Baurecht

Verpflichtungsklage, Festsetzung einer Entschädigung für geltend gemachte Verkehrswertminderung, Lage im festgesetzten Wasserschutzgebiet, Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums, Sozialpflichtigkeit des Eigentums

Aktenzeichen  Au 9 K 20.2678

Datum:
19.7.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 22891
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 113 Abs. 5 S. 1
WHG § 52 Abs. 4
GG Art. 14
AGBGB Art. 71

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen tragen die Klägerinnen als Gesamtschuldner.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerinnen dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg. Die Klägerinnen besitzen keinen Anspruch auf Festsetzung einer Entschädigung in Höhe einer geltend gemachten Verkehrswertminderung des streitgegenständlichen Grundstücks in Höhe von 500.000,00 EUR (§ 113 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). Der eine diesbezügliche Entschädigung ablehnende Bescheid des Landratsamts … vom 4. November 2020 ist daher rechtmäßig und nicht geeignet, die Klägerinnen in ihren Rechten zu verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Die Klage ist mit dem zuletzt in der mündlichen Verhandlung vom 19. Juli 2021 gestellten Antrag auf Verpflichtung des Beklagten auf Festsetzung einer Entschädigung in Höhe von 500.000,00 EUR als Verpflichtungsklage (Versagungsgegenklage) i.S.d. § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO zulässig.
Der Bescheid wurde ausweislich des unterzeichneten Empfangsbekenntnisses dem Bevollmächtigten der Klägerinnen am 10. November 2020 zugestellt. Die Klage ging beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg am 10. Dezember 2020 und somit innerhalb der noch offenen Klagefrist ein.
Ob dem möglichen Anspruch der Klägerinnen nach Art. 71 Abs. 1 Satz 1 AGBGB i.V.m. den gesetzlichen Bestimmungen der §§ 194 ff. BGB die Verjährung entgegensteht, ist keine Frage der Zulässigkeit der erhobenen Klage. Zwar lässt die Verjährung nach Art. 71 Abs. 1 Satz 1 AGBGB einen Anspruch auf Entschädigung gem. § 52 Abs. 4 WHG erlöschen. Eine mögliche Verjährung setzt jedoch gedanklich einen Entschädigungsanspruch der Klägerinnen voraus. Ob ein solcher vorliegt, ist jedoch in der Begründetheit der Klage zu prüfen. Deshalb kann den Klägerinnen ein Rechtsschutzbedürfnis für die erhobene Klage nicht abgesprochen werden.
2. Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Klägerinnen besitzen keinen Anspruch auf Verpflichtung des Beklagten zur Festsetzung einer Entschädigung auf der Grundlage des § 52 Abs. 4 WHG.
Nach § 52 Abs. 4 WHG ist eine Entschädigung zu leisten, soweit eine Anordnung nach § 52 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 2, auch i.V.m. § 52 Abs. 2 oder Abs. 3 WHG, das Eigentum unzumutbar beschränkt und diese Beschränkung nicht durch eine Befreiung nach § 52 Abs. 1 Satz 3 WHG oder andere Maßnahmen vermieden oder ausgeglichen werden kann.
Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Die von den Klägerinnen benannten Verbote in der engeren Schutzzone (W II) der am 2. Juni 2016 bekannt gemachten Wasserschutzgebietsverordnung für die öffentliche Wasserversorgung der Beigeladenen vom 25. Mai 2016, insbesondere die in § 3 Nr. 5.1 der Verordnung geregelten Gebote bezüglich baulicher Anlagen, sind zwar Handlungsverbote nach § 52 Abs. 4 WHG i.V.m. § 52 Abs. 1 Satz 1 WHG (2.1), diese stellen jedoch nur eine Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums dar (2.2) und beschränken das Grundeigentum der Klägerinnen nicht in unzumutbarer Weise (2.3). Ferner fehlt es an dem notwendigen, vorrangigen Antrag auf Befreiung nach § 52 Abs. 1 Satz 3 WHG (2.4). Mangels eines Zahlungsanspruchs nach § 52 Abs. 4 WHG war über die Einrede der Verjährung nicht mehr zu entscheiden (2.5).
2.1 Nach § 52 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WHG können in einer Rechtsverordnung über die Festsetzung von Wasserschutzgebieten nach § 51 Abs. 1 WHG oder durch behördliche Entscheidung in Wasserschutzgebieten, soweit der Schutzzweck dies erfordert, bestimmte Handlungen verboten oder für nur eingeschränkt zulässig erklärt werden. § 51 Abs. 2 WHG bestimmt weiter, dass Trinkwasserschutzgebiete nach Maßgabe der allgemein anerkannten Regeln der Technik in Zonen mit unterschiedlichen Schutzbestimmungen unterteilt werden sollen. Nach § 52 Abs. 1 Satz 2 WHG kann die zuständige Behörde von Verboten, Beschränkungen sowie Duldungs- und Handlungspflichten nach § 52 Abs. 1 Satz 1 WHG eine Befreiung erteilen, wenn der Schutzzweck nicht gefährdet wird oder überwiegende Gründe des Wohls der Allgemeinheit dies erfordern. Nach § 52 Abs. 1 Satz 3 WHG hat die zuständige Behörde eine Befreiung zu erteilen, soweit dies zur Vermeidung unzumutbarer Beschränkungen des Eigentums erforderlich ist und hierdurch der Schutzzweck nicht gefährdet wird. Die vorliegend streitgegenständlichen Beschränkungen in der Schutzgebietsfestsetzung des Landratsamts … vom 25. Mai 2016 stellen unstreitig Handlungsverbote i.S.d. § 52 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WHG dar.
2.2 Die in der Wasserschutzgebietsverordnung getroffenen Handlungsverbote bzw. Nutzungseinschränkungen nach § 52 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WHG beschränken das Eigentum der Klägerinnen an dem in der Schutzzone II des festgesetzten Wasserschutzgebiets gelegenen Grundstück nicht in unzumutbarer Weise i.S.d. § 52 Abs. 4 WHG, so dass den Klägerinnen der Anspruch schon dem Grunde nach nicht zusteht. Darüber hinaus wurde die behauptete Verkehrswertminderung in Höhe von 500.000,00 Euro durch keinerlei Unterlagen belegt und beruht nach Angaben in der mündlichen Verhandlung lediglich auf einer Schätzung.
Schutzanordnungen und Nutzungsbeschränkungen in durch Verordnung ausgewiesenen Wasserschutzgebieten stellen keine Enteignung i.S.d. Art. 14 Abs. 3 GG dar, sondern sind lediglich als Inhalts- und Schrankenbestimmungen i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zu bewerten. Sie sind nicht auf den Entzug konkreter Rechtspositionen gerichtet, sondern bestimmen Inhalt und Umfang des Eigentums unter dem Gesichtspunkt des Gewässerschutzes und aktualisieren damit die Sozialpflichtigkeit des Eigentums (vgl. BGH, U.v. 19.9.1996 – III ZR 82/95 – DVBl 1997, 45 ff.; BVerwG, B.v. 30.9.1996 – 4 NB 32.96 – ZfW 1997, 163 ff.; BayVGH, B.v. 13.2.2014 – 8 ZB 12.1985 – juris Rn. 12; NdsOVG, B.v. 23.5.2018 – 13 La 284/17 – ZfW 2018, 228 ff. = juris Rn. 9 m.w.N.; Czychowski/Reinhardt, WHG, 12. Auflage 2019, § 52 Rn. 71). Maßnahmen, die auf den Schutz des Trinkwasservorkommens abzielen, sind regelmäßig schon deshalb unbedenklich, weil der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen besonderer Ausdruck der Sozialbindung im Sinn des Art. 14 Abs. 2 GG ist. Gebots- oder Verbotsregelungen, die sich darin erschöpfen, die vorhandene Nutzung festzuschreiben, spiegeln die Situationsgebundenheit des Grundeigentums wider und sind grundsätzlich entschädigungslos hinzunehmen. Dieses folgt für Grundstücke im räumlichen Umgriff eines Wasserschutzgebiets aus der Sozialpflichtigkeit bzw. Situationsgebundenheit des Eigentums, wenn diese zur Trinkwasserversorgung tatsächlich benötigt werden (BVerwG, B.v. 30.9.1996 – 4 NB 31.96 – juris Rn. 39 m.w.N; BayVGH, B.v. 13.2.2014 – 8 ZB 12.1985 – juris Rn. 12). Dass die hier zugrundeliegende Wasserschutzgebietsverordnung des Landratsamts … für die öffentliche Wasserversorgung der Beigeladenen vom 25. Mai 2016 in gewähltem Umgriff, Aufteilung in Zonen mit unterschiedlichen Schutzbestimmungen (vgl. § 51 Abs. 2 WHG) und damit einhergehenden Handlungsverboten bzw. Nutzungseinschränkungen in Bezug auf die hiermit verbundenen Einschränkungen von betroffenem Grundeigentum aus Art. 14 Abs. 1 GG rechtmäßig und insbesondere verhältnismäßig ist, wurde bereits im Normenkontrollverfahren vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (U.v. 28.8.2019 – 8 N 17.523 – juris Rn. 123-126) rechtskräftig festgestellt.
Die Handlungsverbote und Nutzungsbeschränkungen beeinträchtigen das Grundeigentum in der Regel daher nur in einem verhältnismäßigen und zumutbaren Ausmaß, der die Opfer- und Relevanzschwelle der entschädigungspflichtigen Eigentumsinhaltsbestimmung oder Enteignung nicht erreicht und damit dem Grunde nach auch keine Entschädigungspflicht nach § 52 Abs. 4 WHG auslöst (vgl. OLG München, U.v. 29.3.1984 – 1 U 5386/83 – ZfW 1986, 269 ff.). Eine Entschädigung oder ein Ausgleich in Geld ist nach § 52 Abs. 4 WHG nur dann zu leisten, soweit dem betroffenen Eigentümer durch die Wasserschutzgebietsverordnung ein „Sonderopfer“ auferlegt wird, das ihn unverhältnismäßig oder im Vergleich zu anderen ungleich und somit in unzumutbarer Weise trifft (vgl. Breuer/Gärditz, Öffentliches und privates Wasserrecht, 4. Aufl. 2017, Rn. 1112). Der Eigentümer kann nur dann nicht auf die Sozialpflichtigkeit seines Eigentums verwiesen werden, wenn durch die Schutzgebietsausweisung in bereits verwirklichte Nutzungen eingegriffen wird oder Nutzungsmöglichkeiten ausgeschlossen werden, die sich nach Lage der Dinge objektiv anbieten oder sogar aufdrängen, wenn er somit hinsichtlich der Schwere und Tragweite des Eingriffs in qualifizierter und besonderer Weise betroffen ist (Czychowski/Reinhardt, WHG, 12. Aufl. 2019, § 52 Rn. 57).
Die Qualifizierung der Handlungsverbote als grundsätzlich hinzunehmende In-halts- und Schrankenbestimmung des Eigentums bedeutet bezogen auf den jeweiligen Einzelfall, dass die Entscheidung über eine Ausgleichspflicht nach § 52 Abs. 4 WHG das Ergebnis eines Abwägungsvorgangs ist, in den einerseits die öffentlichen Interessen (hier insbesondere des Trinkwasserschutzes und des Gewässerschutzes) und andererseits die privaten Eigentümerbelange einzubeziehen sind. Einen besonders wichtigen Abwägungsgesichtspunkt stellt dabei die vorgegebene „Situation“ der betroffenen Grundstücke dar (BGH, U.v. 19.9.1996 – 3 ZR 82/95 – DVBl. 1997, 45 ff.).
2.3 Dies zugrunde gelegt ist der von den Klägerinnen aufgrund der ihnen durch die Wasserschutzgebietsverordnung vom 25. Mai 2016 auferlegten Handlungsverbote bzw. Nutzungsbeeinträchtigungen geltend gemachte Anspruch auf Gewährung von einer Entschädigung nach § 52 Abs. 4 WHG in Form einer Verkehrswertminderung i.H.v. 500.000,00 EUR nicht gegeben.
Zunächst ist zu berücksichtigen, dass das Grundstück, in dessen Nutzbarkeit durch die streitgegenständliche Wasserschutzgebietsverordnung eingegriffen wird, in einem festgesetzten Wasserschutzgebiet liegt, so dass es durch seine Lage und Beschaffenheit bereits einen höheren sozialen Bezug aufweist und auch eine höhere soziale Funktion i.S.d. Art. 14 Abs. 2 Satz 2 GG erfüllt, mithin einer gesteigerten Sozialbindung unterliegt (vgl. Situationsgebundenheit des Eigentums, vgl. BVerfG, B.v. 2.3.1999 – 1 BvL 7/91 – BVerfGE 100, 226 ff.; BVerwG, U.v. 11.1.2001 – 4 A 12.99 – NVwZ 2001, 1160 ff.; NdsOVG, B.v. 23.5.2018 – 13 LA 284/17 – juris Rn. 15). Das Grundstück hat für das Wohl der Allgemeinheit aufgrund der überragenden Wichtigkeit des aus dem lokalen Grundwasservorkommen als Rohwasser zu fördernden Trinkwassers für Leben und Gesundheit der Bevölkerung eine besondere Bedeutung (vgl. BayVGH, U.v. 26.6.2002 – 22 N 01.2625 – juris Rn. 36).
Etwas anderes gilt auch nicht ausnahmsweise im konkreten Einzelfall der Klägerinnen. Ein Eingriff in vorhandene oder der Ausschluss weiterer Nutzungsmöglichkeiten wird von ihnen nicht geltend gemacht. Die Unzumutbarkeit des Eigentumseigriffs wird ausschließlich mit der Lage des Grundstücks begründet, das sich wie eine Vielzahl weiterer Grundstücke in der Schutzgebietszone W II der Wasserschutzgebietsverordnung vom 25. Mai 2016 befindet. Die Situation der Klägerinnen stellt sich somit nicht anders dar, als die aller weiteren von der Schutzgebietsausweisung betroffenen Eigentümer. Im Zuge des Normenkontrollverfahrens bezüglich der streitgegenständlichen Wasserschutzgebietsverordnung hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (U.v. 28.8.2019 – 8 N 17.523 – juris Rn. 123) bereits entschieden, dass diese als Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinn des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG die verfassungsrechtliche Eigentumsposition der betroffenen Grundstückseigentümer in zulässigerweise einschränkt. Damit ist aber – entgegen der Auffassung der Klagepartei – festgestellt, dass allein die Belegenheit des Grundstücks in einem Trinkwasserschutzgebiet und die damit verbundene – im konkreten Fall allerdings nicht näher belegte – Wertminderung unter die Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums fällt und gerade nicht zu einer unzumutbaren Eigentumsbeeinträchtigung im Sinne eines Sonderopfers führt. Gebots- und Verbotsregelungen, die sich darin erschöpfen, die vorhandene Nutzung festzuschreiben, spiegeln die Situationsgebundenheit des Grundstücks wider und sind grundsätzlich entschädigungslos hinzunehmen (BayVGH, U.v. 26.6.2001 – 22 N 01.2625 – juris). Eine unzumutbare Beschränkung des Eigentums liegt darüber hinaus auch dann nicht vor, wenn durch die Schutzgebietsverordnung eine erstrebte rentablere Nutzung verhindert wird, denn Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistet nicht die einträglichste Nutzung des Eigentums (NdsOVG, B.v. 23.5.2018 – 13 LA 284/17 – juris Rn. 16). Eine Einschränkung ihrer Nutzungsmöglichkeiten machen die Klägerinnen aber gerade nicht geltend.
Bezüglich des streitgegenständlichen Grundstücks erfolgte zwar mit der nunmehr streitgegenständlichen Schutzgebietsausweisung eine Aufstufung von der bisherigen Schutzzone W IIIa in die räumlich erweiterte Schutzzone W II mit der Folge weitergehender Handlungsverbote bzw. Nutzungsbeschränkungen. Dieser Umstand führt aber gleichfalls nicht zu einer Sonderopferstellung der Klägerinnen, da mit der Ausweisung von Trinkwasserschutzgebieten für die Trinkwasserversorgung grundsätzlich zu rechnen ist (BayVGH, B.v. 13.2.2014 – 8 ZB 12.1985 – juris Rn. 13). Dies gilt erst recht für die Erweiterung eines bereits bestehenden Trinkwasserschutzgebiets. Da das betroffene Grundstück ebenfalls bereits seit dem Jahr 1988 Teil der Wasserschutzgebietsausweisung war, war die Grundstückssituation der Klägerinnen schon bisher von der Möglichkeit einer Ausweitung der Schutzzonen und der Einbeziehung in die engere Schutzzone W II geprägt. Dies auch bereits aufgrund der Lage des Grundstücks am Rand der vormaligen Schutzgebietszone W II der Schutzgebietsausweisung aus dem Jahr 1988.
Überdies befindet sich das Grundstück der Klägerinnen nach der rechtlichen Bewertung des Gerichts als sogenannte Splittersiedlung bauplanerisch im Außenbereich. Hierfür spricht neben der sich aus den Akten zu ersehenden Grundstückssituation als Splittersiedlung im Außenbereich auch die Tatsache, dass das Grundstück gerade nicht mehr in die Ergänzungssatzung nach § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauGB einbezogen wurde. Die Grundstücksnutzung ist daher nur unter Beachtung der in § 35 BauGB genannten öffentlichen Belange zulässig, zu denen auch die Beachtung der Trinkwasserversorgung sowie von Maßnahmen der Wasserwirtschaft zählen (§ 35 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 Nr. 6 BauGB). Bauverbote, die dem materiellen Recht entsprechen, lösen im Allgemeinen keine Entschädigungsansprüche aus (Breuer/Gärditz, Öffentliches und privates Wasserrecht, 4. Aufl. 2017, Rn. 1106). Eine eingeschränkte bauliche Nutzung und die von den Klägerinnen darauf gestützte Verkehrswertminderung folgt daher bereits aus der Lage des Grundstücks im Außenbereich.
Da im vorliegenden Fall bereits keine unzumutbare Einschränkung des Eigentums vorliegt, die über die Sozialbindung des Eigentums nach Art. 14 Abs. 2 GG hinaus geht, scheidet ein Anspruch auf Ausgleich der behaupteten Verkehrswertminderung schon aus diesem Grund aus.
2.4 Ein Anspruch auf Entschädigung besteht darüber hinaus aber auch nur, wenn die Beschränkung der Nutzungsmöglichkeit nicht durch eine Befreiung nach § 52 Abs. 1 Satz 3 WHG oder andere Maßnahmen vermieden oder ausgeglichen werden kann. Das heißt, ein vorheriger Befreiungsantrag nach § 52 Abs. 1 Satz 2 und 3 WHG ist zwingende Voraussetzung für das Bestehen eines Entschädigungsanspruchs, da der – hier allerdings nicht vorliegenden – unverhältnismäßigen Belastung eines Eigentümers vorrangig durch tatsächliche Ausgleichsmaßnahmen zu begegnen ist. Nur wenn ein solcher Ausgleich für den Betroffenen im Einzelfall nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich ist, kommt ein Entschädigungsanspruch in Betracht (BVerfG, B.v. 6.9.2005 – 1 BvR 1161/03 – juris Rn. 24; Czychowski/Reinhardt, WHG, 12. Aufl. 2019, § 52 Rn. 82).
Ein Antrag auf Befreiung oder Ausgleich wurde von den Klägerinnen jedoch nicht gestellt und kann auch nicht als „minus“ in dem Antrag auf Entschädigung gesehen werden, da je nach Erscheinungsform der beeinträchtigten Nutzung unterschiedliche Kompensationsmaßnahmen in Betracht zu ziehen und auf ihre Eignung zum Ausgleich zu überprüfen sind.
2.5 Da die Klägerinnen keinen Anspruch auf die von ihnen geltend gemachte Entschädigung i.S.d. § 52 Abs. 4 WHG besitzen, bedarf es auch keiner Entscheidung darüber, ob ein diesbezüglicher Anspruch infolge zwischenzeitlich eingetretener Verjährung nach Art. 71 Abs. 1 Satz 1 AGBGB erloschen ist.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 159 Satz 2, § 162 Abs. 3 VwGO, wobei es der Billigkeit entspricht, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen den unterlegenen Klägerinnen aufzuerlegen, da die Beigeladene einen Sachantrag gestellt hat und sich damit einem Kostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 162 Rn. 41).
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V. m. § 708 Nr. 11 ZPO.


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