Baurecht

Vorläufiges Rechtsschutzverfahren, Baugenehmigung für die Errichtung einer Mobilfunksendeanlage, Klage eines Naturschutzverbands

Aktenzeichen  1 CS 22.56

Datum:
22.3.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 6527
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3

 

Leitsatz

Verfahrensgang

M 9 SN 21.5136 2021-11-10 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1. Der Beigeladene zu 2 trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.750 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller, ein Naturschutzverband, wendet sich im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gegen die der Beigeladenen zu 1 erteilte Baugenehmigung vom 20. August 2021 für den Neubau eines 35 m hohen Stahlgittermastes mit zwei Plattformen sowie Outdoortechnik auf Fundamentplatte. Der Standort des Vorhabens liegt im Außenbereich in einer Waldinsel am Rand eines Landschaftsschutzgebiets. Die Naturschutzbehörde ging im Baugenehmigungsverfahren davon aus, dass das Bauvorhaben (teilweise) in der Schutzzone liegt und erteilte eine Erlaubnis gemäß § 7 Abs. 2 der Verordnung über den „Naturpark Altmühltal (Südliche Frankenalb)“. Für das Bauvorhaben werden 90 m² Waldfläche dauerhaft beansprucht und 220 m² Fläche für die Baumaßnahmen temporär gerodet. Die Beigeladene zu 1 leistete für den Eingriff in Natur und Landschaft eine Ersatzzahlung in Höhe von 7.735 Euro.
Den Antrag, die aufschiebende Wirkung der erhobenen Klage anzuordnen, lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 10. November 2021 ab. Die Erlaubnis nach § 7 Abs. 2 der geltenden Schutzverordnung sei zu erteilen gewesen, da nach dem Ergebnis des Augenscheins kein erheblicher Eingriff in Natur und Landschaftsbild, insbesondere in das Landschaftsbild, durch den Stahlgittermast, der ca. 15 m über die Bäume eines von landwirtschaftlichen Flächen umgebenden Waldstücks herausrage, erkennbar gewesen sei. Ein Verstoß gegen § 15 Abs. 5, Abs. 6 BNatSchG liege bereits deshalb nicht vor. Der Mobilfunkmast sei im Außenbereich gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB privilegiert. Eine Verletzung des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB sei nicht gegeben.
Mit der Beschwerde wird geltend gemacht, dass ein erheblicher Eingriff in das Landschaftsbild vorliege. Die Landschaft im Bereich des betreffenden Wäldchens sei nicht durch Masten oder andere hohe bauliche Anlagen vorbelastet. Bei der erforderlichen Abwägung nach § 15 Abs. 5 BNatSchG sei zu berücksichtigen, dass die prognostizierte Versorgung bei der Errichtung des Funkmastes an der untersuchten Standortalternative 2 im Außenbereich nicht wesentlich schlechter sei als am genehmigten Standort. Ein Anspruch auf die Erteilung einer Erlaubnis gemäß § 7 Abs. 2 der Schutzverordnung bestehe nur, wenn die Wirkungen eines Verstoßes gegen den Zweck der Schutzzone durch Nebenbestimmungen ausgeglichen werden könnten. Dies sei bei einem Eingriff in das Landschaftsbild hier nicht möglich. Da es einen Standort mit geringeren Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft gebe, verletze die angegriffene Genehmigung auch den Grundsatz der größtmöglichen Schonung des Außenbereichs, der im Rahmen des § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB zu beachten sei. Dem Vorhaben ständen die Belange des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB entgegen. Das Waldstück sei Lebensraum gefährdeter Vogelarten.
Der Antragsgegner und die Beigeladene zu 1 treten dem Beschwerdevorbringen entgegen.
Ergänzend wird auf die Gerichtsakten mit den vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.
Die mit der Beschwerde dargelegten Gründe (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) rechtfertigen keine Abänderung der angegriffenen Entscheidung. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die der Beigeladenen zu 1 erteilte Baugenehmigung zu Recht abgelehnt, da ein Verstoß gegen umweltbezogene Rechtsvorschriften nicht dargelegt wird (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, § 2 UmwRG).
Eingriffe in Natur und Landschaft im Sinn der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung sind Veränderungen der Gestalt oder Nutzung von Grundflächen oder Veränderungen des mit der belebten Bodenschicht in Verbindung stehenden Grundwasserspiegels, die die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts oder das Landschaftsbild erheblich beeinträchtigen können (§ 14 Abs. 1 BNatSchG). Eine erhebliche Beeinträchtigung des Landschaftsbildes im Sinn von § 14 Abs. 1 BNatSchG ist anzunehmen, wenn die Veränderung von einem gegenüber den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege aufgeschlossenen Durchschnittsbetrachter als nachteilig und störend empfunden wird (vgl. BVerwG, U.v. 21.1.2016 – 4 A 5.14 – BVerwGE 154, 73; U.v. 27.9.1990 – 4 C 44.87 – BVerwGE 85, 348; BayVGH, B.v. 17.8.2017 – 19 ZB 16.164 – juris Rn. 19). Die Beeinträchtigung ist erheblich, wenn die äußere Erscheinungsform der Landschaft nachteilig verändert wird, namentlich wenn das Vorhaben als Fremdkörper in Erscheinung tritt und einen negativ prägenden Einfluss auf das Landschaftsbild hat (VGH BW, U.v. 20.4.2000 – 8 S 318/00 – NVwZ 2000, 1063). Die technische Neuartigkeit und die dadurch bedingte optische Gewöhnungsbedürftigkeit können allein eine Beeinträchtigung des Landschaftsbildes nicht begründen (vgl. BVerwG, B.v. 8.2.1991 – 4 B 10.91 – BauR 1991, 179).
Ausgehend von diesen Maßgaben können die Ausführungen im Beschwerdeschriftsatz die Würdigung des Verwaltungsgerichts, dass der Mobilfunkmast keinen erheblichen Eingriff in das Landschaftsbild darstelle, nicht ernsthaft in Frage stellen. Das Gericht hat die Lage des Vorhabenstandorts in einer Waldinsel, die umgeben von Wiesen- und Ackerflächen ist, und sich unweit des Ortsrands befindet, zutreffend festgestellt. Für eine Beeinträchtigung des Landschaftsbildes kommt es vorliegend nicht nur auf die Waldinsel an, wie der Antragsteller meint, sondern auf einen größeren Umgriff (vgl. BVerwG, U.v. 15.1.2004 – 4 A 11.02 – BVerwGE 120, 1). Weiter wurde zu Recht ausgeführt, dass die landwirtschaftlich genutzte Kulturlandschaft in besiedelten Gebieten seit der flächendeckenden Nutzung der Elektrizität durch Masten aller Art mitgeprägt wird. Gehören Strom- und Funkmasten aber jedenfalls in Ortsnähe zum Landschaftsbild, kommt es nicht maßgeblich darauf an, ob die Landschaft bereits durch Masten oder andere hohe bauliche Anlagen vorbelastet ist. Es kommt bei der Prüfung der Umweltbelange auch nicht darauf an, ob einzelne am Ortsrand wohnende Bürger den Mobilfunkmasten als besonders störend empfinden. Die Erholungsfunktion der Landschaft wird durch die optische Wirkung des Mobilfunkmastes nicht beeinträchtigt. Soweit vorgetragen wird, dass sich das Gericht angesichts der einsetzenden Dämmerung keinen realistischen Eindruck von dem Landschaftsbild habe verschaffen können, ist dies aufgrund des Beginns des Augenscheins eine Dreiviertelstunde vor dem Sonnenuntergang nicht nachvollziehbar. Der Augenschein wurde ausweislich des Protokolls um 17.08 Uhr nicht am Vorhabenstandort beendet, sondern an einer als Standort vorgeschlagenen Grünfläche im Ortsbereich.
Die Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass ein erheblicher Eingriff in die Natur nicht vorliege, wird im Beschwerdeverfahren nicht angegriffen. Aber auch wenn man mit der unteren Naturschutzbehörde davon ausgeht, dass ein Eingriff in Natur und Landschaft im Sinn von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG vorliegt und ergänzend Ersatzzahlungen zu leisten sind (vgl. die Vereinbarung zwischen der Beigeladenen zu 1 und dem Landratsamt, vertreten durch die untere Naturschutzbehörde und die naturschutzfachliche Stellungnahme im Verfahren), dürften umweltbezogene Vorschriften der Genehmigung des Vorhabens voraussichtlich nicht entgegenstehen. Die Beigeladene zu 1 hat auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Baden-Württemberg vom 19. Juli 2010 (Az. 8 S 77/09 – juris) zu einem ähnlich gelagerten Fall im Geltungsbereich einer Landschaftsschutzverordnung verwiesen, die sich u.a. mit der Regelung in § 15 BNatschG auseinandersetzt.
Soweit der Antragsteller mit einem Satz auf die Argumentation des Gerichts (UA Rn. 39) zu der Prüfung Bezug nimmt, ob dem Bauherrn der im Außenbereich privilegierten Anlage ein Ausweichen auf einen Standort im Innenbereich konkret zugemutet werden kann, wird dem Darlegungsgebot des § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO bereits nicht genügt. Im Übrigen stehen geeignete Innenbereichsstandorte aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen (vgl. BVerwG, B.v. 20.6.2013 – 4 C 2.12 – BVerwGE 147, 37) nicht zur Verfügung. Soweit der Antragsteller hingegen damit eine Standortalternativenprüfung für den Außenbereich fordern sollte, findet eine solche im Baugenehmigungsverfahren nicht statt (vgl. BVerwG, B.v. 20.6.2013 – 4 C 2.12 – a.a.O.).
Für die Argumentation, dass dem Vorhaben die natürliche Eigenart der Landschaft und deren Erholungswert gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB entgegenstehen, stellt der Antragsteller auf den Eingriff in das Landschaftsbild ab. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen Bezug genommen werden. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass dem Vorhaben Verbotstatbestände des Artenschutzes entgegenstehen könnten, sind nicht dargelegt. Dem Vorhaben liegt eine spezielle artenschutzrechtliche Prüfung zugrunde.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit und entspricht dem vom Verwaltungsgericht festgesetzten Betrag.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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