Baurecht

Vorliegen eines landwirtschaftlichen Betriebs

Aktenzeichen  M 9 K 20.550

Datum:
12.2.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 20639
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 68
BayBO Art. 76
BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen. 
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet. 

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.
1. Die zulässige Klage hat im Hauptantrag keinen Erfolg, da sie unbegründet ist.
a) Der Kläger hat keinen Anspruch auf die beantragte Baugenehmigung (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der Zelthalle richtet sich unzweifelhaft und zwischen den Beteiligten unstreitig nach § 35 BauGB, da sich das gesamte Grundstück im Außenbereich befindet. Die Zelthalle stellt ein unzulässiges sonstiges Vorhaben i.S.d. § 35 Abs. 2 BauGB dar, durch welches öffentliche Belange beeinträchtigt werden.
aa) Insbesondere liegt keine Privilegierung der Zelthalle nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB vor, da die Zelthalle keinem landwirtschaftlichen Betrieb dient.
(1) Die landwirtschaftliche Privilegierung gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB setzt einen auf Dauer angelegten Betrieb voraus, dem das geplante Vorhaben zu dienen bestimmt ist. Ein landwirtschaftlicher Betrieb ist durch eine spezifisch betriebliche Organisation gekennzeichnet, erfordert eine Nachhaltigkeit der Bewirtschaftung und es muss sich um ein auf Dauer gedachtes und auf Dauer lebensfähiges Unternehmen handeln (vgl. BVerwG, U.v. 16.12.2004 – 4 C 7.04 – BVerwGE 122, 308 m.w.N.). Ein landwirtschaftlicher Betrieb kann auch als Nebenerwerbsbetrieb geführt werden. Ob sich ein Betrieb auf Dauer als lebensfähig erweist, ist im Wege einer Prognose zu beantworten. Dabei sind die Umstände, die für oder gegen die Annahme der Dauerhaftigkeit und Nachhaltigkeit des Betriebes sprechen, ihrerseits zu gewichten und ins Verhältnis zueinander zu setzen. Zu den Merkmalen zur Bestimmung der Dauerhaftigkeit und Nachhaltigkeit eines landwirtschaftlichen Betriebs, denen indizielle Bedeutung zukommt, zählt neben der Möglichkeit der Gewinnerzielung der dauerhaft gesicherte Zugriff auf die landwirtschaftlich nutzbare Fläche (BayVGH, U.v. 29.1.2019 – 1 BV 16.232 – juris Rn. 18), der Umfang der landwirtschaftlichen Betätigung, die Verkehrsüblichkeit der Betriebsform, die Ernsthaftigkeit des Vorhabens und die Sicherung seiner Beständigkeit im Hinblick auf die persönliche Eignung des Betriebsführers (SächsOVG, U.v. 20.7.2006 – 1 B 260/06 – BeckRS 2006, 26064, beck-online). Wird von fachkundiger Stelle nachvollziehbar bestätigt, dass es sich um einen generell lebensfähigen Betrieb handelt und die Investitionsmaßnahmen erwirtschaftet werden können, reduzieren sich die Nachweispflichten des mitwirkungspflichtigen Bauherrn (vgl. BVerwG, B.v. 11.10.2012 – 4 C 9.11 – NVwZ 2013, 155; BayVGH, U.v. 29.1.2019 – 1 BV 16.232 – juris Rn. 20). Gerade bei der Viehhaltung ist häufig zweifelhaft, ob es sich um einen landwirtschaftlichen Betrieb, eine Liebhaberei oder nur um eine Scheinlandwirtschaft zur Tarnung von anderen Vorhaben handelt (Dürr in: Brügelmann, BauGB, Stand: 115. Lfg. Juli 2020, § 35 Rn. 33). Über das Erfordernis der Dauerhaftigkeit und Ernsthaftigkeit soll deswegen verhindert werden, dass unter dem Deckmantel einer nur vorübergehenden landwirtschaftlichen Betätigung nicht privilegierte Gebäude im Außenbereich errichtet werden (Dürr in: Brügelmann, BauGB, Stand: 115. Lfg. Juli 2020, § 35 Rn. 26; Mitschang/Reidt in: Battis/Krautzberger/Löhr, 14. Aufl. 2019, BauGB § 35 Rn. 13).
Ausgehend von diesen Maßstäben liegt beim Kläger und seinen Sohn als vorgetragenem Betriebsnachfolger kein landwirtschaftlicher Betrieb vor.
Ein vom Umfang für einen landwirtschaftlichen Betrieb ausreichendes plausibles Betriebskonzept konnte der Kläger nicht darlegen.
Die aktuell vorhandenen 50 Mutterschafe und nach dem Betriebskonzept weiterhin dauerhaft angestrebten 60 Mutterschafe sind nach den übrigen zu gewichteten Umständen nicht ausreichend, um deswegen auf Dauer von einem überlebensfähigen Betrieb auszugehen. Die Schafe werden als Hobby gehalten und die Schafzucht kann jederzeit wiedereingestellt werden. Gerade bei einer Neugründung ohne feste Betriebsstätte wären deutlich mehr Mutterschafe erforderlich um von einem dauerhaften Betrieb auszugehen. Soweit das Bundesverwaltungsgericht schon mal 45 Mutterschafe für einen Betrieb i.S.d. § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB als ausreichend angesehen hat, wurde dabei maßgeblich auch auf andere Umstände und insbesondere auf den bereits seit 30 Jahre bestehenden Betrieb abgestellt (BVerwG, U.v. 11.10. 2012 – 4 C 9/11 – juris Rn. 12). Vorliegend hält die Klägerseite zwar auch schon seit zehn Jahren einige Schafe und übt in geringem Umfang eine Schafzucht aus, aber es fehlt an anderen Umständen, die einen dauerhaften Betrieb nahelegen. Insbesondere existiert immer noch keine feste Betriebsstätte, die Gewähr dafür leisten würde, dass der Kläger und sein Sohn nicht von einem Tag auf den anderen die Schafzucht wiedereinstellen. Ein plausibles auf einen dauerhaften Schafzuchtbetrieb abzielendes Konzept fehlt seit Jahren. Insbesondere ist weiterhin unklar ob der Kläger eine ganzjährige unübliche Stallhaltung beabsichtigt oder ob doch wieder das alte Konzept einer Weidehaltung auf den verstreuten Flächen beabsichtigt wird.
Ein plausibles Betriebskonzept spiegelt sich dabei auch in den zur Verfügung stehenden Grundstücken nicht wieder. Im Rahmen eines vernünftigen Betriebskonzepts würden Standorte gewählt, die möglichst nahe bei einer Hofstelle bzw. im Einzelfall bei einem Schwerpunkt der landwirtschaftlichen Tätigkeit sind (vgl. hierzu BayVGH, U.v. 29.1.2019 – 1 BV 16.232 – juris Rn. 25). Das streitgegenständliche Grundstück liegt in einem Wald und bietet nach der Stellungnahme des AELF keine fachlich sinnvolle Möglichkeit zur Weidehaltung der Schafe. Soweit der Kläger die gekauften Flächen mit dem begrenzten Angebot auf dem Immobilienmarkt und Problemen bei der Nutzung des Grundstücks FlNr. … (H.) begründet, ist dies nicht glaubhaft. Der Kläger und sein Sohn gründen nach ihren eigenen Angaben seit inzwischen fast zehn Jahren einen Schafzuchtbetrieb. Dennoch ist bisher nur eine Zelthalle als Interimslösung errichtet worden. Im Rahmen einer ernsthaft betriebenen Landwirtschaft wäre im Laufe der zehn Jahre zumindest schon mal mit der Errichtung einer Hofstelle bzw. einer dauerhaften festen Betriebseinrichtung begonnen worden. Entsprechendes ist nicht der Fall, obwohl nach den Angaben des Klägers der Pachtvertrag für das Grundstück FlNr. … (H.) am 31. Dezember 2020 ausgelaufen ist und dort, nach den Angaben in der mündlichen Verhandlung, zukünftig der Schwerpunkt der Schafzucht bzw. eine Hofstelle seien soll. Des Weiteren kann selbst bei Unterstellung zugunsten der Klägers, dass geeignete Flächen für eine dauerhafte Betriebsstätte als Schwerpunkt der Schafzucht seit ca. zehn Jahren fehlen, dies alleine keine Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB begründen (vgl. VGH BW, U.v. 4.3.1996 – 5 S 1526/95 – juris Rn. 25). Wenn geeignete Grundstücke für einen landwirtschaftlichen Betrieb nicht da sind besteht auch keine Landwirthschaft.
Geht es – wie hier – um die Neugründung eines Nebenerwerbsbetriebes, ist die Absicht der Gewinnerzielung ein für die Ernsthaftigkeit des Vorhabens und die Sicherung der Beständigkeit ein gewichtiges Indiz, das besonders sorgfältig zu prüfen ist (vgl. BVerwG, U.v. 16.12.2004 – 4 C 7.04 – BVerwGE, 122, 308 = juris Rn. 12; BVerwG U.v. 11.10.2012 – 4 C 9.11 – BauR 2013, 207 = juris Rn. 8 m.w.N.; BayVGH, B.v. 7.11.2018 – 9 ZB 15.941 – juris Rn. 8). Das AELF hat einem Betrieb des Klägers und seines Sohnes die Möglichkeit der Gewinnerzielung nicht bestätigt bzw. in der letzten vom Kläger vorgelegten Stellungnahme des AELF vom 12. August 2020 diese Möglichkeit explizit verneint.
Eine das AELF widerlegende Totalgewinnprognose wurde vom Kläger nicht erstellt. In der mündlichen Verhandlung hat er lediglich eine Gewinnermittlung für 2020 und eine Prognose für 2021 vorgelegt (Anlage K 18 übergeben auf Anforderung des Gerichts in der mündlichen Verhandlung). Aus dieser ergibt sich für 2020 rechnerisch ein Gewinn von 18.806,34 € und für 2021 ein rechnerischer Gewinn von 19.921,52 €.
Die Gewinnermittlungen für 2020 und 2021 sind nicht geeignet, die nachvollziehbare Einschätzung des AELF als Fachbehörde zur fehlenden Rentabilität eines Betriebes des Klägers und seines Sohnes zu widerlegen.
Für 2020 sind zunächst Einnahmen in Höhe von 5.332 € in Form von Pachteinnahmen, Einnahmen aus dem Winterdienst und Einnahmen aus der Waldpflege enthalten. Diese stellen keine Einnahmen eines landwirtschaftlichen Betriebs i.S.d. § 201 BauGB dar und müssen deswegen, wie auch für 2018/2019 vom AELF ausgeführt, außer Betracht bleiben. Einnahmen, die keine Bodenertragsnutzung darstellen, können als so genannte mitgezogene Nutzungen nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB privilegiert sein. Keinesfalls können solche Nebeneinkünfte aber dafür herangezogen werden, eine Privilegierung – wie hiererst zu begründen (BayVGH, U.v. 14.7.2011 – 14 B 09.2291 -, juris Rn. 46). Die steuerrechtliche Qualifikation dieser Einkünfte ist für § 201 BauGB unbeachtlich. Bei den grundsätzlich der Landwirtschaft zu zuordnenden Einnahmen aus Heuverkäufen fällt auf, dass diese lediglich durch Eigenbelege nachgewiesen sind. Bei Einzelbeträgen von bis zu 3.000 € müssten durch den Kläger aber Rechnungen ausgestellt worden seien. In den anderen Rechnungen aus Lamm- und Schafverkäufen hat der Kläger auch Umsatzsteuer ausgewiesen. Als Unternehmer ist er zur Ausstellung von ordnungsgemäßen Rechnungen verpflichtet (vgl. §§ 14 ff. UStG). Soweit vom Kläger keine Rechnungen vorgelegt wurden, hat das Gericht deswegen zumindest Zweifel, ob Einnahmen in entsprechender Höhe erzielt wurden. Jedenfalls müsste aus den Einnahmen noch die entstandene Umsatzsteuer rausgerechnet werden, da diese ans Finanzamt abzuführen ist und deswegen im Rahmen des Gewinns nicht berücksichtigt werden kann. Die Kosten für die Zeltmiete sind jährlich zu veranschlagen. Auf den Zahlungszeitpunkt der Miete an die GmbH kommt es bei der Ermittlung zum Zwecke der Totalgewinnprognose nicht an. Des Weiteren ist dabei zu beachten, dass das Zelt nach den Angaben des Klägers im Bauantrag lediglich drei Jahre benutzt werden soll. Nach den eingereichten Quittungen wurde das Zelt von einer dem Kläger wirtschaftlich zuzurechnende“ GmbH für 28.000 € angeschafft und aufgebaut. Das Zelt müsste sich für die GmbH eigentlich schon über drei Jahre wirtschaftlich rechnen, da danach keine weitere Unterbringung der Schafe in der Zelthalle beabsichtigt ist. Es ist deswegen sehr zweifelhaft, dass es sich bei der vereinbarten Miete von 1.800 € jährlich um eine fremdübliche Miete handelt. Nach den drei Jahren dürften die Unterbringungskosten für die Schafe neu zu berechnen seien und wahrscheinlich deutlich höher liegen. Fahrkosten sind aus der Gewinnermittlung nicht ersichtlich, obwohl der Kläger Futter von den diversen Grundstücken zu seinen in der Zelthalle befindlichen Schafen verbringen muss. Insgesamt ist das Gericht davon überzeugt, dass der vom Kläger ermittelte Gewinn für 2020 und 2021 unrealistisch ist. Schon unter Berücksichtigung der Einnahmenkorrektur (vereinnahmte Umsatzsteuer und Einnahmen aus anderen Tätigkeiten) und der Berücksichtigung der Mietkosten ergäbe sich zugunsten des Klägers allenfalls ein Gewinn 2020 von ca. 10.000 €.
Für 2021 beruhen die Angaben zu den Einnahmen und Ausgaben zu weiten Teilen auf Annahmen. In der mündlichen Verhandlung konnte der Sohn des Klägers keine überzeugenden Angaben dazu machen, ob und weshalb ab 2021 eine Steigerung bei den Einnahmen bzw. den verkauften Lämmern eintreten sollte.
Schon der zugunsten des Klägers unterstellte Gewinn von 10.000 € in 2020 vor Abzug der Einkommensteuer entspräche nur einem monatlichen Unternehmerlohn für den Kläger und seinen Sohn von ca. 833 € bzw. ca. 416,50 € pro Person. Gleichzeitig müsste neben dem Unternehmerlohn auch noch Eigenkapital aufgebaut werden, da in der Gewinnermittlung lediglich die historischen Anschaffungskosten von abnutzbaren Vermögensgegenständen über Abschreibungen berücksichtigt werden. Für notwendigen Neuanschaffungen bedarf es Eigenkapitals um Preissteigerungen bei den Vermögensgegenständen zu finanzieren (BayVGH, U.v. 20.3.2001 – 20 B 00.2501 – juris Rn. 20). Für einen wirtschaftlichen Betrieb im Abgrenzung zum Hobby ist es nach der Rechtsprechung des BayVGH darüber hinaus erforderlich, dass das eingesetzte Kapital verzinst wird (vgl. BayVGH, U.v. 28.4.2015 – 15 B 13.2262 – juris Rn. 25). Kapital wurde vorliegend insbesondere für den Erwerb von Grundstücken genutzt. Eine Verzinsung dieses Kapitals durch die landwirtschaftliche Tätigkeit erfolgt ganz offensichtlich nicht. Der bescheidene Gewinn pro Monat reicht schon nicht aus, um einen angemessenen Unternehmerlohn für die monatlichen Arbeitsstunden zu gewähren. Fehlende Eigenkapitalbildung, fehlende Verzinsung des Kapitals und die fehlende angemessene Vergütung der eigenen Arbeitsleistung sind Kennzeichen eines Hobbys und unterscheiden bei einer Neugründung eine Liebhaberei von einem dauerhaften und nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB privilegierten Betrieb. Eine positive Entlohnung und Verzinsung wäre für die Annahme eines dauerhaften Betriebs umso mehr erforderlich, da der Kläger selbst vorträgt, dass ein erheblicher Kapitaleinsatz für die zwischenzeitlich dazu erworbenen Grundstücke im Südosten von München erfolgt sei.
Das AELF geht in seiner Stellungnahme vom 12. August 2020 des Weiteren, auch ohne die Kosten für das Zelt, von jährlich üblicherweise anfallenden Aufwendungen in Höhe von 16.003 € aus. Der Kläger hat für 2020 nur Aufwendungen in Höhe von 4.127 € erklärt. Es spricht deswegen viel dafür, dass der Kläger in seiner Gewinnberechnung nicht alle Aufwendungen erfasst hat und tatsächlich ein Verlust entstanden ist.
Im Ergebnis sind die Gewinnberechnungen des Klägers für das Gericht in vielen Punkten nicht nachvollziehbar und schon deswegen nicht geeignet, die Einschätzung des AELF als Fachbehörde zu widerlegen. Entgegen des klägerischen Vortrags ist für das Gericht nicht ansatzweise eine Voreingenommenheit des AELF gegenüber dem Kläger erkennbar. Vielmehr hat das AELF in seinen ersten Stellungnahmen immer wieder auf die Möglichkeit eines landwirtschaftlichen Betriebes bei Vorliegen einer festen Betriebseinrichtung und Vergrößerung des Umfanges des Betriebes hingewiesen. Die später gezogene Schlussfolgerung des AELF, dass nach fast zehn Jahren nicht mehr davon auszugehen ist, dass ein dauerhaft überlebensfähiger Betrieb entstehen soll, ist nachvollziehbar.
Darüber hinaus ist im Rahmen der notwendigen Gesamtschau auch auf die hauptberufliche Tätigkeit des Klägers und seines Sohnes abzustellen. Beide waren bzw. sind in der Immobilienbranche tätig (zur Berücksichtigung der Art der Haupttätigkeit im Rahmen der Gesamtschau vgl. BayVGH, U.v. 23. 11. 2018 – 15 B 15.1376 – juris Rn. 20). Der Kauf von Grundstücken im hochpreisigen Südosten von M. … könnte mit Blick auf die zeitgleiche Tätigkeit in der Immobilienbranche und in Unkenntnis der wahren Absichten des Klägers und seines Sohnes auch einem gewerblichen Grundstückshandel oder einer privaten Spekulation mit Grundstücken dienen. Dieser Umstand kann im Rahmen der Gesamtschau berücksichtigt und gewichtet werden. Er führt dazu, dass dieser Umstand durch andere gleichgewichtige Indizien im Rahmen der Prognose kompensiert werden müsste, um die ernsthafte Aufnahme eines dauerhaften landwirtschaftlichen Betriebs anzunehmen. Eine derartige Kompensation ist vorliegend nicht erfolgt. Zwar hat der Sohn des Klägers inzwischen mehrere landwirtschaftliche Kurse besucht und hat nach der Einschätzung des AELF inzwischen eine ausreichende Qualifizierung. Der Besuch mehrere landwirtschaftlicher Kurse ist allerdings mit relativ geringem Zeitaufwand möglich und zeugt nicht ausreichend von einer ernsthaften Absicht, die Schafzucht dauerhaft über Jahre als Betrieb mit Gewinnerzielungsabsicht und nicht nur als bloße Liebhaberei zu betreiben. Hier ist auch zu berücksichtigen, dass Tierwirt in der Fachrichtung Schäferei ein anerkannter 3-jähriger Ausbildungsberuf in der Landwirtschaft ist (Information zum Tierwirt – Schäferei unter https://berufenet.arbeitsagentur.de; zuletzt am 24. Februar 2021 abgerufen). Der bloße Besuch einiger Tageskurse kann deswegen nicht besonders stark zugunsten eines dauerhaften und ernsthaften Schafzuchtbetrieb gewichtet werden.
Gleichzeitig ist zu berücksichtigen, dass es sich dem Gericht nicht erschließt, weshalb der Kläger Betriebsinhaber seien soll und sein Sohn als Hoferbe benannt wird. Nach dem Eindruck des Gerichts in der mündlichen Verhandlung und nach der gesamten Aktenlage ist der Sohn des Klägers die treibende Kraft hinter dem Projekt. Eine Betriebsnachfolge ist immer mit Unsicherheiten verbunden. Die Inkaufnahme einer Betriebsnachfolge zeitnah nach Betriebsgründung ist unüblich und spricht ebenfalls gegen die Ernsthaftigkeit der Betriebsgründung. Es existiert keine Hofstelle, für die ein Interesse bestehen könnte, sie vor einem Übergang auf die nächste Generation noch beim Kläger selbst zu etablieren.
Zusammenfassend ist das Gericht aufgrund der wechselnden unüblichen Betriebskonzepte, der nachvollziehbaren Einschätzung des AELF als Fachbehörde, der fehlenden Maßnahmen zur Etablierung einer dauerhaften Hofstelle oder festen Betriebseinrichtung, der unrealistischen Gewinnermittlungen und der zehnjährigen Dauer der unzureichenden Maßnahmen davon überzeugt, dass beim Kläger und seinem Sohn kein landwirtschaftlicher Betrieb vorliegt.
(2) Darüber hinaus dient – selbst bei Unterstellung eines landwirtschaftlichen Betriebs beim Kläger und seinem Sohn – die streitgegenständliche Zelthalle keinem landwirtschaftlichen Betrieb i.S.d. § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB. Kein vernünftiger Landwirt würde für 50 bis 70 Schafe für drei Jahre temporär eine Zelthalle als Stall in einem Wald ohne angrenzende Weideflächen errichten. Ein vernünftiger Landwirt würde entweder einen bereits vorhandenen Stall anmieten oder zumindest den temporären Stall in der Nähe der vorhandenen Weideflächen errichten. Für den vorliegenden Standort ist für das Gericht nicht ansatzweise ein vernünftiger Grund erkennbar.
bb) Die Zelthalle als sonstiges Vorhaben ist nach § 35 Abs. 2 BauGB unzulässig, da sie öffentliche Belange beeinträchtigt. Das Vorhaben widerspricht den Darstellungen des Flächennutzungsplans (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB). Die Fläche, auf dem das Vorhaben verwirklicht werden soll, ist im Flächennutzungsplan der Gemeinde als Waldfläche gekennzeichnet. Mit dieser Darstellung sind die planerischen Vorstellungen derart konkretisiert, dass keine Bebauung erfolgen soll. Das bloße Vorhandensein von aufgegebenen baulichen Anlagen führt allein nicht dazu, dass der Flächennutzungsplan überholt ist (vgl. BayVGH, U.v. 8.8.2019 – 2 B 19.457 – juris Rn. 25). Eine Aufgabe der planerischen Vorstellungen ist nicht erfolgt und Anhaltspunkte dafür, dass die aufgegebenen Fundamente nicht entfernt werden können, sind weder ersichtlich noch vorgetragen. Gleichzeitig werden auch die öffentlichen Belange nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 und Nr. 7 BauGB beeinträchtigt, da die Gefahr der Entstehung einer Splittersiedlung besteht und die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigt wird. Nicht entscheidungserheblich ist, ob die Zelthalle ebenfalls wegen § 9 BayWaldG nicht genehmigungsfähig ist.
b) Die Ziffern 2, 3, 6, 7, 9 und 10 des Bescheides vom 9. Januar 2020 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
aa) Die Beseitigungsanordnung nach Art. 76 Satz 1 BayBO in Ziffer 2. des Bescheides vom 9. Januar 2020 ist rechtmäßig. Nach Art. 76 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde die teilweise oder vollständige Beseitigung der Anlagen anordnen, wenn Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert werden und nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Dies ist der Fall, da beim Kläger und seinem Sohn zu keinem Zeitpunkt ein landwirtschaftlicher Betrieb vorlag. Als sonstiges Vorhaben ist die Überdachung wegen der Beeinträchtigung öffentlicher Belange nach § 35 Abs. 2 BauGB unzulässig.
Die Beseitigungsanordnung gegenüber dem Kläger als Handlungstörer ist ermessensfehlerfrei und verhältnismäßig. Die vorgetragene angebliche bloße Bestandsdauer von drei Jahren begründet keinen Ermessenfehler des Beklagten. Der Beklagte hat zutreffend ausgeführt, dass eine für den Außenbereich wesensfremde Bebauung in einem Wald eine erhebliche negative Vorbildwirkung hat. Es liegt auch bei „nur“ drei Jahren kein Bagatellfall vor.
bb) Die Nutzungsuntersagung nach Art. 76 Satz 2 BayBO in Ziffer 3 des Bescheides vom 9. Januar 2020 ist rechtmäßig. Eine Nutzung kann nach Art. 76 Satz 2 BayBO untersagt werden, wenn Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt werden. Dies ist der Fall, da beim Kläger und seinem Sohn zu keinem Zeitpunkt ein landwirtschaftlicher Betrieb vorlag. Als sonstiges Vorhaben ist der Lagerplatz wegen der Beeinträchtigung öffentlicher Belange nach § 35 Abs. 2 BauGB unzulässig.
Die Untersagung gegenüber dem Kläger als Handlungsstörer ist ermessensfehlerfrei und verhältnismäßig.
cc) Die Zwangsgeldandrohungen nach Art. 31, 36 VwZVG in Ziffer 6 und 7 des Bescheides vom 9. Januar 2020 sind rechtmäßig.
Ein Fall einer fehlenden Begründung nach Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG, wie von der ehemaligen Bevollmächtigten des Klägers vorgetragen, liegt nicht vor (vgl. zur Unterscheidung von fehlenden und fehlerhaften Begründungen z.B. Tiedemann in: BeckOK VwVfG, 50. Ed. 1.1.2021, VwVfG § 39 Rn. 95).
Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen nach Art. 18 ff. VwZVG sind erfüllt. Es liegen wirksame und sofort vollziehbare Verwaltungsakte vor. Ein Vollstreckungshindernis durch die Eigentümerstellung der S. A. GmbH wurde durch die Duldungsanordnung in Ziffer 4 beseitigt. Ziffer 4 des Bescheides richtet sich direkt an die S. A. GmbH. Sie ist Inhaltsadressat. Eine Nennung im Anschriftenfeld ist nicht notwendig. Im Anschriftenfeld wird der Bekanntgabeadressat genannt, der nicht zwingend mit dem Inhaltsadressaten übereinstimmen muss (BayVGH, B.v. 26.7.2019 – 15 CS 19.1050, BeckRS 2019, 17728 Rn. 29, beck-online, m.w.N.). Die besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen liegen ebenfalls vor.
Die Androhungen sind ermessensfehlerfrei und verhältnismäßig. Ermessenfehler aufgrund der nur kurzen Begründung liegen nicht vor. Die angedrohten Zwangsgelder in Höhe von 1.000 € bewegen sich in einem sehr niedrigen Bereich. In diesem Bereich sind keine hohen Anforderungen an die Ermessenausübung zu stellen (vgl. z.B. VG München, B.v. 18.12.2019 – M 11 S 19.4569 – juris Rn. 35).
dd) Die Kostenregelungen in Ziffern 9 und 10 des Bescheides sind rechtmäßig.
2. Die hilfsweise erhobene Feststellungsklage bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Die Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO könnte bereits unzulässig sein, da die Feststellung einer Sacheigenschaft und nicht eines Rechtsverhältnisses begehrt wird. Eigenschaften einer Sache (hier: Betriebseigenschaft) sind nur eine Vorfrage für ein Rechtsverhältnis (NK-VwGO/Helge Sodan, 5. Aufl. 2018, VwGO § 43 Rn. 32). Jedenfalls ist sie unbegründet, da kein landwirtschaftlicher Betrieb beim Kläger und seinem Sohn vorliegt.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen dem Kläger aufzuerlegen hätte nicht der Billigkeit entsprochen, da sich die Beigeladene mangels Antragstellung in kein Kostenrisiko begeben hat.
4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit fußt auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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