eines Bebauungsplans als Satzungen nach § 10 BauGB müssen den aus dem Rechtsstaatsgebot (Art. 20 Abs. 3 GG) abzuleitenden Geboten der Bestimmtheit und Normenklarheit entsprechen. Ein Verstoß gegen das Gebot der Normenklarheit begründet die Unwirksamkeit der Festsetzung, ohne dass es auf §§ 214, 215 BauGB ankommt. Speziell für Bebauungspläne folgt die Notwendigkeit hinreichender Bestimmtheit sowohl für zeichnerische als auch für textliche Festsetzungen daraus, dass die Festsetzungen gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG Inhalt und Schranken des grundrechtlich geschützten Eigentums unmittelbar berühren und ausgestalten. Die von den Festsetzungen des Bebauungsplans Betroffenen müssen deshalb wissen, welche Nutzungen auf den Grundstücken zulässig sind. Das im Einzelfall zu fordernde Maß an Konkretisierung hängt wesentlich von der Art der jeweiligen Festsetzung, den Planungszielen und den Umständen des Einzelfalls, insbesondere den örtlichen Verhältnissen, ab. Der planenden Gemeinde steht es dabei frei zu entscheiden, welcher Mittel sie sich bedient, um dem Bestimmtheitsgebot zu genügen. Sie hat die Wahl zwischen zeichnerischer Festsetzung und textlicher Beschreibung; sie kann auch beide Elemente kombinieren. Entscheidend ist nur, dass hinreichend klar ist, welche Regelungen mit welchem Inhalt normative Geltung beanspruchen (vgl. BayVGH, U.v. 6.12.2019 – 15 N 18.636 – juris Rn. 26 m.w.N.). Die rechtsstaatlich gebotene Bestimmtheit fehlt nicht schon dann, wenn die Festsetzung der Auslegung bedarf. Es ist ausreichend, wenn der Inhalt des Bebauungsplans durch Auslegung ermittelt werden kann, wobei die Interpretation nicht durch den formalen Wortlaut beschränkt wird. Ausschlaggebend ist der objektive Wille des Plangebers, soweit er wenigstens andeutungsweise im Satzungstext einen Niederschlag gefunden hat (vgl. auch OVG NRW, U.v. 2.12.2016 – 2 D 121/14.NE – juris Rn. 62 m.w.N.).
Die Anlagen 1 und 2 sind der Originalfassung des Bebauungsplans weder beigefügt noch sind sie ausgefertigt worden. Damit ist für die Betroffenen nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit erkennbar, welche maximalen Höhen die baulichen Anlagen, die innerhalb der Baugrenzen im Bereich der An- und Abflugschneisen westlich und östlich des Hubschraubersonderlandeplatzes zulässig sind, aufweisen dürfen.
2.3 Auch soweit die textliche Festsetzung A.8 unter Verzicht auf eine Gliederung des Gewerbegebiets Emissionskontingente festsetzt, ist diese unwirksam.
Nach § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BauNVO können für die in den §§ 4 bis 9 BauNVO bezeichneten Baugebiete im Bebauungsplan für das jeweilige Baugebiet Festsetzungen getroffen werden, die das Baugebiet nach der Art der Betriebe und Anlagen und deren besonderen Bedürfnissen und Eigenschaften gliedern (vgl. BVerwG, U.v. 7.12.2017 – 4 CN 7.16 – BVerwGE 161, 53). Dem Tatbestandsmerkmal des Gliederns wird nur Rechnung getragen, wenn das Baugebiet in einzelne Teilgebiete mit verschieden hohen Emissionskontingenten zerlegt wird (vgl. BVerwG, B.v. 9.3.2015 – 4 BN 26.14 – BauR 2015, 943). Die Festsetzung eines einheitlichen Emissionskontingents für das gesamte Baugebiet ist von der Ermächtigungsgrundlage des § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO nicht gedeckt. Die Voraussetzung für eine baugebietsübergreifende Gliederung gemäß § 1 Abs. 4 Satz 2 BauNVO, dass neben dem emissionskontingentierten Gewerbegebiet noch (mindestens) ein Gewerbegebiet als Ergänzungsgebiet vorhanden ist, in welchem keine Emissionsbeschränkungen gelten (BVerwG, B.v. 9.3.2015 a.a.O.; B.v. 18.12.1990 – 4 N 6.88 -BayVBl 1991, 310) gilt entsprechend für die interne Gliederung nach § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO. Macht eine Gemeinde nur von dieser Norm Gebrauch und verzichtet auf eine baugebietsübergreifende Gliederung, muss gewährleistet bleiben, dass vom Typ her nicht erheblich belästigende Gewerbebetriebe aller Art im Gewerbegebiet ihren Standort finden können. Das bedeutet, dass es in einem nach § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO intern gegliederten Baugebiet ein Teilgebiet ohne Emissionsbeschränkung oder, was auf dasselbe hinausläuft, ein Teilgebiet geben muss, das mit Emissionskontingenten belegt ist, die jeden nach § 8 BauNVO zulässigen Betrieb ermöglichen. Geschuldet ist dies dem Umstand, dass auch bei Anwendung des § 1 Abs. 4 BauNVO die allgemeine Zweckbestimmung der Baugebiete zu wahren ist (vgl. BVerwG, U.v. 7.12.2017 a.a.O.).
Die vorstehenden Anforderungen an die interne Gliederung eines Gewerbegebiets erfüllt der Bebauungsplan nicht, da der Antragsgegner für das (gesamte) Gewerbegebiet Emissionskontingente festgesetzt hat. Eine Gliederung des Baugebiets ist im vorliegenden Fall auch nicht ausnahmsweise entbehrlich, weil auf den betreffenden Grundstücksflächen nicht nur ein einziger Betrieb oder eine einzige Anlage zulässig sind (vgl. BVerwG, U.v. 16.12.1999 – 4 CN 7.98 – BVerwGE 110, 193). Ob eine externe Gliederung möglich wäre, kann vorliegend dahinstehen. Eine solche Möglichkeit hat der Antragsgegner bereits nicht in Betracht gezogen, jedenfalls fehlt es an einem darauf gerichteten planerischen Willen (vgl. BVerwG, U.v. 7.12.2017 a.a.O.).
2.4 Auch die textliche Festsetzung A.8, soweit sie auf der Grundlage von § 9 Abs. 2 BauGB die Einschränkungen der Nutzungen durch den Hubschraubersonderlandeplatz zeitlich beschränkt, verstößt gegen den Bestimmtheitsgrundsatz. Die Festsetzung ist auf folgenden Regelungsgehalt beschränkt: „Auf der Grundlage von § 9 Abs. 2 BauGB wird festgesetzt, dass die Einschränkungen der Nutzung durch den genehmigten Hubschraubersonderlandeplatz nur bestehen, solange die Genehmigung rechtskräftig ist. Nach Ablauf der Genehmigung wird die Nutzung dem übrigen Geltungsbereich angepasst.“.
Nach § 9 Abs. 2 kann im Bebauungsplan festgesetzt werden, dass die in ihm festgesetzten Nutzungen und Anlagen nur für einen bestimmten Zeitraum zulässig oder bis zum Eintritt bestimmter Umstände zulässig oder unzulässig sind. Diese Festsetzung setzt daher voraus, dass der Bebauungsplan für solche Nutzungen und Anlagen, die Gegenstand von Festsetzungen nach § *9Abs. 2 sind, Festsetzungen trifft. Festsetzungen nach § 9 Abs. 2 haben daher unmittelbar die im Bebauungsplan vorgenommenen Festsetzungen für bauliche und sonstige Nutzungen und Anlagen zum Gegenstand (vgl. BVerwG, B.v. 8.12.2010 – 4 BN 24.10 – BauR 2011, 803; BayVGH, U.v. 29.3.2010 – 1 N 07.767 – juris Rn. 30; Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Februar 2020, § 9 Rn. 240g).
Gemessen an diesen Maßstäben ist es nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner mit der Festsetzung die durch den genehmigten Hubschraubersonderlandeplatz eingeschränkte Nutzung für die benachbarten Gewerbebetriebe zeitlich an den Betrieb des Hubschraubersonderlandeplatzes ausrichtet. Allerdings bleibt unklar, welche (uneingeschränkte) Nutzung nach Beendigung des Betriebs des Hubschraubersonderlandeplatzes zulässig sein soll, da es an einer entsprechenden Festsetzung fehlt. Die insoweit zulässige (Nachfolge-)Nutzung bleibt daher einem Bebauungsplanverfahren vorbehalten.
Die Unwirksamkeit dieser Festsetzung führt allerdings nur zur Teilunwirksamkeit des Bebauungsplans, da die übrigen Festsetzungen auch ohne den unwirksamen Teil sinnvoll bleiben und nach dem mutmaßlichen Willen der Gemeinde mit hinreichender Sicherheit anzunehmen ist‚ dass sie auch ohne diesen erlassen worden wären (vgl. BVerwG‚ U.v. 23.4.2009 – 4 CN 5.07 – DVBl 2009‚ 1178). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
2.6 Die vorstehend unter 2.1 bis 2.4 aufgeführten fehlerhaften führen zur jeweils Unwirksamkeit des Bebauungsplans im Ganzen. Die unwirksamen Festsetzungen stellen eine zentrale Frage der Gesamtplanung dar und stehen mit dem Bebauungsplan in einem untrennbaren Zusammenhang (vgl. BVerwG, B.v. 11.9.2014 – 4 CN 3.14 – BayVBl 2015, 203; U.v. 19.9.2002 – 4 CN 1.02 – BVerwGE 117, 58). Es ist nicht anzunehmen, dass die Antragsgegnerin nach ihrem im Aufstellungsverfahren zum Ausdruck gekommenen Willen, die gewerbliche Nutzung unter Berücksichtigung des genehmigten Hubschraubersonderlandeplatzes festzusetzen, im Zweifel auch eine Satzung dieses eingeschränkten Inhalts beschlossen hätte. Denn ohne die Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung und zu den Emissionskontingenten hätte sie das verfolgte städtebauliche Ziel nicht erreichen können.
Der Antragsgegner trägt gemäß § 154 Abs. 1 VwGO als unterlegene Partei die Kosten des Verfahrens. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V. mit §§ 708 ff. ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
Gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO hat der Antragsgegner die Entscheidung in Nummer I der Urteilsformel nach Eintritt der Rechtskraft dieses Urteils in derselben Weise zu veröffentlichen wie den angegriffenen Bebauungsplan (§ 10 Abs. 3 BauGB).


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