Baurecht

Verkauf eines Grundstücks durch die Stadt, Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs, keine öffentlich-rechtliche Überlagerung

Aktenzeichen  AN 4 E 21.01228

Datum:
7.9.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 45996
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GVG § 17a
VwGO § 40

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Verwaltungsrechtsweg ist unzulässig.
2. Der Rechtsstreit wird an das Landgericht … verwiesen.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich mit seinem Antrag gegen den Verkauf eines Grundstücks durch die Antragsgegnerin an einen Dritten.
A.
Der Antragsteller nahm über einen Projektentwickler am 04.05.2018 Kontakt zur Antragsgegnerin auf und äußerte Interesse an einer Zusammenarbeit zwecks Errichtung eines Lebensmittelmarktes bzw. eines Nahversorgungszentrums.
Die Antragstellerin übersandte zu einem nicht benannten späteren Zeitpunkt folgende, fünfseitige Information an bekannte Interessenten, unter anderem den Antragsteller:
„Investorenwettbewerb Neubau eines Einzelhandelsmarktes mit Dienstleistung und/oder Wohnen im Baugebiet …, Gemarkung … … Angebotsabgabe: Die Gebote sind bis spätestens 24.05.2019 bei der Stadt … abzugeben. Baugebiet … …: Der Bebauungsplan … befindet sich im Aufstellungsverfahren. Die frühzeitige Beteiligung ist abgeschlossen. […] Kaufpreis: Der Kaufpreis beträgt 160,00 Euro pro Quadratmeter und damit bei einer vorläufigen Grundstücksfläche von … m² … Euro. […] Zulässige Nutzung: Verkauf des Grundstücks zum Zwecke der Bebauung mit
– großflächigem Einzelhandel mit bis zu 1200 m² Nutzfläche als Nahversorgungszentrum mit einem Lebensmittelvollsortiment und
– mit Kundentoilette
– Dienstleistung/ gewerbliche Nutzung
– Wohnen […]
Bauverpflichtung: Der Käufer verpflichtet sich, mit der Bebauung des Grundstücks binnen zwei Jahren ab Grunderwerb entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans … … zu bebauen. Das Bauvorhaben ist binnen vier Jahren ab Grunderwerb fertigzustellen. […] Vergabe: Das Angebot muss zwingend zu folgenden Angaben eine Aussage enthalten:
– maßstäbliche Skizzen mit Baubeschreibung (DIN A3 genordet, nicht gebunden)
o Grundrisse (nicht detailliert, Darstellung der Nutzungseinheiten)
o Ansichten o Außenflächenplanung mit Freizeitgestaltung o Stellplatznachweis/Parkraumkonzept
– Lageplan
– Nutzungskonzept (u.a. Betreiber Einzelhandelsmarkt)
– grober Zeitmaßnahmenplan Es ist außerdem Auskunft zu erteilen über:
– die persönliche Lage des Wirtschaftsteilnehmers (Angaben zu den Gesellschaftern, der Geschäftsführung und etwaig verbundenen Unternehmen) sowie Auflagen hinsichtlich der Eintragung in ein Berufs- oder Handelsregister,
– die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit des Bewerbers (wie Umsätze und Bonität) und
– die technische Leistungsfähigkeit des Bewerbers (Referenzen).
Die Angebote werden auf Vollständigkeit geprüft. Durch Abgabe des Angebots werden alle Bedingungen akzeptiert. Die Entwurfsplanung ist dem Stadtrat vorzustellen. Dieses Gremium wird final über den Verkauf beschließen. Bei der Vergabe finden unter anderem der Betreiber des Einzelhandelsmarktes, die gestalterische und städtebauliche Qualität sowie das Parkraumkonzept Berücksichtigung.
Angebotsabgabe: Erste, unverbindliche Planüberlegungen erbitten wir nach Möglichkeit bis zum 13.03.2019. Diese sollen dem Stadtrat zur Beschleunigung des Bauleitverfahrens in der März-Sitzung vorgelegt werden. Verbindliche Gebote sind bis spätestens 24.05.2019 bei der Stadt … mit dem Stichwort „Investorenwettbewerb …“ abzugeben. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eventuell mit der Angebotserstellung und – abgabe entstehende Planungs-, Entwurfskosten und Ähnliches nicht übernommen werden. […]“
Der Antragsteller übersandte seine Unterlagen am 23.05.2019.
Die Antragsgegnerin teilte dem Antragsteller mit Schreiben vom 21.10.2019 mit (Bl. 77 d. Behördenakte), eine Sondersitzung der nichtöffentlichen Stadtratssitzung habe am 16.10.2019 stattgefunden, hier habe das Gremium seinen Antrag hinsichtlich folgender Kriterien bewertet:
– Städtebau: Einfügen in die Umgebung/Architektur: Gliederung der Bebauung/Schaffung von Begegnungsplätzen und Identifikationsorten;
– Einhaltung der Bebauungsplanfestsetzungen/Erfüllung der Wettbewerbsanforderungen; Vorlage eines nachhaltigen und quartierverträglichen Nutzungskonzepts;
– Einhaltung der „… Liste“;
– Art und Umsetzung der Schallschutzmaßnahmen;
– ökologisches Bauen/Entwicklung eines durchgrünten Stadtquartiers;
– Nachweis von ausreichenden Stellplätzen an geeigneter Stelle/Parkkonzept;
– interne Verkehrsstruktur/Anbindung des Einzelhandelsmarktes (Zulieferung)/ fußläufige Anbindung an die Altstadt.
Der Stadtrat habe beschlossen, seine Konzeption und drei weitere für die nächste Entscheidungsrunde zuzulassen, hierüber werde in der nichtöffentlichen Sondersitzung am 11.12.2019 final beschlossen. In dieser Sitzung würden zwei Mitglieder des Gestaltungsbeirats der Antragsgegnerin die aktualisierte Ausarbeitung vorstellen. Anschließend würde verbindlich entschieden und die Entscheidung in der öffentlichen Stadtratssitzung bekannt gegeben. Es wurde um Vorlage weiterer Details gebeten.
Aus der Niederschrift der 76. Sitzung des Stadtrates vom 11.12.2019 (Bl. 89 d. Behördenakte) ergibt sich, dass vier Projekte final vorgestellt wurden. Zu den angefragten Punkten sei Stellung genommen worden. Die Mitglieder des Gestaltungsbeirats hätten festgestellt, dass das Projekt des Antragstellers am geeignetsten sei, und mit 17 Jazu 3 Nein-Stimmen sei beschlossen worden, dass als beste Konzeption diejenige des Antragstellers vorgelegt worden sei. Die Verwaltung werde beauftragt, die Grundstücksverbindung mit dem Wettbewerbssieger in die Wege zu leiten. Bei der weiteren Ausarbeitung des Vorhabens habe der Projektor die Gewerbefläche zu reduzieren. Über den Verkauf der Fläche TG1 mit der Größe von 9196 m² werde der Stadtrat gesondert beschließen. Bis zu diesem Vergabebeschluss habe der Projektor insbesondere ein Nutzungskonzept und einen Vertrag mit dem Lebensmittelmarktbetreiber vorzulegen und einen Finanzierungsnachweis zu erbringen.
Mit Schreiben vom 12.12.2019 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller das Ergebnis mit, man freue sich auf die weitere Zusammenarbeit. Hinsichtlich zweier Punkte werde um Überarbeitung gebeten, der Reduzierung der gewerblichen Flächen auf maximal 700 m² und der Vermeidung einer Doppelerschließung. Am 08.04.2020 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, man freue sich darüber, dass die Optimierungsvorschläge eingearbeitet worden seien. Es könne daher versichert werden, dass dem Antragsteller der Erwerb der Mischgebietsfläche in Aussicht gestellt werde. Sobald der Antragsgegnerin genehmigungsfähige Antragsunterlagen vorlägen, würde der Grunderwerb zu den bekannten Konditionen in die Wege geleitet werden. In der nachfolgenden Zeit folgten diverse Schriftwechsel zwischen Antragstellerseite und der Antragsgegnerin bezüglich gewisser Vertragskonditionen (Vertragsstrafe, Rückübertragungsanspruch) und hinsichtlich einer Zusammenarbeit mit einem Lebensmittelvollversorger.
Ob seitens der Antragsgegnerin oder des Antragstellers eine Festlegung auf den LebensmittelVollversorger … erfolgt ist, ist streitig. Ausweislich der Korrespondenz verschiedener am Projekt Beteiligter war die Akzeptanz der Begrenzung auf 1.200 m² Gewerbefläche ein entscheidender Faktor.
Mit Schreiben vom 05.03.2021 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, ein Gespräch werde für dringend erforderlich erachtet. Der Stadtrat hätte im Dezember 2019 beschlossen, mit dem Antragsteller in Grundstücksverhandlungen zu treten. Dem Antragsteller müsse auch bekannt sein, dass man auf einen Finanzierungsnachweis Wert gelegt habe. Deshalb werde dringend nochmals um verbindliche Zusage eines Lebensmittelvollsortimenters, einen Vorschlag zur dinglichen Sicherung der Vertragsstrafe in Höhe des Kaufpreises des Grundstücks mit Nachweis zur Werthaltigkeit des Sicherungsgrundstücks und um Vorlage eines Finanzierungsnachweises zum Gesamtprojekt gebeten. Mit weiterem Schreiben vom 26.03.2021 forderte die Antragsgegnerin den Antragsteller nach einem persönlichen Gespräch zur Vorlage verschiedener Unterlagen auf (Bl. 206 d. Behördenakte). Hier wurde auf ein nachhaltiges und quartierverträgliches Nutzungskonzept verwiesen, das auch eine Nettoverkaufsfläche für einen Lebensmittelmarkt mit nun 1.400 m² enthielt.
Die Antragsgegnerin teilte dem Antragsteller mit Schreiben vom 20.05.2021 mit, man habe bei der Durchsicht der am 17.05.2021 vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen feststellen müssen, dass in den Ausführungen zwar Interessensbekundungen für den Standort … vorgelegen hätten, diese hätten sich allerdings nicht auf das geplante Projekt bezogen. Ein Finanzierungsnachweis bzw. eine Förderanlage sei weiterhin nicht enthalten gewesen. Die vorgelegten Bescheinigungen der …gesellschaft mbH und … seien nicht aussagekräftig genug. Da der Antragsteller die Anforderungskriterien nicht erfüllt habe, werde von seiner Teilnahme an der nichtöffentlichen Sitzung am 09.06.2021 abgesehen.
Ausweislich der Sitzungsniederschrift der 15. Sitzung des Stadtrates vom 09.06.2021 (Bl. 217 d. Behördenakte) wurde in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen, das ca. 9.196 m² große Grundstück im Baugebiet an ein anderes Unternehmen bzw. eine diesem zugehörende Firma zu den angegebenen Konditionen zu verkaufen.
Mit Schreiben vom 10.06.2021 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, man habe sich in der gestrigen Sitzung für einen der Mitbewerber entschieden.
B.
Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 6. Juli 2021 ließ der Antragsteller beim Verwaltungsgericht Ansbach einen Antrag nach § 123 VwGO stellen. Zur Begründung wurde ausgeführt, sowohl Anordnungsgrund als auch Anordnungsanspruch lägen vor.
Der Verwaltungsrechtsweg sei eröffnet, weil es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art handle, nachdem die Antragsgegnerin für die Vergabe von Baugrundstücken und alle Grundstücksverkäufe im Gemeindegebiet den Weg einer verwaltungsrechtlichen Vergabe durch Investorenwettbewerb gewählt habe. Die von ihr aufgestellten Vergaberichtlinien und die bindende Verwaltungspraxis verpflichteten die Antragsgegnerin zu Gleichbehandlung der Teilnehmer, Transparenz und Rücksichtnahme, somit sei der späteren privatrechtlichen Abwicklung des Grundstücksgeschäfts eine nach öffentlichem Recht zu beurteilende Entscheidungsstufe vorgeschaltet. Damit sei für die Vergabe des Grundstücks zumindest der Form nach ein Verwaltungsverfahren i.S.d. Art. 1 Abs. 1, 9 BayVwVfG gewählt worden, das als Vergabeverfahren nur einem Träger öffentlicher Gewalt zustehe (unter Verweis auf VG Sigmaringen, U.v. 13.03.2020 – Az. 3 K 3574/19).
Effektiver Rechtsschutz lasse sich darüber hinaus nur durch eine Vorwegnahme der Hauptsache schaffen, zudem spreche ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit auch für den Erfolg in der Hauptsache. Der Anordnungsgrund ergebe sich dabei aus der wohl ausgeschlossenen Rückabwicklung des Grundstückskaufvertrags, womit der Antragsteller auf Dauer von einem möglichen Grundstückserwerb ausgeschlossen wäre.
Ein Anordnungsanspruch ergebe sich daraus, dass sich die Antragsgegnerin auf ein Vergabeverfahren festgelegt habe und die Vergabeentscheidung durch die Antragsgegnerin auch zugunsten des Antragstellers durch Zuschlag getroffen worden sei. Zu keinem Zeitpunkt sei dem Antragsteller mitgeteilt worden, dass das Vergabeverfahren erneut wiedereröffnet worden sei, überdies wäre dies mangels sachlichen Grundes rechtswidrig gewesen. Schließlich sei auch keine Veröffentlichung einer eventuellen neuen Vergabe erfolgt. Die Antragsgegnerin sei damit rechtlich gebunden, ein Ermessen sei damit jedenfalls auf null reduziert worden. Damit sei der Stadtratsbeschluss vom 9. Juni 2021 als rechtswidrig anzusehen.
Weiter wurde ausgeführt, mit den Kriterien des Investorenwettbewerbs seien bestimmte Richtlinien für die Entscheidung vorgesehen worden, die Entscheidung sei als öffentlich-rechtlich zu qualifizieren. Ein hoheitlicher Zweck ergebe sich auch durch den Bauzwang, derartiges könnte ein privater Verkäufer nicht erreichen. Damit sei dem privatrechtlichen Verkauf eine weitere Stufe vorgeschaltet gewesen, was sich auch aus dem Bezug zur Daseinsvorsorge ergebe.
Die Antragsgegnerin teilte am 09.07.2021 mit, dass das streitgegenständliche Grundstück mit notarieller Urkunde vom 08.07.2021 bereits verkauft worden sei.
Der Antragsteller beantragt zuletzt,
Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung einstweilen untersagt, das Grundstück, Fl.-Nr. …, Gemarkung …, an einen anderen als den Antragsteller zu vergeben, einen notariellen Kaufvertrag abzuschließen, den notariellen Kaufvertrag, Urkunde UR Nr. … des Notars … mit Sitz in …, zu vollziehen oder anderweitig über das streitgegenständliche Grundstück Fl.-Nr. …, Gemarkung …, zu verfügen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag kostenpflichtig zurückzuweisen.
Zur Begründung wurde ausgeführt, der Verwaltungsrechtsweg sei nicht eröffnet, man habe nicht den Weg einer verwaltungsrechtlichen Vergabe gewählt. Man habe das Schreiben „Investorenwettbewerb“ nur bestimmten und bereits bekannten Kaufinteressenten zukommen lassen. Der Antragsgegnerin sei eine zuverlässige Realisierung des Projekts wichtig gewesen. Dass man sich gegen den Antragsteller entschieden habe, sei durch die fehlenden (mehrfach geforderten) Nachweise begründet gewesen, deshalb habe kein Vertrauen in die Realisierung des Projekts durch ihn mehr bestanden.
Bei dem Auswahlverfahren habe es sich außerdem um rein fiskalisches Handeln der Antragsgegnerin gehandelt. Mit Ausnahme der Festsetzungen des Bebauungsplans habe es keine öffentlich-rechtlichen Vorgaben gegeben, städtebauliche Belange seien nur durch den Bebauungsplan vorgegeben. Hierüber hinausgehende öffentlich-rechtlichen Aspekte seien der Verkaufsentscheidung nicht zugrunde gelegt worden. Auch ein Bauzwang sei nicht hoheitlich verfügt worden. Eine entsprechende Klausel im Notarvertrag könnte auch von Privatpersonen verwendet werden.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 13. August 2021 wurden die Beteiligten zur beabsichtigten Verweisung der Streitsache an das Landgericht Ansbach angehört. Für den Fall der Zuständigkeit mehrerer Gerichte wurde der Antragstellerseite die Möglichkeit der Auswahl gegeben, an welches Gericht ansonsten die Verweisung erfolgen solle.
Die Antragstellerseite teilte hierzu am 20. August 2021 mit, es werde weiterhin von einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit ausgegangen, weil das Verfahren durch die städtebaulichen Zielvorstellungen der Antragsgegnerin öffentlich-rechtlich überlagert gewesen sei, die ausschließlich als Ausfluss der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie angesehen werden könnten.
Die Antragsgegnerin äußerte sich schriftsätzlich am 26. August 2021 dahingehend, dass die städtebaulichen Interessen und Zielsetzungen bereits durch den Bebauungsplan statuiert worden seien, insoweit habe sie nicht anders als ein privater Veräußerer gehandelt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
II.
A.
Der Verwaltungsrechtsweg ist für den vorliegenden Streitgegenstand nicht eröffnet.
1. Gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Ob eine Streitigkeit öffentlich- oder bürgerlich-rechtlich ist, richtet sich, wenn eine ausdrückliche gesetzliche Rechtswegzuweisung fehlt, nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der geltend gemachte Anspruch hergeleitet wird. Der Charakter des zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses bemisst sich nach dem erkennbaren Ziel des Rechtsschutzbegehrens und des zu seiner Begründung vorgetragenen Sachverhalts. Maßgeblich ist allein die tatsächliche Natur des Rechtsverhältnisses, nicht dagegen die rechtliche Einordnung des geltend gemachten Anspruchs durch den Kläger selbst. Für die Annahme einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit genügt es, dass für das Rechtsschutzbegehren eine Anspruchsgrundlage in Betracht kommt, die im Verwaltungsrechtsweg zu verfolgen ist (VGH Mannheim, B.v. 24.04.2018 – 1 S 2403/17 – juris Rn. 26 unter Verweis auf BVerwG, B.v. 15.12.1992 – 5 B 144.91 -; B.v. 07.11.2016 – 1 S 1386/16 – VBlBW 2017, 170).
Führt eine Gemeinde für den Verkauf von Grundstücken ohne Notwendigkeit einer Ausschreibung freiwillig ein Bieterverfahren mit Ausschreibung durch, entsteht zwischen ihr und den Teilnehmern ein vorvertragliches Vertrauensverhältnis, das sie zu Gleichbehandlung der Teilnehmer, Transparenz und Rücksichtnahme verpflichtet (BGH, U.v. 22.02.2008 – V ZR 56/07 -, juris Rn. 9 unter Bezugnahme auf BGH, U.v. 12.06.2001 – X ZR 150/99 – juris Rn. 24).
Dieses vorvertragliche Rechtsverhältnis dient der Anbahnung eines möglichen Kaufvertragsabschlusses, der sich nach Privatrecht richtet. Das vorvertragliche Rechtsverhältnis ist daher ebenso wie etwaige daraus abzuleitende Pflichten und Rechte grundsätzlich dem bürgerlichen Recht zuzuordnen. Daher sind Rechtsstreitigkeiten insbesondere um die Frage, ob ein Bieter zu Unrecht nicht zum Zuge kam und ob ihm ein Anspruch zusteht, der Gemeinde die Erteilung des Zuschlags an einen anderen Bieter zu untersagen, grundsätzlich vor den Zivilgerichten auszutragen (VGH Mannheim, B.v. 24.04.2018, a.a.O., juris Rn. 29 m.w.N.).
In der Rechtsprechung werden Ausnahmen von dem Grundsatz der Zuordnung derartiger Streitsachen zum bürgerlichen Recht dann in Betracht gezogen, wenn einem „Vergabeverfahren“ trotz der per se privatrechtlichen Abwicklung eine nach öffentlichem Recht zu beurteilende Entscheidungsstufe vorgeschaltet ist oder das Rechtsverhältnis aus anderen Gründen öffentlich-rechtlich überlagert wird (vgl. VG Karlsruhe, B.v. 10.10.2019 – 11 K 5949/19 -, juris Rn. 11; VGH Mannheim, B.v. 24.04.2018 – 1 S 2403/17 -, juris Rn. 30; VG Stuttgart, B.v. 19.09.2013 – 3 K 2686/13 – juris Rn. 25). Dies wird beispielsweise dann angenommen, wenn die vergebende Stelle aufgrund öffentlicher Vorgaben in ihrer Entscheidung gebunden war, wenn die Vergabeentscheidung aus Bemühungen der Gebietskörperschaft hergeleitet wurde, im Rahmen der Daseinsvorsorge eine bestimmte Nutzung des Grundstücks zu erreichen, wenn die Auswahl unter den Kaufinteressenten nach Vergabekriterien, die im öffentlichen Interesse die Förderung eines bestimmten Personenkreises bezweckten, getroffen wurde oder wenn der Träger öffentlicher Verwaltung mit ihr hoheitliche Zwecke, etwa in Gestalt der Förderung der örtlichen gewerblichen Wirtschaft und der Städtebaupolitik, verfolgte (vgl. jeweils mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen VGH Mannheim, B.v. 24.04.2018, a.a.O.).
Ausnahmen vom Grundsatz werden vereinzelt auch angenommen, wenn die Vergabeentscheidung aus Bemühungen der Gebietskörperschaft hergeleitet wurde, im Rahmen der Daseinsvorsorge eine bestimmte Nutzung des Grundstücks zu erreichen (VG Münster, B.v. 19.01.2009 – 1 L 673/08 – juris Rn. 6 zu einem Zusammenwirken einer Stadt und einem öffentlich-rechtlichen Grundstückseigentümer, im Rahmen der Daseinsvorsorge die Errichtung und den Betrieb eines Supermarkts zu erreichen). Umgekehrt schließt aber nicht jede Verwirklichung öffentlicher Zwecke aus, dass dies in privatrechtlichen Handlungsformen geschieht (OVG Münster, B.v. 30.06.2000 – 21 E 472/00 – juris Rn. 17, ebenfalls unter Bezugnahme auf die Kategorie der Daseinsvorsorge).
2. Hieran gemessen ist nicht von einer Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs auszugehen.
Anhaltspunkte für eine öffentlich-rechtliche Prägung des vorvertraglichen Rechtsverhältnisses zwischen Antragsteller und Antragsgegnerin ergeben sich nicht daraus, dass die Antragsgegnerin ihre Entscheidung hinsichtlich des Verkaufs nicht nur von finanziellen Erwägungen, sondern auch von der Überzeugungskraft des beim Ideenwettbewerb eingereichten und später im Einvernehmen mit der Antragsgegnerin verfeinerten Konzepts für die künftige Bebauung und Nutzung des fraglichen Grundstücks abhängig machte, weil derartige Interessen der Antragstellerin an der weiteren städtebaulichen Nutzung und Gestaltung der verkauften Grundstücke bei der Auswahl des Vertragspartners im Wesentlichen nur in Gestalt von nicht bindenden allgemeinen Erwartungen und Wünschen der Antragsgegnerin bestehen (vgl. auch VG Karlsruhe, B.v. 10.10.2019 – 11 K 5949/19 -, juris Rn. 18). Es ist vorliegend nicht erkennbar, dass die Antragsgegnerin über die Festsetzungen des Bebauungsplans hinaus mit dem Ausschreibungsverfahren die Verwirklichung städtebaulicher oder sonstiger öffentlich-rechtlich geprägter Ziele auf eine Weise anstrebt, die den zivilrechtlichen Charakter des Ausschreibungsverfahrens in Zweifel zieht. Insoweit geben auch die in dem Informationsmaterial Investorenwettbewerb genannten Kriterien die Vorgaben des (zum damaligen Zeitpunkt im Aufstellungsverfahren befindlichen) Bebauungsplans … wieder.
Darüber hinaus ergibt sich auch aus dem Gesamtverhalten der Antragsgegnerin, dass es ihr bei der Entscheidung über die Auswahl eines Käufers gerade nicht ausschließlich um städtebaulich-planerische Aspekte ging. Schließlich wurde das Konzept des Antragstellers in der Auswahlentscheidung vom 11. Dezember 2019 gerade aus diesen Gründen ausgewählt, das Geschäft scheiterte jedoch offensichtlich an fehlenden verbindlichen Zusagen zur Realisierung des im Bebauungsplan vorgesehenen Nahversorgungszentrums (Bebauungsplan …, C. Textliche Festsetzungen, A 1.4: „Gebäude und bauliche Anlagen (einschl. Stellplätze) für einen großflächigen Einzelhandel (Lebensmittel-Vollsortimenter mit max. 1200 m² Netto-Verkaufsfläche)“) und insbesondere der Finanzierung des Projekts. Hieraus ergibt sich, dass es der Antragsgegnerin insbesondere um ihre eigene vertragliche Absicherung ging, woraus kein spezifisch öffentliches Interesse betroffen ist.
Es ist weder substantiiert vorgetragen, noch sonst ersichtlich, dass es bei der Antragsgegnerin Vergaberichtlinien (wie im anders gelagerten Fall des VG Sigmaringen, U.v. 10.03.2020 – 3 K 3574/19 – juris) gibt. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass bei der Vergabe ein bestimmter Personenkreis bevorzugt werden sollte (anders als in den von der Antragstellerseite angeführten Entscheidungen VG Sigmaringen, B.v. 21.12.2020 – 7 K 3840/20 – juris Rn. 21 und OVG Saarlouis, B.v. 24.04.2021 – 2 B 77/21 – juris Rn. 14).
Auch eine Bauverpflichtung mit Rückübertragungsanspruch machen den Rechtsstreit nicht öffentlich-rechtlich. Ein Bauzwang dient regelmäßig auch anderen als hoheitlichen Zwecken, ebenso können Privatpersonen, die ein Grundstück verkaufen, eine solche Regelung vereinbaren. Darüber hinaus reicht allein das Ziel der Durchsetzung der Bauleitplanung als hoheitliches Ziel für die Annahme einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit ohnehin nicht aus (VG Ansbach, B.v. 26.04. 2021 – AN 17 E 21.00526 -, juris Rn. 16).
Soweit das Vorliegen einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit i.S.d. § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO auch dann angenommen wird, wenn der Hoheitsträger als Verkäufer eines Grundstücks ein Verwaltungsverfahren i.S.d. § 1 Abs. 1, 9 (Landes-)VwVfG gewählt hat, das nur einem Träger öffentlicher Gewalt zustehe (VG Stuttgart, B.v. 19.09.2013 – 3 K 2686/13 – juris Rn. 26), liegen diese Voraussetzungen – anders als von Seiten des Antragstellers angenommen – hier allerdings nicht vor. Ausweislich der Korrespondenz zwischen Antragstellerseite und der Antragsgegnerin wurde zwar eine Vielzahl möglicher Gestaltungen diskutiert, beispielsweise hinsichtlich finanzieller Absicherungen, Baurealisierung und einer Rückübertragungsverpflichtung. Zugleich ergibt sich aber daraus, dass ausschließlich Modalitäten eines notariell zu beurkunden Kaufvertrags thematisiert wurden (vgl. nur die verschiedenen, zwischen den Beteiligten ausgetauschten und durch die Antragstellerseite vorgelegten Vertragsentwürfe). Soweit ersichtlich stand zu keiner Zeit im Raum, dass sich die Antragsgegnerin eines nicht-vertraglichen und damit hoheitlichen Instrumentariums (wie im anders gelagerten Fall des VG Stuttgart, a.a.O. wegen der dortigen hoheitlichen Absicherung der zivilrechtlich ansonsten wegen § 311b BGB nicht bestehenden Abschlusspflicht) bedienen würde. Konsequenterweise (wenn auch nicht für sich allein ausreichend) finden sich auch in der Behördenakte keinerlei Anhaltspunkte für einen Bescheiderlass, beispielsweise durch Beifügung einer Rechtsbehelfsbelehrung.
B.
Das Verfahren war jedenfalls in entsprechender Anwendung des § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG nach Anhörung der Beteiligten an das nach § 1 ZPO, § 23 Nr. 1, § 71 Abs. 1 GVG sachlich und nach § 12, § 13 ZPO i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 2 ZPO örtlich zuständige Landgericht … zu verweisen. Auf die Frage der direkten Anwendbarkeit der §§ 17 bis 17b GVG auf Eilverfahren (vgl. hierzu Ehlers in Schoch/Schneider VwGO, 40. EL Februar 2021, GVG vor § 17 Rn. 17 und § 17a Rn. 47) kommt es daher nicht an. Eine eventuelle andere örtliche Zuständigkeit wurde nicht mitgeteilt und die Antragstellerseite hat auf gerichtliche Aufforderung nach § 17a Abs. 2 Satz 2 GVG keine Auswahl getroffen.
C.
Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung des Gerichts vorbehalten, an welches die Rechtsstreitigkeit verwiesen wurde (§ 17b Abs. 2 Satz 1 GVG).


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