Baurecht

Urheberrecht, Vergabeverfahren, Vergabestelle, Urheberrechtsverletzung, Bieter, Ausschreibung, Drittschutz, Verletzung, Vergabekammer, Teilnahmewettbewerb, Gesellschafter, Verhandlungsverfahren, Zustimmung, Vergabeunterlagen, Entscheidung der Vergabekammer

Aktenzeichen  RMF-SG21-3194-5-4

Datum:
29.5.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 45437
Gerichtsart:
Vergabekammer
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Vergabestelle.
3. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die Vergabestelle war notwendig.
4. Die Gebühr für dieses Verfahren beträgt …,- €.
Auslagen sind nicht angefallen.

Gründe

1.
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.
a)
Die Vergabekammer Nordbayern ist für das Nachprüfverfahren nach § 1 Abs. 2 und § 2 Abs. 2 Satz 2 BayNpV sachlich und örtlich zuständig.
b)
Bei der ausgeschriebenen Planungsleistung handelt es sich um einen öffentlichen Auftrag im Sinne von § 103 Abs. 1 und Abs. 4 GWB.
c)
Die Vergabestelle ist öffentlicher Auftraggeber nach § 99 GWB.
d)
Der Schwellenwert ist überschritten (§ 106 GWB).
e)
Die Antragstellerin ist antragsbefugt. Sie hat vorgetragen, dass sie ein Interesse an der Durchführung der Planungsleistungen hat. Sie macht geltend, dass ihr durch die beabsichtigte Vergabe im Wettbewerb ein Schaden zu entstehen droht. Im Rahmen der Zulässigkeit sind an die Antragsbefugnis keine allzu hohen Anforderungen geknüpft.
f)
Die ASt ist ihrer Rügeobliegenheit rechtzeitig nachgekommen. Sie hat mit Schreiben vom 7.2.2020 – und damit vor Ablauf der Bewerberfrist am … – gerügt, dass aus ihrer Sicht die Wahl des wettbewerblichen Verfahrens vergaberechtswidrig sei.
Mit Schreiben vom 12.2.2020 rügte sie die Verwendung der von ihr angefertigten Skizzen und Pläne im Vergabeverfahren. Mit Schreiben vom 27.2.2020 rügte sie die Losaufteilung im Vergabeverfahren.
g)
Der Auftrag wurde noch nicht vergeben.
2.
Der Nachprüfungsantrag ist unbegründet.
Die Durchführung eines Verhandlungsverfahrens mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb mit 2 Losen ist nicht zu beanstanden. Eine Verletzung der Rechte der Antragstellerin ist nicht feststellbar.
Die Vergabekammer kann eine Verletzung urheberrechtlicher Vorschriften im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens vorliegend nicht abschließend feststellen.
a)
Die Vergabestelle ist nicht verpflichtet, die Aufträge im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb zu vergeben. Eine solche Verpflichtung kann aus § 14 Abs. 4 Nummer 2 c VgV vorliegend nicht abgeleitet werden.
aa)
Das Verhandlungsverfahren ohne Bekanntmachung muss stets die absolute Ausnahme bleiben. Die Ausnahmetatbestände sind entsprechend restriktiv auszulegen. Das Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb soll nur unter sehr außergewöhnlichen Umständen zur Anwendung kommen. Der Ausnahmecharakter der Regelung wird in Art. 32 Abs. 1 der Richtlinie 2014/24 betont. Danach dürfen Auftraggeber auf das Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb ausschließlich in den „konkreten Fällen“ und unter den „konkreten Umständen“ der Absätze 2 bis 5 zurückgreifen. Diese Deutlichkeit wurde in § 14 Abs. 4 Satz 1 VgV nicht umgesetzt, ist dort aber richtlinienkonform hineinzulesen (Willweber in: Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 5. Aufl., § 14 VgV, Rn 68, Stand: 22.04.2020).
Die Auffassung der Antragstellerin, es handele sich hier um eine verpflichtende Anwendung von § 14 Abs. 4 Nummer 2 c VgV überzeugt nicht.
In der mündlichen Verhandlung trägt die Antragstellerin vor, dass es vorliegend nicht auf eine Verletzung des Urheberrechts ankommt. Es komme lediglich darauf an, ob ein Urheberrecht bzw. ein ausschließliches Recht besteht. Die Prüfung eines Eingriffs in das Urheberrecht und die Abwägung des Urheberrechts mit den Interessen des Eigentümers sei nicht relevant. Die Vergabestelle dürfe in jedem Falle nur mit der Antragstellerin verhandeln.
§ 14 Abs. 4 VgV ermöglicht der Vergabestelle unter besonderen Voraussetzungen auf einen Teilnahmewettbewerb zu verzichten. Schutzzweck der Norm ist vordringlich, den Wettbewerb nur soweit einzuschränken, wie unbedingt notwendig.
Wäre die Vergabestelle bereits bei Vorliegen eines Urheberrechts bzw. eines ausschließlichen Rechts verpflichtet, nur mit dem Inhaber einen Vertrag abzuschließen, unabhängig von einer tatsächlichen Verletzung dieser Rechte, würde der Wettbewerb ohne Grund eingeschränkt. Der Schutz der Urheberrechte wäre dann im Vergaberecht unverhältnismäßig größer als im Urheberrecht selbst.
bb)
Das Vorliegen eines ausschließlichen Rechtes bzw. dessen Verletzung ist vorliegend nicht geklärt.
Eine umfassende Prüfungskompetenz der Nachprüfungsinstanzen ist nicht gegeben. Die Feststellung eines Urheberrechts, bzw. einer Verletzung eines Urheberrechts gemäß § 14 UrhG durch die Vergabestelle, erfordert in der Regel eine umfassende Prüfung, die im besonderen Maße gegen das Beschleunigungsverbot verstößt.
Der Bundesgerichtshof hat in einem Beschluss vom 18.1.2000 (KVR 23/98 Seite 21 BA) festgestellt, dass das unter einem besonderen Beschleunigungsbedürfnis stehende Vergabeverfahren zur Klärung komplexer kartellrechtliche Fragen nicht geeignet sei.
Das OLG München hat hinsichtlich der Prüfung eventueller kartellrechtliche Verstöße der Vergabestelle (Beschluss vom 20.1.2020, Verg 19/19) ebenfalls festgestellt, dass eine umfassende Prüfung im Nachprüfungsverfahren gegen das Beschleunigungsverbot verstößt.
Das OLG Düsseldorf hat in seinem Beschluss vom 27.6.2012 (Verg 7/12) festgestellt, dass kartellrechtliche Verstöße des Auftraggebers, die ohne zeitaufwendige Untersuchung einwandfrei festzustellen sind, wohl in einem Vergabenachprüfungsverfahren zu berücksichtigen sind.
Die Vergabekammer geht davon aus, dass es sich bei der Klärung der Urheberrechte vorliegend ebenfalls um komplexe Fragestellungen handelt, deren umfassende Prüfung im Nachprüfungsverfahren gegen das Beschleunigungsverbot verstößt. Das Nachprüfungsverfahren ist zur Klärung der urheberrechtlichen Fragen jedenfalls insoweit nicht geeignet, als dass hier ohne zeitaufwendige Untersuchung nicht einwandfrei festzustellen ist, ob ein Urheberrecht bzw. ein diesbezügliches ausschließliches Recht der Antragstellerin vorliegt bzw. verletzt ist. Bei der Prüfung einer Urheberrechtsverletzung ist insbesondere eine Interessenabwägung vorzunehmen zwischen den Interessen des Urhebers und des Eigentümers des Werkes (BGH, Urteil vom 21.2.2019 – I ZR 99/17). Dies erfordert eine tiefgreifende Prüfung der beiderseitigen Interessen. Auch bei einem Abriss bzw. Teilabriss ist eine gleichermaßen umfangreiche Prüfung und Abwägung erforderlich (vgl. Bullinger in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 5. Auflage 2019, § 14, Rn. 22 ff). Eine Urheberrechtsverletzung steht zur Überzeugung der Vergabekammer daher zum jetzigen Zeitpunkt im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens nicht fest.
Diese Feststellung einer Urheberrechtsverletzung wäre darüber hinaus zum jetzigen Zeitpunkt zudem nicht möglich, da die künftigen Planungen im Einzelnen gerade noch nicht bekannt sind, und daher eine Entstellung eines eventuell geschützten Werkes i.S.d. Urheberrechts nur gemutmaßt, nicht aber konkret geprüft werden kann. Ein Urheberrechtsinhaber kann zwar ggf. eine herabsetzende Umsetzung seiner Planung verbieten (vgl. Bullinger in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 5. Auflage 2019, § 14, Rn. 27). Die Planung von Änderungen am bestehenden Bauwerk allein zieht aus Sicht der Vergabekammer jedoch noch keine Urheberrechtsverletzung nach sich.
Die Verletzung urheberechtlicher Vorschriften ist im Ergebnis vor den ordentlichen Gerichten zu rügen und ggf. festzustellen.
Von einer Präklusion zivilrechtlicher Ansprüche ist nicht auszugehen. Die Vergabekammer geht mit dem Rechtsgedanken des BGH (Beschluss vom 18.6.2019 – X ZR 86/17) davon aus, dass zivilrechtliche Ansprüche nicht deshalb ausgeschlossen werden, weil kein Primärrechtsschutz nach dem vierten Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen in Anspruch genommen wurde. Andernfalls würden sämtliche umfangreiche und zeitaufwendige zivilrechtliche Verfahren in das Vergabenachprüfungsverfahren verschoben, ohne dem Beschleunigungsgebot Rechnung zu tragen. Hierfür besteht vorliegend jedenfalls kein Bedürfnis.
Der Beschluss des OLG Celle (Beschluss vom 18.1.2018 – 11 U 121/17) ist aus Sicht der Vergabekammer nicht zu vergleichen. Dort stand zu befürchten, dass die Antragstellerin ein wirtschaftlich nicht auskömmliches Angebot abgegeben hat, um in einem nachträglichen Zivilverfahren Ansprüche auf zusätzliche Vergütung geltend zu machen.
Die rechtliche Leistungsfähigkeit der anderen Bieter steht ebenfalls nicht entgegen. Zum jetzigen Zeitpunkt ist nicht bekannt welche Planungen konkret erstellt werden. Urheberrechtliche Fragen haben hier keine Auswirkung auf die Rechte der Bieter, sondern nur auf die Rechte des Auftraggebers. Erfolgt eine zivilrechtliche Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen, so ist die VSt ggf. gezwungen, das Projekt zu einem späteren Zeitpunkt einzustellen oder zu ändern. Die Leistungsfähigkeit der Bieter zur Planung ist hier zu keinem Zeitpunkt betroffen.
cc)
Inwieweit die Gesellschafter vorliegend höchstpersönliche Urheberrechte haben ist mithin nicht mehr entscheidungserheblich.
b)
Die Teillosvergabe ist nicht zu beanstanden. Die Vergabestelle hat vorliegend in nicht zu beanstandender Weise ein Vergabeverfahren mit Teilnahmewettbewerb durchgeführt.
Hierbei hat sie die Grundsätze des § 97 Abs. 4 GWB ausreichend beachtet. Sie hat die beiden Lose Ersatzneubau und Generalsanierung gebildet. Eine Gesamtvergabe sieht sie als nicht erforderlich an, da weder wirtschaftliche noch technische Gründe dies erfordern bzw. zuließen. Solche Gründe hat auch die Antragstellerin zudem nicht vorgetragen.
Da eine Urheberrechtsverletzung im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens nicht festgestellt ist (vgl. 2.a), ist diese insbesondere kein Grund, entgegen § 97 Abs. 4 GWB auf eine lose-weise Vergabe zu verzichten.
c)
Die Verwendung der Skizzen und Pläne der Antragstellerin ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Eine Urheberrechtsverletzung kann hier gleichermaßen nicht festgestellt werden. Eine umfassende Prüfung der Urheberrechte und Verletzungen von Urheberrechten obliegt dem Zivilrechtsweg (vgl. 2.a). Eine evtl. Verletzung von Urheberrechten kann hier nicht ohne weiteres von der Vergabekammer erkannt werden und ist im Rahmen des Beschleunigungsgrundsatzes nicht umfassend zu prüfen im vorliegenden Nachprüfungsverfahren.
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 182 GWB.
a)
Die ASt hat nach § 182 Abs. 3 Satz 1 GWB die Kosten des Verfahrens zu tragen, weil sie unterlegen ist.
b)
Die Kostenerstattungspflicht gegenüber der VSt ergibt sich aus § 182 Abs. 4 Satz 1 und Satz 2 GWB.
c)
Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes war für die VSt notwendig (§ 182 Abs. 4 S. 4 GWB i.V.m. Art. 80 Abs. 2 S. 3 BayVwVfG entspr.). Es handelt sich um einen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nicht einfach gelagerten Fall, so dass es der VSt nicht zuzumuten war, das Verfahren vor der Vergabekammer selbst zu führen.
d)
Die Gebühr war nach § 182 Abs. 2 GWB festzusetzen.
Im Hinblick auf die Bruttoangebotssumme der ASt und unter Zugrundelegung eines durchschnittlichen personellen und sachlichen Aufwands der Vergabekammer errechnet sich entsprechend der Tabelle des Bundeskartellamtes eine Gebühr in Höhe von …,- €.
Da die Entscheidung ohne Beiladung erging, ermäßigt sich die Gebühr auf …,- €.
Der geleistete Kostenvorschuss von 2.500,- € wird mit der Gebühr verrechnet.
Die ASt erhält eine Kostenrechnung über …,- €.


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