Baurecht

Versagung einer Erlaubnis zur Erstaufforstung auf einer Nasswiese

Aktenzeichen  Au 8 K 17.1629

Datum:
20.11.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 36223
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayWaldG Art. 16, Art. 42 Abs. 2
BNatSchG § 30 Abs. 2 S. 1 Nr. 2
GG Art. 14 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Für die Stellungnahmen staatlicher Fachstellen, die sich durch die jahrelange Bearbeitung eines bestimmten Gebiets auszeichnen und nicht nur Aktenvorgänge im Einzelfall auswerten, ist anerkannt, dass diesen grundsätzlich ein wesentlich größeres Gewicht als Expertisen von privaten Fachinstituten zukommt. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
2 Nach § 30 BNatSchG erfasste Biotope sind kraft Gesetzes geschützt. Es bedarf keiner gesonderten Unterschutzstellung durch Verordnung oder Verwaltungsakt, auch die Kenntnis des betroffenen Grundstücksbesitzers oder eine Unterrichtung über den Schutzstatus ist nicht erforderlich. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
3 Die Aufforstung einer seggen- und binsenreichen Nasswiese mit Schwarzerlen, um das dort wachsende Wasserkreuzkraut durch Lichtentzug zum Absterben zu bringen, würde zur Zerstörung des Biotops durch Verschattung und Wasserentzug führen, wodurch wesentliche Belange des Naturschutzes gefährdet wären. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
4 Die Versagung einer Aufforstungserlaubnis zielt nicht final darauf ab, dem Eigentümer die Nutzung seines Grundeigentums zur Aufforstung zu entziehen, sondern darauf, naturschutzrechtliche Belange effektiv durchzusetzen. Auf jedem Grundstück lastet eine aus der Situationsgebundenheit abzuleitende immanente Beschränkung der Rechte des Eigentümers, vor allem in Bezug auf die Erfordernisse des Natur- und Denkmalschutzes. (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die von der Klägerin erhobene Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO) ist zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Erteilung einer Erlaubnis zur Erstaufforstung auf dem streitgegenständlichen Grundstück aus Art. 16 Abs. 2 BayWaldG.
1. Die Bepflanzung der streitgegenständlichen Fläche mit Schwarzerlen stellt eine Aufforstung eines nicht forstlich genutzten Grundstücks mit Waldbäumen dar und ist daher gemäß Art. 16 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BayWaldG erlaubnispflichtig. Eine Aufforstung liegt vor, wenn eine Grundfläche mit Forstpflanzen bestockt, also Wald im Sinne des § 2 BWaldG geschaffen wird. Gemäß § 2 Abs. 2 BWaldG sind in der Flur oder im bebauten Gebiet gelegene kleinere Flächen, die mit einzelnen Baumgruppen, Baumreihen oder mit Hecken bestockt sind oder als Baumschulen verwendet werden, kein Wald (BayVGH, U.v. 25.10.2000 – 19 B 98.2562 – juris Rn. 43). Die vom Kläger auf einer Fläche von 0,83 ha im Verband von 1,5 m x 1,5 m (etwa 5.000 Pflanzen/Hektar) engmaschig gepflanzten Schwarzerlen lassen sich jedoch nicht mehr als eine Baumgruppe ansehen, geschweige denn als Baumreihe. Bei der Schwarzerle handelt es sich um einen Waldbaum i.S.d. Art. 16 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 BayWaldG (Zerle/Hein/Brinkmann/Foerst/ Stöckel, Forstrecht in Bayern, 2. Aufl. Stand Mai 2018, Art. 2 BayWaldG Rn. 2).
2. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Erteilung einer Erlaubnis zur Erstaufforstung auf dem streitgegenständlichen Grundstück. Zwar besteht auf die Erteilung der Erlaubnis zur Erstaufforstung grundsätzlich ein Rechtsanspruch, die Erlaubnis darf jedoch unter den in Art. 16 Abs. 2 BayWaldG genannten Voraussetzungen versagt werden. Gemäß Art. 16 Abs. 2 BayWaldG darf die Erlaubnis nur versagt werden, wenn die Aufforstung Plänen im Sinn des Art. 3 BayNatSchG widerspricht, wenn wesentliche Belange der Landeskultur oder des Naturschutzes und der Landschaftspflege gefährdet werden, der Erholungswert der Landschaft beeinträchtigt wird, oder erhebliche Nachteile für die umliegenden Grundstücke zu erwarten sind. Im vorliegenden werden durch die Aufforstung wesentliche Belange des Naturschutzes gefährdet.
Wesentliche Belange des Naturschutzes sind durch eine Erstaufforstung gefährdet, wenn diese im Widerspruch zu anderen Rechtsvorschriften steht und die Voraussetzungen für eine Zulassung nach diesen Vorschriften nicht bestehen (Zerle/Hein/Brinkmann/Foerst/Stöckel, a.a.O., Art. 16 BayWaldG Rn. 11). Im vorliegend zu entscheidenden Fall widerspricht die Aufforstung der Vorschrift des § 30 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG. Gemäß § 30 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG sind Handlungen, die zu einer Zerstörung oder einer sonstigen erheblichen Beeinträchtigung seggen- und binsenreicher Nasswiesen führen können, verboten.
a) Das Gericht ist auch unter Berücksichtigung des klägerischen Vorbringens zur Biotopeigenschaft im Schriftsatz vom 9. November 2018 nach den Ausführungen des Vertreters der unteren Naturschutzbehörde in der mündlichen Verhandlung vom 20. November 2018 der Überzeugung, dass es sich bei der streitgegenständlichen Fläche um eine seggen- und binsenreiche Nasswiese und damit um ein gesetzlich geschütztes Biotop i.S.d. § 30 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG handelt.
In der mündlichen Verhandlung hat der Vertreter der unteren Naturschutzbehörde dargelegt, dass er die streitgegenständliche Fläche am 15. Oktober 2018 besucht und dabei festgestellt hat, dass die Voraussetzungen des § 30 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG erfüllt sind. Die streitgegenständliche Fläche ist weiterhin zu mehr als 50% von Seggen und Binsen bedeckt, wobei der Bewuchs mit Seggen deutlich überwiege (S. 2 der Niederschrift). Bei der Frage, ob die streitgegenständliche Fläche ein gesetzlich geschütztes Biotop i.S.d. § 30 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG darstellt, kommt der Stellungnahme der unteren Naturschutzbehörde ein erhebliches tatsächliches Gewicht zu. Gemäß Art. 44 Abs. 2 Satz 1 BayNatSchG obliegt der Vollzug des Bundesnaturschutzgesetzes und dieses Gesetzes sowie der Vollzug der auf Grund dieser Gesetze erlassenen Rechtsverordnungen, soweit nichts anderes bestimmt ist, den unteren Naturschutzbehörden. Gemäß Art. 43 Abs. 3 BayNatSchG werden die unteren Naturschutzbehörden mit hauptamtlichen Fachkräften ausgestattet. Zusätzlich räumt Art. 42 Abs. 2 BayWaldG der unteren Naturschutzbehörde im behördlichen Verfahren zur Erteilung einer Erlaubnis zur Erstaufforstung von Gesetzes wegen die Stellung eines Fachgutachters ein. Für die Stellungnahme staatlicher Fachstellen, die sich durch die jahrelange Bearbeitung eines bestimmten Gebiets auszeichnen und nicht nur Aktenvorgänge im Einzelfall auswerten, ist anerkannt, dass diesen grundsätzlich ein wesentlich größeres Gewicht als Expertisen von privaten Fachinstituten wie etwa den (nicht vorgelegten) Stellungnahmen von * e.V. und Frau Dipl. Ing.agr. * zukommt (vgl. BayVGH, B.v. 17.8.2017 – 19 ZB 16.164 – juris Rn. 32; BayVGH, U.v. 2.8.2018 – 2 B 18.742 – juris Rn. 45; VG Würzburg, U.v. 22.10.2018 – W 8 K 18.91 – juris Rn. 29). Von daher überzeugt das Gericht die pauschale Aussage des Klägerbevollmächtigten während des Ortstermins am 28. Juni 2018, dass die streitgegenständliche Wiese aufgrund mangelnder Quantität und Qualität geschützter Pflanzen kein Biotop sei (S. 3 des Augenscheinprotokolls), nicht. Gleiches gilt für die dahingehenden Ausführungen im Schriftsatz vom 9. November 2018, die streitgegenständliche Fläche habe spätestens aufgrund des trockenen Sommers 2018 ihren Charakter als Nasswiese verloren, insbesondere unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Vertreter der unteren Naturschutzbehörde am 15. Oktober 2018 die Wiese aufgesucht und dabei festgestellt hat, dass die Voraussetzungen des § 30 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG erfüllt sind.
Das Gericht durfte die fachliche Wertung der unteren Naturschutzbehörde ohne weiteren Sachverständigenbeweis seiner Überzeugungsbildung zugrunde legen. Die Notwendigkeit einer Abweichung von fachbehördlichen Wertungen und Beweiserhebung durch das Gericht (vgl. § 86 Abs. 1 VwGO) ist erst dann geboten, wenn sich dem Gericht der Eindruck aufdrängt, dass die fachliche Äußerung tatsächlich oder rechtlich unvollständig, widersprüchlich oder aus anderen Gründen fehlerhaft ist (BayVGH, B.v. 17.8.2017 – 19 ZB 16.164 – juris Rn. 32). Einen solchen Eindruck hat das Gericht im vorliegenden Fall jedoch nicht gewonnen. Für die Einschätzung der unteren Naturschutzbehörde sprechen die Erwägungen des Gesetzgebers im Rahmen des § 30 BNatSchG (BT-Drs. 14/6378, S. 66 f.). Danach ist eine seggen- und binsenreiche Nasswiesen kennzeichnende Pflanzengesellschaft das Wassergreiskraut, auch bekannt als Wasserkreuzkraut. Da Anstoß dieses Verfahren gerade die Existenz dieser Pflanze auf der streitgegenständlichen Fläche ist, erscheint dem Gericht die Einordnung dieser als Biotop i.S.d. § 30 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG plausibel und nachvollziehbar.
An der Eigenschaft der streitgegenständlichen Fläche als Biotop i.S.d. § 30 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG ändert auch der Vortrag der Klägerin, sie habe bis zum Bescheid des Beklagten nicht gewusst, dass es sich bei der aufgeforsteten Fläche um ein Biotop handelt, nichts. Gleiches gilt für das klägerische Vorbringen, die Klägerin sei hinsichtlich der Kartierung weder gefragt noch sei ihr diese mitgeteilt worden. Wie schon aus der Überschrift des § 30 BNatSchG ersichtlich sind die erfassten Biotope unmittelbar kraft Gesetzes geschützt, so dass hierzu keine gesonderte Unterschutzstellung durch Verordnung oder Verwaltungsakt notwendig ist. Die Registrierung der geschützten Biotope gemäß § 30 Abs. 7 BNatSchG ist lediglich deklaratorischer Natur, so dass auch nicht registrierte Biotope unmittelbar geschützt sind. Die Kenntnis des Betroffenen bzw. eine persönliche Unterrichtung dessen über den Schutzstatus ist demnach nicht erforderlich (vgl. Albrecht in BeckOK Umweltrecht, 48. Edition Stand: 1.4.2018, § 30 BNatSchG Rn. 21, 41).
b) Die Aufforstung kann auch zu einer Zerstörung oder sonstigen erheblichen Beeinträchtigung der seggen- und binsenreichen Nasswiese führen. Nach unwidersprochenem Vortrag der unteren Naturschutzbehörde führt die Aufforstung der streitgegenständlichen Fläche durch Verschattung und Wasserentzug zu einer Zerstörung des Biotops (Bl. 35 der Gerichtsakte). Dies ist für das Gericht auch plausibel, da die Pflanzung der Schwarzerlen gerade zu dem Zweck erfolgte, das Wasserkreuzkraut durch Lichtentzug zum Absterben zu bringen.
c) Auch die Zulassung einer Ausnahme (§ 30 Abs. 3 BNatSchG i.V.m. Art. 23 Abs. 3 satz 1 BayNatSchG) von den Verboten des § 30 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG kommt nicht in Betracht. Nach unwidersprochenem Vortrag der unteren Naturschutzbehörde kann die Zerstörung der großflächigen Feuchtwiese nicht ausgeglichen werden.
d) Da durch die Aufforstung wesentliche Belange des Naturschutzes gefährdet werden, darf der Beklagte die Erlaubnis gemäß Art. 16 Abs. 2 BayWaldG versagen. Im Rahmen des dem Beklagten damit eingeräumten Ermessens hat eine umfassende Abwägung der gegenläufigen Interessen zu erfolgen. Das Gericht hat keine durchgreifenden Bedenken gegen die Ermessensausübung des Beklagten im streitgegenständliche Bescheid vom 11. Oktober 2017. Unter Ausübung pflichtgemäßen Ermessens ist die Behörde zu dem vertretbaren Ergebnis gelangt, die beantragte Erstaufforstungserlaubnis zu versagen.
Eine gerichtliche Kontrolle einer Ermessensausübung ist nur eingeschränkt möglich. Nach § 114 Satz 1 VwGO prüft das Gericht nur, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Dem Gericht ist es versagt, die behördlichen Ermessenserwägungen durch eigene zu ersetzen; es darf die Entscheidung nur auf Ermessensfehler (Ermessensausfall, Ermessensdefizit, Ermessensfehlgebrauch) hin überprüfen. Des Weiteren kann die Verwaltungsbehörde ihre Ermessenserwägung hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen (§ 114 Satz 2 VwGO).
aa) Im streitgegenständlichen Bescheid vom 11. Oktober 2017 hat der Beklagte ausgeführt, dass er in „Ausübung pflichtgemäßen Ermessens“ zum Ergebnis gekommen sei, die beantragte Erstaufforstungserlaubnis zu versagen. Die Ermessenserwägungen des Beklagten aus dem Schriftsatz vom 5. Februar 2018 stellen daher eine gemäß § 114 Satz 2 VwGO zulässige Ergänzung der behördlichen Ermessenserwägungen dar, da lediglich unvollständige Ermessenserwägungen ergänzt wurden (Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 114 Rn. 50), insbesondere da die Klägerin in ihrem Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis nach Art. 16 BayWaldG vom 3. August 2018 keine Ausführungen zur Gefährdung ihrer wirtschaftlichen Existenz gemacht hat.
bb) Das Gericht kann unter Einbeziehung der im Laufe des Gerichtsverfahrens möglichen Ergänzungen keine Ermessensüberschreitung des Beklagten im Zusammenhang mit der von der Klägerin vorgetragenen existenziellen Gefährdung ihres Betriebs erkennen. Eine Ermessensüberschreitung liegt vor, wenn die Behörde sich nicht im Rahmen in der ihr vom Gesetz gegebenen Ermächtigung hält, wobei Grenzen sich insbesondere aus dem Verfassungsrecht ergeben können (Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, § 114 Rn. 7).
Im Zusammenhang mit der von der Klägerin vorgetragenen existentiellen Gefährdung ihres Betriebs kommt es im Rahmen der Ermessenausübung nicht auf den vom Bevollmächtigten der Klägerin in der Klagebegründung vom 20. Dezember 2017 angeführten Schutz der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG, sondern nur auf die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG an. Die Eigentumsgarantie schützt das Erworbene, also die Ergebnisse geleisteter Arbeit, Art. 12 Abs. 1 GG dagegen den Erwerb, mithin die Betätigung selbst (BVerfG, B.v. 8.6.2010 – 1 BvR 2011/07, 1 BvR 2959/07 – juris Rn. 84). Da es im vorliegenden Fall um einen bereits bestehenden Betrieb und somit um das Ergebnis geleisteter Arbeit geht, ist Art. 14 GG anwendbar.
Mit seinen Ermessenserwägungen im Rahmen der vollständigen Versagung der Erlaubnis überschreitet der Beklagte nicht die vom Grundrecht auf Eigentum gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gesetzten Grenzen. Hinsichtlich des Eigentums an Grundstücken ist zwar der Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG eröffnet (BVerfG, B.v. 8.4.1998 – 1 BvR 1680/93, 1 BvR 183/94, 1 BvR 1580/94 – juris Rn. 71), jedoch stellt die Versagung der Erlaubnis i.S.d. Art. 16 BayWaldG entgegen der klägerischen Ansicht keine Enteignung, sondern eine Inhalts- und Schrankenbestimmung i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar. Unter Enteignung versteht man die vollständige oder teilweise Entziehung konkreter durch Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG gewährleisteter Rechtspositionen zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben. Mit der Enteignung greift der Staat auf das Eigentum des Einzelnen zu und löst die rechtliche Zuordnung eines eigentumsrechtlich geschützten Vermögensgutes zu dem bisherigen Rechtsinhaber auf. Eine Enteignung liegt dann jedoch nicht vor, wenn sich die Entziehung des Eigentums als zufällige Nebenfolge staatlichen Handelns darstellt, denn die Enteignung muss auf den Entzug des Eigentums zielen und ihn gerade bezwecken, also final sein (BVerfG, U.v. 17.12.2013 – 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08 – juris Rn. 161 f.; Axer in Epping/Hillgruber, BeckOK zum Grundgesetz, 38. Edition, Stand: 15.8.2018, Art. 14 Rn. 73 f.). Die Versagung der Erlaubnis i.S.d. Art. 16 BayWaldG zielt jedoch nicht final darauf ab, der Klägerin die Nutzung ihres Grundeigentums zur Aufforstung zu entziehen, sondern darauf, naturschutzrechtliche Belange effektiv durchzusetzen, so dass Rechte und Pflichten der Klägerin generell und abstrakt festgelegt werden.
Die Eigentumsbeschränkung ist auch verhältnismäßig, insbesondere angemessen. Die Grenze der Zumutbarkeit wird bei einer Gesamtwürdigung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn tragenden Gründe gewahrt. Insbesondere wird die grundsätzliche Anerkennung des Privateigentums durch Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG einerseits und die Sozialpflichtigkeit (Art. 14 Abs. 2 GG) andererseits berücksichtigt und in ein ausgewogenes Verhältnis gebracht.
Wie der Beklagte in der Klageerwiderung vom 5. Februar 2018 plausibel und nachvollziehbar ausführt, ist die Beeinträchtigung des von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Grundrechts auf Eigentum zu Lasten der Klägerin nicht so intensiv, dass die Klägerin in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht wäre.
Zwischen den Beteiligten ist unstrittig, dass das Wasserkreuzkraut eine zweijährige Pflanze ist. Zwar wird eine Vielzahl an flugfähigen Samen produziert, jedoch bildet sich im ersten Jahr nur die am Boden befindliche Rosette aus. Erst im Folgejahr wächst der Stängel mit Blüte, so dass erst ab diesem Zeitpunkt eine Vermehrung möglich ist. Dem Gericht erscheint es daher nachvollziehbar, dass eine Ausbreitung des Wasserkreuzkrautes auf Ackerflächen praktisch unmöglich ist, da durch ein jährliches Umpflügen der Ackerflächen schon die Rosette beseitigt wird und es somit mangels Stängel- und Blütenbildung nicht zu einem Ausstreuen der flugfähigen Samen kommt. Dafür spricht auch, dass die Klägerin laut Aussage eines ihrer Gesellschafter während des gerichtlichen Ortstermins am 28. Juni 2018 auf den Ackerflächen nur vereinzelt Wasserkreuzkraut feststellen konnte (S. 3 des Augenscheinprotokolls). Zu einer weiteren Verringerung der Schutzwürdigkeit der Klägerin führt der Umstand, dass der Klägerin zur Bekämpfung des Wasserkreuzkrautes nicht nur die Möglichkeit einer Aufforstung mit Schwarzerlen zur Verfügung stand, sondern die Klägerin zur Ausdunkelung der streitgegenständlichen Fläche mit einem etwa zehn Zentimeter hohen Schnitt die Gräserentwicklung fördern und dem Wasserkreuzkraut dadurch das Licht nehmen hätte können. Dass dies bisher nicht versucht wurde sowie die Tatsache, dass die Klägerin beim ursprünglich erfolgten manuellen Ausstechen versäumt hat, die Grasnarben wieder zu verschließen (S. 5 des Augenscheinprotokolls), geht zu ihren Lasten.
Andererseits misst der Beklagte den die Versagung tragenden Gründen nachvollziehbar und verständlich erhebliches Gewicht zu. Dem Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen durch Art. 20a GG kommt verfassungsrechtlicher Rang zu. Die Beeinträchtigung dieses Belangs wurde seitens des Beklagten als schwerwiegend gewertet, da laut Stellungnahme der unteren Naturschutzbehörde vom 11. Januar 2018 die Aufforstung durch Verschattung und Wasserentzug zu einer Zerstörung des Biotops führen würde. Zusätzlich gehören gemäß Ziffer 3.4.2 des Arten- und Naturschutzprogramm des Bayerischen Landesamts für Umwelt (LfU) für den Landkreis Unterallgäu (Art. 46 Nr. 12 BayNatSchG i.V.m. Art. 19 BayNatSchG) nicht aufgedüngte und nicht entwässerte Feuchtwiesen zu den ausgesprochen seltenen und zugleich hochgefährdeten Wiesengemeinschaften, die zumeist nur noch in bescheidenen Restflächen und nur noch ausnahmsweise in einem weiträumigen Komplexzusammenhang mit den zugeordneten Bachläufen einerseits und den bachferner liegenden Streuwiesen andererseits vorgefunden werden können (https://www.lfu.bayern.de/natur/absp_lkr_stadt/ index.htm#stadt). Da gemäß Art. 46 Nr. 1 BayNatSchG das LfU die Naturschutzbehörden fachlich berät, hat auch dieses die Stellung eines Fachgutachters inne, so dass sich der Beklagte auf die Erkenntnisse des LfU nach oben dargelegten Maßstäben stützen durfte.
Nachvollziehbar und plausibel räumt der Beklagte im Rahmen der erforderlichen umfassenden Abwägung der gegenläufigen Interessen den öffentlichen Belangen Vorrang ein. Die o.g. starke Gefährdung des Art. 20a GG überwiegt das von der Klägerin angeführte Grundrecht auf Eigentum aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG, da eine existentielle Gefährdung des Betriebs nicht erkennbar ist. Dies gilt insbesondere unter Beachtung der Sozialbindung des Eigentums. Gemäß Art. 14 Abs. 2 Satz 2 GG soll der Gebrauch des Eigentums zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. Grundstücke werden dabei durch ihre Lage und Beschaffenheit sowie ihre Einbettung in die Landschaft und Natur, also ihre “Situation”, geprägt. Auf diese „Situation“ muss der Eigentümer bei der Ausübung seiner Befugnisse im Hinblick auf die Sozialbindung des Eigentums Rücksicht nehmen. Daher lastet auf jedem Grundstück eine aus der Situationsgebundenheit abzuleitende immanente Beschränkung der Rechte des Eigentümers, aus der sich Schranken seiner Nutzungs- und Verfügungsmacht, vor allem in Bezug auf die Erfordernisse des Natur- und Denkmalschutzes, ergeben. Wie diese Grenzen im Einzelfall zu ziehen sind, ist jeweils aufgrund einer wertenden Beurteilung der Kollision zwischen den berührten Belangen des Allgemeinwohls und den betroffenen Eigentümerinteressen festzustellen. Eine situationsbedingte Belastung des Grundstücks kann angenommen werden, wenn ein vernünftiger und einsichtiger Eigentümer, der auch das Gemeinwohl nicht aus dem Auge verliert, von sich aus im Blick auf die Lage und die Umweltverhältnisse seines Geländes von bestimmten Formen der Nutzung absehen würde (BGH, U.v. 26.1.1984 – III ZR 216/82 – juris Rn. 23; BayVGH, U.v. 25.10.2000 – 19 B 98.2562 – juris Rn. 73 f.). Nach diesem Leitbild des vernünftigen und einsichtigen Eigentümers würde die Klägerin von der Aufforstung der streitgegenständlichen Fläche absehen. Die Schwarzerlen sind erst nach mehreren Jahren so groß, dass sie die Fläche hinreichend ausdunkeln und das Wasserkreuzkraut zum Absterben bringen würden. Bis dies jedoch so weit wäre, hätte sich das Wasserkreuzkraut auf die umliegenden Flächen verbreiten können. Die Aufforstung mit Schwarzerlen stellt sich daher als Maßnahme dar, die zur Bekämpfung des Wasserkreuzkrauts auf der streitgegenständlichen Fläche nicht geeignet ist. Zudem ist die Nasswiese nach dem Vertragsnaturschutzprogramm förderfähig, so dass die Klägerin durch Teilnahme an diesem Programm zusätzliche Mittel erhalten könnte (vgl. VG Augsburg, U.v. 5.7.2016 – Au 3 K 15.1039 – juris Rn. 120). Bei dieser nachvollziehbaren Gesamtwürdigung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn tragenden Gründe wird die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt. Insbesondere wird die grundsätzliche Anerkennung des Privateigentums durch Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG einerseits und die Sozialpflichtigkeit (Art. 14 Abs. 2 GG) andererseits berücksichtigt und in ein ausgewogenes Verhältnis gebracht. Angesichts der eben dargelegten Erwägungen scheidet auch eine Ermessensreduktion auf Null auf Seiten des Beklagten aus.
3. Nach allem hat die Klägerin keinen Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis zur Erstaufforstung der streitgegenständlichen Fläche. Die Klage war somit abzuweisen. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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