Baurecht

Verpflichtung zur Gestattung einer bodenschutzrechtlichen orientierenden Untersuchung bei einer ehemaligen Biogasanlage

Aktenzeichen  AN 9 K 18.01334

Datum:
8.2.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 3255
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBodSchG Art. 4 Abs. 1, Art. 11
BBodSchG § 9
BBodSchV § 3

 

Leitsatz

1. Anhaltspunkte für das Vorliegen einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast sind bei Altablagerungen insbesondere dann gegeben, wenn die Art des Betriebs oder der Zeitpunkt der Stilllegung den Verdacht nahelegen, dass Abfälle nicht sachgerecht behandelt, gelagert oder abgelagert worden sind. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Überschreiten der in Anhang II der BBodSchV festgelegten Prüfwerte ist keine zwingende Voraussetzung für die Annahme eines Anhaltspunktes für das Vorliegen einer schädlichen Bodenveränderung. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Gründe

A.
Klagegegenstand ist der Bescheid des Beklagten vom 29. Juni 2018, der die Kläger verpflichtet, dem Landratsamt …, dem Wasserwirtschaftsamt … und weiteren von diesen Behörden beauftragten Dritten nach schriftlicher Terminsankündigung die Grundstücke FlNr. … und …, Gemarkung …, zu betreten und verschiedene näher ausgeführte Untersuchungsmaßnahmen der bodenschutzrechtlichen Amtsermittlung vorzunehmen.
Die klägerseits im Laufe des Verfahrens schriftsätzlich formulierten Feststellungsanträge sowie die im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 8. Februar 2021 übergebenen Anträge stellen keine eigenständigen Klagegegenstände dar. Sie dienen vielmehr der näheren Darlegung des klägerischen Vortrags. Dies ergibt sich unter Berücksichtigung des klägerischen Vorbringens mit Schriftsatz vom 20. Juli 2018, wonach der Klägervertreter ankündigt, seinen Vortrag durch entsprechende Beweise und Feststellungen zu belegen, sowie mit Schriftsatz vom 22. Juli 2020, wonach die Feststellungsanträge belegen solle, dass die behördlich geplanten Maßnahmen nicht gerechtfertigt seien.
Der Klägervertreter hat in der mündlichen Verhandlung weiterhin eindeutig erklärt, dass die von ihm gestellten Anträge im Rahmen der erhobenen Klage und gerade nicht als eigenständige Anträge behandelt werden sollen.
B.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid vom 29. Juni 2018 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
1. Der Bescheid stützt sich auf Art. 11, Art. 4 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 BayBodSchG, § 9 Abs. 1 Satz 1 BBodSchG, § 3 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 BBodSchV. Gem. Art. 11 BayBodSchG kann die zuständige Behörde Anordnungen treffen, soweit dies zur Erfüllung der sich aus dem BayBodSchG ergebenden Pflichten notwendig ist. Art. 4 Abs. 1 Satz 1 BayBodSchG normiert u.a. die Verpflichtung des Grundstückseigentümers, der zuständigen Behörde und deren Beauftragten zur Wahrnehmung der Aufgaben nach BBodSchG und BayBodSchG das Betreten des Grundstückes sowie die Vornahme von Ermittlungen und die Einrichtung von Messstellen zu gestatten.
Das Bodenschutzrecht findet auf den vorliegenden Sachverhalt auch Anwendung. Auch soweit es um Belastungen des Grundwassers und eine damit gegebenenfalls einhergehende Grundwassersanierung geht, ist dennoch das BBodSchG gegenüber dem Wasserrecht vorrangig, wenn es sich um eine durch schädliche Bodenveränderungen verursachte Gewässerveränderung handelt (vgl. Wortlaut des § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG und Gößl in Sieder/Zeitler WHG, 48. Ergänzungslieferung 2014, § 100 WHG Rn. 52). Das Bodenschutzrecht bestimmt das „Ob“ der Inanspruchnahme, das Wasserrecht das „Wie“, vgl. § 4 Abs. 3 Satz 4 BBodSchG.
2. Die Voraussetzungen der Rechtsgrundlage sind gegeben.
Es handelt sich um eine Anordnung gem. Art. 11 BayBodSchG, das Betreten der Grundstücke sowie die Vornahme von Ermittlungen und die Einrichtung von Messstellen gem. Art. 4 BayBodSchG zu gestatten, um die Aufgabe gem. § 9 Abs. 1 Satz 1 BBodSchG wahrzunehmen.
Gem. § 9 Abs. 1 Satz 1 BBodSchG soll die Behörde, wenn ihr Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine schädliche Bodenveränderung oder Altlast vorliegt, die zur Ermittlung des Sachverhalts geeigneten Maßnahmen ergreifen.
Zur Beurteilung, ob Anhaltspunkte für das Vorliegen einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast gegeben sind, sind die Vorschriften der BBodSchV heranzuziehen. Nach § 3 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 BBodSchV bestehen solche Anhaltspunkte bei einem Altlaststandort insbesondere dann, wenn auf Grundstücken über einen längeren Zeitraum oder in erheblicher Menge mit Schadstoffen umgegangen wurde und die jeweilige Betriebs-, Bewirtschaftungs- oder Verfahrensweise oder Störungen des bestimmungsgemäßen Betriebs nicht unerhebliche Einträge solcher Stoffe in den Boden vermuten lassen. Bei Altablagerungen sind die für ein Tätigwerden erforderlichen Anhaltspunkte insbesondere dann gegeben, wenn die Art des Betriebs oder der Zeitpunkt der Stilllegung den Verdacht nahelegen, dass Abfälle nicht sachgerecht behandelt, gelagert oder abgelagert worden sind (vgl. Landmann/Rohmer UmweltR, 92. EL Februar 2020, BBodSchG § 9 Rn. 37-41).
Für das Vorliegen einer schädlichen Bodenveränderung ergeben sich darüber hinaus Anhaltspunkte durch allgemeine oder konkrete Hinweise auf den Eintrag von Schadstoffen über einen längeren Zeitraum und in erheblicher Menge über die Luft oder Gewässer oder durch eine Aufbringung erheblicher Frachten an Abfällen oder Abwässer auf Böden, auf eine erhebliche Freisetzung naturbedingt erhöhter Gehalte an Schadstoffen in Böden, auf erhöhte Schadstoffgehalte in Nahrungs- oder Futterpflanzen am Standort, auf das Austreten von Wasser mit erheblichen Frachten an Schadstoffen aus Böden oder Altablagerungen und auf der erhebliche Bodenabträge und -ablagerungen durch Wasser oder Wind. Dabei sind auch Erkenntnisse auf Grund allgemeiner Untersuchungen oder Erfahrungswerte aus Vergleichssituationen insbesondere zur Ausbreitung von Schadstoffen einzubeziehen. Nach der Gesetzesbegründung können sich diese Anhaltspunkte etwa aufgrund einer früheren oder noch bestehenden Nutzung eines Grundstückes ergeben. Wurde auf einem Grundstück über Jahre mit umweltgefährdenden Stoffen, ohne dem jeweiligen Stand der Technik entsprechende Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, umgegangen oder wurden nach starken Regenfällen immer wieder nennenswerte Bodenmengen abgeschwemmt, so sollen die genannten Anhaltspunkte vorliegen (BT-Drs. 13/6701, S. 39 f.). Nicht erforderlich für die Begründung von „Anhaltspunkten“ ist allerdings eine Überschreitung der aufgrund des § 8 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 in Anhang II der BBodSchV festgelegten Prüfwerte. Denn wie sich aus dem Regelungszusammenhang von § 9 Abs. 1 Satz 1 und § 9 Abs. 1 Satz 2 BBodSchG ergibt, ist das Überschreiten dieser Prüfwerte keine zwingende Voraussetzung für die Annahme eines Anhaltspunktes für das Vorliegen einer schädlichen Bodenveränderung. Ansonsten wäre die Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 1 BBodSchG, nach der unabhängig von der Überschreitung eines Prüfwertes das Vorliegen eines Anhaltspunktes genügt, neben der Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 2 BBodSchG überflüssig (vgl. VG Berlin, U.v. 30. 4. 2004 – 10 A 523.01 – juris; ebenso Landmann/Rohmer UmweltR, 92. EL Februar 2020, BBodSchG § 9 Rn. 37-41).
Auf den streitgegenständlichen Grundstücken wurden ab dem Jahr 2002 im Zuge der Bearbeitung des damaligen Schadensfalles diverse Schadstoffe in hohen Konzentrationen u.a. in der Biogasanlage selbst sowie im Wasser, das im Kontrollschacht des Fermenters anstand, festgestellt (vgl. z.B. Gutachten …, … GmbH vom 8. August 2002, Schreiben der Büros … GmbH vom 28. Mai 2002). Einer Stellungnahme der Bayerischen Landesanstalt für Landtechnik vom 23. April 2002 ist zu entnehmen, dass der Zustand der Biogasanlage nicht der guten fachlichen Praxis entsprach. Somit sind ausreichende Anhaltspunkte für einen Umgang mit Schadstoffen in erheblicher Menge bei gleichzeitigem Vorliegen eines nicht ordnungsgemäßen Betriebes gegeben, so dass die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 BBodSchV grundsätzlich gegeben sind.
Auch die Tatsache, dass seit den damaligen Feststellungen ein längerer Zeitraum verstrichen ist, ändert nichts am Vorliegen dieser Anhaltspunkte. Der Stellungnahme des Wasserwirtschaftsamtes vom 9. Januar 2017 ist zu entnehmen, dass gerade unter Berücksichtigung der seit den Untersuchungen verstrichenen Zeit die Durchführung einer Orientierenden Untersuchung für erforderlich gehalten wird. Eine abschließende und hinreichende Klärung der Belastungssituation an der Hofstelle ist bislang noch überhaupt nicht erfolgt. Dies ist insbesondere auch der Stellungnahme des Wasserwirtschaftsamtes vom 8. April 2005 zu entnehmen, wonach die Situation im Bereich der Hofstelle noch nicht hinreichend geklärt sei, sowie der Stellungnahme des Wasserwirtschaftsamtes vom 3. Februar 2011, die auf die fehlende Veranlassung einer orientierenden Untersuchung verweist.
Den Stellungnahmen des Wasserwirtschaftsamtes als amtlichem Sachverständigen i.S.d. Art. 63 Abs. 3 BayWG kommt im verwaltungsgerichtlichen Verfahren besondere Bedeutung zu, da diese Stellungnahmen auf jahrelanger Bearbeitung eines bestimmten Gebiets und nicht nur auf der Auswertung von Aktenvorgängen im Einzelfall beruhen. Aufgrund dessen bedarf es zur ernsthaften Erschütterung der Stellungnahmen des Wasserwirtschaftsamtes eines qualifizierten Vortrags, der sich nicht nur in ausreichendem Maß mit dem behördlichen Vorbringen auseinandersetzt, sondern zudem auch schlüssig darlegt, warum das dort gefundene Ergebnis nicht als vertretbar anzusehen ist (vgl. dazu: BayVGH, B.v. 17.12.2014 – 8 ZB 14.661 – juris Rn. 6; B.v. 17.7.2012 – 8 ZB 11.1285 – juris Rn. 13; B.v. 31.8.2011 – 8 ZB 10.1961 – juris Rn. 17; B.v. 2.5.2011 – 8 ZB 10.2312 – juris Rn. 11; VG Bayreuth, U.v. 13.10.2014 – B 2 K 14.313 – juris Rn. 37, VG Augsburg, B.v. 11.12.2015 – Au 3 S 15.1633 – juris Rn. 53).
Das Gericht hat keinen Anlass, an der fachkundigen Einschätzung des Wasserwirtschaftsamtes zu zweifeln, diese ist nachvollziehbar und plausibel. Es ist den Klägern auch nicht gelungen, diese substantiiert zu bezweifeln. Der Hinweis des Klägervertreters darauf, dass man die derzeitige Belastung auch errechnen könne, vermag schon vor dem Hintergrund nicht überzeugen, dass eine vollständige Klärung der Situation an der Hofstelle bislang noch gar nicht stattgefunden hat, also eben gar keine Belastungswerte für den gesamten Bereich vorliegen, die man für eine Berechnung heranziehen könnte.
Auf das Überschreiten von Prüfwerten kommt es – wie oben ausgeführt – in diesem Zusammenhang gerade nicht an.
Nachdem sich der angefochtene Bescheid entscheidend auf die fachliche Stellungnahme des Wasserwirtschaftsamtes vom 9. Januar 2017 stützt, der die Notwendigkeit der gegenständlichen Untersuchungsmaßnahmen ausdrücklich belegt, kam es auf die – im Übrigen auch von den Klägern nicht substantiiert infrage gestellten Aussagen – in den Gutachten anderer Gutachter aus den Jahren davor nicht entscheidungserheblich an, sodass weitere Ermittlungen oder Beweiserhebungen, wie vom Klägervertreter insbesondere im Schreiben vom 24. September 2018 angeregt, nicht veranlasst waren.
3. Der Bescheid ist auch ermessenfehlerfrei ergangen (§ 114 VwGO); insbesondere wurde der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt.
Die Interessen der Kläger wurden erkannt und in die ausführlich begründeten Ermessenserwägungen eingestellt. Ein milderes Mittel, das geeignet ist, den Sachverhalt aufzuklären, ist nicht ersichtlich. Es ist gerade keine Anordnung an die Kläger ergangen, die Untersuchungen durchzuführen (vgl. § 9 Abs. 2 BBodSchG), sondern die Behörde lässt diese auf eigene Kosten durchführen. Es wurde zunächst auch seitens der Behörde versucht, eine einvernehmliche Lösung mittels Absprache zu finden; diese Versuche sind ersichtlich gescheitert.
Hinsichtlich eventuell entstehender Schäden ist auf die gesetzliche Regelung des Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BayBodSchG zu verweisen.
Soweit auf in der Vergangenheit liegende Sachverhalte wie die Abdeckung eines Gärbehälters abgestellt wird, stehen diese mit dem anhängigen Verfahren in keinerlei Zusammenhang und können somit auch die Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Bescheides nicht beeinflussen.
Die klägerseits befürchtete Rufschädigung wurde seitens des Landratsamtes in die Überlegungen eingestellt, es wurde jedoch das Interesse der Allgemeinheit, eine etwaige Grundwassergefährdung aufzuklären, in nicht zu beanstandender Weise höher gewichtet.
4. Die Kläger sind als Grundstückseigentümer der FlNrn. … und …, Gemarkung …, die richtigen Adressaten des Bescheides, Art. 9 und Art. 4 Abs. 1 Satz 1 BayBodSchG.
C.
Nach alledem war die Klage abzuweisen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.


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