Baurecht

Vorläufige Untersagung einer Straßenbaumaßnahme im Widerspruch zum Bebauungsplan

Aktenzeichen  W 5 E 17.1178

Datum:
15.11.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB BauGB § 1 Abs. 3, § 8 Abs. S. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 11, § 33, § 123, § 125, § 127 Abs. 2
BGB BGB § 906, § 1004
ZPO ZPO § 890 Abs. 2, § 920 Abs. 2
VwGO VwGO § 123 Abs. 1 S. 1, Abs. 3, § 167 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1. Wird durch die begehrte Maßnahme die Entscheidung in der Hauptsache insgesamt endgültig und irreversibel vorweggenommen, kann die einstweilige Anordnung nur erlassen werden, wenn ein Anordnungsanspruch mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit vorliegt und für den Fall, dass die einstweilige Anordnung nicht ergeht, dem Antragsteller schwere und unzumutbare Nachteile entstünden. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Wird eine Verkehrsanlage auf einer Fläche hergestellt, die im Bebauungsplan nicht gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB als Verkehrsfläche ausgewiesen ist, sondern von einer solchen Nutzung freizuhalten ist, ist diese Herstellung von der Bauleitplanung nicht mehr gedeckt und damit nicht mehr als rechtmäßig zu qualifizieren. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine Abweichung von der Festsetzung eines Bebauungsplans ist mit den Grundzügen der Planung (§ 125 Abs. 3 BauGB) vereinbar, wenn die vom Plan angestrebte und in ihm zum Ausdruck gebrachte städtebauliche Ordnung nicht in beachtlicher Weise beeinträchtigt wird, dh wenn angenommen werden kann, die Abweichung liege (noch) im Bereich dessen, was der Planer gewollt hat oder gewollt hätte, wenn er die weitere Entwicklung einschließlich des Grundes der Abweichung gekannt hätte. (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)
4. § 125 Abs. 2 BauGB kommt nur zur Anwendung, wenn ein Bebauungsplan nicht vorliegt. Wurde ein Bebauungsplan aufgestellt, kommt ausschließlich § 125 Abs. 1 BauGB zur Anwendung. (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antragsgegnerin wird im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufgegeben, es bei Vermeidung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 20.000,00 EUR zu unterlassen, die bisher in nordwestlicher Richtung in einem Wendehammer als Stich Straße endende W. H. Straße an die nordwestlich des Wendehammers verlaufende W. Straße anzuschließen und hierfür den im geplanten Einmündungsbereich vorhandenen Grüngürtel zu beseitigen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragsteller wenden sich im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegen den von der Antragsgegnerin geplanten Anschluss der bisher in nordwestlicher Richtung in einem Wendehammer als Stich Straße endenden W. H. Straße in E. an die nordwestlich des Wendehammers verlaufende W. Straße und die Beseitigung des im geplanten Einmündungsbereich vorhandenen Grüngürtels und begehren die vorläufige Untersagung der beabsichtigten Straßenbaumaßnahme.
1. Die Antragsteller sind Eigentümer des Grundstücks W. H. Straße … in E., Fl.Nr. …2 der Gemarkung E., und Mitglieder der Interessengemeinschaft „W. H. Straße“. Das Grundstück der Antragsteller grenzt im Südwesten an einen Wendehammer an, in dem die aus südöstlicher Richtung kommende W. H. Straße endet. Richtung Nordwesten schließt sich auf dem Grundstück Fl.Nr. …1 der Gemarkung E. ein ca. 20 m breiter bepflanzter Grünstreifen an, an dem sich die aus südwestlicher in nordöstlicher Richtung verlaufende W. Straße anschließt. Die W. H. Straße einschließlich des Wendehammers befindet sich im Geltungsbereich des qualifizierten Bebauungsplans „Westlich der K. A. Straße“ der Gemeinde E. i.d.F. der 3. Änderung.
Am 1. März 1979 setzte die Antragsgegnerin den Bebauungsplan „Westlich der K. A. Straße“ vom 16. Januar 1978 in Kraft. Dieser Bebauungsplan setzte beidseits der W. H. Straße ein allgemeines Wohngebiet sowie im äußersten Nordosten, wo die W. H. Straße ohne Anbindung zur damaligen Bundesstraße B 19 (W. Straße) als Sackgasse endete, ein Mischgebiet fest. In der Begründung dieses Bebauungsplans ist nach dessen Nr. 7 zur straßenmäßigen Erschließung folgendes ausgeführt: „Es ist vorgesehen, nach dem Bau der Umgehungsstraße die neue Erschließungs Straße an der jetzigen Bundesstraße 19 anzuschließen. Vorläufig endet diese Straße jedoch in einem Wende Platz, der dann später als öffentliche Parkfläche umfunktioniert wird.“ Nordwestlich des Wendeplatzes ist eine öffentliche Grünfläche festgesetzt sowie (diese überlagernd) ein „Schutzstreifen entlang der Bundesstraße 19 von mind. 20,0 m gemessen vom Fahrbahnrand. Dieser Schutzstreifen ist von jeder Bebauung freizuhalten.“ Nach Nr. 10 der Begründung wurde die im Bebauungsplan vorgesehene Bepflanzung zwischen der Bundesstraße und der W. H. Straße zum Schutz der anschließenden Baugebiete vor Immissionen festgesetzt („Durch die … dichte Bepflanzung … wird die Überschreitung um ca. 2 dB(A) vermindert).
Mit einer 1. Änderung vom 21. Oktober 1993, in Kraft gesetzt am 28. Januar 1994, wurde dieser Bebauungsplan dahingehend geändert, dass die im nordwestlichen Bereich beiderseits der W. H. Straße festgesetzten Mischgebiete aufgehoben und aus dem Geltungsbereich des Bebauungsplans herausgenommen wurden. In der Begründung ist folgendes ausgeführt: „Aufgrund der vorhandenen Wohnbebauung ist das Mischgebiet (MI) zum allgemeinen Wohngebiet (WA) übergegangen, so dass eine Beurteilung der einzelnen Bauvorhaben nach § 34 BauGB zulässig ist. Die Straße im Bebauungsplan „Westlich der K. A. Straße“ Teil Mischgebiet bleibt weiterhin im Geltungsbereich des Bebauungsplanes. Wenn die B 19 alt zur Orts Straße abgestuft ist, wird der Bebauungsplan „Westlich der K. A. Straße“ wegen der Anbindung der W. H. Straße an die B 19 alt geändert.“
Nachdem mittlerweile die B 19 alt zur Gemeindeverbindungs Straße und Orts Straße abgestuft worden war, fasste der Gemeinderat der Antragsgegnerin am 28. Februar 1994 den Beschluss zur Aufstellung der 2. Änderung des Bebauungsplans „Westlich der K. A. Straße“, um den Anschluss der W. H. Straße über die Fl.Nr. …1 zur Gemeindeverbindungs Straße (ehemalige B 19 alt) herzustellen. Nach Behandlung erhobener Einwendungen beschloss der Gemeinderat der Antragsgegnerin den Bebauungsplan in seiner Sitzung vom 9. Oktober 1995 als Satzung, die am 6. August 1996 in Kraft gesetzt wurde. Auf die von zahlreichen Anwohnern der W. H. Straße – u.a. auch die beiden Antragsteller im hiesigen Verfahren – erhobene Normenkontrolle erklärte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Urteil vom 9. Februar 2004 (25 N 96.2982) die am 6. August 1996 in Kraft getretene 2. Änderung des Bebauungsplans „Westlich der K. A. Straße“ für nichtig, weil die Antragsgegnerin gegen das Gebot des § 1 Abs. 6 BauBG 1987 verstoßen hat, die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen.
2. In seiner Sitzung vom 9. Juni 2015 fasste der Gemeinderat der Antragsgegnerin den Aufstellungsbeschluss für die 4. Änderung (richtig statt: 3. Änderung) des Bebauungsplans „Westlich der K. A. Straße“ zur Öffnung der W. H. Straße zur W. Straße im Bereich der Grundstücke Fl.Nrn. …1 und …1 der Gemarkung E.. Ausweislich der Begründung des Änderungsentwurfs ist die Änderung notwendig, um Baurecht für den Anschluss der W. H. Straße an die W. Straße zu erlangen. Nach Beauftragung eines Planungsbüros sowie eines Schallgutachters beschloss der Gemeinderat der Antragsgegnerin in seiner Sitzung vom 13. Oktober 2015 die frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit und die Beteiligung der Behörden.
Dass weitere Verfahrensschritte unternommen worden wären, lässt sich den vorgelegten Behördenakten der Antragsgegnerin nicht entnehmen.
In seiner Sitzung vom 11. Juli 2017 fasste der Gemeinderat der Antragsgegnerin unter dem Betreff: „Öffnung der W. H. Straße – Beschluss zur Vergabe der Straßenbauarbeiten“ den Beschluss, das Angebot der Firma U. in Höhe von 94.553,00 EUR brutto anzunehmen und zu beauftragen. Im gemeindlichen Mitteilungsblatt vom 28. Juli 2017 gab die Antragsgegnerin bekannt, dass der Durchstich der W. H. Straße zur alten B 19 recht bald kommen werde, nachdem der Gemeinderat in seiner Sitzung vom 11. Juli 2017 die nötigen Straßenbauarbeiten an eine Baufirma vergeben habe. In einem Informationsgespräch am 18. September 2017 erklärte die 1. Bürgermeisterin der Antragsgegnerin, dass der gemeindliche Bauhof beauftragt worden sei, ab dem 5. Oktober 2017 den im geplanten Einmündungsbereich gepflanzten Baum- und sonstigen Pflanzenbestand zu beseitigen und dass die beauftragte Tiefbaufirma am 9. Oktober 2017 mit der eigentlichen Straßenbaumaßnahme beginnen werde.
3. Daraufhin ließen die Antragsteller am 2. Oktober 2017 durch ihren Bevollmächtigten beantragen,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu verpflichten, es bei Vermeidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR zu unterlassen, die bisher in nördlicher Richtung in einem Wendehammer als Stich Straße endende W. H. Straße an die nördlich des Wendehammers verlaufende W. Straße anzuschließen und hierfür den im geplanten Einmündungsbereich vorhandenen Grüngürtel zu beseitigen.
Zur Begründung ließen die Antragsteller vortragen, dass ihnen gegen die Antragsgegnerin ein Anspruch auf Unterlassung der beabsichtigten Straßenbaumaßnahme zustehe, weshalb im hier gegenständlichen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO die Durchführung der beabsichtigten Öffnung der W. H. Straße zur W. Straße hin vorläufig zu unterbinden sei. Der Antrag sei zulässig. Insbesondere seien die Antragsteller antragsbefugt, da ein möglicher Anordnungsanspruch gegeben sei, weil keine ausreichende Rechtsgrundlage für die Öffnung der W. H. Straße gegeben sei. Auch ein möglicher Anordnungsgrund sei gegeben, da aufgrund der angekündigten Entfernung des Grüngürtels durch die Antragsgegnerin Eilbedürftigkeit vorliege.
Der Antrag sei auch begründet. Denn ein Grundstückseigentümer, dessen Grundstück an eine öffentliche Straße grenze, müsse Beeinträchtigungen, die die Straße durch ihre bestimmungsgemäße Nutzung auslöse, nur hinnehmen, wenn für die Herstellung der Straße und ihre bestimmungsgemäße Nutzung eine ausreichende Rechtsgrundlage gegeben sei. Diese sei hier nicht vorhanden. Der geplante Durchstich habe sich gemäß § 125 Abs. 1 BauGB nach den Festsetzungen des Bebauungsplans zu richten. Hier weiche der Straßenbau aber von den Festsetzungen ab. Entgegen der Behauptung der Antragsgegnerin sei selbstverständlich für die Öffnung der W. H. Straße die Durchführung eines Bauleitplanverfahrens erforderlich. Die Antragsgegnerin verkenne, dass vorliegend ein Bebauungsplan für das streitgegenständliche Gebiet existiere, so dass nicht die Regelung des § 125 Abs. 2 BauGB, sondern des § 125 Abs. 3 BauGB einschlägig sei. Dessen Voraussetzungen lägen aber nicht vor, denn weder bleibe die Öffnung der Straße hinter den Festsetzungen zurück noch werde die Nutzung der betroffenen Grundstücke hierdurch nur unwesentlich beeinträchtigt.
Selbst wenn für die Straßenbaumaßnahme kein Bebauungsplan vorliege, dürfe die Maßnahme nur durchgeführt werden, wenn sie die in § 1 Abs. 4 – 7 BauGB bezeichneten Anforderungen einhalte. Die Antragsteller hätten einen Anspruch darauf, dass der rechtswidrige Ausbau der Straße unterbleibe, da dieser zu massiven Beeinträchtigungen in Form von deutlich zunehmenden Lärmimmissionen führe. Die Antragsteller müssten die Beeinträchtigungen nur aufgrund eines Abwägungsvorgangs, der in einem nach § 125 Abs. 2 i.V.m. § 1 Abs. 4 – 7 BauGB geregelten Verfahren erfolge, hinnehmen. Ein solcher Abwägungsvorgang sei nicht erfolgt. Unabhängig von der Frage, ob der festgesetzte Grüngürtel, der nun beseitigt werden solle, tatsächlich geeignet sei, Schutz vor Immissionen zu bieten, verursache die Öffnung eine erhöhte Wahrnehmbarkeit des in der W. Straße fließenden Verkehrs. Diesen Belang habe die Antragsgegnerin nicht berücksichtigt. Auch im Hinblick auf den Schutz der Anwohner vor den durch das vermehrte Verkehrsaufkommen entstehenden Verkehrslärmimmissionen habe eine Abwägung durch die Antragsgegnerin nicht stattgefunden. Darüber hinaus überwögen auch die privaten Belange, denn nach den Berechnungen des Ingenieurbüros … vom 20. Juni 2001 würden bei der Anbindung der W. H. Straße an die W. Straße die zulässigen Verkehrslärmimmissionsgrenzwerte u.a. im Bereich des Wohnhauses der Antragsteller erheblich überschritten. Mit all diesen Konsequenzen habe sich die Antragsgegnerin nicht auseinander gesetzt, so dass von einem vollständigen Abwägungsausfall auszugehen sei. Zudem fehle es überhaupt an einer Beschlussfassung des Gemeinderats, auf dessen Grundlage – ungeachtet des fehlenden Bauleitplanverfahrens – die beabsichtigte Straßenbaumaßnahme realisiert werden könnte.
4. Die Antragsgegnerin ließ mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 11. Oktober 2017 beantragen,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wurde vorgebracht: Der Antrag auf Untersagung der beabsichtigten Straßenbaumaßnahme gemäß § 123 VwGO sei abzulehnen, weil er nicht begründet sei. Das Handeln der Antragsgegnerin sei nicht rechtswidrig. Die Öffnung der W. H. Straße sei bereits im Ursprungsbebauungsplan sowie in der Aufhebung des Bebauungsplans von 1993 vorgesehen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof habe letztlich die Bebauungsplanänderung für nichtig erklärt, entgegen der Ansicht der Antragsteller aber nur deshalb, weil die Antragsgegnerin das Gebot verletzt habe, die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Nach wie vor sei der entscheidende Gesichtspunkt für die Öffnung der W. H. Straße die verkehrliche Entlastung der Anwohner der K. A. Straße. Damit ergebe sich die Möglichkeit, direkt von der W. Straße in die W. H. Straße einzufahren, ohne die K. A. Straße in Anspruch zu nehmen. Das Verkehrsgutachten vom 2. September 2013 zeige deutlich, dass die Öffnung eine Verbesserung der Erschließungssituation für die Anwohner der W. H. Straße darstelle. Auch das IBAS-Gutachten vom 11. März 2014 sowie vom 16. Februar 2016 bestätige, dass die maßgeblichen Immissionsgrenzwerte der 16. BImSchV überall eingehalten bzw. unterschritten würden. Die Antragsgegnerin habe sich angesichts der seit Jahrzehnten beschlossenen Öffnung der W. H. Straße dazu entschlossen, diese ohne ein Bauleitplanverfahren – konkret ohne Änderung des Bebauungsplanes – durchzuführen, da ein solches städtebaulich gemäß § 1 Abs. 3 BauGB nicht erforderlich sei.
Der Anordnungsanspruch stehe den Antragstellern nicht zu, da die Voraussetzungen eines Unterlassungsanspruchs nicht vorlägen; ein rechtswidriges Handeln der Gemeinde sei nicht zu erkennen. Das gewählte Verfahren sei nicht zu beanstanden, die Durchführung eines Bauleitplanverfahrens sei für die Öffnung der W. H. Straße nicht erforderlich. Ein Anspruch auf Bauleitplanung bestehe von vornherein nicht, was die Kommunalaufsicht mit Schreiben vom 29. September 2017 bestätigt habe. Der Gesetzgeber sehe für die Planung von Ortsstraßen keine ausdrücklichen Vorgaben zur Erforderlichkeit vor. Im vorliegenden Fall sei die städtebauliche Entwicklung bereits abgeschlossen und bedürfe keiner planmäßigen Steuerung durch einen Bebauungsplan, wie auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof bestätigt habe. Eine Erforderlichkeit zur Aufstellung eines Bebauungsplans gemäß § 1 Abs. 3 BauGB sei somit nicht gegeben, wobei zudem zu berücksichtigen sei, dass es gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 BauGB keinen Anspruch auf Aufstellung von Bauleitplänen gebe. Dies nehme der Klage bereits das Rechtsschutzbedürfnis.
Die Antragsgegnerin habe ihre Entscheidung zur Öffnung der W. H. Straße unter Beachtung der Vorgaben aus § 125 Abs. 2 i.V.m. § 1 Abs. 4 – 7 BauGB nach pflichtgemäßem Ermessen getroffen. § 125 Abs. 2 BauGB sehe eine weitreichende Ausnahme vom Grundsatz vor, dass Erschließungsanlagen nur hergestellt werden dürften, wenn ein Bebauungsplan vorliege. Es reiche aus, wenn die Anlage den Anforderungen des § 1 Abs. 4 – 7 BauGB entspreche. Diese Anforderungen habe die Antragsgegnerin bei ihrem Vorgehen jedoch beachtet. Zudem sei ein gerichtlich überprüfbarer Abwägungsfehler nicht erkennbar. Das Vorgehen der Antragsgegnerin entspreche den Zielen der Raumordnung und leide auch nicht an einem erheblichen Fehler im Abwägungsvorgang. Die Antragsgegnerin habe öffentliche wie private Belange ermittelt und in die Abwägung eingestellt. Als öffentliche Belange ergäben sich insbesondere die Verkehrsentlastung, Verkehrsverminderung und -beruhigung sowie Schutz der Wohn- und Arbeitsbevölkerung der nach wie vor stark belasteten K. A. Straße. Ermittelt und eingestellt worden seien ferner die Belange der K. A. Straße. Insbesondere seien aber auch die Belange der Anwohner der W. H. Straße berücksichtigt und in die Abwägung eingestellt worden. Dies betreffe ganz vorrangig das Interesse, von einer zusätzlichen Verkehrsbelastung verschont zu bleiben. Die Antragsgegnerin habe demnach sämtliche betroffenen Belange hinreichend ermittelt, bewertet und abgewogen. Es habe entgegen der Ansicht der Antragsteller eine gerechte Abwägung der öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander stattgefunden. Zusammenfassend könne, wie auch die Kommunalaufsicht bestätigt habe, daher die Vorgehensweise der Gemeinde nicht beanstandet werden.
5. Mit Schreiben vom 2. Oktober 2017 erklärte die Antragsgegnerin, dass bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes keinerlei Maßnahmen zur Öffnung der W. H. Straße veranlasst würden.
Erst nach mehrfacher Aufforderung durch das Gericht (Schreiben vom 2.10.2017, Schreiben vom 16.10.2017, telefonische Mahnung am 23.10.2017, weitere telefonische Mahnung am 30.10.2017, nochmalige telefonische Mahnung am 3.11.2017 und letztmalige schriftliche Aufforderung zur Aktenvorlage am 6.11.2017) hat die Antragsgegnerin am 7. November 2017 Behördenakten vorgelegt und diese – nach einer nochmaligen Nachfrage des Gerichts – am 10. November 2017 vervollständigt.
6. Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 4. Oktober 2017 haben die Antragsteller Klage erhoben (W 5 K 17.1185), mit dem Antrag es bei Vermeidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR zu unterlassen, die bisher in nördlicher Richtung in einem Wendehammer als Stich Straße endende W. H. Straße an die nördlich des Wendehammers verlaufende W. Straße anzuschließen und hierfür den im geplanten Ein-mündungsbereich vorhandenen Grüngürtel zu beseitigen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die eingereichten Schriftsätze samt Anlagen, auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Behördenakten der Antragsgegnerin sowie der Kommunalaufsicht beim Landratsamt W. Bezug genommen.
II.
Dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO war stattzugeben, da er zulässig und begründet ist.
1. Der Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung ist zulässig.
Es ist nichts dafür ersichtlich, dass die für einen Antrag nach § 123 VwGO erforderlichen allgemeinen und besonderen Prozessvoraussetzungen vorliegend nicht gegeben wären. Insbesondere fehlt es auch nicht an der Geltendmachung eines Anordnungsgrundes bzw. einer Antragsbefugnis entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO (vgl. hierzu Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 123 Rn. 20; Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 123 Rn. 41). Die Antragsteller haben hier ein subjektives Recht geltend gemacht, das infolge des bevorstehenden Handelns der Antragsgegnerin verletzt werden könnte. Entgegen der Meinung der Bevollmächtigten der Antragsgegnerin nimmt § 1 Abs. 3 Satz 2 BauGB, wonach auf die Aufstellung von Bebauungsplänen kein Anspruch besteht, im vorliegenden Fall der Klage und auch dem Antrag nach § 123 VwGO gerade nicht das Rechtsschutzbedürfnis bzw. die Klagebzw. Antragsbefugnis. Von Antragstellerseite wird nämlich gerade kein Anspruch auf Aufstellung oder auf Änderung eines Bebauungsplans geltend gemacht, sondern ein Anspruch auf Unterlassung bzw. Untersagung von – nicht den Festsetzungen eines vorhandenen Bebauungsplans entsprechenden – Straßenbaumaßnahmen.
2. Der Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung ist auch begründet.
Das Gericht der Hauptsache kann nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO auf Antrag, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (sog. Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint (sog. Regelungsanordnung).
Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO ist, dass sowohl ein Anordnungsgrund als auch ein Anordnungsanspruch vorliegen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Deren tatsächliche Voraussetzungen müssen zwar nicht zur Überzeugung des Gerichts feststehen, aber hinreichend wahrscheinlich („glaubhaft“) sein (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Ein Anordnungsgrund besteht, wenn eine vorläufige gerichtliche Entscheidung erforderlich ist, weil ein Verweis auf das Hauptsacheverfahren aus besonderen Gründen unzumutbar ist. Ein Anordnungsanspruch liegt vor, wenn der Antragsteller in der Hauptsache bei summarischer Prüfung voraussichtlich Erfolg haben wird. Welche Anforderungen an die Erfolgsaussichten zu stellen sind, hängt maßgeblich von der Schwere der dem Antragsteller drohenden Nachteile und ihrer Irreversibilität, aber auch davon ab, inwieweit durch den Erlass einer einstweiligen Anordnung die Hauptsache vorweggenommen wird. Wird durch die begehrte Maßnahme die Entscheidung in der Hauptsache insgesamt endgültig und irreversibel vorweggenommen, kann die einstweilige Anordnung nur erlassen werden, wenn ein Anordnungsanspruch mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit vorliegt und für den Fall, dass die einstweilige Anordnung nicht ergeht, dem Antragsteller schwere und unzumutbare Nachteile entstünden. Dieser besonders strenge Maßstab ist hingegen abzumildern, wenn die begehrte Rechtsposition nur für den Zeitraum bis zur Hauptsacheentscheidung eingeräumt werden soll, weil sie faktisch nicht mehr rückgängig zu machen ist, während über diesen Zeitpunkt hinaus keine vollendeten Tatsachen geschaffen werden und die Rechtsstellung insoweit nur vorläufig gewährt wird. In diesem Fall können schon überwiegende Erfolgsaussichten in der Hauptsache genügen und die befürchteten wesentlichen Nachteile müssen nicht als schlechterdings unzumutbar eingestuft werden. Ist eine überwiegende Erfolgsaussicht hingegen nicht feststellbar, kann eine Regelungsanordnung nur ergehen, wenn dem Betroffenen andernfalls schwere und irreversible Nachteile, insbesondere existentielle Gefahren für Leben und Gesundheit drohen (vgl. zum Ganzen: VGH Mannheim, B.v. 5.2.2015 – 10 S 2471/14 – NVwZ-RR 2015, 650 und B.v. 5.5.2009 – 10 S 494/09 – juris – m.w.N.).
2.1. Vorliegend haben die Antragsteller einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Die erforderliche Eilbedürftigkeit ist zu bejahen, weil die von der Antragsgegnerin geplanten Maßnahmen zur Entfernung des Grüngürtels im geplanten Einmündungsbereich der W. H. Straße in die W. Straße und die Durchführung der Baumaßnahmen zum Anschluss der W. H. Straße an die W.Straße unmittelbar bevorstehen und daher der Ausgang eines Hauptsacheverfahrens nicht abgewartet werden kann.
2.2. Darüber hinaus wurde durch die Antragsteller auch ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Denn im vorliegenden Fall soll die begehrte Rechtsposition den Antragstellern – wie dem Tenor dieser Entscheidung zu entnehmen ist – nur für den Zeitraum bis zur Hauptsacheentscheidung eingeräumt werden; über diesen Zeitraum hinaus werden keine vollendeten Tatsachen geschaffen. Die begehrte Rechtsstellung wird mithin den Antragstellern nur vorläufig eingeräumt.
Die für diese Fallkonstellation notwendigen, aber auch ausreichenden, überwiegenden Erfolgsaussichten der Hauptsacheklage sind von Seiten der Kammer zu bejahen. Nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung haben die Antragsteller einen Rechtsanspruch gegen die Antragsgegnerin auf Unterlassung der beabsichtigten (Straßenbau-)Maßnahmen.
Anspruchsgrundlage für das Begehren der Antragsteller ist der öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch. Dessen Herleitung aus den Grundrechten, dem Rechtsstaatsprinzip (Folgenbeseitigung) oder einer analogen Anwendung der §§ 906, 1004 BGB ist zwar umstritten, seine Voraussetzungen sind in der Rechtsprechung jedoch ungeachtet dieser umstrittenen Herleitung geklärt. Er setzt neben einer Beeinträchtigung von Rechten des Bürgers durch Realakt der Verwaltung insbesondere die Rechtswidrigkeit der Beeinträchtigung voraus (vgl. BayVGH, B.v. 25.11.2010 – 8 ZB 10.192 – juris).
Nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage wird durch den Durchbau der bisherigen Sackgasse und der Beseitigung des Grüngürtels ein rechtswidriger Zustand geschaffen. Für eine derartige (Straßenbau-)Maßnahme besteht aber (derzeit) keine ausreichende Rechtsgrundlage. Der rechtskräftige Bebauungsplan „Westlich der K. A. Straße“ und hier die Festsetzung der mit einem Wendehammer endenden Verkehrsfläche, einer sich in nordwestlicher Richtung anschließenden Grünfläche und eines von Bebauung freizuhaltenden Schutzstreifens stehen dem entgegen. Das mit dem Ziel einer entsprechenden Änderung des Bebauungsplans eingeleitete Verfahren zur 4. Änderung des Bebauungsplans wurde nicht zum Abschluss gebracht. Die Rechtmäßigkeit einer derartigen, von der Antragsgegnerin geplanten, Maßnahme ergibt sich auch nicht aus § 125 Abs. 3 BauGB. Entgegen der Meinung der Antragsgegnerin kann die vorgesehene Maßnahme auch nicht auf § 125 Abs. 2 BauGB gestützt werden. Im Einzelnen:
2.2.1. Es steht zwar grundsätzlich im Rahmen des § 123 BauGB im Ermessen der Gemeinde, wann und wie sie die Erschließung durchführen will. Liegt aber ein Bebauungsplan vor, muss die Gemeinde die Erschließung grundsätzlich nach Maßgabe des Bebauungsplans vornehmen. Denn der Bebauungsplan gilt als Satzung aus sich heraus selbst. Er enthält rechtsverbindliche Festsetzungen für die städtebauliche Ordnung und ist nicht nur Grundlage für die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Bauvorhaben (§§ 29 ff. BauGB), sondern auch für weitere zum Vollzug des Baugesetzbuchs erforderliche Maßnahmen wie die Herstellung von öffentlichen Straßen und Wegen im Rahmen der Erschließung. Setzt er bestimmte Erschließungsanlagen fest, müssen diese den Festsetzungen entsprechen, um rechtmäßig zu sein (Jäde/Dirnberger/Weiß, BauGB – BauNVO, 7. Aufl. 2013, § 125 BauGB Rn. 8). Nach § 125 Abs. 1 BauGB setzt die rechtmäßige Herstellung der Erschließungsanlagen im Sinne des § 127 Abs. 2 BauGB – und damit auch öffentlicher zum Ausbau bestimmter Straßen (wie hier) – einen Bebauungsplan voraus. Vorbehaltlich der Bestimmung des § 125 Abs. 2 BauGB ist die Herstellung einer beitragsfähigen Erschließungsanlage ohne Bebauungsplan rechtswidrig (vgl. Driehaus, in Berliner Kommentar zum BauGB, § 125 Rn. 4).
Der rechtskräftige qualifizierte Bebauungsplan „Westlich der K. A. Straße“ vom 16. Januar 1978 i.d.F. der 3. Änderung sieht keine Anbindung der W. H. Straße an die W. Straße vor. Die mit dem Bebauungsplan festgesetzte öffentliche Straßenfläche endet vielmehr in seinem nordwestlichen Bereich als Sackgasse in einem Wendehammer. Die Festsetzungen einer sich Richtung Nordwesten anschließenden, ca. 20 m breiten Grünfläche und die eines von Bebauung freizuhaltenden Schutzstreifens stehen ebenfalls einer Anbindung der W. H. Straße an die W. Straße entgegen. Wird aber eine Verkehrsanlage auf einer Fläche hergestellt, die im Bebauungsplan nicht gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB als Verkehrsfläche ausgewiesen ist, sondern von einer solchen Nutzung freizuhalten ist, ist diese Herstellung von der Bauleitplanung nicht mehr gedeckt und damit nicht mehr als rechtmäßig zu qualifizieren.
Die bauplanerische Festsetzung der Verkehrsfläche in der 2. Änderung des Bebauungsplans, die den Durchbau der Sackgasse zur W. Straße ermöglicht hätte, ist rechtsunwirksam. Das steht aufgrund des Normenkontrollurteils des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 9. Februar 2004 allgemeinverbindlich fest (vgl. § 47 Abs. 6 Satz 2 VwGO).
Wenn die Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang (mehrfach) darauf verweist, dass die Öffnung der W. H. Straße bereits im Ursprungsbebauungsplan und auch im Änderungsbebauungsplan aus dem Jahr 1993 vorgesehen gewesen sei und auch in den Folgejahren der Gemeinderat immer an der Öffnung festgehalten habe, so bleibt hierzu festzustellen, dass diese Willensbekundung bei der Suche nach einer Rechtsgrundlage für das faktische Verwaltungshandeln der Antragsgegnerin von keinerlei rechtlicher Relevanz ist. Von rechtlicher Bedeutung ist insoweit allein der derzeit wirksame Bebauungsplan. Nachdem die auf eine Öffnung der W. H. Straße gerichtete, am 6. August 1996 in Kraft getretene 2. Änderung des Bebauungsplans „Westlich der W. H. Straße“ mit Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 9. Februar 2004 für nichtig erklärt wurde, verbleibt es – bis zu einer rechtswirksamen Änderung des Bebauungsplans, evtl. im Rahmen des eingeleiteten Verfahrens – bei den Festsetzungen des Ursprungsbebauungsplans aus dem Jahr 1979, wonach die W. H. Straße an ihrem nordwestlichen Ende in einem Wendehammer endet und der Bereich zur W. Straße mit einer öffentlichen Grünfläche und einem von Bebauung freizuhaltenden Schutzstreifen überplant ist. Dass eine Änderung des Bebauungsplans erforderlich ist, um eine Öffnung dieser Straße herbeizuführen, hat auch die Antragsgegnerin erkannt, wie sich aus der Begründung zur 4. Änderung ergibt, wonach diese notwendig ist, um „Baurecht für den Anschluss der W. H. Straße an die W. Straße zu erlangen“ (vgl. Nr. 4 der Begründung, Stand 4.9.2015). Das – folgerichtig – mit Aufstellungsbeschluss vom 14. April 2014/9. Juni 2015 eingeleitete Änderungsverfahren wurde allerdings nicht weiterbetrieben. Weitere Verfahrensschritte wurden nicht durchgeführt, insbesondere hat keine Abwägung der öffentlichen und privaten Belange stattgefunden. Dieses frühe Verfahrensstadium genügt aber nicht, um eine Rechtsgrundlage für die beabsichtigte Baumaßnahme herbeizuführen. Denn das Gesetz verlangt einen Bebauungsplan als Voraussetzung der Erschließungsmaßnahmen. Das Planverfahren muss also abgeschlossen und der Bebauungsplan muss rechtsgültig sei. Der Beschluss, einen Bebauungsplan aufzustellen, die Planreife nach § 33 BauGB oder gar ein Planentwurf reichen in diesem Zusammenhang nicht aus (Ernst/Zinkahn/Bielenberg/ Krautzberger, BauGB, Stand 1.5.2017, § 125 Rn. 2c, m.w.N. zur Rspr.).
Soweit in diesem Zusammenhang von Seiten der Bevollmächtigten der Antragsgegnerin die Erforderlichkeit der Änderung des Bebauungsplans unter Bezugnahme auf die Regelung des § 1 Abs. 3 Satz 2 BauGB mit der Begründung in Abrede gestellt wird, dass „ein Anspruch auf Bauleitplanung“ nicht bestehe, wird verkannt, dass von Seiten der Antragsteller gerade kein Anspruch auf Aufstellung oder auch nur auf Änderung, Ergänzung oder Aufhebung des fraglichen Bebauungsplans geltend gemacht wird. Das Gegenteil ist der Fall: Die Antragsteller möchten gerade nicht, dass der Bebauungsplan „Westlich der K. A. Straße“ geändert wird, sondern dass sich die Antragsgegnerin an die Festsetzungen dieses Bebauungsplans hält und diesen entsprechend keine Maßnahmen zur Öffnung der W. H. Straße zur W. Straße durchführt.
Gleiches gilt für die Aussage der Bevollmächtigten der Antragsgegnerin, dass eine Erforderlichkeit zur Aufstellung eines Bebauungsplans gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB nicht gegeben sei und deshalb die Gemeinde das Verfahren zur Herstellung des Durchstichs zur W. Straße frei wählen könne. Zwar regelt § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB, dass die Gemeinden die Bauleitpläne aufzustellen (bzw. auch zu ändern) haben, sobald und soweit es für die städtebauliche Ordnung erforderlich ist. Steht eine Bauleitplanung zur städtebaulichen Entwicklung und Ordnung in Beziehung, so ist sie generell zulässig (vgl. BVerwG, U.v. 12.12.1969 – IV C 105.66 – BVerwGE 34, 301/305). Die Gemeinde ist planungsbefugt, wenn sie hierfür hinreichend gewichtige städtebauliche Allgemeinbelange ins Feld führen kann. Welche städtebaulichen Ziele sie sich setzt, liegt in ihrem planerischen Ermessen. Bauleitpläne sind somit erforderlich, wenn sie nach der planerischen Konzeption der Gemeinde als erforderlich angesehen werden können (vgl. BayVGH, U.v. 9.2.2004 – 25 N 96.2982 – juris, unter Bezugnahme auf Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 1 Rn. 26 m.w.N.). Der Behauptung, dass das von der Antragsgegnerin mit Aufstellungsbeschluss vom 14. April 2014/9. Juni 2015 eingeleitete und auf eine Öffnung der W. H. Straße gerichtete Änderungsverfahren gegen den Erforderlichkeitsgrundsatz des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB verstoßen würde, kann die Kammer nicht folgen.
Wenn die Antragsgegnerin mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 11. Oktober 2017 zur Unterstützung ihrer These die Ausführungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs im Normenkontrollurteil zur 2. Änderung des Bebauungsplans „Westlich der K. A. Straße“ heranzieht, ist dies nicht nachvollziehbar. Denn das Normenkontrollgericht hat in seinem Urteil vom 9. Februar 2004 (25 N 96.2982) gerade bestätigt, dass die Bebauungsplanänderung, die vorsieht, die bisher in nördlicher Richtung in einem Wendehammer als Stich Straße endende W. H. Straße an die nördlich des Wendehammers verlaufende W. Straße (B 19 alt) anzuschließen, gerade „nicht gegen den Erforderlichkeitsgrundsatz des § 1 Abs. 3 BauGB“ (vgl. S. 10 f. des amtlichen Umdruckes) verstößt. Der Verwaltungsgerichtshof führt in dieser Entscheidung weiter aus, dass die gleichmäßige verkehrliche Erschließung des Gemeindegebiets im Allgemeinen und die Verminderung des Verkehrs in der stark belasteten K. A. Straße im Besonderen vertretbare städtebauliche Ziele (§ 1 Abs. 5 Satz 1 und Satz 2 Nrn. 1 und 8 BauGB 1987) der Antragsgegnerin darstellen würden, zu deren Verwirklichung die mit der strittigen Bebauungsplanänderung beabsichtigte Öffnung der W. H. Straße zur W. Straße (B 19 alt) als erforderlich erscheinen kann. Nichts anderes kann auch für das derzeit noch laufende 4. Änderungsverfahren gelten, das das gleiche Ziel hat wie das 2. Änderungsverfahren. Legt man die og. Grundsätze und die vg. Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zugrunde handelt es sich bei der von der Antragsgegnerin zur Begründung (auch) der 4. Änderung des Bebauungsplans „Westlich der K. A. Straße“ angeführten Gründe einer gleichmäßigen Verteilung des Straßenverkehrs und einer Entlastung der K. A. Straße von dem aus der W. H. Straße kommenden bzw. dort mündenden Straßenverkehr um gewichtige städtebauliche Belange und entspricht der planerischen Konzeption der Gemeinde (wie diese immer wieder vorbringt), so dass an der Erforderlichkeit im Sinn des § 1 Abs. 3 BauGB kein Zweifel besteht. Ein derartiges, von der Antragsgegnerin eingeleitetes und noch laufendes Bebauungsplanänderungsverfahren – die Antragsgegnerin hat mit Schreiben vom 10. November 2017 mitgeteilt, dass ein Beschluss zur Einstellung des Verfahrens nicht gefasst wurde – entspricht aber nicht nur der Regelung des § 1 Abs. 3 BauGB, sondern stellt die einzige rechtlich zulässige Möglichkeit für die Herstellung des Durchstichs der W. H. Straße zur W. Straße, also der Erschließungsanlage i.S.v. § 125 Abs. 1 BauGB dar.
Die Antragsgegnerseite übersieht bei ihrer Argumentation, dass es bei der von ihr angeführten Begründung aus der Entscheidung des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs nicht um die Frage der bauplanungsrechtlichen Erforderlichkeit zur Änderung des Bebauungsplans „Westlich der K. A. Straße“ geht, sondern um die Frage, ob die damals zu prüfende Bebauungsplanänderung aus dem Flächennutzungsplan entwickelt wurde, also dem Entwicklungsgebot des § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB genügt. Folgerichtig hat das Normenkontrollgericht in diesem Zusammenhang ausschließlich die Frage aufgeworfen (und anders als die Antragsgegnerin meint, nicht verneint, sondern ausdrücklich offengelassen), ob der Flächennutzungsplan noch seine Funktion als Instrument der Steuerung der städtebaulichen Entwicklung in dem betroffenen Teil des Gemeindegebiets erfüllen kann. Diese Fragestellung hat aber mit der hier von Antragsgegnerseite aufgeworfenen Frage, ob die Änderung des Bebauungsplans städtebaulich erforderlich i.S.v. § 1 Abs. 3 BauGB ist, nichts zu tun.
2.2.2. Die Rechtmäßigkeit der faktischen Baumaßnahme zum Anschluss der W. H. Straße an die W. Straße ergibt sich auch nicht aus § 125 Abs. 3 BauGB.
Die grundsätzliche Bindung der Erschließungsanlagen an die Festsetzungen des Bebauungsplans wird durch § 125 Abs. 3 BauGB gelockert. Danach wird die Rechtmäßigkeit der Herstellung von Erschließungsanlagen durch Abweichung von den Festsetzungen des Bebauungsplans nicht berührt, wenn die Abweichungen mit den Grundzügen der Planung vereinbar sind und 1.) die Erschließungsanlagen hinter den Festsetzungen zurückbleiben oder 2.) die Erschließungsbeitragspflichtigen nicht mehr als bei einer plangemäßen Herstellung belastet werden und die Abweichungen die Nutzung der betroffenen Grundstücke nicht wesentlich beeinträchtigen.
Vorliegend scheitert eine zulässige Planabweichung der Erschließung bereits daran, dass hierdurch die Grundzüge der Planung berührt werden. Unter den Grundzügen der Planung ist hier die in der Verkehrserschließung nach dem Bebauungsplan zum Ausdruck kommende planerische Konzeption der Gemeinde zu verstehen (Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 125 Rn. 6, m.w.N.). Die Lockerung der Bindung an den Bebauungsplan bei der Herstellung von Erschließungsanlagen hängt also zunächst davon ab, dass es sich um geringfügige Planabweichungen handelt. Eine Abweichung von der Festsetzung eines Bebauungsplans ist mit den Grundzügen der Planung i.S. des § 125 Abs. 3 BauGB vereinbar, wenn die vom Plan angestrebte und in ihm zum Ausdruck gebrachte städtebauliche Ordnung nicht in beachtlicher Weise beeinträchtigt wird, d.h. wenn angenommen werden kann, die Abweichung liege (noch) im Bereich dessen, was der Planer gewollt hat oder gewollt hätte, wenn er die weitere Entwicklung einschließlich des Grundes der Abweichung gekannt hätte (BVerwG, U.v. 9.3.1990 – 8 C 76/88 – juris). So hat es die obergerichtliche Rechtsprechung mit den Grundzügen der Planung als nicht mehr vereinbar angesehen, als über die fehlende Herstellung einer etwa 17 m langen Stich Straße (BayVGH, B.v. 25.4.2008 – 6 ZB 06.284 – juris) bzw. die Nichtherstellung der für eine Stich Straße vorgesehene Wendemöglichkeit (OVG NW, B.v. 28.1.2005 – 3 B 364/04) zu befinden war. Unter Heranziehung dieser Grundsätze und der obergerichtlichen Rechtsprechung muss vorliegend davon ausgegangen werden, dass mit der Änderung dergestalt, dass entgegen der bisherigen Planung, mit der die W. H. Straße in ihrem nordwestlichen Ende in einem Wendehammer und damit in einer Sackgasse endet, nun der Anschluss an die W. Straße erfolgen soll, die planerische Konzeption dieser Erschließungs Straße vollkommen geändert wird. Das Konzept der bisherigen verkehrsmäßigen Erschließung im Plangebiet liegt darin, den Verkehr ausschließlich über das südöstliche Ende der W. H. Straße sowie in östlicher Richtung über die beiden Stichstraßen in die K. A. Straße abzuleiten, während das neue Plankonzept eine Ableitung des Verkehrs in nordwestlicher Richtung, direkt in die W. Straße vorsieht. Damit werden die Grundzüge der verkehrlichen Erschließung im Plangebiet grundlegend beeinflusst.
Ohne dass es noch darauf ankäme bleibt festzustellen, dass auch die weiteren Voraussetzungen des § 125 Abs. 3 Nrn. 1 und 2 BauGB nicht vorliegen. Denn die Öffnung der W. H. Straße zur W. Straße in der Form der Erweiterung der Verkehrsflächen in nördlicher Richtung über die bisher festgesetzten Verkehrsflächen hinaus unter Einbeziehung der Grünflächen und der nicht als Bauflächen vorgesehenen Schutzflächen bleibt nicht hinter den Festsetzungen des Bebauungsplans zurück, sondern geht über diesen hinaus, so dass die Regelung des § 125 Abs. 3 Nr. 1 BauGB nicht zur Anwendung kommt. § 125 Abs. 3 Nr. 2 BauGB scheitert jedenfalls nach summarischer Prüfung daran, dass durch die Abweichungen die Nutzung der betroffenen Grundstücke mehr als nur unwesentlich beeinträchtigt wird. Dieses Erfordernis betrifft (allein) die Auswirkungen der Abweichung auf die betroffenen Grundstücke. Hierzu zählt auch eine Beeinträchtigung des Grundstücks durch Geräuschimmissionen (vgl. Dirnberger/Jäde/Weiß, BauGB, § 125 Rn. 14). Eine wesentliche Beeinträchtigung kann sich etwa ergeben, wenn sich infolge einer Änderung der Zweckbestimmung der Anlage die Geräuschimmissionen erhöhen bzw. die Straßenführung so umgestaltet wird, dass sich dadurch stärkere Immissionen für einige Grundstücke ergeben (Driehaus in Berliner Kommentar zum BauGB, § 125 Rn. 27, Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 125 Rn. 16b).
2.2.3. Die Rechtmäßigkeit der von der Antragsgegnerin vorgesehenen Maßnahme ergibt sich – entgegen der Meinung der Bevollmächtigten der Antragstellerin wie auch der Kommunalaufsicht beim Landratsamt W. – auch nicht aus § 125 Abs. 2 BauGB.
Diese Vorschrift enthält eine weit reichende Ausnahme von dem vg. Grundsatz, dass Erschließungsanlagen nur hergestellt werden dürfen, wenn ein Bebauungsplan aufgestellt wurde. Liegt ein Bebauungsplan jedoch nicht vor, dürfen hiernach die Erschließungsanlagen im Sinne des § 127 Abs. 2 BauGB nur hergestellt werden, wenn sie den in § 1 Abs. 4 bis 7 BauGB bezeichneten Anforderungen entsprechen.
Wenn die Bevollmächtigte der Antragsgegnerin wie auch die Kommunalaufsicht allein darauf abstellen, dass die Antragsgegnerin ihre Entscheidung unter Beachtung der Vorgaben aus § 125 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 1 Abs. 4 – 7 BauGB zu treffen habe bzw. getroffen habe, so verkennen sie vollständig, dass der Anwendungsbereich des § 125 Abs. 2 BauGB hier schon nicht eröffnet ist. Denn für den betroffenen Bereich der Grünfläche bzw. des Schutzstreifens zwischen dem Wendehammer der W. H. Straße und der W. Straße liegt ein Bebauungsplan vor. Nach seinem eindeutigen, unmissverständlichen Wortlaut („Liegt ein Bebauungsplan nicht vor, …“) – wie auch nach dem Sinn und Zweck der Regelung – kommt § 125 Abs. 2 BauGB aber nur dann zur Anwendung, wenn ein Bebauungsplan nicht vorliegt. Wurde aber ein Bebauungsplan aufgestellt, kommt ausschließlich § 125 Abs. 1 zur Anwendung, nicht aber § 125 Abs. 2 BauGB. Die Regelung des § 125 Abs. 2 BauGB beantwortet damit nur die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine beitragsfähige Erschließungsanlage für den Fall rechtmäßig hergestellt werden kann, dass ein wirksamer Bebauungsplan für die herzustellende Anlage nicht vorliegt, etwa weil ein Bebauungsplan (noch) nicht in Kraft getreten ist oder keine Festsetzungen zu den Erschließungsanlagen nach § 127 Abs. 2 BauGB enthält. § 125 Abs. 2 BauGB gilt also im Wesentlichen im unbeplanten Innenbereich i.S.v. § 34 BauGB, keinesfalls aber im Planbereich i.S.v. § 30 BauGB (vgl. Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 125 Rn. 11; Jäde/Dirnberger/Weiß, BauGB, § 125 Rn. 6; Driehaus in Berliner Kommentar zum BauGB, § 125 Rn. 13 f.).
Für ein Wahlrecht der Gemeinde dergestalt, dass sie bezogen auf den Bau einer Verkehrsanlage zwischen der Änderung des Bebauungsplans und damit den Weg über § 125 Abs. 1 BauGB und einer Anwendung des § 125 Abs. 2 BauGB frei wählen könnte, gibt die gesetzgeberische Grundkonzeption nichts her. Davon, dass im vorliegenden Fall – wie die Kommunalaufsicht beim Landratsamt W. meint (vgl. E-Mail vom 29.9.2017) – die Gemeinde wählen kann, ob sie für die Erschließungsanlage nach § 127 Abs. 2 BauGB „einen Bebauungsplan aufstellt oder nicht (vgl. § 125 Absätze 1 und 2 BauGB)“, kann nicht die Rede sein. § 125 BauGB beschränkt das Ermessen der Gemeinde. Liegt – wie hier – ein Bebauungsplan vor, muss die Gemeinde die Erschließung nach Maßgabe des Bebauungsplans vornehmen (oder zuvor den Bebauungsplan ändern). Für ein Vorgehen nach § 125 Abs. 2 BauGB ist in diesem Fall kein Raum.
Darüber hinaus kann die Rechtmäßigkeit der durchzuführenden Straßenbaumaßnahme – entgegen der Ansicht der Antragsgegnerseite und der Kommunalaufsicht – auch deshalb nicht auf eine Abwägungsentscheidung der Antragsgegnerin gestützt werden, weil eine solche den Anforderungen des § 125 Abs. 2 BauGB genügende Entscheidung nicht getroffen wurde.
Es lässt sich nämlich den vorgelegten Behördenakten nicht der geringste Anhaltspunkt dafür entnehmen, der die Behauptung der Antragsgegnerseite stützen würde, dass die Entscheidung der Gemeinde für eine Anbindung der W. H. Straße „unter Beachtung der Vorgaben aus § 125 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 1 Abs. 4 bis 7 BauGB nach pflichtgemäßem Ermessen getroffen“ worden wäre.
Die wichtigste materiell-rechtliche Bindung der planersetzenden Wirkung des § 125 Abs. 2 BauGB ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. grundlegend: U.v. 26.11.2003 – 9 C 2/03 – juris) das in § 125 Abs. 2 i.V.m. § 1 Abs. 7 BauGB normierte Gebot, dass Erschließungsanlagen ohne Bebauungsplan nur dann hergestellt werden dürfen, wenn die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abgewogen wurden. Aufgrund der bebauungsplanersetzenden Wirkung von § 125 Abs. 2 BauGB muss jede planende Gemeinde im Einzelfall für die Erschließungsanlage alle berührten öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abwägen. Dies bezieht sich zunächst auf das Abwägen als Vorgang, es muss also überhaupt eine Abwägung stattfinden, bei der alle berührten Interessen in Rechnung gestellt werden. Weiter darf das Abwägungsergebnis die Anforderungen des § 1 Abs. 4 bis 6 BauGB nicht so verfehlen, dass ein entsprechender Bebauungsplan als abwägungsfehlerhaft und damit nichtig anzusehen wäre (vgl. BayVGH, B.v. 27.3.2007 – 6 ZB 05.2456 – juris; B.v. 6.4.2006 – 6 ZB 04.3537 – juris, unter Bezugnahme auf BVerwG, U.v. 26.11.2003 – 9 C 2/03 – juris). Es hat also letztlich nichts anderes zu geschehen als bei der Abwägungsentscheidung über den Bebauungsplan (Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 125 Rn. 13).
Hierfür reicht ein konkludentes Abwägen nicht aus. Es ist vielmehr ein aktiver Planungsakt, ein irgendwie geartetes positives Handeln erforderlich. Hierbei muss die entsprechende Abwägung durch das zuständige Organ der Gemeinde hinreichend dokumentiert sein (vgl. BayVGH, U.v. 23.4.2015 – 6 BV 14.1621 – juris; Driehaus in Berliner Kommentar zum BauGB, § 125 Rn. 16; Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 125 Rn. 13; jeweils m.w.N.).
Im vorliegenden Fall ist den vorgelegten Behördenakten ein irgendwie gearteter Abwägungsvorgang nicht zu entnehmen. In den umfangreichen Akten lässt sich schon kein Gemeinderatsbeschluss oder eine sonst wie geartete Entscheidung der Antragsgegnerin finden, dass diese nun im Rahmen des § 125 Abs. 2 BauGB den Durchstich der W. H. Straße zur W. Straße entscheiden würde. Erst recht liegt keine Abwägungsentscheidung vor, die die vg. Anforderungen einhalten würde. Dass hier ein Abwägungsvorgang stattgefunden hätte, bei dem unter Zugriff auf das Abwägungsmaterial die berührten Interessen eingestellt wurden, lässt sich den mehrfach angeforderten und danach vorgelegten Behördenakten nicht entnehmen. Die Bevollmächtigte der Antragsgegnerin hat zwar in ihrer Antragserwiderung vom 11. Oktober 2017 umfassend ausgeführt, dass die Antragsgegnerin die Entscheidung getroffen habe, die Öffnung der W. H. Straße durchzuführen und insoweit das bereits eingeleitete Bebauungsplanänderungsverfahren nicht abzuschließen und hierbei sämtliche betroffenen Belange ermittelt, bewertet und in die Abwägung eingestellt habe. Allerdings hat sie diese allgemein gehaltenen Ausführungen nicht untermauert durch den Hinweis darauf, wann und von welchem Organ der Gemeinde dieser Abwägungsvorgang durchgeführt worden sein soll. Die Antragsgegnerin hat auf Nachfrage des Gerichts vom 8. November 2017, mit welcher (Abwägungs-)Entscheidung dies geschehen sein soll, verbunden mit der Aufforderung, gegebenenfalls das Schriftstück, das diese (Abwägungs-) Entscheidung beinhaltet, vorzulegen, insoweit mit Schreiben vom 10. November 2017 mitgeteilt, dass ein Beschluss zur Einstellung des Bebauungsplanverfahrens nicht gefasst worden sei und sich die Entscheidung zur Öffnung der W. H. Straße ohne eine Bebauungsplanänderung durchzuführen auf den Schriftverkehr mit der Bevollmächtigten der Antragsgegnerin stütze.
Die nach allem erforderliche Abwägungsentscheidung kann auch nicht im Beschluss des Gemeinderats vom 11. Juli 2017 gesehen werden. Ausweislich der Niederschrift wurde nur eine Vergabeentscheidung an ein bestimmtes Unternehmen getroffen, nicht aber eine irgendwie geartete Abwägungsentscheidung durchgeführt.
2.2.4. Soweit die Antragsgegnerseite darauf abstellt, dass Lärmgutachten eingeholt worden seien, aus denen sich die Zulässigkeit der beabsichtigten Baumaßnahme ergebe, bleibt darauf zu verweisen, dass dies im Rahmen der Abwägung durch die Gemeinde zu würdigen ist, nicht durch das Gericht im Rahmen dieses Verfahrens.
2.2.5.
Nach allem würde nach summarischer Prüfung durch die Öffnung der W. H. Straße zur W. Straße in der Form des Durchbaus des bisherigen Wendehammers unter Beseitigung des Grüngürtels ohne vorherige Bebauungsplanänderung ein rechtswidriger Zustand geschaffen.
2.3. Nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage ist von einer Rechtsbeeinträchtigung der Antragsteller durch den Realakt der Antragsgegnerin auszugehen. Dabei ist für die Frage des Eingriffs in eine materielle Rechtsposition der Anlieger nicht nur auf die Baumaßnahme als solche, sondern auf die zu erwartende, bestimmungsgemäße Nutzung der herzustellenden Straße zum Verkehr abzustellen (VGH Baden-Württemberg, U.v. 28.7.2003 – 5 S 1399/02 – juris).
Die Rechtsstellung des Eigentümers eines der öffentlichen Straße anliegenden Grundstücks hat zum Inhalt, dass vom öffentlichen Grund keine Beeinträchtigungen ausgehen dürfen, für welche eine ausreichende Rechtsgrundlage nicht besteht (BVerwG, U.v. 26.8.1993 – 4 C 24/91 – juris). Diese Rechtsposition der Antragsteller wird vorliegend schon deshalb beeinträchtigt, weil zu erwarten ist, dass deren Grundstück im Fall eines vom aktuell gültigen Bebauungsplan abweichenden Straßendurchstichs einen erhöhten Verkehrsaufkommen in der W. H. Straße mit entsprechenden Lärmbeeinträchtigungen ausgesetzt sein wird. Darüber hinaus würden durch das faktische Verwaltungshandeln drittschützende Festsetzungen des Bebauungsplans „Westlich der K. A. Straße“ faktisch aufgehoben. Die nach Nr. 10 der Begründung des Bebauungsplans „Westlich der K. A. Straße“ auf dem nordwestlich des Wohngrundstücks der Antragsteller auf der öffentlichen Grünfläche bzw. dem von Bebauung freizuhaltenden Schutzstreifen festgesetzte Bepflanzung zwischen der Bundesstraße und der W. H. Straße wurde – wie auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 9. Februar 2004 festgestellt hat – zum Schutz der anschließenden Baugebiete vor Immissionen festgesetzt. Ausweislich der Begründung der Antragsgegnerin zu diesem Bebauungsplan wird durch „die im Bebauungsplan bzw. Grünordnungsplan vorgesehene dichte Bepflanzung … die Überschreitung um ca. 2 dB(A) vermindert“. Unabhängig davon, in welchem Umfang diese Bepflanzung tatsächlich geeignet ist, diese Funktion zu erfüllen, verursacht die Öffnung jedenfalls eine erhöhte Wahrnehmbarkeit des in der W. Straße fließenden Verkehrs an den angrenzenden Wohnhäusern (BayVGH, U.v. 9.2.2004 – 25 N 2982 – S. 13 des amtlichen Umdrucks). Diesen Gesichtspunkt hat die Antragsgegnerin – wie der Bayer. Verwaltungsgerichtshof bereits im Rahmen der Überprüfung der 2. Änderung dargelegt hat – auch jetzt nicht abgewogen.
2.4. Bei einer einstweiligen Anordnung auf Unterlassung, d.h. einer einstweiligen Anordnung, die ein bestimmtes Verhalten verbietet, kann auf Antrag – wie hier – zur Vorbereitung der Vollstreckung die einstweilige Anordnung nach dem Ermessen des Gerichts gemäß § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 890 Abs. 2 ZPO eine Strafandrohung in Form eines Ordnungsgeldes ausgesprochen werden (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, § 123 Rn. 68; Kopp/Schenke, VwGO, § 123 Rn. 42).
§ 890 Abs. 2 ZPO bestimmt, dass die Androhung eines Ordnungsgeldes – als Voraussetzung für eine Verurteilung hierzu nach § 890 Abs. 1 ZPO –, wenn sie nicht (bereits) in der die Verpflichtung aussprechenden Entscheidung enthalten ist, auf Antrag von dem Prozessgericht des ersten Rechtszugs erlassen wird. Nach Wortlaut und Zweck der Regelung besteht unter den genannten Voraussetzungen eine Rechtspflicht des Gerichts zum Erlass der Androhung. Insbesondere ist die Androhung nicht daran geknüpft, dass der Vollstreckungsschuldner bereits gegen die betreffende Unterlassungspflicht verstoßen hat oder eine derartige Zuwiderhandlung droht. Dem Gericht ist insoweit nur hinsichtlich der Entscheidung über die Höhe des Ordnungsgeldes ein Ermessen eingeräumt (vgl. VGH Mannheim, B.v. 18.3.2013 – 4 S 226/13 – NVwZ-RR 2013, 738). In Ausübung dieses Ermessens setzt die Kammer das Ordnungsgeld unter Berücksichtigung des Zwecks der gesetzlichen Regelung sowie Art und Umfang der Verletzungshandlung auf 20.000,00 EUR fest.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung richtet sich nach § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 63 Abs. 2 GKG. Der Regelstreitwert von 5.000,00 EUR, der hiernach zugrunde zu legen war, war nach Satz 1 der Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für das Eilverfahren zu halbieren, so dass ein Streitwert von 2.500,00 EUR festzusetzen war.

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