Baurecht

Unternehmensflurbereinigung, wertgleiche Abfindung, unternehmensbezogener Nachteil, Vorwirkung der Enteignung

Aktenzeichen  13 A 19.414

Datum:
15.7.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 41335
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
FlurbG §§ 44, 88 Nr. 5

 

Leitsatz

Die Vorwirkung der Enteignung betrifft nur die unmittelbar für das Unternehmen im Sinne des § 87 FlurbG benötigten Flächen (hier: die für die Straßentrasse erforderlichen Flächen). Nur diese Flächen sind bereits durch die Planung dem freien Markt entzogen bzw. von jeder konjunkturellen Weiterentwicklung ausgeschlossen.

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Für die baren Auslagen des Gerichts wird ein Pauschsatz von 30,00 Euro erhoben. Das Verfahren ist gebührenpflichtig.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Der klägerseitig mit Schreiben vom 2. Juli 2019 erklärte Beklagtenwechsel ist zulässig, da jedenfalls sowohl der Freistaat Bayern als alter Beklagter mit Schreiben vom 5. August 2019 als auch die Teilnehmergemeinschaft als neue Beklagte mit Schreiben vom 17. Januar 2020 eingewilligt haben. Im Rechtsstreit verblieben ist allein die neue Beklagte (vgl. Rennert in Eyermann, VwGO, 19. Aufl. 2019, § 91 Rn. 22 f., 27, 36).
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch darauf, dass der Flurbereinigungsplan entsprechend seinem Vortrag geändert wird (§ 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG i.V.m. § 113 Abs. 5 VwGO; § 144 Satz 1 FlurbG). Der Flurbereinigungsplan in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 28. Januar 2019 und der Änderung aufgrund des Grundstückstauschvertrags vom 17. August 2020 verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Insbesondere ist der Anspruch des Klägers auf wertgleiche Abfindung (§ 44 FlurbG) in einer den Abfindungsgrundsätzen (§§ 44 ff. FlurbG) entsprechenden Weise erfüllt bzw. waren keine unternehmensbedingten Nachteile (§ 88 Nrn. 3, 4 und 5 FlurbG) festzustellen, die über die bereits festgestellten hinausgingen.
Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 FlurbG ist jeder Teilnehmer für seine Grundstücke unter Berücksichtigung der nach § 47 FlurbG vorgenommenen Abzüge mit Land von gleichem Wert entsprechend der nach den §§ 27 ff. FlurbG ermittelten Werte abzufinden. Bei der Landabfindung sind die betriebswirtschaftlichen Verhältnisse aller Teilnehmer gegeneinander abzuwägen und alle Umstände zu berücksichtigen, die auf den Ertrag, die Benutzung und die Verwertung der Grundstücke wesentlichen Einfluss haben. In der Nutzungsart, Beschaffenheit, Bodengüte und Entfernung vom Wirtschaftshofe oder von der Ortslage soll die Landabfindung den alten Grundstücken entsprechen, soweit es mit einer großzügigen Zusammenlegung des Grundbesitzes nach neuzeitlichen betriebswirtschaftlichen Erkenntnissen vereinbar ist (§ 44 Abs. 4 FlurbG). Die Landabfindungen müssen in möglichst großen Grundstücken ausgewiesen und durch Wege zugänglich gemacht werden (§ 44 Abs. 3 FlurbG).
Diese für die Abfindung eines Teilnehmers maßgeblichen Planungsgrundsätze des § 44 FlurbG (insbesondere der Anspruch auf eine wertgleiche Landabfindung) finden nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. U.v. 23.5.2011 – 13 A 10.1273 – juris Rn. 15 m.w.N.) auch in der Unternehmensflurbereinigung Anwendung. Sie werden aber insoweit eingeschränkt, als für nicht mehr behebbare, unternehmensbedingte Wertminderungen (§ 88 Nrn. 3, 4 und 5 FlurbG) Geldentschädigungen und Leistungen zu erbringen sind (§ 88 Nr. 6 FlurbG). Im gerichtlichen Verfahren ist zu untersuchen, ob die Abfindung eines Teilnehmers den Flurbereinigungsgrundsätzen des § 44 FlurbG entspricht oder ob – nicht behebbare – unternehmensbedingte Nachteile im Sinn des § 88 Nrn. 4, 5 FlurbG dazu führen, dass der Anspruch auf eine wertgleiche Landabfindung im Sinn des § 44 Abs. 1 FlurbG nicht erfüllt werden kann. Sind solche Nachteile gegeben, erstreckt sich die Prüfung darauf, ob sie im Flurbereinigungsplan erfasst sind. Die Erkenntnis, dass Wertnachteile im Sinn des § 88 Nrn. 4 und 5 FlurbG verblieben sind, begründet die Wertungleichheit der Abfindung und erweist sich deshalb als enteignungsrechtlich relevant. Dies ist im Flurbereinigungsplan festzustellen. Dass die Flurbereinigungsbehörde im Flurbereinigungsplan die Entscheidung darüber trifft, ob im jeweiligen Fall die Wertgleichheit der Landabfindung nach § 44 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Halbs. 2 FlurbG oder ein Abfindungsdefizit im Sinn des § 88 Nrn. 4 und 5 FlurbG gegeben ist, kennzeichnet auch den Umfang ihrer Entscheidungsbefugnis. Diese Feststellung umfasst sämtliche enteignungsrelevanten Umstände der Unternehmensflurbereinigung. Durch den Ausschluss eines neben der Unternehmensflurbereinigung weiteren Enteignungsverfahrens hat der Flurbereinigungsplan alle von der Gewähr des Eigentums berührten Merkmale der Abfindung zu erfassen und hierbei sämtliche Enteignungspositionen aufzulisten (vgl. BVerfG, U.v. 24.3.1987 – 1 BvR 1046/85 – BVerfGE 74, 264/283 f., wonach wegen des Kriteriums der Fremdnützigkeit eine Unternehmensflurbereinigung auch dann als Enteignung anzusehen ist, wenn kein Flächenabzug stattfindet).
Bei Anwendung dieser Grundsätze ist festzustellen, dass der Kläger wertgleich im Sinn von § 44 Abs. 1 Satz 1 FlurbG abgefunden ist bzw. keine nicht behebbaren unternehmensbedingten Nachteile (§ 88 Nr. 5 FlurbG) verblieben sind, die über die bereits im Flurbereinigungsplan festgestellten hinausgingen. Aus dem klägerseitigen Vorbringen, das dieser in der mündlichen Verhandlung auf die Schriftsätze vom 26. April 2019 und vom 13. Juli 2021 konkretisiert hat (vgl. SP S. 5), ergibt sich kein Anspruch auf Änderung des Flurbereinigungsplans.
1. Dass der Kläger wertgleich abgefunden ist, ergibt sich im Ausgangspunkt aus einer Gegenüberstellung von Einlage und Abfindung (Stand: 26.04.2021, GA Bl. 328):
Erläuterungen
Fläche (m²)
WVZ
DWZ
Betrag (EUR)
Einlage Abzug § 47 Forderungsfortschreibung
167757
+0
– 1596
275018
+0
– 2255
16,4
2.243,80
Forderung Abfindung
166161
170054
272763
279607
16,4
16,4
2.243,80
0,00
Differenz Abfindung – Forderung davon Mehrausweisung Flächenminderung infolge Abfindung mit höherwertigem Boden Änderung der Durchschnittswertzahl um (ohne Mehr- und Minderausweisung)
+3893
+5218
– 1325
+6844
+6844
0
+0,1
2. Auf diese rechnerische Grundlage für die wertgleiche Abfindung aufbauend war zur Überzeugung des sachverständig besetzten Senats (§ 139 FlurbG; vgl.: BVerwG, B.v. 29.3.2012 – 9 B 88.11 – juris; B.v. 29.9.2003 – 9 B 28.03 – RdL 2004, 19; B.v. 18.12.1990 – 5 C 36.90 – NVwZ-RR 1991, 389) festzustellen, dass bei Abwägung aller Umstände auch alle weiteren gleichwertigkeitsbestimmenden Faktoren (§ 44 Abs. 2 – 4 FlurbG) hinreichend erfasst und berücksichtigt sind. Soweit der Anspruch auf eine wertgleiche Abfindung gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 FlurbG nicht erfüllt sein könnte, weil ein unternehmensbedingter Nachteil im Sinne von § 88 Nr. 5 FlurbG verblieben sein könnte, sind diese Nachteile im Flurbereinigungsplan (in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 28. Januar 2019) festgestellt. Im Einzelnen ist hierzu ausgehend vom klägerseitigen Vorbringen wie folgt auszuführen:
a) Entgegen der Auffassung des Klägers besteht kein Anspruch auf Feststellung, dass die durch den Kaltluftstau im Zeitraum zwischen Errichtung des Autobahndamms 2002 und der vorläufigen Besitzeinweisung 2010 verursachten Ertragsverluste unternehmensbedingte Nachteile seien, welche gemäß § 88 Nr. 5 FlurbG zu entschädigen seien.
Es kann schon nicht festgestellt werden, dass die Abfindung wegen des Kaltluftstaus, mit dem das nordwestlich des Autobahndamms gelegene Abfindungsflurstück 6659 unstreitig belastet ist, nicht wertgleich im Sinne des § 44 Abs. 1 Satz 1 FlurbG ist (so dass von vornherein kein Nachteil verblieben sein kann, der gemäß § 88 Nr. 5 FlurbG auszugleichen wäre): Dieses Abfindungsgrundstück entspricht dem klägerischen Einlageflurstück 1571. Das Grundstück war zum maßgeblichen Zeitpunkt der Wirksamkeit der vorläufigen Besitzeinweisung im Jahr 2010 (§ 44 Abs. 1 Satz 4 FlurbG) bereits mit dem Kaltluftstau belastet, da der Autobahndamm zu diesem Zeitpunkt errichtet gewesen war. Mithin hat der Kläger dieses Grundstück bereits mit dem Kaltluftstau belastet eingelegt, weshalb der Kaltluftstau nicht zur Wertungleichheit führen kann. Entsprechendes gilt für die ebenfalls nordwestlich des Autobahndamms gelegene Teilfläche des klägerischen Einlageflurstück 1521 (Abfindungsflurstück 6657), welche dem Kläger infolge des Grundstückstauschvertrags vom 17. August 2020 nachträglich zugewiesen worden war.
Diesem Ergebnis kann nicht entgegengehalten werden, der Stichtag des § 44 Abs. 1 Satz 4 FlurbG (Wirksamwerden der vorläufigen Besitzeinweisung) sei bei der Unternehmensflurbereinigung (§ 87 FlurbG) unter dem Gesichtspunkt der enteignungsrechtlichen Vorwirkung auf den Zeitpunkt des Planfeststellungsbeschlusses (24. August 2000) bzw. der Anordnung des Unternehmensflurbereinigungsverfahrens (5. März 2001) vorzuverlegen, so dass die Einlageflurstücke als vom Kaltluftstau unbelastet zu gelten hätten: Zwar trifft es zu, dass der maßgebliche Zeitpunkt für die Bestimmung der Qualität der für das Unternehmen benötigten Einlageflächen wegen der enteignungsrechtlichen Vorwirkung auf den Zeitpunkt vorverlegt ist, in dem die Grundstücke dem freien Markt entzogen bzw. von jeder konjunkturellen Weiterentwicklung ausgeschlossen wurden. Diese Vorwirkung betrifft indes – worauf die Beklagte zu Recht hinweist – nur die unmittelbar für das Unternehmen benötigten Flächen. Das sind vorliegend nur jene (Teilflächen der) Einlageflurstücke, die für die Trasse der Bundesautobahn A 71 vorgesehen waren. Nur die unmittelbar für das Unternehmen benötigten Straßenflächen sind durch die Planung dem freien Markt entzogen bzw. von jeder konjunkturellen Weiterentwicklung ausgeschlossen. Hingegen trifft dies auf die weiteren, neben der Trasse liegenden (Teilflächen der) Grundstücke offenkundig nicht zu, so dass insoweit auch keine enteignungsrechtliche Vorwirkung anzunehmen ist (vgl. zum Ganzen: Wingerter in Wingerter/Mayr, FlurbG, 10. Aufl. 2018, § 88 Rn. 29 m.w.N.; BVerwG, B.v. 6.3.2006 – 10 B 80.05 – RdL 2006, 139 – juris Rn. 6; NdsOVG, U.v. 8.7.2015 – 15 KF 6/13 – RzF – 121 – zu § 44 Abs. 1 FlurbG – juris Rn. 53 ff.). Folglich muss es auch für die Bewertung der vom Kaltluftstau betroffenen, neben der Autobahntrasse liegenden Grundstücke des Klägers bei dem in § 44 Abs. 1 Satz 4 FlurbG genannten Stichtag bleiben.
Unabhängig davon sei noch darauf hingewiesen, dass die Belastung mit dem Kaltluftstau nicht erst durch die Flurbereinigungsplanung der Beklagten, sondern bereits durch die Autobahnplanung des Unternehmensträgers herbeigeführt wurde. Konsequenterweise enthält deshalb bereits der Planfeststellungsbeschluss vom 24. August 2000 unter A.3.16 eine Regelung zur Entschädigung für vorhabenbedingt entstehende Kaltluftstaugebiete. Danach besteht ein Anspruch auf Übernahme des betroffenen Grundstücks durch den Vorhabenträger oder – nur hinsichtlich dieser Alternative beschränkt auf eine erhöhte Frostgefahr – auf Entschädigung für Ertragsverluste und -einbußen. Erfolgt wie hier eine Entschädigung bereits in der Unternehmensplanfeststellung selbst, kann auch insoweit kein unternehmensbedingter Nachteil im Sinne des § 88 Nr. 5 FlurbG verblieben sein (vgl. dazu Wingerter in Wingerter/Mayr, a.a.O., § 88 Rn. 31, wonach der Begriff „Nachteile“ alle ausgleichspflichtigen Beeinträchtigungen durch das Unternehmen umfasst, die nicht schon in der Unternehmensplanfeststellung selbst entschädigt werden). Soweit ein Betroffener die im Rahmen der Unternehmensplanfeststellung getroffene Entschädigungsregelung für unzureichend hält, muss er Rechtsbehelfe gegen die Planfeststellung ergreifen bzw. ggf. nachträgliche Anträge etwa mit dem Ziel der Planergänzung stellen.
Aus Vorstehendem folgt auch, dass entgegen dem Widerspruchsbescheid vom 28. Januar 2019 auch für die Zeit nach der vorläufigen Besitzeinweisung kein unternehmensbedingter Nachteil im Sinne von § 88 Nr. 5 FlurbG festzustellen gewesen wäre. Dies dürfte gemessen an der Klageerwiderung auch die Beklagte erkannt haben. Die entsprechende Feststellung in Nr. I. 1) a) des Widerspruchsbescheids ist mithin rechtswidrig, verletzt den Kläger als ihn begünstigende Regelung allerdings nicht in seinen Rechten.
b) Soweit der Kläger weiter rügt, das südöstlich des Autobahndamms gelegene Abfindungsflurstück 6627 sei unförmig, erosionsgefährdet und nicht bzw. schwierig zu bearbeiten, ist schon durchaus fraglich, ob sich hieraus bei Abwägung aller Umstände eine Wertungleichheit im Sinne des § 44 Abs. 1 Satz 1 FlurbG ableiten lässt: Denn auch bei den Einlageflächen des Klägers waren schlechte Abformungen enthalten. So wies zum Beispiel das klägerische Einlageflurstück 1065 eine ungünstige Dreiecksform auf, insoweit ist der Kläger jedenfalls nicht schlechter gestellt. Auch wurde der Hängigkeit des Abfindungsflurstücks 6627 bereits in der Wertermittlung durch Abschläge in Höhe von überwiegend 3 bis 4 WZ Rechnung getragen. Zu berücksichtigen ist ferner, dass dem Kläger, der seinen Betrieb nach ökologischen Grundsätzen bewirtschaftet, mit Abfindungsflurstück 6627 zu seinem Vorteil ein nach ökologischen Grundsätzen bewirtschaftetes Grundstück zugewiesen worden ist.
Doch selbst wenn man aufgrund des klägerseitigen Vorbringens davon ausgehen wollte, dass der Anspruch auf wertgleiche Landabfindung nicht erfüllt ist, weil infolge der Lage am Autobahndamm und der damit verbundenen ungünstigen Form und Hängigkeit des Grundstücks nicht behebbare unternehmensbedingte Nachteile im Sinn des § 88 Nr. 5 FlurbG verbleiben, erweist sich der Flurbereinigungsplan als rechtmäßig: Denn durch den Widerspruchsbescheid vom 28. Januar 2019 sind im Flurbereinigungsplan für Abfindungsflurstück 6627 unternehmensbedingte Nachteile festgestellt worden. Dies betrifft neben den Nachteilen durch den im Zeitpunkt der vorläufigen Besitzeinweisung ungünstigen Kulturzustand (Ziffer I. 1) c)) vor allem auch Nachteile „durch die im Vergleich zur Einlage insgesamt schlechtere Abformung der Abfindungsflächen, insbesondere die für eine Bewirtschaftung ungünstige Kombination von Form und Relief des Abfindungsflurstücks Nr. 6627“ (Ziffer I. 1) b)). Durch diese Feststellungen sind zur Überzeugung des sachverständig besetzen Senats die klägerseitig vorgebrachen Nachteile hinreichend erfasst. Objektive Anhaltspunkte dafür, dass über diese Feststellungen im Widerspruchsbescheid hinaus unternehmensbedingte Nachteile vorhanden wären, sind für den sachverständig besetzen Senat nicht erkennbar.
c) Auch soweit der Kläger beanstandet, er habe Flächen für den Getreideanbau eingelegt, die ihm zugewiesen Abfindungsflurstücke 6627 und 6659 seien jedoch für diese Nutzungsart ungeeignet, ist keine Wertungleichheit feststellbar. Zwar trifft es zu, dass die Landabfindung eines Teilnehmers unter anderem in der Nutzungsart seinen alten Grundstücken entsprechen soll, soweit es mit einer großzügigen Zusammenlegung des Grundbesitzes nach neuzeitlichen betriebswirtschaftlichen Erkenntnissen vereinbar ist (§ 44 Abs. 4 FlurbG). Allerdings sind die Abfindungsflurstücke 6627 und 6659 auch unter Berücksichtigung der klägerseitig vorgebrachten Nachteile (v.a. schlechte Abformung und Hängigkeit bzgl. Abfindungsflurstück 6627 sowie Kaltluftstau und Rostbefall bzgl. Abfindungsflurstück 6659) zur Überzeugung des sachverständig besetzen Senats für den Getreideanbau nutzbar. Insbesondere ist aus sachverständiger Sicht nicht nachvollziehbar, warum der Kaltluftstau bei Abfindungsflurstück 6659 die Auswinterungsgefahr für Winterweizen bzw. die Gefahr des Rostbefalls derart erhöhen sollte, dass dieses Grundstück nicht mehr sinnvoll für den Getreideanbau genutzt werden kann.
d) Das weitere Vorbringen des Klägers, er habe auch erwartet, dass eine echte Zusammenlegung stattfinde, zeigt ebenfalls keine Wertungleichheit auf. Die Landabfindungen müssen zwar in möglichst großen Grundstücken ausgewiesen werden (§ 44 Abs. 3 Satz 1 FlurbG). Allerdings ist eine möglichst starke Zusammenlegung nicht das ausschließlich oder in erster Linie anzustrebende Ziel der Flurbereinigung. Maßgeblich ist vielmehr, dass eine zweckmäßige Neueinteilung erreicht wird, die unter Berücksichtigung der strukturellen Verhältnisse und betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten zu einer Verbesserung der Landwirtschaft führt (BVerwG, U.v. 13.1.1959 – I C 155.58 – BVerwGE 8, 95 – juris Rn. 11; Mayr in Wingerter/Mayr, a.a.O., § 44 Rn. 54).
Daran gemessen sind vorliegend hinsichtlich der Zusammenlegung keine Rechtsfehler zu Lasten des Klägers erkennbar: Die Zahl der Grundstücke des Klägers wurde laut Abfindungsnachweis (Stand: 26.4.2021; GA Bl. 326 f.) von 12 auf 7 reduziert. Abfindungsflurstücke 6918 und 6985 sind im Vergleich zu den entsprechenden Einlagegrundstücken erheblich vergrößert worden (vgl. die Widerspruchskarte). Zu berücksichtigen ist auch, dass dem Kläger als einem ökologisch wirtschaftenden Landwirt unter dem Gesichtspunkt einer zweckmäßigen Neueinteilung zuvorderst nach ökologischen Grundsätzen bewirtschaftete Grundstücke zuzuweisen sind, was einer weitergehenden Zusammenlegung entgegensteht. Hinsichtlich des Waldgrundstücks Abfindungsflurstück 7040 scheidet eine weitergehende Zusammenlegung im Hinblick auf das Entsprechungsgebot des § 44 Abs. 4 FlurbG ohnehin aus.
e) Auch soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung einen längeren Anfahrtsweg erwähnt, zeigt er bei Abwägung aller Umstände keine durchgreifende Wertungleichheit auf. Zwar trifft es zu, dass die Landabfindung eines Teilnehmers auch hinsichtlich der Entfernung vom Wirtschaftshof oder von der Ortslage seinen alten Grundstücken entsprechen soll, soweit es mit einer großzügigen Zusammenlegung des Grundbesitzes nach neuzeitlichen betriebswirtschaftlichen Erkenntnissen vereinbar ist (§ 44 Abs. 4 FlurbG). Diese Entfernung ist allerdings keine metrische, sondern eine betriebswirtschaftliche Frage des Einzelfalls (BVerwG, U.v. 15.10.1974 – V C 30.72 – BVerwGE 47, 87 – juris Rn. 21 m.w.N.; B.v. 26.1.1970 – IV B 238.68 – RzF – 36 – zu § 44 Abs. 1 FlurbG; U.v. 27.6.1961 – I C 127.59 – RdL 1961, 239 – RzF – 8 – zu § 44 Abs. 2 FlurbG). Daran gemessen ist dem Kläger zwar zuzugeben, dass sich laut Abfindungsnachweis (Stand: 1.6.2015) die Durchschnittsentfernung von 1.630 m auf 1.790 m erhöht hat. Diese Entfernungsmehrung ist mit 160 m bzw. nur ca. 10% allerdings relativ gering, so dass im Fall des Klägers unter Berücksichtigung der Vorteile der Flurbereinigung (u.a. weniger Grundstücke, gute Wege, vgl. hierzu die Ausführungen im Widerspruchsbescheid, § 117 Abs. 5 VwGO) zur Überzeugung des sachverständig besetzen Senats davon auszugehen ist, dass sich diese betriebswirtschaftlich im Ergebnis nicht nachteilig auszuwirken vermag.
f) Soweit der Kläger vorträgt, die Zuteilung der Abfindungsflurstücke 6627 und 6659 solle aufgehoben werden, ihm sollten dafür andere Grundstücke zugewiesen werden, die den Getreideanbau ermöglichten, hilfsweise beantrage er eine Entschädigung in Land, ist darauf hinzuweisen, dass im Rahmen des Anspruchs auf wertgleiche Abfindung nach § 44 FlurbG kein Teilnehmer das Recht hat, Grundstücke mit bestimmten Eigenschaften zu fordern oder Grundstücke mit Mängeln zurückzuweisen. Soweit der Kläger fordern sollte, ihm die für die Ausgleichs- und Ersatzfläche vorgesehen Grundstücke zuzuweisen, ist darauf hinzuweisen, dass im Rahmen des Anspruchs auf wertgleiche Abfindung nach § 44 FlurbG niemand verlangen kann, mit bestimmten Grundstücken oder mit Grundstücken in bestimmter Lage abgefunden zu werden (vgl. zum Ganzen: Mayr in Wingerter/Mayr, a.a.O., § 44 Rn. 40 f. m.w.N.).
Mit seinen weiteren Rügen – u.a. er fühle sich abgestraft, weil er dem Vorsitzenden der Beklagten häufig widersprochen habe; es hätte mit ihm über eine Zusammenlegung von Grundstücken und einen entsprechenden Nachteilsausgleich gesprochen werden müssen; sein Vorschlag, sich in die Ausgleichs- und Ersatzfläche verlegen zu lassen, sei abgelehnt und nicht einmal dokumentiert worden; mit den anderen Beteiligten sei gesprochen worden, nur nicht mit ihm; die mündliche Verhandlung beim Spruchausschuss sei eine Farce gewesen; andere Teilnehmer hätten eine bessere Abfindung erhalten; etc. – zeigt der Kläger keinen Rechtsverstoß auf, aufgrund dessen er einen Anspruch auf Änderung des Flurbereinigungsplans hätte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 147 Abs. 1 FlurbG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
Die Revision zum Bundesverwaltungsgericht war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.


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