Baurecht

Vorläufiges Rechtschutzverfahren, Baugenehmigung für die Errichtung einer Mobilfunksendeanlage, Fehlendes Rechtsschutzbedürfnis, Fertigstellung des Mobilfunkmastes

Aktenzeichen  1 CS 22.851

Datum:
1.6.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 13309
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5

 

Leitsatz

Verfahrensgang

M 11 SN 22.1059 2022-03-10 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 3.750 Euro festgesetzt.

Gründe

I. 
Die Antragsteller wenden sich im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 19. Februar 2021 für den Neubau eines 42,15 m hohen Stahlgittermastes (inklusive Systemtechnik) für eine Mobilfunkanlage auf Fundamentplatte und Außenanlagen. Der Standort des Bauvorhabens liegt im Außenbereich; das Wohngebäude der Antragsteller liegt ca. 90 m von dem Vorhabenstandort entfernt ebenfalls im Außenbereich in einer kleinen, im Wesentlichen aus drei Wohngebäuden bestehenden Ansiedlung in unmittelbarer Nähe zur nördlich verlaufenden Bahnlinie M* …
Den Antrag, die aufschiebende Wirkung der erhobenen Klage anzuordnen, hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 10. März 2022 abgelehnt. Der von den Antragstellern vorrangig behauptete Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme wegen einer „erschlagenden“ bzw. „erdrückenden“ Wirkung der genehmigten Anlage erscheine zwar nicht bereits offensichtlich ausgeschlossen. Das Vorhaben, das die baurechtlichen Abstandsflächen einhalte, erweise sich aber voraussichtlich nicht rücksichtslos gegenüber den Antragstellern.
Mit der Beschwerde verfolgen die Antragsteller ihr Ziel, die Vollziehung des angefochtenen Bescheids auszusetzen, weiter.
Der Antragsgegner beantragt die Zurückweisung der Beschwerde. Der Antrag der Antragsteller sei bereits unzulässig, da es an der erforderlichen Antragsbefugnis fehle. Zudem fehle es wegen zwischenzeitlicher Errichtung des Vorhabens nunmehr auch am Rechtsschutzbedürfnis.
Ergänzend wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II. 
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.
Die mit der Beschwerde dargelegten Gründe (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) rechtfertigen keine Abänderung der angegriffenen Entscheidung. Mit dem Vortrag, dass sie durch das Vorhaben der Beigeladenen im nachbarschützenden Gebot der Rücksichtnahme verletzt würden, machen die Antragsteller Einwendungen geltend, die die Errichtung des Baukörpers, das Maß der baulichen Nutzung und die Lage des genehmigten Vorhabens zum Gegenstand haben. Es handelt sich dabei um errichtungsbezogene und nicht um nutzungsbezogene Einwendungen gegen das genehmigte Vorhaben der Beigeladenen. Insoweit fehlt es für einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage nach § 80a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO an dem erforderlichen Rechtsschutzinteresse, soweit sie sich durch die bauliche Anlage als solche in ihren Rechten verletzt sehen. Denn das Vorliegen des allgemeinen Rechtsschutzinteresses ist auch im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung erforderlich und als Prozessvoraussetzung von Amts wegen in jeder Lage des Prozesses zu prüfen (vgl. BayVGH, B.v. 17.11.2015 -9 CS 15.1762 – juris Rn. 20; Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 82 f.).
Nach dem Vortrag des Antragsgegners sowie des im Beschwerdeverfahren vorgelegten Kontrollberichts vom 5. April 2022 mit Foto ist das Vorhaben zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung fertig errichtet worden. Davon gehen im Übrigen auch die Antragsteller nach den Ausführungen im Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 14. April 2022 (S. 7) aus. In einem solchen Fall kann das mit einem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung verfolgte Ziel, die Schaffung vollendeter Tatsachen in Bezug auf den Baukörper und seine Auswirkungen zu verhindern, nicht mehr erreicht werden. Die Inanspruchnahme des Gerichts durch den Nachbarn stellt sich in einem solchen Fall für seine subjektive Rechtsstellung als unnütz dar (vgl. BayVGH, B.v. 9.4.2021 – 9 CS 21.553 – juris Rn. 16; B.v. 12.2.2020 – 15 CS 20.45 – juris Rn. 11; B.v. 18.12.2017 – 1 CS 17.2337 – juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 17.11.2015 a.a.O.; B.v. 12.8.2010 – 2 CS 10.20 – juris Rn. 2; B.v. 14.6.2007 – 1 CS 07.265 – juris Rn. 16). Das diesbezügliche Vorbringen der Antragsteller unterliegt weiterhin der verwaltungsgerichtlichen Beurteilung im noch anhängigen Hauptsacheverfahren.
Die Erfolgsaussichten des Klageverfahrens sind vorliegend nicht Prüfungsgegenstand. Ungeachtet dessen sieht der Senat sich veranlasst darauf hinzuweisen, dass es (auch) an der Antragsbefugnis der Antragsteller fehlen dürfte. Die Baugenehmigung kann von den Antragstellern als Nachbarn nur angegriffen werden, wenn sie die Verletzung einer drittschützenden Vorschrift geltend machen können. Ihre Klagen bzw. ihre Anträge nach § 80a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO sind unzulässig, wenn die von ihnen behaupteten Rechte offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise bestehen oder ihnen zustehen können (vgl. BVerwG, B.v. 22.12.2016 – 4 B 13.16 – juris Rn. 7). Das ist vorliegend im Hinblick auf die Entfernung des Vorhabens von ca. 90 m zu ihrem Wohnhaus und der Vorbelastung durch die nördlich ihrer Grundstücke verlaufenden Bahnlinie der Fall.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2, 159 Satz 2 VwGO, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.1.3, 1.5 und 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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