Baurecht

Wertermittlung eines mit einem Wohnhaus bebauten Grundstückes im Außenbereich

Aktenzeichen  34 Wx 283/18 Kost

Datum:
12.9.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
FGPrax – 2019, 88
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 35, § 193 Abs. 5, § 196
GNotKG § 46 Abs. 1, Abs. 2

 

Leitsatz

Zur Bewertung eines im Außenbereich liegenden, tatsächlich bebauten und zu Wohnzwecken baulich genutzten Grundstücks (sog. „faktisches Bauland“) unter Heranziehung der Bodenrichtwerte für Bauland.

Tenor

Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Fürstenfeldbruck -Grundbuchamt – vom 31. Juli 2018 wird zurückgewiesen.

Gründe

Gemäß Überlassungsvertrag vom 22.11.2017 übertrug der Vater der Beteiligten zu 1 auf diese seinen Miteigentumsanteil von 6/10 an Grundbesitz, der im Grundbuch wie folgt beschrieben ist:
Flst. Nr Gebäude- und Freifläche zu 1.743 qm,
Flst. Nr Landwirtschaftsfläche zu 4.471 qm.
Die Grundstücke, an denen die Beteiligte zu 1 als bisherige Miteigentümerin zu 4/10 durch die Übertragung Alleineigentum erwirbt, liegen bauplanungsrechtlich im Außenbereich. Zum erstgenannten Grundstück stellten die Urkundsbeteiligten fest (Ziff. II des Vertrags), dass nur eine Teilfläche von 925 qm Baufläche sei, während es sich bei der Restfläche um Grünland handele. Sie stellten weiter fest, dass der Anbau an das bestehende Gebäude bereits auf Kosten des Erwerbers, also der Beteiligten zu 1, durchgeführt werden wird.
Der Übergeber behielt sich am Vertragsgegenstand auf seine Lebensdauer das unentgeltliche Nießbrauchsrecht vor. Zur Sicherung des außerdem vereinbarten aufschiebend bedingten Rückerwerbsanspruchs wurde zu seinen Gunsten eine Vormerkung bestellt.
Die Kostenrechnung für die antragsgemäß vorgenommenen Eintragungen im Grundbuch beanstandete die Beteiligte zu 1 mit der Begründung, dass der Berechnung ein überhöhter Bodenwert zugrunde gelegt worden sei. Sie betont, dass sich das Grundstück nach dem im Ausschnitt vorgelegten Flächennutzungsplan im Außenbereich befinde. Der Bodenwert liege laut Landratsamt bei 6 €/qm.
Nach Anhörung des zuständigen Bezirksrevisors als Vertreter der Staatskasse, Beteiligter zu 2, setzte das Grundbuchamt mit Beschluss vom 31.7.2018 den Geschäftswert für die Eigentumsumschreibung auf 558.240,60 €, für den Nießbrauch auf 139.560,15 € und für die Rückauflassungsvormerkung auf 279.120,30 € fest. Im Außenbereich liegende, bebaute Grundstücke seien als sogenanntes „defacto-Bauland“ oder „faktisches Bauland“ zu bewerten, wenn – wie hier – die Bebauung zulässig errichtet worden sei und nach den Regelungen über privilegierte und begünstigte Bauvorhaben wirtschaftlich genutzt werden können. Daher sei der Bodenrichtwert für Bauland heranzuziehen und hiervon wegen der mit der Außenbereichslage verbundenen erheblichen Beeinträchtigungen in der Grundstücksnutzung ein Abschlag von pauschal 25% vorzunehmen. Ausgehend von dem danach maßgeblichen Bodenrichtwert und den Erklärungen der Urkundsbeteiligten über die Größe der Baufläche sei für die Teilfläche von 925 qm ein Wert von 525 €/qm anzusetzen, gesamt 485.625 €. Die Restfläche dieses Grundstücks (818 qm) dürfe und werde als Gartenland genutzt und sei als solches mit 10% des Baulandpreises, daher mit 5,25 €/qm bzw. gesamt 42.945 €, zu bewerten. Der Gebäudewert sei mit 366.063 € einzubeziehen. Für das zweite Grundstück errechne sich der Wert auf der Basis eines für landwirtschaftliche Grundstücke anzusetzenden Werts von 8 €/qm mit 35.768 €.
Mit der hiergegen eingelegten Beschwerde verfolgt die Beteiligte zu 1 ihr Begehren nach einer Herabsetzung des Geschäftswerts fort. Angesichts der Außenbereichslage des Grundstücks sei nicht vom herangezogenen Bodenrichtwert für den Ortsteil, dem das Grundstück gemeinderechtlich zugeordnet ist, auszugehen, sondern von dem Richtwert für (4,4 km und 7 km entfernt liegende) andere Ortsteile der Gemeinde.
Das Grundbuchamt hat nach Anhörung des Beteiligten zu 2 nicht abgeholfen.
Die gemäß § 83 Abs. 1 Satz 1, Sätze 3 bis 5, § 81 Abs. 5 Sätze 1, 2 und 4 GNotKG zulässige Beschwerde gegen die Geschäftswertfestsetzung nach § 79 GNotKG, über die gemäß § 83 Abs. 1 Satz 5 GNotKG i. V. m. § 81 Abs. 6 Satz 1 GNotKG die Einzelrichterin des Senats entscheidet, hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Der Wert für die Eigentumsumschreibung ist zutreffend festgesetzt.
a) Der Wert der Sache, auch von Grundbesitz, wird gemäß § 46 Abs. 1 GNotKG durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit der Sache unter Berücksichtigung aller den Preis beeinflussenden Umstände bei einer Veräußerung zu erzielen wäre (Verkehrswert). Steht der Verkehrswert – wie hier – nicht fest, so ist er für die Zwecke der Gebührenerhebung im Wege des Freibeweises nach den Kriterien des § 46 Abs. 2 (und ggfls. Abs. 3) GNotKG zu bestimmen (Fackelmann in Schneider/Volpert/Fölsch Kostenrecht 2. Aufl. § 46 Rn. 25; Korintenberg/Tiedtke GNotKG 20. Aufl. § 46 Rn. 12). Angestrebt wird mit dieser Vorgabe einerseits eine möglichst zuverlässige, andererseits aber auch eine praktikable und zeitnahe Bewertung (Bayer. Notarkasse A.d.ö.R. Streifzug GNotKG 12. Aufl. Rn. 2148). Das Gesetz verlangt für die Zwecke der Gebührenfestsetzung keine mit letzter Präzision vorzunehmende Wertfeststellung (vgl. BayObLGZ 1972, 297/301). Das zeigt schon das gesetzliche Verbot gemäß § 46 Abs. 4 GNotKG, zur Feststellung des Verkehrswerts förmlich Beweis zu erheben.
b) Bei bebauten Grundstücken können der Wert des Bodenanteils (Bodenwert) und der Wert der Gebäude (Gebäudewert) gesondert ermittelt und durch Addition zum Gesamtwert zusammengefasst werden (vgl. grundlegend BayObLGZ 1976, 89).
aa) Zur Bestimmung des Bodenwerts kann gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 3 GNotKG auf den veröffentlichten Bodenrichtwert (§ 193 Abs. 5, § 196 BauGB) zurückgegriffen werden.
Der zur Bewertung herangezogene Richtwert ist nach sachlichen und nicht zu beanstandenden Kriterien ausgewählt. Das zu bewertende Grundstück liegt in der Gemarkung des Ortsteils, dessen Richtwert als Ausgangsbasis genommen wurde. Zwar liegt das Grundstück bauplanungsrechtlich im sogenannten Außenbereich, § 35 BauGB. Als dennoch bebautes Grundstück, dessen Bebauung nach den beurkundeten Erklärungen der Beteiligten zu 1 (und des Übergebers) durch einen Anbau erweitert werden wird, wird sein Wert jedoch maßgeblich durch die nahe Lage zu demjenigen bebauten Ortsteil (1,8 km) bestimmt, dem es auch nach der kommunalrechtlichen Untergliederung zugeordnet ist. Eine Vergleichbarkeit mit Grundstücken in den erheblich weiter entfernt liegenden Ortsteilen ist deshalb nicht anzunehmen, zumal die bezeichneten Ortsteile auch vom Gemeindezentrum in erheblich größerer Entfernung liegen als das Bewertungsgrundstück.
Obwohl das Grundstück im Außenbereich liegt, kann der für Bauland ausgewiesene Richtwert zur Wertermittlung der tatsächlich bebauten und nach den Angaben der Urkundsbeteiligten bebaubaren Fläche herangezogen werden (vgl. zum sog. „faktischen Bauland“: BGH WM 1991, 155/156). Grundsätzlich darf im Außenbereich zwar nicht gebaut werden. Allerdings können gemäß § 35 Abs. 2 BauGB auch Bauvorhaben, die – wie hier – nicht nach § 35 Abs. 1 BauGB privilegiert sind, im Einzelfall zugelassen werden, wenn ihre Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist. Bei bereits vorhandener Bebauung sind im Rahmen der Zulassungsentscheidung zudem die Bestimmungen des § 35 Abs. 4 BauGB zu beachten. Da somit in den rechtlich gezogenen Grenzen die vorhandene und zu Wohnzwecken genutzte Bebauung geschützt und auch erweiternde Bauvorhaben möglich sind, liefert der herangezogene Bodenrichtwert einen tauglichen Anhaltspunkt.
Die baurechtlich eingeschränkte Nutzungsmöglichkeit ist allerdings als konkreter wertmindernder Umstand (vgl. Korintenberg/Tiedtke § 46 Rn. 16) zu berücksichtigen. Der insoweit pauschal mit 25% angesetzte Abschlag entspricht üblicher Bemessung und ist – auch unter dem Gesichtspunkt der Kostengerechtigkeit – nicht zu beanstanden.
Auch aus der per Mail der Beteiligten zu 1 erteilten Auskunft der Gemeinde (und nicht des Landratsamts) ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, dass der Bodenwert lediglich bei 6 €/qm liege. Mitgeteilt wird vielmehr lediglich, dass das Bewertungsgrundstück nach dem Flächennutzungsplan der Gemeinde im Außenbereich liege und sich eine Bebauung und Beurteilung dementsprechend nach § 35 BauGB richte.
bb) Der von dieser Grundlage abgeleitete und als rechnerische Quote von 10% gebildete Wert für die restliche, als Gartenland genutzte und nutzbare Grundstücksfläche entspricht allgemein üblicher Bemessung. Die Einteilung des Gesamtgrundstücks in verschiedene Wertzonen entspricht ebenfalls allgemeinen Bewertungsgrundsätzen und ist nicht zu beanstanden.
cc) Gegen die Richtigkeit des Gebäudewerts sind keine Einwendungen erhoben. Es sind auch keine Umstände ersichtlich, die zu Zweifeln Anlass geben würden.
Gleiches gilt mit Blick auf die Bewertung der Landwirtschaftsfläche.
c) Bei der Wertfestsetzung ist schließlich zutreffend berücksichtigt, dass sich der Eigentumswechsel lediglich auf einen 6/10-Anteil bezieht.
2. Für die Eintragung der Vormerkung, die einen unter Bedingungen stehenden Rückübertragungsanspruch sichert (sog. Rückauflassungsvormerkung), ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats regelmäßig entsprechend § 51 Abs. 1 Satz 2 GNotKG nur die Hälfte des Grundstückswerts der nach § 45 Abs. 3 GNotKG maßgebliche Wert (Senat vom 9.7.2015, 34 Wx 136/15 Kost = FGPrax 2015, 230).
Dies ist bei der Wertfestsetzung bereits berücksichtigt.
3. Auch die nach § 52 Abs. 4 und Abs. 5 GNotKG vorgenommene Berechnung des Werts für die Eintragung des Nießbrauchs ist deshalb nicht zu beanstanden.
4. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 83 Abs. 3 GNotKG).
Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel gegeben (§ 83 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 81 Abs. 4 GNotKG; Korintenberg/Fackelmann § 81 Rn. 170).


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