Baurecht

Wegen Verhinderungsplanung unwirksame Veränderungssperre

Aktenzeichen  Au 4 K 17.869

Datum:
7.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 2962
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 1 Abs. 3 S. 1, § 2 Abs. 1 S. 1, § 14, § 36 Abs. 2 S. 2
GG Art. 14 Abs. 1 S. 2, Art. 28 Abs. 1 S. 1
BV Art. 11 Abs. 2
GO Art. 49 Abs. 4, Art. 52 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Eine Kommune darf sich in Wahrnehmung ihrer Planungshoheit (vgl. § 2 Abs. 1 S. 1 BauGB) bei der Steuerung der städtebaulichen Entwicklung grundsätzlich von “kommunalpolitischen” Motiven leiten lassen. (Rn. 51) (redaktioneller Leitsatz)
2. Den Vorwurf einer am Maßstab von § 1 Abs. 3 S. 1 BauGB unzulässigen Verhinderungsplanung muss eine Kommune nur dann gegen sich gelten lassen, wenn sie keine städtebaulichen Ziele verfolgt. Davon ist grundsätzlich erst auszugehen, wenn eine positive Zielsetzung nur vorgeschoben wird, um eine in Wahrheit auf bloße Verhinderung gerichtete Planung zu verdecken. (Rn. 51) (redaktioneller Leitsatz)
3. Einer Gemeinde ist es trotz eines erteilten Einvernehmens gestattet, eine dem Vorhaben widersprechende Bauleitplanung zu betreiben und sie durch eine Veränderungssperre zu sichern. Die Gemeinde verliert durch die Erteilung des Einvernehmens ihre Planungsbefugnis nicht. (Rn. 58) (redaktioneller Leitsatz)
4. Stellt die Gemeinde fest, dass sie aufgrund eines Vorhabens eine Bauleitplanung betreiben will, die dem Vorhaben widerspricht, wird nur dann keine Vertrauensposition beim Bauherrn geschaffen, wenn kein Einvernehmen erteilt, allerdings auch nicht rechtswidrig versagt wird, sondern sich die Gemeinde mit dem Hinweis an die Baugenehmigungsbehörde begnügt, dass das Vorhaben ihren Planungsabsichten widerspricht und sie von ihren planungsrechtlichen Sicherungsinstrumenten Gebrauch machen wird. (Rn. 60) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen hat der Kläger zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Gegenstand des Verfahrens ist eine Anfechtungsklage einer Gemeinde gegen eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung.
Vorliegend kann dahinstehen, ob die Klage bereits deshalb wegen fehlender Klagebefugnis unzulässig ist, weil der Kläger dem Vorhaben der Beigeladenen ausdrücklich und unwiderruflich am 15. Februar 2016 sein gemeindliches Einvernehmen im Rahmen der Frage zu eventuell erforderlichen Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplanes erteilt hat (vgl. Jäde, Gemeinde und Baugesuch, 5. Auflage 2014, Rn. 117 unter Bezugnahme auf BVerwG, U.v. 12.12.1996 – 4 C 24/95 – juris Rn. 16– 18).
Denn die Klage ist zumindest unbegründet.
Der Kläger ist nämlich nicht in seiner Planungshoheit aus Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG i.V.m. Art. 11 Abs. 2 BV i.V.m. seinem Anspruch auf Beachtung der Veränderungssperre nach § 14 Abs. 1 BauGB durch das Landratsamt … verletzt.
Zwar ist die Erteilung der streitgegenständlichen Genehmigung objektiv rechtswidrig, weil das Landratsamt … die Veränderungssperre nicht von sich aus als unwirksam betrachten konnte. Denn als Behörde stand ihm keine Normverwerfungskompetenz zu (vgl. etwa BayVGH, U.v. 21.12.2012 – 2 N 10.230 – juris Rn. 22). Das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 26. April 2017 im Verfahren Au 4 K 16.1015, auf das sich das Landratsamt im angegriffenen Bescheid beruft, war nämlich zu keiner Zeit rechtskräftig und wurde mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes vom 8. Dezember 2017 (Az.: 22 ZB 17.1141) wegen einer übereinstimmenden Erledigungserklärung für wirkungslos erklärt.
Dies führt allerdings noch nicht dazu, dass der Kläger in seinen Rechten verletzt ist, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Denn die Veränderungssperre ist wegen Verhinderungsplanung unwirksam (1.) und wäre selbst bei Wirksamkeit unbeachtlich (2.).
1. Die Veränderungssperre ist wegen Verhinderungsplanung unwirksam.
Zwar war der Kläger grundsätzlich nicht gehindert, nach Erteilung des Einvernehmens zum Vorhaben der Beigeladenen seine Bauleitplanung zu ändern und zu ihrer Sicherung eine Veränderungssperre zu erlassen. Das Recht – und die Pflicht – der Gemeinde, ihre Bauleitpläne in eigener Verantwortung aufzustellen (§ 2 Abs. 1 Satz 1 BauGB), wird durch die Erteilung des Einvernehmens zu einem konkreten Bauvorhaben nicht berührt. Die Gemeinde darf ihre Bauleitpläne immer dann aufstellen, wenn es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist (§ 1 Abs. 3 BauGB). Dabei kommt es in erster Linie auf die Sicht der Gemeinde selbst an. Sie darf die städtebauliche Entwicklung in ihrem Gemeindegebiet bestimmen und sich dabei grundsätzlich von „gemeindepolitischen“ Motiven, die sich jederzeit ändern können, leiten lassen (BVerwG, U.v. 19.2.2004 – 4 CN 16/03 – juris Rn. 23).
Auch leidet die Veränderungssperre nicht an beachtlichen formellen Mängeln.
a) Es liegt kein Verstoß gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz nach Art. 52 Abs. 2 GO vor, wenn der Kläger die Tagesordnung allein dadurch ändert, dass verschiedene Tagesordnungspunkte vorgezogen werden. Eine darin zu erblickende fehlende oder fehlerhafte Bekanntmachung würde „nur“ eine Behinderung der Teilnahme der Öffentlichkeit, aber keinen Ausschluss der Öffentlichkeit selbst darstellen (BayVGH, U.v. 3.3.2006 – 26 N 01.593 – juris Rn. 18).
b) Wegen der Einstimmigkeit der Beschlüsse kam es nach Art. 49 Abs. 4 GO auch nicht auf eine Prüfung der Notwendigkeit des Ausschlusses einzelner Mitglieder an, da sich das Ergebnis ohnehin nicht geändert hätte.
c) Auch ist kein Ausfertigungs- und Bekanntmachungsfehler ersichtlich. Entgegen den Ausführungen des Bevollmächtigten der Beigeladenen erfolgte in der Sonderausgabe des Marktboten vom 27. April 2016 auch die Bekanntmachung des Aufstellungsbeschlusses (Bl. 139 Verwaltungsakte). Auch erfolgte der Beschluss über den Erlass einer Veränderungssperre zeitlich nach dem Beschluss über die Aufstellung eines Bebauungsplans (TOP 7). Eine gleichzeitige Bekanntmachung des Aufstellungsbeschlusses und der Veränderungssperre ist dann unschädlich (Stock in Ernst/ Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 123. EL Oktober 2016, § 14 Rn. 38).
d) Die Veränderungssperre ist allerdings materiell unwirksam.
Die vom Kläger angestrebte Änderungsplanung verstößt gegen § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB, weil es sich um eine reine Verhinderungsbzw. Negativplanung handelt.
Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB haben die Gemeinden die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Eine Kommune darf sich in Wahrnehmung ihrer Planungshoheit (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 BauGB) bei der Steuerung der städtebaulichen Entwicklung grundsätzlich von „kommunalpolitischen“ Motiven leiten lassen, sie darf unter Beachtung der dafür geltenden gesetzlichen Regeln Bauleitplanung nach ihren Vorstellungen betreiben (vgl. BVerwG, U.v. 19.2.2004 – 4 CN 16.03 – BVerwGE 120, 138 ff. = juris Rn. 23). Den Vorwurf einer am Maßstab von § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB unzulässigen Verhinderungsbzw. Negativplanung (als Missbrauchsschranke) muss eine Kommune nur dann gegen sich gelten lassen, wenn sie keine städtebaulichen Ziele verfolgt, wenn m.a.W. die planerische Ausweisung in Wirklichkeit nicht gewollt ist, sondern die Regelung nur und ausschließlich getroffen wird, um eine andere Nutzung zu verhindern. Nicht erforderlich im Sinne dieser Bestimmung sind daher nur solche Bebauungspläne, die einer positiven Planungskonzeption entbehren und ersichtlich der Förderung von Zielen dienen, für deren Verwirklichung die Planungsinstrumente des Baugesetzbuchs nicht bestimmt sind. Davon ist grundsätzlich erst auszugehen, wenn eine positive Zielsetzung nur vorgeschoben wird, um eine in Wahrheit auf bloße Verhinderung gerichtete Planung zu verdecken. Ein solcher Fall ist aber nicht schon dann gegeben, wenn der Hauptzweck der Festsetzungen in der Verhinderung bestimmter städtebaulich relevanter Nutzungen besteht. Eine Gemeinde darf mit der Bauleitplanung grundsätzlich auch städtebauliche Ziele verfolgen, die mehr auf Bewahrung als auf Veränderung der vorhandenen Situation zielen. Insbesondere gibt es kein generelles Verbot negativer Festsetzungen. Schon mit jeder positiven Ausweisung einer zulässigen Nutzung ist regelmäßig auch eine negative, andere Nutzungen ausschließende Wirkung verbunden. Wie § 1 Abs. 5, Abs. 9 BauNVO zeigt, geht der Normgeber selbst davon aus, dass „positive“, d.h. nicht von vornherein gegen § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB verstoßende Planungsziele auch durch rein negative Festsetzungen erreicht werden können. Der Gemeinde ist es auch nicht verwehrt, auf Bauanträge mit einer Bauleitplanung zu reagieren, die diesen die materielle Rechtsgrundlage entziehen soll. Auch eine zunächst nur auf die Verhinderung einer – aus der Sicht der Kommune – auf eine Fehlentwicklung gerichtete Planung kann einen Inhalt haben, der rechtlich nicht zu beanstanden ist (zum Ganzen: BVerwG, B.v. 18.12.1990 – 4 NB 8.90 – BayVBl. 1991, 280 ff. = juris Rn. 13 ff.; B.v. 15.3.2012 – 4 BN 9.12 – BauR 2012, 1067 = juris Rn. 3; BayVGH, U.v. 12.12.2013 – 15 N 12.1020 – juris Rn. 19; VGH BW, B.v. 24.4.2013 – 3 S 2404/12 – BauR 2013, 1635 ff. = juris Rn. 14; König, Baurecht Bayern, 5. Aufl. 2015, Rn. 56; zum Ganzen vgl. BayVGH, U.v. 27.1.2017 – 15 B 16.1834 – juris Rn. 28). „Ein Mindestmaß des abzusehenden Inhalts der Planung“ kann nur erfüllt sein, wenn die Gemeinde für das betroffene Gebiet schon positive planerische Vorstellungen entwickelt hat. Eine Negativplanung, die sich darin erschöpft, einzelne Vorhaben auszuschließen, reicht nicht aus (BVerwG, B.v. 5.2.1990 – 4 B 191/89, NVwZ, 1990, 558).
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist vorliegend von einer reinen Negativplanung auszugehen. Trotz der von der obergerichtlichen Rechtsprechung geforderten hohen Voraussetzungen bei der Annahme einer solchen Verhinderungsplanung geht die Kammer davon aus, dass im vorliegenden Fall eine unzulässige Negativplanung erfolgte. Diese Annahme speist sich aus folgenden Gesichtspunkten:
aa) Ausweislich der Niederschrift zur Markt Gemeinderatssitzung vom 26. April 2016 (vorgelegt am 14. März 2017) und der amtlichen Bekanntmachung zum Aufstellungsbeschluss wurde die Bebauungsplanänderung begründet mit den durch den Neubau entstehenden Konflikten zu den umliegenden Unternehmen, die größtenteils im Lebensmittelsektor angesiedelt sind. Diese Konflikte müssten im Rahmen einer gemeinverträglichen Bebauung des Gewerbegebiets ausgeschlossen werden. Ziel der Bebauungsplanänderung sei es daher, das Plangebiet von gewerblichen Nutzungen, die mit der Lagerung von Müll verbunden sind, freizuhalten, um die Sicherung der vorhandenen, lebensmittelbezogenen Nutzungen zu gewährleisten. Die Änderung würde damit auch dem Erhalt und der Stärkung der Nahversorgungsfunktion des bestehenden Gewerbegebiets dienen.
bb) Aus den Äußerungen des Bürgermeisters des Klägers, die aus der Presse entnommen werden können (Lokalteil … der … Allgemeine, Ausgabe Samstag, 23. April 2016, Bl. 405 Verwaltungsakte) geht hervor, dass der Bürgermeister versicherte, dass die Kommune hinter den Bürgern stehe. In einer Fraktionssitzung hätten die Vertreter der Räte beschlossen, in der nächsten Sitzung eine Veränderungssperre zu verhängen und den Bau der Halle zu verhindern. In der Bauausschusssitzung im Februar sei dem Projekt noch einstimmig zugestimmt worden. Doch jetzt, so die Zitierung des Bürgermeisters des Klägers durch die Zeitung, gebe es eben Widerstand der Bürger. Die Sitzung zu den Beschlüssen wurde sehr kurzfristig terminiert, nachdem sich in der Öffentlichkeit Widerstand gegenüber dem Vorhaben andeutete.
Für die Kammer ist klar, dass die Veränderungssperre einzig auf die Verhinderung des Vorhabens der Beigeladenen wegen öffentlichen Widerstandes abzielte. Dass laut Aufstellungsbeschluss zur Änderung des Bebauungsplans „Gewerbegebiet … West II Teil Süd – 1. Ergänzung“ zugleich das Ziel verfolgt werden soll, eine Sicherung des Plangebiets bezüglich der vorhandenen, lebensmittelbezogenen gewerblichen Nutzungen zu gewährleisten, ist nach Auffassung der Kammer lediglich vorgeschoben und erfüllt auch nicht die Anforderungen an eine positive planerische Vorstellung. Alleinige Motivation für die Veränderungssperre war demnach nach den Gesamtumständen, die sich der Presse und der Verwaltungsakte entnehmen lassen, die Verhinderung des Vorhabens der Beigeladenen. Dieser Schluss rechtfertigt sich insbesondere aus der Tatsache, dass das Einvernehmen des Klägers zum Vorhaben der Beigeladenen am 16. Februar 2016, mithin lediglich zwei Monate vor Erlass der Veränderungssperre erteilt wurde. In dieser Phase hätte der Kläger unschwer beurteilen können, ob das beabsichtige Vorhaben mit seinen planerischen Regelungen im Gemeindegebiet vereinbar ist (vgl. BVerwG, U.v. 12.12.1996 – 4 C 24/95 – juris Rn. 16) Damit steht auch erkennbar fest, dass allein der Bürgerprotest, nicht aber das Vorhaben an sich eine Anstoßwirkung für die Änderung des Bebauungsplans hatte. Diese radikale Kehrtwende des Klägers lässt sich allein aus der öffentlichen Missbilligung und teils wohl verzerrten öffentlichen Wahrnehmung des Vorhabens als „Müllhalde“ verstehen. Dass allein das Vorhaben der Beigeladenen getroffen wird, bestätigt auch die Formulierung im Aufstellungsbeschluss zum Bebauungsplan, wonach insbesondere eine Freihaltung der Lagerung von Müll im Plangebiet angestrebt werde (Bl. 141 Verwaltungsakte). Die in der Rechtsprechung gezogenen Grenzen für die Frage der Negativplanung wurden damit überschritten.
cc) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus einer Entscheidung des BVerwG (B.v. 26.10.1998 – 4 BN 43.98 –IBRRS 2003, 2019), wonach politische Motive im Rahmen der Bauleitplanung auch bei vorher erteiltem Einvernehmen Anstoß für die Aufstellung oder Änderung eines Bebauungsplanes sein können. Der Ausschluss der Nutzung ist vorliegend nicht städtebaulich begründet. Eine Veränderungssperre darf erst erlassen werden, wenn die Planung, die sie sichern soll, ein Mindestmaß dessen erkennen lässt, was Inhalt des zu erwartenden Bebauungsplans sein soll (stRspr, z.B. BVerwG, Urteil vom 10. September 1976 – BVerwG 4 C 39.74 – BVerwGE 51, 121 ; Beschluss vom 27. Juli 1990 – BVerwG 4 B 156.89 – ZfBR 1990, 302; Beschluss vom 25. November 2003 – BVerwG 4 BN 60.03 -). Wesentlich ist dabei, dass die Gemeinde bereits positive Vorstellungen über den Inhalt des Bebauungsplans entwickelt hat. Eine Negativplanung, die sich darin erschöpft, einzelne Vorhaben auszuschließen, reicht nicht aus. Denn wenn Vorstellungen über die angestrebte Art der baulichen Nutzung der betroffenen Grundflächen fehlen, ist der Inhalt des zu erwartenden Bebauungsplans noch offen. Die nachteiligen Wirkungen der Veränderungssperre wären – auch vor dem Hintergrund des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG – nicht erträglich, wenn sie zur Sicherung einer Planung dienen sollte, die sich in ihrem Inhalt noch in keiner Weise absehen lässt (BVerwG, Urteil vom 10. September 1976 – BVerwG 4 C 39.74 – BVerwGE 51, 121 ; Beschluss vom 5. Februar 1990 – BVerwG 4 B 191.89 – ZfBR 1990, 206). Ein Mindestmaß an konkreter planerischer Vorstellung gehört auch zur Konzeption des § 14 BauGB. Nach seinem Absatz 2 Satz 1 kann eine Ausnahme von der Veränderungssperre zugelassen werden, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen. Ob der praktisch wichtigste öffentliche Belang, nämlich die Vereinbarkeit des Vorhabens mit der beabsichtigten Planung, beeinträchtigt ist, kann aber nur beurteilt werden, wenn die planerischen Vorstellungen der Gemeinde nicht noch völlig offen sind (vgl. zu allem BVerwG, U.v. 19. Februar 2004 – 4 CN 16/03 –, BVerwGE 120, 138-148, Rn. 28). Nach dem Aufstellungsbeschluss zum Bebauungsplan soll durch die Gliederung der Nutzungsart das Nebeneinander von gewerblichen Nutzungen gesteuert werden und dabei Konflikte zwischen Nutzungen unterschiedlicher Schutzwürdigkeit und Störungseigenschaft vermieden werden. Ziel sei Erhalt und Stärkung der Nahversorgungsfunktion des bestehenden Gewerbegebietes. Das Gebiet, das von der Veränderungssperre betroffen ist, ist bereits jetzt fast gänzlich bebaut. Allein die streitgegenständliche Fl.Nr. … ist noch unbebaut. Konkrete Nutzungskonflikte des bereits mit drei Gewerbegebieten und zwei Sondergebieten überplanten Bereiches werden nicht weiter erläutert. Es handelt sich bisher nur um abstrakte Aussagen. Betroffen von der Veränderungssperre ist damit hauptsächlich das Grundstück mit der Flurnummer …. Der Kläger hat damit zwar möglicherweise formal dem Erfordernis der Entwicklung positiver planerischer Vorstellungen Genüge getan (vgl. BVerwG vom 5.2.1990 NVwZ 1990, 558). Es zeigt sich jedoch, dass diese Vorstellungen jedenfalls nicht für das gesamte Gebiet der Veränderungssperre auf eine Realisierung angelegt sind, sondern sich ihre Bedeutung in der „Sperrung“ der Flurnummer … erschöpft. Die positiven Planungsvorstellungen sind insoweit nur vorgeschoben (vgl. BVerwG vom 14.7.1972 – 4 C 8.70 BVerwGE 40, 258; vom 11.5.1999 – 4 BN 15.99 NVwZ 1999, 1338); sie müssten aber bezogen auf das gesamte Plangebiet vorliegen (vgl. auch Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: Januar 2012, RdNr. 48 zu § 14; zu allem vgl. auch BayVGH, U.v. 9.10.2012 – 15 N 11.1857 – juris Rn. 23).
2. Selbst wenn allerdings die gegenständliche Veränderungssperre wirksam wäre, könnte sie dem Vorhaben der Beigeladenen analog § 14 Abs. 3 BauGB jedoch nicht entgegengehalten werden.
Zwar ist es dem Kläger nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes trotz eines erteilten Einvernehmens gestattet, eine dem Vorhaben widersprechende Bauleitplanung zu betreiben und sie durch eine Veränderungssperre zu sichern. Die Gemeinde verliert dadurch ihre Planungsbefugnis nicht (BVerwG, U.v. 19.2.2004 – 4 CN 16/03 – juris Rn. 24). Diese Planungsfreiheit, so folgert das Bundesverwaltungsgericht weiter, besteht jedoch nicht vollkommen ohne Einschränkungen. Diese basieren auf dem Vertrauensschutzgedanken, welcher in der höchstrichterlichen Rechtsprechung durchweg anerkannt ist und aus dem Rechtsstaatsprinzip und/oder den Grundrechten folgt (BVerfG, B.v. 16.12.1981 – 1 BvR 898/79 u.a.,– juris Rn. 83; BVerwG, U.v. 14.4.1978 – IV C 6.76 – juris Rn. 16). Die Einschränkungen, die das Bundesverwaltungsgericht selbst formuliert, beziehen sich auf den Bebauungsplan, den die Gemeinde nun erstellen will. Die Erteilung des Einvernehmens kann demnach im Einzelfall Auswirkungen auf die materielle Rechtmäßigkeit eines dem Vorhaben widersprechenden Bebauungsplanes haben. Denn durch die Erteilung des Einvernehmens erlangt der Bauantragsteller eine Position, die die Gemeinde im Rahmen ihrer Bauleitplanung berücksichtigen müsse. Das Bundesverwaltungsgericht verweist auf den Zweck der Fristenregelung des § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB, der nicht nur darin bestehe, das Genehmigungsverfahren zu beschleunigen. Die Vorschrift diene auch dem Schutz des Bauantragstellers. Er dürfe darauf vertrauen, dass über eine Teilfrage des Genehmigungsverfahrens innerhalb der zweimonatigen Frist des § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB Klarheit geschaffen werde. Deshalb könne die Erteilung des Einvernehmens auch nicht widerrufen oder zurückgenommen werden. Dies würde dem Sinn der Vorschrift widersprechen, innerhalb der Frist klare Verhältnisse über die Einvernehmenserklärung der Gemeinde zu schaffen (vgl. BVerwG U.v. 19.2.2004 – 4 CN 16/03 – juris Rn. 25 m.w.N.).
Im hier zu beurteilenden Fall tritt damit die Frage auf, wie das Verhältnis einer nachgeschobenen Veränderungssperre bei vorher unwiderruflich erteiltem Einvernehmen zu beurteilen ist. Diese Problematik wird im Schrifttum und in der Rechtsprechung als Konflikt mit dem Regelungszweck des § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB diskutiert, wonach mit Fristablauf für die Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens für den Bauherrn hinsichtlich der Position der Gemeinde Klarheit bestehen muss (Jäde, Gemeinde und Baugesuch – Einvernehmen, Veränderungssperre, Zurückstellung; 5. Auflage 2014, Rn. 117). Nichts anderes kann auch bei einem ausdrücklich erteilten Einvernehmen gelten (vgl. Jäde, Gemeinde und Baugesuch – Einvernehmen, Veränderungssperre, Zurückstellung; 5. Auflage 2014, Rn 115), wobei es hier im Ergebnis nicht darauf ankäme, da selbst die Frist des § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB bereits am 4. März 2017 (Eingang des Ersuchens der Genehmigungsbehörde am 4. Januar 2016, Bl. 106 Verwaltungsakte), mithin deutlich vor Bekanntgabe der Veränderungssperre am 27. April 2016 abgelaufen wäre.
a) Als rechtliche Konsequenz des erteilten Einvernehmens werden in der Rechtsprechung und Literatur, soweit ersichtlich, drei verschiedene Lösungsansätze diskutiert, die dem Schutz des derart betroffenen Bauherrn dienen sollen. In der bereits angesprochenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 19.2.2004 – 4 CN 16/03 – juris Rn.26) hatte der Senat ausdrücklich erwogen, Vorhaben, für die zwar noch keine Baugenehmigung erteilt ist, zu denen die Gemeinde jedoch das Einvernehmen erteilt hat, generell oder bei unveränderter Sach- und Rechtslage wegen der Bindung der Gemeinde an das erteilte Einvernehmen in erweiternder oder analoger Anwendung des § 14 Abs. 3 BauGB von den Wirkungen der Veränderungssperre freizustellen. Demnach könnte die Veränderungssperre in Anwendung dieser Grundsätze dem Vorhaben der Beigeladenen nicht entgegengehalten werden. Im konkreten Fall ließ das Bundesverwaltungsgericht diesen Punkt mangels Entscheidungserheblichkeit offen. Entgegen der Ansicht des Bevollmächtigten des Klägers hält die Kammer § 14 Abs. 3 BauGB hier auch tatsächlich für analog anwendbar. Dies lässt sich damit rechtfertigen, dass für die Fallkonstellation, wonach eine Baugenehmigung noch nicht, das Einvernehmen aber erteilt ist, keine Regelung vorhanden ist. Die Vergleichbarkeit der Interessenlage bei noch nicht erteilter Baugenehmigung aber erteiltem Einvernehmen einerseits und erteilter Baugenehmigung andererseits ist vergleichbar. Der rechtliche Status des Bauantragstellers hängt aber davon ab, welche Behörde für die Erteilung der Baugenehmigung und welches Organ für die Erteilung des Einvernehmens zuständig ist und wie das erteilte Einvernehmen „beschaffen“ sein muss. Fallen die Baugenehmigungsbehörde und das zuständige Organ der Gemeinde – wie hier – für die Erteilung des Einvernehmens auseinander, so kommt es bei der Bestimmung des rechtlichen Status des Bauantragstellers maßgeblich darauf an, welche Bindungswirkung das erteilte Einvernehmen hat. Dabei ist zu beachten, dass die Baugenehmigungsbehörde in eigener Verantwortung über den Bauantrag entscheidet und überprüft, ob das Vorhaben insbesondere bauplanungsrechtlich genehmigungsfähig ist. Existiert aber zu dieser Zeit eine wirksame Veränderungssperre, die dem geplanten Vorhaben entgegensteht, so muss die Baugenehmigungsbehörde die Genehmigung zwingend versagen, weil es bei der Beurteilung der Zulässigkeit eines Bauvorhabens auf den Zeitpunkt der Entscheidung der Baugenehmigungsbehörde ankommt. Eine vergleichbare Interessenlage kann aber in diesem Fall angenommen werden, da der Schutzzweck der Instrumente der Veränderungssperre nach § 14 BauGB und des Einvernehmens nach § 36 BauGB jeweils der Planungshoheit dient. Dieses Schutzes bedarf die Gemeinde aber gerade dann nicht, wenn sie ihr Einvernehmen nach § 36 BauGB erteilt und nicht zurücknimmt, dann aber die Veränderungssperre gerade treuwidrig verwendet, um die Unzulässigkeit des eigentlich zulässigen Vorhabens des Bauantragstellers herbeizuführen. Dieses widersprüchliche Verhalten ist missbräuchlich, weil der Bauantragsteller darauf vertraut hat, dass die Gemeinde aufgrund des erteilten Einvernehmens gegen sein Vorhaben „nichts einzuwenden“ hat und die ihr zur Verfügung stehenden planerischen Instrumente gerade nicht einsetzen wird (so im Hinblick § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB BVerwG, U.v. 12.12.1996 – 4 C 24/95 – juris Rn. 16 –18). Es ist der Gemeinde zuzumuten, sich vor der Erteilung des Einvernehmens Klarheit über die Planungsvorstellungen und deren Sicherung mittels Veränderungssperre zu verschaffen. Dafür genügt die Frist der Einvernehmensfiktion in § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB, da die Anforderungen für den Erlass einer Veränderungssperre gemäß § 14 Abs. 1 BauGB im Hinblick auf die erforderliche Planungskonzeption nicht allzu hoch sind. Stellt die Gemeinde aber fest, dass sie aufgrund des Vorhabens eine Bauleitplanung betreiben will, die dem Vorhaben widerspricht, wird nur dann keine Vertrauensposition geschaffen, wenn kein Einvernehmen erteilt, allerdings auch nicht rechtswidrig versagt wird, sondern sich die Gemeinde mit dem Hinweis an die Baugenehmigungsbehörde begnügt, dass das Vorhaben ihren Planungsabsichten widerspricht und sie von ihrem planungsrechtlichen Sicherungsinstrumenten Gebrauch machen wird. Diese Entscheidung der Gemeinde kann die Baugenehmigungsbehörde an den Bauantragsteller weiterleiten. Eine voreilige Einvernehmenserteilung eröffnet ansonsten Raum für die Anwendung des § 14 Abs. 3 Alt. 1 BauGB in erweiternder oder analoge Anwendung (zu allem vgl. Graf, NVwZ 2004, 1435 (1437) m.w.N.; vgl. auch Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB; Stand August 2017, § 14 Rn. 111a; auch Loscher, jurisPR– UmwR 10/2017 Anm. 5)
b) Eine weitere Lösung dieses Problems wird von Jäde über den Weg des ermessensreduzierten § 14 Abs. 2 BauGB diskutiert (vgl. Jäde, Gemeinde und Baugesuch – Einvernehmen, Veränderungssperre, Zurückstellung; 5. Auflage 2014, Rn. 117). Nach seiner Lösung wirft er zunächst die Frage auf, ob die Gemeinde gegen eine für dieses Bauvorhaben erteilte Baugenehmigung noch klagebefugt wäre. Daran fehle es, wenn sich die Gemeinde durch ihr zunächst erklärtes Einvernehmen ihrer sich aus § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB ergebenden wehrfähigen Rechtsstellung begeben hätte; davon werde im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 12.12.1996 – 4 C 24/95 – juris Rn. 17 f.) auszugehen sein. Durch die „nachgeschobene“ Veränderungssperre habe sie sich zwar grundsätzlich eine neue derartige Position, nunmehr auf der Grundlage des § 14 Abs. 2 BauGB verschafft. Dabei spreche aber viel dafür, dass sie von dieser Position gegenüber dem streitigen Bauvorhaben nicht ohne weiteres Gebrauch machen könne. Denn die auf die Auslösung einer Bauleitplanungsaktivität der Gemeinde zielende „Anstoßwirkung“ dieses Bauvorhabens sei durch die Erstbefassung damit und die Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens gleichsam „verbraucht“. Die nunmehr die Genehmigung dieses Bauvorhabens hindernde Veränderungssperre müsse folglich auf einen anderen städtebaulichen Anlass zurückgehen und das Ausgangsbauvorhaben nur gleichsam als ungezielten Nebeneffekt mit erfassen. Andernfalls sei davon auszugehen, dass jedenfalls das der Gemeinde in § 14 Abs. 2 BauGB eröffnete Ermessen zugunsten des Bauherrn auf Null reduziert wäre. Dann bedürfe es auch keiner entsprechenden Anwendung des § 14 Abs. 3 BauGB (Jäde, Gemeinde und Baugesuch – Einvernehmen, Veränderungssperre, Zurückstellung; 5. Auflage 2014, Rn 117). Inmitten steht also letztlich die Frage, ob die Gemeinde noch ein schutzwürdiges städtebauliches Interesse daran hat, ein derartiges Bauvorhaben „aufzuhalten“. Dabei muss also – anders als der Bevollmächtigte des Klägers vorträgt – diese Anstoßwirkung als zweite Komponente der gemeindlichen Verfahrensbeteiligung in den Blick genommen werden. Hat die Gemeinde die darin liegenden Anregungen nicht aufgegriffen, muss sie sich daran wegen des Regelungszweck des § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB, dem Bauherrn für seine weiteren Dispositionen im Verhältnis zur Gemeinde Planungssicherheit zu vermitteln, festhalten lassen. Alles, was die Gemeinde aus Anlass dieses konkreten Bauvorhabens zum Gegenstand einer Bauleitplanung zur Veränderung des städtebaurechtlichen status quo hätte machen können, sie aber nicht gemacht hat, kann sie nun diesem Vorhaben nicht mehr nachträglich entgegenhalten (vgl. Jäde, KommJur 2005, Heft 9, S. 325 (330) unter Verweis auf BayVGH, B.v. 13.1.2000 – 26 CS 99.2149, NVwZ –RR 2001, 649).
In Anwendung dieser Grundsätze hätte der Kläger der Beigeladenen zwingend nach § 14 Abs. 2 Satz 2 BauGB (zusammen mit der Genehmigungsbehörde) eine Ausnahme von der Veränderungssperre erteilen müssen. Städtebaulicher Anlass für den Erlass der Veränderungssperre war nämlich genau das Vorhaben der Beigeladenen. Die Veränderungssperre hat ihren Hauptzweck in der Verhinderung des Vorhabens der Beigeladenen und stellt gerade keinen „ungezielten Nebentreffer“ dar.
c) Ein dritter Ansatz des BayVGH setzt sich ebenfalls mit den Wirkungen des erteilten Einvernehmens auseinander. In jenem Fall hatte ebenfalls eine Gemeinde geklagt (BayVGH, U.v. 30.7.2013 – 15 B 12.147 – juris). Demnach steht das fingierte Einvernehmen der Klagebefugnis nur entgegen, soweit es sich um Ausformungen und Aspekte der Planungshoheit des Klägers handelt, die zum Zeitpunkt des Eintritts der Fiktionswirkung bereits eine rechtliche Bedeutung hatten (BayBGH, a.a.O. – juris Rn. 25). Anders formuliert dürfen neue, selbst geschaffene Gesichtspunkte Berücksichtigung finden, also solche Tatsachen, die die Gemeinde bei ihrer Befassung mit dem Vorhaben zu Entscheidung über ihr Einvernehmen weder gesehen hat noch hätte sehen müssen. In der Folge sind alle planerischen Motive verbraucht, die schon bei Erstbehandlung des Vorhabens durch die Gemeinde hätten mobilisiert werden müssen (vgl. BayVGH, U.v. 30.7.2013 – 15 B 12.147, BayVBl. 2014, 113 mit kritischer Anmerkung Jäde zu einer „nachgeschobenen“ Zurückstellung). Selbst bei diesem weiten Ansatz ist zu bemerken, dass der Kläger die angeblichen Nutzungskonflikte, die durch das Vorhaben im Bebauungsplangebiet entstehen, bereits vor Erteilung seines Einvernehmens hätte erkennen können. Die Besonderheit dieses Falles liegt nämlich darin, dass die Gemeinde das Einvernehmen zum Bauvorhaben der Beigeladenen kurze Zeit vor Erlass der Veränderungssperre erteilt hat und sich die Sach- und Rechtslage in der Zwischenzeit nicht geändert hat (vgl. Loscher, jurisPR –UmwR 10/2017 Anm. 5).
d) Nichts anderes ergibt sich aus Entscheidungen des BayVGH vom 23. April 2015 (B.v. 23.4.2015 – 15 ZB 13.2378 – juris Rn.10 sowie BayVGH, B.v. 23.4.2015 – 15 ZB 13.2377 – juris), wonach die oben genannte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB zwar vornehmlich dem Schutz des Bauantragstellers diene, aus einer Einvernehmensfiktion aber lediglich folge, dass die Gemeinde dem Vorhaben zustimme, nicht aber, dass das Vorhaben planungsrechtlicher Hinsicht auch zu genehmigen sei. Diese Entscheidung obliege vielmehr der Bauaufsichtsbehörde. Diese habe von sich außen in eigener Verantwortung zu prüfen ob das Bauvorhaben bauplanungsrechtlich zulässig sei oder nicht. Dabei sei die Baugenehmigungsbehörde an ein erteiltes Einvernehmen nicht gebunden. In den zitierten Entscheidungen kam es auf die Frage aber nicht an, weil in den dortigen Fällen – anders als hier – Identität zwischen Gemeinde und Baugenehmigungsbehörde vorlag, sodass kein Einvernehmenserfordernis bestand. Insoweit wurde diese Frage auch vom BayVGH letztlich offen gelassen (vgl. BayVGH, B.v. 23.4.2015 – 15 ZB 13.2377 – juris Rn. 7 f.). Die Veränderungssperre ist hier jedoch als Instrument des Klägers und nicht als Instrument der Genehmigungsbehörde zur Verhinderung des Vorhabens aktiviert worden. Gegenüber der Beigeladenen war die Gemeinde damit gebunden (vgl. BVerwG, U.v. 12.12.1996 – 4 C 24/95 – juris Rn. 18, s. auch oben). Diese Bindung würde durch eine Veränderungssperre gegenüber dem Vorhaben unterlaufen.
In der Gesamtschau der diskutierten Lösungsmöglichkeiten konnte die Veränderungssperre dem Vorhaben der Beigeladenen daher nicht entgegengehalten werden. Die Kammer schließt sich der rechtstechnischen Erwägung des Bundesverwaltungsgerichts zur analogen Anwendung von § 14 Abs. 3 BauGB an. In der Konsequenz verletzt die an die Beigeladene erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung auch nicht die Planungshoheit des Klägers aus Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG i.V.m. Art. 11 Abs. 2 BV i.V.m. ihrem Anspruch auf Beachtung der Veränderungssperre nach § 14 Abs. 1 BauGB durch das Landratsamt.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Da sich die Beigeladene durch die Stellung eines Antrags dem Kostenrisiko des § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat, entspricht es der Billigkeit gem. § 162 Abs. 3 VwGO, dem Kläger auch ihre außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

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