Baurecht

Verrohrter Graben als oberirdisches Gewässer, Öffentlich-rechtlicher Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch, Anspruch auf Gewässerausbau, Beseitigung eines Gewässers dritter Ordnung, Beseitigung eines Mischwasserkanals

Aktenzeichen  M 2 K 20.1210

Datum:
27.7.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 23282
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WHG §§ 3, 67, 68
BayWG Art. 2
BGB § 891

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klagen werden abgewiesen. 
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

A. Die Klage gegen die Beklagte zu 1) ist im Hauptantrag zulässig, aber unbegründet.
I. Dem Kläger fehlt insbesondere nicht die Klagebefugnis. Ungeachtet der Antwort auf die Frage, ob ein Anspruch auf Planfeststellung oder auf Plangenehmigung eines Gewässerausbaus gemäß § 68 WHG wegen Gewässerbeseitigung oder -umgestaltung im Sinne des § 67 Abs. 2 WHG überhaupt möglich erscheinen kann, ist im vorliegenden Fall die Klagebefugnis zu bejahen, weil jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen ist, dass der …graben kein dem wasserrechtlichen Regime unterliegendes Gewässer darstellt; infolgedessen erscheint das Bestehen eines Beseitigungsanspruchs wegen unzumutbarer Beeinträchtigung des Grundeigentums immerhin möglich.
II. Die Klage ist allerdings unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte zu 1) auf Stilllegung des …grabens. Das Gericht ist an die wörtliche Fassung der gestellten Anträge nicht gebunden (§ 88 VwGO) und geht wegen der Antwort des Klägervertreters auf die entsprechende gerichtliche Nachfrage in der mündlichen Verhandlung davon aus, dass mit „Stilllegung“ die Beseitigung des gesamten Grabens (bestehend aus Rohrleitung und Wasser) durch tatsächliche (Bau-)Maßnahmen der Beklagten zu 1) erstrebt wird.
Die begehrte Beseitigung des Grabens ist planfeststellungs- oder plangenehmigungspflichtig nach § 68 WHG. Der …graben ist ein oberirdisches Gewässer im Sinne des § 3 Nr. 1 WHG (Rn. 21 ff.), das auch nicht nach § 2 Abs. 2 WHG i.V.m. Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BayWG ausnahmsweise vom Anwendungsbereich des Wasserhaushaltsgesetzes ausgenommen ist (Rn. 29 f.). Die Beseitigung des Grabens nach den Vorstellungen des Klägers stellt einen planfeststellungs- oder plangenehmigungspflichtigen Gewässerausbau nach § 67 Abs. 2 WHG dar (Rn. 31). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Planfeststellung oder Plangenehmigung (Rn. 32 ff.).
1. Der …graben ist ein oberirdisches Gewässer im Sinne des § 3 Nr. 1 WHG. Hiernach ist unter einem oberirdischen Gewässer u.a. das ständig oder zeitweilig in Betten fließende oder stehende Wasser zu verstehen. Wegen des gebotenen funktionalen Verständnisses des Gewässerbegriffs ist mit dem Begriff die Einheit von Wasser und Bett zu verstehen (vgl. Czychowski/Reinhardt, WHG, 12. Aufl. 2019, § 3 Rn. 7; Guckelberger in Giesberts/Reinhardt, BeckOK Umweltrecht, 58. Ed., Stand: 1.1.2021, § 3 Rn. 3 – jeweils m.w.N.).
a) Ausgehend vom allgemeinen Sprachgebrauch handelt es sich bei dem Gewässerbett um eine äußerlich erkennbare Begrenzung des Wassers in Gestalt einer Eintiefung der Erdoberfläche, welche sich eindeutig vom übrigen Erdreich abgrenzt und objektiv nach ihrem Erscheinungsbild vor allem der Sammlung und Fortleitung des Wassers dient. Unerheblich ist, ob das Gewässerbett natürlich entstanden, künstlich geschaffen oder verändert wurde (vgl. BVerwG, U.v. 27.1.2011 – 7 C 3/10 – juris Rn. 17; Guckelberger in Giesberts/Reinhardt, BeckOK Umweltrecht, 58. Ed., Stand: 1.1.2021, § 3 Rn. 3). Ein oberirdisches Gewässer liegt nur vor, wenn ständig oder zeitweilig Wasser im Gewässerbett fließt oder steht. Befindet sich das Wasser an einem solchen Ort, ist es in den natürlichen Wasserkreislauf eingebunden und hat Anteil an den Gewässerfunktionen (BVerwG, U.v. 27.1.2011 – 7 C 3/10 – juris Rn. 17) und soll der wasserrechtlichen Benutzungsordnung unterstehen.
Diese Anforderungen erfüllt der …graben. Der Graben verfügt ausweislich des vorhandenen Bildmaterials in den Bereichen, in denen er an der Oberfläche fließt, über ein Gewässerbett und führt ganzjährig Wasser.
b) Soweit der Graben unterirdisch verrohrt ist, fehlt es bei strenger Betrachtung an der Eigenschaft eines Gewässerbetts. Denn eine Verrohrung stellt keine Eintiefung der Erdoberfläche im oben genannten Sinne dar (vgl. VG Düsseldorf, U.v. 23.4.2013 – 17 K 2593/12 – juris Rn. 21). Allerdings steht dies einer Einordnung des Grabens als oberirdisches Gewässer über seine gesamte Strecke hinweg nicht entgegen.
aa) Allgemein anerkannt ist, dass das Vorliegen eines Gewässerbettes als Ansatzpunkt des wasserrechtlichen Regelungsprogramms nicht in dem Sinne zwingende Voraussetzung der Einordnung als oberirdisches Gewässer ist, dass jegliche Unterbrechung im oberirdischen Wasserlauf durch unterirdische Teilstrecken zu einer anderen rechtlichen Beurteilung führt (BVerwG, U.v. 27.1.2011 – 7 C 3/10 – juris Rn. 17). Die Gewässereigenschaft kann insoweit für die gesamte Strecke erhalten bleiben (vgl. Berendes in Berendes/Frenz/Müggenborg, WHG, 2. Aufl. 2017, § 3 Rn. 8; Czychowski/ Reinhardt, WHG, 12. Aufl. 2019, § 3 Rn. 13; zur abschnittsweise Betrachtung siehe ThürOVG, B.v. 28.5.2009 – 4 EO 347/08 – juris Rn. 19).
Diese Erkenntnis folgt aus dem am Regelungszweck des Wasserrechts orientierten Gebot, eine Wasserführung erst dann aus dem wasserrechtlichen Regelungsregime zu entlassen, wenn mit dem Wegfall des Gewässerbettes eine Absonderung vom natürlichen Wasserhaushalt einhergeht (BVerwG, U.v. 27.1.2011 – 7 C 3/10 – juris Rn. 18). Außerdem ist diese Auslegung geboten, weil die – nur für oberirdische Gewässer geltenden – Unterhaltungsvorschriften auf unterirdische Gewässerstrecken nicht anwendbar sind, aber auf die Erhaltung eines ordnungsmäßigen Zustandes für den Wasserabfluss (§ 39 WHG) schlechterdings nicht verzichtet werden kann. Folglich spielt es keine ausschlaggebende Rolle, ob die oberirdischen oder die unterirdischen Teilstrecken überwiegen (vgl. BayVGH, B.v. 17.11.2016 – 8 ZB 14.543 – juris Rn. 11).
Entscheidend ist somit in funktionsbezogener wertender Betrachtung, ob die Unterbrechung der offenen Wasserführung die Gewässerfunktionen mit solchem Gewicht beeinträchtigt, dass der Zusammenhang mit dem Wasserhaushalt gelöst erscheint, das Wasser mithin nicht mehr mit dem natürlichen Wasserkreislauf verbunden ist, oder ob die Einbindung in diesen weiterhin gewährleistet wird. Es ist danach zu fragen, ob die natürliche Gewässerfunktion noch dominiert oder aufgrund des Umfangs oder der Art der Einschränkung überwiegend verloren gegangen ist (vgl. BVerwG, U.v. 15.6.2005 – 9 C 8/04 – juris Rn. 21; BayVGH, B.v. 17.11.2016 – 8 ZB 14.543 – juris Rn. 11; SächsOVG, U.v. 2.3.2016 – 5 A 10/1 – juris Rn. 26; VG Dresden, U.v. 22.1.2018 – 13 K 2337/16 – juris Rn. 24 ff.; Guckelberger in Giesberts/Reinhardt, BeckOK Umweltrecht, 58. Ed., Stand: 1.1.2021, § 3 Rn. 4; Czychowski/Reinhardt, WHG, 12. Aufl. 2019, § 3 Rn. 13). Eine Teilhabe an den Gewässerfunktionen ist gegeben, wenn natürliche Prozesse wie Verdunstung, Versickerung, Auffangen von Regenwasser und Auffangen von aufsteigendem Grundwasser stattfinden (BVerwG, U.v. 15.6.2005 – 9 C 8/04 – juris Rn. 20). In der Tendenz geht es dabei zu weit, sich für die gebotene wertende Entscheidung strikt vom Idealtypus eines oberirdischen Gewässers leiten zu lassen und eine allzu starke Prägung durch künstliche (bauliche oder technische) Anlagen als „schädlich“ anzusehen; denn schon angesichts zulässiger künstlicher Veränderungen eines Wasserbetts (vgl. BVerwG, U.v. 15.6.2005 – 9 C 8/04 – juris Rn. 22) kann ein naturbelassener Zustand insoweit nur beschränkt maßstabsbildendes Vorbild sein (wohl zu streng VG Dresden, U.v. 22.1.2018 – 13 K 2337/16 – juris Rn. 30).
bb) Vorliegend ist der erforderliche Zusammenhang mit dem Wasserhaushalt nicht gelöst. Beim …graben ist trotz einer nicht ganz hälftigen Länge der verrohrten Strecke keine Abscheidung vom natürlichen Wasserkreislauf anzunehmen, auch nicht abschnittsweise. Der Graben wird im Quellbereich u.a. von Schichtwasser gespeist, fließt über eine gewisse Strecke offen, ist dann mit Eintritt in den Ortskern teilweise verrohrt und überbaut, verläuft teilweise aber auch an der Erdoberfläche und mündet schließlich am Ortsende östlich in den …see. Es ist davon auszugehen, dass der Graben ursprünglich über seinen gesamten Verlauf hin ein offener Wasserlauf war (vgl. zu dieser Betrachtung VG München, U.v. 26.11.2013 – M 2 K 13.1843 – juris Rn. 18), der nach Erkenntnissen der mündlichen Verhandlung sukzessive zur verbesserten Ausnutzung der Grundstücksflächen innerorts verrohrt wurde. Dementsprechend folgt der Graben auch weiterhin im Wesentlichen dem ursprünglichen Verlauf. Gegen die Annahme einer Ausscheidung aus dem natürlichen Wasserkreislauf spricht auch, dass das Wasser keiner eigenständigen technischen Benutzung zugeführt wird, etwa durch eine Einbindung in einen Produktionsprozess (vgl. BVerwG, U.v. 15.6.2005 – 9 C 8/04 – juris Rn. 22; VG München, U.v. 26.11.2013 – M 2 K 13.1843 – juris Rn. 18). Der Graben nimmt weiterhin auf seiner Strecke zufließendes Niederschlagswasser auf, teilweise auch im Rahmen von Benutzungstatbeständen. Er erfüllt insoweit auch eine klassische Gewässerfunktion und dient allein wasserwirtschaftlichen Zwecken (BayVGH, B.v. 17.11.2016 – 8 ZB 14.543 – juris Rn. 10). Er ist in der Ortslage auch nicht vollständig verrohrt und nimmt daher, wenngleich immer wieder unterbrochen (vgl. SächsOVG, U.v. 23.3.2017 – 5 A 241/16 – juris Rn. 21), auf seiner gesamten Strecke am Wasserkreislauf teil und nicht etwa nur außerhalb des Ortes. Das vorgelegte Karten- und Bildmaterial lässt insgesamt trotz des Wechsels von offenem und verrohrten Verlauf den Eindruck entstehen, dass es sich in der Gesamtschau um ein in einem Bett fließendes Gewässer handelt. Anders formuliert: Auf seine gesamte Strecke hin handelt es sich optisch um einen teils verrohrten Graben und nicht um ein immer wieder offen verlaufendes Rohrsystem. Auch die Bejahung einer wasserwirtschaftlich nicht untergeordneten Bedeutung durch das Wasserwirtschaftsamt deutet darauf hin, dass gerade mit Blick auf das erhebliche Einzugsgebiet der Graben nach wie vor eine Gewässerfunktion aufweist, die durch die Verrohrung nicht mit einem solchen Gewicht unterbrochen wird, dass der Zusammenhang mit dem Wasserhaushalt gelöst erscheint.
2. Der Graben unterfällt auch nicht der Ausnahme des Anwendungsbereichs des Wasserhaushaltsgesetzes nach § 2 Abs. 2 WHG i.V.m. Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BayWG. Der Graben ist kein kleines Gewässer von wasserwirtschaftlich untergeordneter Bedeutung. Die fehlende wasserwirtschaftlich untergeordnete Bedeutung ergibt sich aus der nicht erschütterten Einordnung des Wasserwirtschaftsamts. Bei der Auslegung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs ist zu beachten, dass das Wasserwirtschaftsamt durch Gesetz (Art. 63 Abs. 3 Satz 1 BayWG) als Fachbehörde zur innerbehördlichen Wissensgenerierung eingerichtet ist (Breuer/Gärditz, Öffentliches und privates Wasserrecht, 4. Aufl. 2017, Rn. 574). Es ist daher in der obergerichtlichen Rechtsprechung anerkannt, dass amtlichen Auskünften und Gutachten des Wasserwirtschaftsamts eine besondere Bedeutung zukommt, weil sie auf jahrelanger Bearbeitung eines bestimmten Gebiets und nicht nur auf der Auswertung von Aktenvorgängen im Einzelfall beruhen (vgl. BayVGH, B.v. 2.5.2011 – 8 ZB 10.2312 – juris Rn. 11).
Die Stellungnahme des Wasserwirtschaftsamts vom 12. März 2020, die in der mündlichen Verhandlung verständig erläutert wurde, erweist sich weder als unvollständig, widersprüchlich oder aus sonstigen Gründen als nicht überzeugend. Substantiierte Einwände der Beteiligten, die das gefundene Ergebnis – der Graben ist nicht von wasserwirtschaftlich untergeordneter Bedeutung – ernsthaft infrage gestellt erscheinen lassen könnte, wurden nicht vorgetragen; soweit Argumente vorgebracht wurden, beziehen sich diese bei sachgerechter Auslegung auf die vorrangige Frage der Einordnung als (überhaupt) oberirdisches Gewässer (vgl. zu den Anforderungen an die Notwendigkeit zur Einholung weiterer Gutachten durch das Gericht BayVGH, B.v. 2.5.2011 – 8 ZB 10.2312 – juris Rn. 11). Vor diesem Hintergrund bedarf es keiner Entscheidung, ob der Graben überhaupt ein kleines Gewässer nach § 2 Abs. 2 WHG in Gestalt eines Entwässerungsgrabens nach Art. 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 BayWG ist.
3. Die vom Kläger begehrte Stilllegung (im ausgelegten Sinne) würde eine Beseitigung oder eine wesentliche Umgestaltung im Sinne von § 67 Abs. 2 BayWG darstellen. Ein Gewässer wird beseitigt, wenn es seine Gewässereigenschaft etwa durch Verfüllung verliert, also als Gewässer verschwindet. Eine Umgestaltung liegt vor, wenn ein Gewässer in seiner bisherigen Gestalt verändert wird, etwa verlegt wird (vgl. Spieth in Giesberts/Reinhardt, BeckOK Umweltrecht, 58. Ed., Stand: 1.1.2021, § 67 Rn. 16/18; VG Göttingen, U.v. 12.12.1996 – 4 A 4623/94 – juris Rn. 21). Der Kläger zielt mit seiner Klage auf einen Zustand, in dem sein Grundstück von dem Graben in keiner Weise mehr berührt wird. Ob der Graben zugeschüttet oder in seinem Verlauf verändert wird, ist für ihn ohne Belang. Er erstrebt damit in jedem Falle einen Gewässerausbau; das würde auch gelten, wäre der klägerische Antrag auf Stilllegung nicht im ausgelegten (weiteren) Sinne, sondern (enger) wörtlich verstehen.
4. Ein Gewässerausbau bedarf nach § 68 Abs. 1 WHG einer Planfeststellung, in Ausnahmefällen einer Plangenehmigung nach § 68 Abs. 2 WHG. Auf beides hat der Kläger keinen Anspruch.
Ein Anspruch auf Gewässerausbau besteht nicht für den Einzelnen, wie sich Art. 39 BayWG entnehmen lässt. Hiernach ist der Träger der Unterhaltslast, soweit es das Wohl der Allgemeinheit erfordert und die Finanzierung gesichert ist, zum Ausbau des Gewässers verpflichtet. Abgesehen davon, dass vorliegend die Beseitigung allein privatwirtschaftlichen Grundstücksverwertungsinteressen und gerade nicht dem Allgemeinwohl dienen würde, ist diese Pflicht als öffentlich-rechtliche Verpflichtung ausgestaltet (Art. 39 Abs. 2 BayWG). Sie besteht als objektiv-rechtliche Verpflichtung nur gegenüber dem Gesetz – der Allgemeinheit -, nicht aber gegenüber Dritten. Fehlt aber eine besondere Verpflichtung gegenüber Dritten, so besteht auch für Dritte, selbst wenn sie rein tatsächlich durch einen Ausbau begünstigt würden, kein Rechtsanspruch gegenüber dem Ausbaulastträger (vgl. BayVGH, B.v. 31.8.2011 – 8 ZB 10.1961 – juris Rn. 21; BayVGH, B.v. 8.5.2008 – 22 B 06.3184 – juris Rn. 18; VG München, U.v. 10.2.2015 – M 2 K 14.2914 – juris Rn. 34).
Auch die gemäß Art. 22 Abs. 1 Nr. 3 BayWG den Gemeinden obliegende Unterhaltungslast für Gewässer dritter Ordnung kann keine Anspruchsgrundlage für das Ausbau- bzw. Beseitigungsbegehren des Klägers sein. Denn auch diese ist grundsätzlich nur gegenüber der Allgemeinheit zu erfüllen. Sie kann so nicht zu Rechtsansprüchen Einzelner gegenüber dem Unterhaltpflichtigen führen (vgl. BayVGH, B.v. 31.8.2011 – 8 ZB 10.1961 – juris Rn. 22; VG München, U.v. 10.2.2015 – M 2 K 14.2914 – juris Rn. 33). Ohnehin ist die Verletzung einer Unterhaltspflicht nicht erkennbar; die Beklagte zu 1) ist nicht verpflichtet, die „natürliche“ gewässermäßige Inanspruchnahme von Privatgrundstücken durch Beseitigung oder Verlegung eines Gewässers zu verhindern. Infolgedessen scheidet es vorliegend auch aus, einen – grundsätzlich möglichen – grundrechtlich fundierten Beseitigungsanspruch als Anspruchsgrundlage für das klägerische Begehren heranzuziehen (vgl. BayVHG, U.v. 2.2.2004 – 22 B 02.3084 – juris Rn. 17; HessVGH, U.v. 26.2.1997 – 7 UE 2907/94 – juris Rn. 23; s.a. zur möglichen Rechtsfolge „Gewässerausbau“ VG Bayreuth, U.v. 12.1.2006 – B 2 K 04.98 – juris Rn. 61). Der unterirdische Lauf des Grabens als Gewässer im „verrohrten Zustand“ bildet für den Kläger gegenüber dem natürlichen Verlauf des Gewässers an der Oberfläche, der das Grundstück natürlicherweise als Lagefaktor vorprägen würde, vielmehr einen Vorteil; so wird immerhin die oberflächige Nutzung des Grundstücks nicht eingeschränkt.
B. Die gegen die Beklagte zu 1) weiter hilfsweise erhobene Klage auf Verlegung des Kanals versteht das Gericht in sachgerechter Auslegung (§ 88 VwGO) als zuerst erhobenen Hilfsantrag, mit dem – da die Beseitigung der Rohre als Teil des Gewässers im Hauptantrag nicht verlangt werden kann – zumindest erstrebt wird, dass die Rohre nicht mehr benutzt werden. Diese Klage zielt damit auf einen öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch. Sie ist zulässig, aber unbegründet. Infolge der Qualifizierung des Grabens als Gewässer ist vom diesbezüglichen fehlenden Ausbauanspruch auch die Rohrleitung umfasst. Diese stellt keine eigene Anlage dar, deren Benutzung durch die Beklagte zu 1) isoliert aus eigentumsrechtlicher Perspektive unterlassen werden könnte (vgl. VG Stade, B.v. 23.5.2008 – 1 B 155/08 – juris Rn. 28; VG Göttingen, U.v. 12.12.1996 – 4 A 4623/94 – juris Rn. 21).
C. Die hilfsweise erhobene Klage auf Duldung der Errichtung einer Garage legt das Gericht als gegen die Beklagte zu 1) zuletzt erhobene Klage aus. Erst wenn das Gewässer vom Kläger hingenommen werden muss, hat es insoweit aus seiner Perspektive Sinn, die Gemeinde wenigstens zur Duldung des Bauprojekts zu verpflichten, dessen Verwirklichung bislang an der Existenz des Grabens gescheitert ist. Gleichwohl ist diese Klage unzulässig. Dem Kläger fehlt das Rechtsschutzbedürfnis. Abgesehen davon, dass die Errichtung der Garage genehmigungspflichtig sein dürfte (vgl. die Ausführungen des VG München, B.v. 27.4.2020 – M 11 S 19.6133 – Rn. 29 f. in dem vom Kläger betriebenen Eilrechtsverfahren gegen die verfügte Baueinstellung hinsichtlich der geplanten Fertiggarage) und insoweit vorrangig Klage auf Erteilung der Baugenehmigung – gerichtet gegen den Freistaat Bayern als Rechtsträger der zuständigen Genehmigungsbehörde – zu erheben war (vgl. das in der 11. Kammer des VG München anhängige Verfahren M 11 K 20.694), kommt es auf eine Duldung oder Nicht-Duldung durch die Gemeinde nicht an. Diese kann gegen den Kläger insoweit nicht einschreiten und hat dies auch nicht versucht. Die in der Vergangenheit bereits verfügte Baueinstellung hat – entsprechend der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung – das Landratsamt als Staatsbehörde ausgesprochen. Der geltend gemachte Duldungsanspruch gegen die Beklagte zu 1) kann insoweit die Rechtsposition des Klägers unter keinem denkbaren Gesichtspunkt verbessern.
D. Die Klage gegen den Beklagten zu 2) ist im Hauptantrag zulässig, aber unbegründet.
I. Der Kläger macht gegenüber dem Beklagten zu 2) in der Sache einen öffentlich-rechtlichen Beseitigungsanspruch geltend. Für dieses Begehren ist der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 VwGO eröffnet. Obwohl sich die Klage gegen den Bestand und Betrieb des durch eine im Grundbuch eingetragene beschränkt-persönliche Dienstbarkeit dinglich gesicherten Mischwasserkanal des Beklagten zu 2) richtet, macht der Kläger keinen (sachgerechten) Löschungsanspruch gegen die Dienstbarkeit geltend, über den die ordentlichen Gerichte zu befinden hätten (§ 13 GVG), sondern trägt einen öffentlich-rechtlich fundierten Anspruch vor. § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB ist nach ständiger Rechtsprechung bei Eigentumsstörungen durch (schlicht) hoheitliche Tätigkeit entsprechend anzuwenden (vgl. nur BayVGH, U.v. 8.2.2012 – 4 B 11.175 – juris Rn. 16).
Der Kläger ist zur Führung des Prozesses hinsichtlich des nach Klageerhebung veräußerten Grundstücks befugt. Den aus der Veräußerung der Streitsache entstehenden prozessualen Fragen trägt § 265 ZPO Rechnung, der gemäß § 173 VwGO auch im Verwaltungsgerichtsverfahren entsprechende Anwendung finden. Danach ist im Grundsatz davon auszugehen, dass ein rechtshängiges Verfahren unverändert fortgeführt wird, wenn der Kläger die streitbefangene Sache veräußert. Der Kläger (als Rechtsvorgänger) führt den Rechtsstreit im eigenen Namen – in Prozessstandschaft – weiter (BayVGH, U.v. 19.7.1989 – 8 A 87.40015 – NVwZ-RR 1990, 172/172 f.).
Streitbefangen ist die Sache, wenn die für das Verfahren maßgebliche Sachlegitimation einer Partei auf der rechtlichen Beziehung zu der Sache beruht und diese den unmittelbaren Gegenstand des Rechtsstreits bildet (vgl. Bacher in Vorwerk/Wolf, BeckOK ZPO, 41. Ed., Stand: 1.7.2021, § 265 Rn. 7 f.). Der Kläger macht vorliegend einen aus dem Eigentum resultierenden Beseitigungsanspruch geltend. Demnach ist gerade das Eigentum an dem Grundstück streitbefangen.
II. Die Klage ist unbegründet. Es kann dabei offen bleiben, ob der Kläger nach der sog. Relevanztheorie auch im Fall eines geltend gemachten Beseitigungsanspruchs seine Klage hinsichtlich seines Rechtsnachfolgers umstellen muss (vgl. Becker-Eberhard in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2020, § 265 Rn. 83 ff.). Denn ohnehin hat der Kläger keinen Anspruch gegen den Beklagten zu 2) auf „Stilllegung“ des Mischwasserkanals. Das Gericht geht auch hier davon aus, dass mit „Stilllegung“ die Beseitigung des gesamten Kanals (bestehend aus Leitung und Wasser) durch tatsächliche (Bau-)Maßnahmen des Beklagten zu 2) erstrebt wird (§ 88 VwGO).
Die Nutzung des Grundstücks durch den Beklagten zu 2) stellt einen Eingriff in das Eigentum des Klägers bzw. seines Rechtsnachfolgers dar, ist aber gerechtfertigt. Ein Beseitigungsanspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer aufgrund einer dinglichen Sicherung, einer vertraglichen Vereinbarung oder nach privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Vorschriften zur Duldung des Kanals verpflichtet ist (vgl. nur BayVGH, U.v. 8.2.2012 – 4 B 11.175 – juris Rn. 19).
Vorliegend besteht seit 1979 eine dingliche Sicherung für u.a. die Verlegung des Kanals. Die ursprünglich für die Beklagte zu 1) eingetragene Dienstbarkeit aus dem Jahr 1979 ist auf den Beklagten zu 2) übertragen worden. Er ist seither begünstigt und nutzt die Begünstigung auch. Zum Schutz der materiellen Rechtslage, die der Beklagte zu 2) für sich in Anspruch nimmt, statuiert § 891 Abs. 1 BGB eine widerlegbare Vermutung für das Bestehen des im Grundbuch eingetragenen Rechts, hier der Verlegung und des Belassens des Kanals. Diese Vermutung gilt für alle gerichtlichen oder behördlichen Verfahren (vgl. BVerwG, B.v. 16.8.2005 – 10 B 43/05 – juris Rn. 7; Artz in Erman, BGB, 16. Aufl. 2020, § 891 Rn. 17a), und zwar auch dann, wenn nicht spezielle Vorschriften unmittelbar an das Grundbuch anknüpfen (vgl. § 12 Abs. 1 Satz 1 Flurbereinigungsgesetz, hierzu BayVGH, U.v. 4.2.2016 – 13 A 15. 438 – Rn 16). Mit Blick auf den Grundsatz der Amtsermittlung nach § 86 VwGO ist die Bindung nicht strikt. § 891 Abs. 1 BGB schränkt allerdings den Untersuchungsgrundsatz ein (BVerwG, B.v. 16.8.2005 – 10 B 43/05 – juris Rn. 7). Das Gericht kann so lange von der Richtigkeit des Grundbuchs ausgehen, wie der Vortrag der Beteiligten keine Zweifel an der Richtigkeit des Grundbuchs begründen (vgl. Picker in Staudinger, BGB, Bearbeitung 2019, § 891 Rn. 75; Krause in Ring/Grziwotz/Keukenschrijver, BGB. Sachenrecht, § 891 BGB Rn. 35). Werden solche Zweifel begründet, muss das Gericht, da § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG auf Vorfragen keine Anwendung findet, in analoger Anwendung des § 94 VwGO das Verfahren aussetzen und den Kläger unter Fristsetzung (wohl nach § 926 ZPO analog) dazu anhalten, die Frage der Richtigkeit des Grundbuchs vor den ordentlichen Gerichten klären zu lassen (vgl. BayVGH, B.v. 9.4.2003 – 20 CS 03.525 – juris Rn. 15 unter Bezugnahme auf BVerwG, U.v. 12.2.1987 – 3 C 22/86 – juris Rn. 38; der dort in Rn. 39 analog angewendete § 151 ZPO bzgl. der Fristsetzung wurde 1998 aufgehoben).
Solche Zweifel hat der Kläger durch seinen Vortrag aber nicht begründet. Es bestehen keine Zweifel am Entstehen der Dienstbarkeit und an ihrem Fortbestehen und damit auch keine Zweifel an der Richtigkeit des Grundbuchs. Die vom Kläger erhobenen Nichtigkeitsgründe mögen das Kausalgeschäft seiner Rechtsvorgänger – zu dem der Kläger ohnehin nichts vorgetragen hat – betreffen, führen aber infolge des Abstraktionsprinzips nicht zur Nichtigkeit der Dienstbarkeit. Eine Ausnahme, die zur Durchbrechung des Abstraktionsprinzips führt, ist nicht ersichtlich (vgl. Kazele in BeckOGK, BGB, Stand: 1.5.2021, § 1090 Rn. 65). Im Kern bringt der Kläger nur sein rechtlich nicht relevantes Missfallen an der Fremdnutzung seines Grundstücks, das er bereits belastet erworben hat, zum Ausdruck. Es sind auch keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass die Dienstbarkeit kraft Gesetzes erloschen sein könnte. Sie erlischt kraft Gesetzes insbesondere, wenn an ihr objektiv dauerhaft kein schutzwürdiges Interesse mehr besteht, weil ihre Ausübung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen dauernd unmöglich geworden ist (vgl. Kazele in BeckOGK, BGB, Stand: 1.5.2021, § 1090 Rn. 85). Dies ist jedoch ersichtlich nicht der Fall. Der Beklagte zu 2) hat schriftsätzlich und in der mündlichen Verhandlung deutlich gemacht, dass der Kanal – trotz u.a. baulicher Veränderungen auf dem sog. Prix-Gelände – nach wie vor benutzt und auch benötigt wird. Der Vortrag des Klägers läuft auf eine nachträgliche Alternativenprüfung hinaus. Selbst mögliche konkret schon bestehende Alternativen zur Benutzung des auf dem klägerischen Grundstück verlaufenden Kanals lassen das objektive Interesse des Beklagten zu 2) jedoch grundsätzlich nicht entfallen. Es wäre mit dem Sinn einer Dienstbarkeit erkennbar unvereinbar, müsste der Begünstigte sich einen Wegfall seines Interesses schon dann entgegenhalten lassen, wenn er – im konkreten Fall – durch Errichtung eines anderen Kanals das Mischwasser anderweitig transportieren könnte. Eine andere Leitungsführung wird nahezu immer denkbar sein; das kann ersichtlich nicht genügen. Auch ein Fall des § 84 Abs. 2 lit. b GBO ist nicht gegeben.
Vor diesem Hintergrund geht das Gericht von der Richtigkeit des Grundbuchs und infolgedessen vom Bestehen einer beschränkt-persönlichen Dienstbarkeit zugunsten des Beklagten zu 2) aus, die dessen Handeln legitimiert. Ein Anspruch auf Beseitigung des Kanals besteht daher nicht.
E. Aus dem gleichen Grund ist der Beklagte zu 2) auch berechtigt, Wasser durch den Kanal zu leiten. Der hilfsweise erhobene Unterlassungsanspruch hat daher ebenfalls keinen Erfolg.
F. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


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