Baurecht

Verunstaltung durch Werbeanlage (Großflächenwerbetafel) an Giebelwand

Aktenzeichen  AN 9 K 15.01536

Datum:
1.9.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO BayBO Art. 8 S. 1, S. 2
BauGB BauGB § 34 Abs. 1 S. 2

 

Leitsatz

Schützenswert ist ein Ortsbild im Sinn des § 34 Abs. 1 S. 2 BauGB nur dann, wenn es einen besonderen Charakter, eine gewisse Eigenheit aufweist, die dem Ort oder dem Ortsteil eine aus dem Üblichen herausragende Prägung verleiht. (redaktioneller Leitsatz)
Eine Werbeanlage verunstaltet das Straßenbild im Sinn des Art. 8 S. 2 BayBO, wenn sich in der näheren Umgebung keine vergleichbar aufdringliche und grelle Werbeanlage befindet, so dass das Vorhaben als wesensfremdes Gebilde zu seiner Umgebung in keinerlei Bezug mehr steht. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung, der Ablehnungsbescheid des Landratsamtes … vom 27. August 2015 verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Dem Vorhaben stehen zwar keine bauplanungsrechtlichen Gründe entgegen, die Prüfungsgegenstand nach Art. 59 Satz 1 Nr. 1 BayBO im vereinfachten Genehmigungsverfahren sind. Insbesondere fügt sich das Vorhaben nach dem hier mangels Vorliegens eines qualifizierten Bebauungsplans einschlägigen § 34 Abs. 1 BauGB ein. Bedenken gegen die Zulässigkeit des Vorhabens hinsichtlich der Art der Nutzung als Gewerbebetrieb sind angesichts der in der näheren Umgebung vorhandenen Mischung aus Wohn- und gewerblichen Nutzungen nicht vorhanden, solche wurden auch von den Beteiligten nicht geäußert.
Auch im Hinblick auf die sonstigen Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 BauGB fügt sich das Vorhaben hier ein, insbesondere wird auch nicht das bauplanungsrechtlich maßgebliche Ortsbild im Sinn des § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB beeinträchtigt. Denn schützenswert ist das Ortsbild im Sinn dieser Vorschrift nur dann, wenn es einen besonderen Charakter, eine gewisse Eigenheit aufweist, die dem Ort oder dem Ortsteil eine aus dem Üblichen herausragende Prägung verleiht, wobei es auf das Erscheinungsbild zumindest eines größeren Bereichs der Gemeinde ankommt (vgl. BayVGH, U.v. 8.5.2008 – 2 B 08.212 – juris). Davon kann vorliegend insbesondere nach dem Ergebnis des Augenscheins nicht ausgegangen werden, da der kleine Platz unmittelbar vor der gegenständlichen Giebelwand ebenso wenig wie der nördlich daran angrenzende Bereich jenseits der … einen solchen besonderen Charakter oder eine besondere Eigenheit besitzt, sondern ein im Wesentlichen zwar ansprechendes, aber in vielen fränkischen Ortschaften übliches und keinesfalls besonders schützenswertes Erscheinungsbild aufweist.
Dem Vorhaben der Klägerin stehen aber bauordnungsrechtliche Gründe entgegen, die zwar im vereinfachten Genehmigungsverfahren nicht Prüfungsmaßstab nach Art. 59 Satz 1 Nr. 1 BayBO sind, auf die sich die Beklagte aber im angefochtenen Bescheid bei ihrer Entscheidung gestützt hat, so dass diese nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 BayBO ebenfalls Prüfungsgegenstand im gerichtlichen Verfahren sind.
Nach Art. 8 Satz 2 BayBO dürfen bauliche Anlagen das Straßen-, Orts- und Landschaftsbild nicht verunstalten. Die beantragte Werbeanlage verunstalte das Orts- und Straßenbild im Sinn des Art. 8 Satz 2 BayBO durch die Verunstaltung des Gebäudes selbst, an welchem sie angebracht werden soll und durch die hiervon ausgehende Auswirkung auf das umgebende Straßenbild, da der erforderliche maßvolle Kontrast zur vorhandenen näheren Umgebung nicht gegeben ist. Die Umgebung, die dabei zur Beurteilung heranzuziehen ist, bestimmt sich nach dem Umfang der gestalterischen Auswirkungen der baulichen Anlage (vgl. BayVGH v. 16.2.2016 – 2 ZB 15.2503 – juris). Relevante Umgebung ist nach dem Ergebnis des durchgeführten Augenscheins der Bereich nördlich und östlich des Baugrundstücks, soweit die geplante Werbeanlage von dort wahrgenommen werden kann, d. h. im Wesentlichen das Grundstück FlNr. …, das Anwesen …mit u. a. der Sparkassengeschäftsstelle sowie der Bereich nördlich der …, östlich der … mit den Hausnummern …, westlich davon die am kleinen Platz gelegenen Nummern … bis ….
Die Umgebung besitzt einen dörflichen Charakter mit zum Teil ansprechend gestalteten Gebäuden mit Wohnungen und Läden sowie zwei kleineren Bankfilialen, die das typische Gepräge eines fränkischen Dorfes darstellen. Werbeanlagen sind in dieser Umgebung nur zurückhaltend und relativ dezent vorhanden, so für die Bäckerei mit Cafe auf dem Baugrundstück sowie für die beiden Bankfilialen und die nördlich gelegene Metzgerei sowie das gegenüberliegende Gasthaus.
Die Wand, an der die Werbetafel angebracht werden soll, weist fünf Fensteröffnungen sowie ein kleines Fenster im Giebelbereich auf, von denen drei mit Glasbausteinen geschlossen wurden, aber wegen der zurückversetzten Errichtung und der optischen Gestaltung weiterhin wie Fensteröffnungen wirken. Das ruhige, auch durch die Farbgebung zurückhaltende Erscheinungsbild der Wand wird auch nicht durch die drei vor dieser auf dem angrenzenden Grundstück vorhandenen, unauffälligen grauen Verteilerkästen gestört. Auch die beiden kleinen Vitrinen, in denen Bekanntmachungen der örtlichen Parteien aufgehängt werden, sind schon allein aufgrund ihrer Größe nicht geeignet, den Charakter der Giebelwand zu beeinträchtigen. Durch die oberhalb der vorhandenen Verteilerkästen geplante Großflächenwerbetafel würde diese Giebelwand aufgrund der Größe, des erhöhten Anbringungsortes und der von dem zurückhaltenden Farbton deutlich abweichenden grellen Farbigkeit massiv beeinträchtigt, dies würde das ästhetische Empfinden eines gebildeten Durchschnittsmenschen verletzen und als belastend oder unlusterregend empfunden werden. Auch wenn es sich bei dem Gebäude und dessen östlicher Giebelwand nicht um ein besonderes Schmuckstück handelt, so ist die Wand doch im Hinblick auf die Anbringung der Fensteröffnungen in ansprechender Weise gegliedert, dies wird durch die farbig abgesetzten Fensterumrandungen sowie den dunkler eingefärbten Gebäudesockel unterstrichen. Demgegenüber würde die Werbeanlage, wie sich auch aus der in der Akte befindlichen Fotomontage ergibt, den ansprechenden, geordneten und zurückhaltenden Eindruck dieser Wand sprengen und eine die Wand dominierende Wirkung entfalten. Damit würde die Giebelwand und damit das Gebäude, an dem die Werbeanlage angebracht wird, verunstaltet, wobei es keinen Unterschied macht, ob man dabei auf Art. 8 Satz 1 oder Satz 2 BayBO abstellt. Diese durch die streitgegenständliche Werbeanlage verursachte Verunstaltung führt auch zu einer Verunstaltung des Straßenbildes im Sinn des Art. 8 Satz 2 BayBO, denn in der beschriebenen näheren Umgebung findet sich keine vergleichbar aufdringliche und grelle Werbeanlage, so dass das Vorhaben hier als wesensfremdes Gebilde zu seiner Umgebung in keinerlei Bezug mehr steht. Bisher ist das hier relevante Straßenbild soweit ersichtlich frei von Fremdwerbung, die vorhandenen Werbeanlagen am Ort der Leistung sind zurückhaltend, meist mit Einzelbuchstaben oder kleineren Symbolen vorhanden. Die streitgegenständliche Werbeanlage brächte erstmals gestalterische Unruhe in diese Umgebung, was in ästhetischer Hinsicht zu erheblichen Beeinträchtigungen der baulichen Situation führen würde. Die geplante Werbeanlage würde im vorhandenen unauffälligen, aber harmonischen Straßenbild als störender Fremdkörper erscheinen. Damit verstößt das Vorhaben gegen das Verunstaltungsverbot in Art. 8 Satz 2 BayBO, so dass die Baugenehmigung vom Landratsamt… zu Recht nicht erteilt wurde.
Auf die Frage, ob hier auch eine Verkehrsgefährdung oder Störung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs von der Werbeanlage bewirkt würde, kommt es somit vorliegend nicht an, wobei im Hinblick auf die Tatsache, dass die Werbeanlage unbeweglich und unbeleuchtet errichtet werden soll, und im Hinblick auf den eingeschränkten Bereich, aus dem sie für Verkehrsteilnehmer sichtbar ist, eine Verkehrsgefährdung, insbesondere durch Ablenkung von Kraftfahrern, eher fernliegend erscheint.
Ebenso wenig ist damit hier die Frage relevant, ob die Werbeanlage aufgrund ihrer Befestigung an einer augenscheinlich grenzständigen Wand ohne Zustimmung des Eigentümers des Nachbargrundstücks, hier des Beigeladenen, überhaupt zivilrechtlich in zulässiger Weise errichtet werden könnte.
Die Klage war demnach abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Im Hinblick auf § 162 Abs. 3 VwGO entspricht es hier billigem Ermessen, dass der Beigeladene seine Kosten selbst trägt, da die Verweigerung des gemeindlichen Einvernehmens zu Unrecht erfolgte, weil keine bauplanerischen Bedenken gegen die Zulässigkeit des Vorhabens bestehen, Bauordnungsrecht aber nicht zum Prüfungsumfang der Gemeinde bei der Erteilung oder Ablehnung des Einvernehmens gehört.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift:
Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift:
Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich zu beantragen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift:
Ludwigstraße 23, 80539 München;
Postfachanschrift:
Postfach 34 01 48, 80098 München, oder in
in Ansbach:
Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen.
Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 1 GKG).
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift:
Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift:
Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.


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