Baurecht

Wesentlich störender Gewerbebetrieb im faktischen Dorfgebiet

Aktenzeichen  15 B 20.828

Datum:
27.9.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 30878
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 34
BauNVO § 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 6

 

Leitsatz

1. Ein traditionell gewachsenes faktisches Dorfgebiet „kippt“ erst (zB in ein faktisches allgemeines Wohngebiet oder ein faktisches Mischgebiet), wenn die landwirtschaftliche Nutzung aus dem Gebiet völlig verschwunden ist, im maßgeblichen Bereich mithin keine aktiven Wirtschaftsstellen land- oder forstwirtschaftlicher Betriebe (mehr) vorhanden sind und auch mit der Wiederaufnahme solcher Nutzungen in absehbarer Zeit nicht mehr gerechnet werden kann. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei der Prüfung, ob ein Betrieb zu den nicht wesentlich störenden, insbesondere wohnverträglichen Gewerbebetrieben zählt, ist in der Regel von einer typisierenden Betrachtungsweise auszugehen. Eine allein typisierende Betrachtungsweise führt nicht weiter, wenn der konkrete Betrieb zu einer Branche gehört, bei der die üblichen Betriebsformen hinsichtlich des Störgrads vom nicht wesentlich störenden bis zum erheblich belästigenden Betrieb reichen. Zu derartigen Betrieben zählen Kraftfahrzeugreparaturwerkstätten. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
3. Für die Beurteilung der Eigenart der näheren Umgebung iSd § 34 Abs. 1 und 2 BauGB ist grundsätzlich alles an Bebauung in den Blick zu nehmen, was tatsächlich vorhanden ist und nach außen wahrnehmbar in Erscheinung tritt. Außer Acht gelassen werden muss allerdings, was die Bebauung nicht prägt, weil es nicht die Kraft hat, die Eigenart der näheren Umgebung zu beeinflussen, oder in ihr aufgrund ihrer Singularität gar als Fremdkörper erscheint. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ob eine vorhandene, nicht genehmigte Bebauung bzw. Nutzung bei der Bestimmung der Eigenart der näheren Umgebung zu berücksichtigen ist, hängt davon ab, ob diese in einer Weise geduldet wird, die keinen Zweifel daran lässt, dass die zuständigen Behörden sich mit ihrem Vorhandensein abgefunden haben. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
5. Ein noch ungenehmigtes Vorhaben, das mit einer beantragten Baugenehmigung erst noch legalisiert werden soll, ist nicht Teil seiner näheren Umgebung, sondern muss sich in diese einfügen. (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RO 7 K 17.531 2019-04-04 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.     
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.     
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar.     
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
Das Verwaltungsgericht hat die zulässige Versagungsgegenklage der Klägerin auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Das streitgegenständliche Vorhaben ist wegen Gebietsunverträglichkeit in einem faktischen Dorfgebiet bauplanungsrechtlich unzulässig.
Im vorliegenden Fall ist ausschließlich problematisch, ob das hier im unbeplanten Innenbereich gem. § 34 BauGB gelegene Vorhaben hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung bauplanungsrechtlich zulässig ist. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme (gerichtliche Inaugenscheinnahme des Baugrundstücks und seiner Umgebung am 27. September 2021) und der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 27. September 2021 ist die nähere Umgebung der Baugrundstücke als faktisches Dorfgebiet (§ 34 Abs. 2 i.V. mit § 5 BauNVO) einzustufen (im Folgenden 1.). Das streitgegenständliche Vorhaben stellt ein das Wohnen wesentlich störendes Vorhaben dar und ist daher gem. § 34 Abs. 2 i.V. mit § 5 Abs. 1 in einem Dorfgebiet hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung bauplanungsrechtlich unzulässig (s.u. 2.).
1. Die maßgebliche prägende Umgebung i.S. von § 34 Abs. 1, Abs. 2 BauGB ist als faktisches Dorfgebiet (§ 34 Abs. 2 i.V. mit § 5 BauNVO) einzustufen.
a) Den örtlichen Maßstab für die planungsrechtliche Zulässigkeit eines Vorhabens bildet nach § 34 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BauGB die „nähere Umgebung“ und das dort tatsächlich Vorhandene (zum jeweils identischen Maßstab der prägenden Umgebung bei § 34 Abs. 1 und Abs. 2 BauGB vgl. BVerwG, B.v. 14.10.2019 – 4 B 27.19 – NVwZ 2020, 322 = juris Rn. 7 ff.).
Der die nähere Umgebung im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB bildende Bereich reicht so weit, wie sich die Ausführung des zur Genehmigung gestellten Vorhabens auswirken kann und wie die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst (vgl. BVerwG, U.v. 26.5.1978 – IV C 9.77 – BVerwGE 55, 369 = juris Rn. 33; B.v. 13.5.2014 – 4 B 38.13 – NVwZ 2014, 1246 = juris Rn. 7; B.v. 22.9.2016 – 4 B 23.16 – BRS 84 Nr. 74 = juris Rn. 6; B.v. 27.3.2018 – 4 B 60.17 – ZfBR 2018, 479 = juris Rn. 7; B.v. 14.10.2019 a.a.O. juris Rn. 7). Die Grenzen der näheren Umgebung lassen sich nicht schematisch festlegen, sondern sind nach der tatsächlichen städtebaulichen Situation zu bestimmen, in die das für die Bebauung vorgesehene Grundstück eingebettet ist (BVerwG, B.v. 14.10.2019 a.a.O. juris Rn. 8; BayVGH, B.v. 30.1.2013 – 2 ZB 12.198 – juris Rn. 3). Bei der für die Prüfung erforderlichen Bestandsaufnahme ist grundsätzlich alles tatsächlich Vorhandene in den Blick zu nehmen (BayVGH, U.v. 2.8.2017 – 2 B 17.544 – juris Rn. 15), d.h. es ist unter wertender und bewertender Betrachtung der konkreten tatsächlichen Verhältnisse an äußerlich erkennbare, also mit dem Auge wahrnehmbare Gegebenheiten der vorhandenen Bebauung und der übrigen Geländeverhältnisse anzuknüpfen (vgl. BVerwG, B.v. 28.8.2003 – 4 B 74.03 – juris Rn. 2). Neben der Perspektive des stehenden Menschen kann es für die Feststellung der maßgeblichen näheren Umgebung auch auf den „Blick von oben“ (Lagepläne, Luftbilder u. ä.) ankommen (vgl. BVerwG, B.v. 13.5.2014 – 4 B 38.13 – NVwZ 2014, 1246 = juris Rn. 12 f.; BayVGH, B.v. 7.2.2013 – 15 CS 19.2013 – juris Rn. 30). Die nähere Umgebung ist für jedes der in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB aufgeführten Zulässigkeitsmerkmale gesondert zu ermitteln, weil die prägende Wirkung der jeweils maßgeblichen Umstände unterschiedlich weit reichen kann. Bei der bauplanungsrechtlichen Beurteilung der Art der baulichen Nutzung bzw. der Ermittlung des Gebietscharakters kann der maßgebliche prägende Umgebungsbereich weiter zu ziehen sei als etwa bei der eher kleinräumig ausgerichteten Beurteilung des Nutzungsmaßes oder der überbaubaren Grundstücksfläche (vgl. BVerwG, B.v. 13.5.2014 a.a.O. juris Rn. 7; BayVGH, B.v. 19.12.2006 – 1 ZB 05.1371 – juris Rn. 19; U.v. 18.7.2013 – 14 B 11.1238 – juris Rn. 19 f.; Mitschang/Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 14. Aufl. 2019, § 34 Rn. 21 m.w.N.). Entscheidend ist, wie weit die wechselseitigen Auswirkungen im Verhältnis von Vorhaben und Umgebung nach tatrichterlicher Würdigung im Einzelfall reichen.
Nach dem Ergebnis der Inaugenscheinnahme der Baugrundstücke und ihrer Umgebung am 27. September 2021 und der Auswertung der in den Akten befindlichen Luftbilder / Lagepläne hat das Verwaltungsgericht die maßgebliche „nähere Umgebung“ i.S. von § 34 Abs. 1, Abs. 2 BauGB für die Beurteilung der Prägung der Art der baulichen Nutzung in den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils korrekt abgesteckt: Die Ziegelei im Nordwesten des Ortsteils (Schwerpunkt FlNr. …) sowie die südlich und südwestlich zu dieser gelegenen bebauten Grundstücke FlNrn. … … … und … sind vom eigentlichen Ortsteil S… mit dem Baugrundstück der Klägerin durch die Bahntrasse, die ihrerseits auf Höhe der Ziegelei mittig durch eine mit Hecken und Bäumen bewachsene Grünzone verläuft, ersichtlich abgetrennt. Hier existiert eine eindeutige städtebauliche Zäsur, die es ausschließt, den Bereich westlich der Bahnlinie hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung als städtebaulich prägend für den bebauten Bereich östlich der Bahnlinie anzusehen. Demgegenüber ist der zusammenhängend bebaute Bereich östlich der Bahnlinie (mit Ausnahme der mit einzelnen Anlagen bebauten, nach Norden hin abgesetzten FlNr. …) als prägende „nähere Umgebung“ der Baugrundstücke hinsichtlich der Nutzungsart anzusehen, da sich innerhalb dieses, räumlich insgesamt überschaubaren Areals keine weitere städtebauliche Zäsur findet, anhand der sich Gebiete mit unterschiedlicher Qualität hinreichend klar abgrenzen ließen.
b) Diese nähere Umgebung ist als faktisches Dorfgebiet (§ 34 Abs. 2 BauGB i.V. mit § 5 BauNVO) einzustufen. Ein traditionell gewachsenes faktisches Dorfgebiet „kippt“ erst (z.B. in ein faktisches allg. Wohngebiet oder ein faktisches Mischgebiet), wenn die landwirtschaftliche Nutzung aus dem Gebiet völlig verschwunden ist, im maßgeblichen Bereich mithin keine aktiven Wirtschaftsstellen land- oder forstwirtschaftlicher Betriebe (mehr) vorhanden sind und auch mit der Wiederaufnahme solcher Nutzungen in absehbarer Zeit nicht mehr gerechnet werden kann. Insbesondere bei – wie vorliegend – kleineren Ortsteilen kann schon einem einzelnen in einem unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) noch existierenden landwirtschaftlichen Betrieb eine den Gebietscharakter als (faktisches) Dorfgebiet noch prägende Wirkung zukommen (vgl. BVerwG, U.v. 23.4.2009 – 4 CN 5.07 – BVerwGE 133, 377 = juris Rn. 8 ff.; OVG SH, B.v. 21.12.2010 – 1 MB 27/10 – NVwZ-RR 2011, 313 = juris Rn. 9; BayVGH, B.v. 21.08.2018 – 15 ZB 17.2351 – juris Rn. 6; B.v. 23.2.2021 – 15 CS 21.403 – RdL 2021, 246 = juris Rn. 66 m.w.N.; eine Einordnung als „faktisches dörfliches Wohngebiet“ gem. § 34 Abs. 2 BauGB i.V. mit dem am 23.6.2021 in Kraft getretenen § 5a BauNVO ist gem. § 245d Abs. 1 BauGB ausgeschlossen). Vorliegend stellt der Senat auf Basis der vorliegenden Unterlagen und dem Ergebnis der Inaugenscheinnahme am 27. September 2021 neben den Betrieben des Ehemanns und des Sohns der Klägerin, der Firma T. H2. GmbH und der Firma Auto … sowie neben diversen Hofstellen im Wesentlichen aufgelassener landwirtschaftlicher Betriebe (mit noch reduziertem land- und forstwirtschaftlichem Betrieb zum Eigenbedarf) die Existenz folgender weiterer Gewerbebetriebe und landwirtschaftliche Nutzungen in der relevanten „näheren Umgebung“ des Baugrundstücks fest: Auf FlNr. … wird noch eine aktive landwirtschaftliche Hofstelle mit Viehhaltung betrieben. Auf FlNr. … befindet sich eine ehemalige Hofstelle die nach Angabe der Beteiligten auch für Lagerzwecke auswärtiger landwirtschaftlicher Betriebe genutzt wird. Auf FlNr. … existiert ein Studio für Kosmetik und medizinische Fußpflege, auf FlNr. … ein Dienstleistungsservice für Haus- und Gartenarbeiten (einschließlich Verkauf und Beratung in den Bereichen Heizung, Sanitär und Solar), auf FlNr. …1 ein Vertrieb und eine Vermittlung von Pflege- und Nahrungsprodukten für Mensch und Tier sowie auf FlNr. …3 ein Bautrocknervertrieb, Wasserschadenbeseitigung. Es liegt damit eine für ein faktisches Dorfgebiet typische Durchmischung von Wohnnutzung, gewerblicher sowie landwirtschaftlicher Nutzung vor.
c) Der Einordnung als faktisches Dorfgebiet stehen keine Gewerbebetriebe in der näheren Umgebung entgegen, die auch durch eine gewerbliche Nutzung geprägt sind, die nicht mehr als „das Wohnen nicht wesentlich störender Gewerbebetrieb“ und mithin nicht als misch- oder dorfgebietsverträglich eingeordnet werden könnten und demgemäß die nähere Umgebung zu einer sog. „Gemengelage“ machen würden (vgl. SächsOVG, U.v. 9.3.2018 – 1 A 552/15 – juris Rn. 40 ff.; OVG NW, U.v. 24.1.2012 – 10 A 2786/09 – juris Rn. 37 ff.).
Gem. § 6 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO sind in einem Mischgebiet zwar „sonstige Gewerbebetriebe“ grundsätzlich zulässig, allerdings steht dies gem. der Zweckbestimmung eines Mischgebiets in § 6 Abs. 1 BauNVO unter dem Vorbehalt, dass es sich um Gewerbebetriebe handelt, „die das Wohnen nicht wesentlich stören“ (vgl. BVerwG, U.v. 7.2.1986 – 4 C 49.82 – NVwZ 1986, 642 = juris Rn. 17; B.v. 22.11.2002 – 4 B 72.02 – BauR 2004, 645 = juris Rn. 3). Dasselbe gilt gem. § 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 6 BauNVO für ein – hier vorliegendes – (faktisches) Dorfgebiet (vgl. BayVGH, B.v. 13.3.2001 – 1 ZS 01.34 – juris Rn. 8; B.v. 29.3.2010 – 14 ZB 09.2187 – juris Rn. 6; B.v. 10.2.2009 – 15 CS 08.2606 – juris Rn. 11). Bei Einordnung als „Gemengelage“, die ggf. auch durch das Vorhandensein von Gewerbebetrieben geprägt wäre, die nicht mehr als das Wohnen nicht wesentlich störend eingeordnet werden könnten, richtete sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des streitgegenständlichen gewerblichen Vorhabens auch hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung ausschließlich nach den allgemeinen Regelungen des „Einfügens“ gem. § 34 Abs. 1 BauGB, also nach dem durch die Umgebungsbebauung und -nutzung vorgegebenen Rahmen (allg. hierzu vgl. BVerwG, U.v. 26.5.1978 – IV C 9.77 – BVerwGE 55, 369 = juris Rn. 46 f.; BayVGH, B.v. 14.2.2018 – 1 CS 17.2496 – juris Rn. 13 m.w.N.). Insbesondere käme dann eine Einordnung als faktisches urbanes Gebiet gem. § 34 Abs. 2 BauGB i.V. mit § 6a BauNVO wegen § 245c Abs. 3 BauGB nicht in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 7.2.2020 – 15 CS 19.2013 – juris Rn. 42 m.w.N.).
aa) Es spricht zwar Vieles dafür, dass der (genehmigte) Betrieb der Firma Auto … als „wesentlich störender“ Kfz-Betrieb einzuordnen ist. Hierbei handelt es sich aber aufgrund seiner Singularität um einen sog. Fremdkörper, dem trotz seiner Lage innerhalb der näheren Umgebung keine prägende Wirkung hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung zukommt.
Bei der Prüfung, ob ein Betrieb zu den nicht wesentlich störenden, insbesondere wohnverträglichen Gewerbebetrieben i.S.v. § 5 Abs. 1, 5 Abs. 2 Nr. 6 BauNVO bzw. – hier – gem. § 6 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 6 zählt, ist in der Regel von einer typisierenden Betrachtungsweise auszugehen (grundlegend BVerwG, B. v. 10.7.1964 – I B 43.64 – BRS 15 Nr. 17; Roeser in König/Roeser/Stock, BauNVO, 4. Aufl. 2019, § 6 Rn. 13; jeweils zu einer Schreinerei- bzw. Tischlerwerkstatt vgl. BVerwG, B.v. 27.6.2018 – 4 B 10.17 – ZfBR 2018, 685 = juris Rn. 8 ff.; BayVGH, U.v. 8.5.2000 – 1 B 97.2860 – juris Rn. 18 ff.; U.v. 22.7.2004 – 26 B 04.931 – juris Rn. 21 ff.; B.v. 2.11.2004 – 20 ZB 04.1559 – BayVBl 2005, 696 = juris Rn. 5 ff.; zu einer Schlosserei vgl. BayVGH, B.v. 13.12.2006 – 1 ZB 04.3549 – NVwZ-RR 2007, 659 = juris Rn. 25 f.). Eine allein typisierende Betrachtungsweise führt aber nicht weiter, wenn der konkrete Betrieb zu einer Branche gehört, bei der die üblichen Betriebsformen hinsichtlich des Störgrads vom nicht wesentlich störenden bis zum störenden oder gar bis zum erheblich belästigenden Betrieb reichen. Zu derartigen Betrieben zählen auch Kraftfahrzeugreparaturwerkstätten, da diese eine Bandbreite vom eingeschränkten Ein-Mann-Betrieb bis zum Großbetrieb aufweisen können. Es gibt einerseits Kraftfahrzeug-Werkstätten, in denen ausschließlich nicht störende Arbeiten (z.B. Elektroreparaturen, Reifenreparaturen, Achsvermessungen, Wartungsarbeiten), und andererseits solche, in denen auch geräuschintensive und daher stark störende Arbeiten (so z.B. Karosserie-Reparaturarbeiten) ausgeführt werden. Abzustellen ist daher im jeweiligen Einzelfall auf den konkreten Typ der Werkstätte, der wegen des unterschiedlichen Störgrades der Arbeiten, die durchgeführt werden, entweder den „sonstigen (nicht wesentlich störenden) Gewerbebetrieben“ oder den wesentlich störenden und damit im Dorf- / Mischgebiet unzulässigen Vorhaben zuzurechnen sein kann (speziell für Kfz-Reparaturwerkstätten vgl. BVerwG, B.v. 11.4.1975 – IV B 37.75 – BauR 1975, 396 = juris Rn. 3 f.; U.v. 7.2.1986 – 4 C 49.82 – NVwZ 1986, 642 = juris Rn. 21; BayVGH, B.v. 24.8.1998 – 1 ZB 98.477 – juris Rn. 2; B.v. 25.1.2001 – 1 CS 00.3136 – juris Rn. 21; B.v. 13.3.2001 – 1 ZS 01.34 – juris Rn. 8; U.v. 17.3.2008 – 1 B 06.3146 – juris Rn. 21; B.v. 10.2.2009 – 15 CS 08.2606 – juris Rn. 11; B.v 15.7.2016 – 9 ZB 14.1496 – juris Rn. 9; B.v. 15.2.2017 – 9 ZB 15.2092 – juris Rn. 13; B.v. 28.7.2021 – 9 ZB 20.3160 – juris Rn. 7 ff.; OVG SH, B.v. 21.12.2010 – 1 MB 27/10 – NVwZ-RR 2011, 313 = juris Rn. 7; OVG NW, B.v. 18.6.2010 – 7 A 896/09 – juris Rn. 7 ff.; VGH BW, B.v. 15.4.2014 – 8 S 2239/13 – NVwZ-RR 2014, 632 = juris Rn. 7).
Grundlage der rechtlichen Beurteilung ist dabei der konkrete Werkstattbetrieb i n s e i n e r g e n e h m i g t e n F o r m (BayVGH, B.v. 10.2.2009 a.a.O. Rn. 12; B.v. 15.7.2016 a.a.O. Rn. 9 f.). Die Baugenehmigung vom 23. Oktober 1975 für den Werkstattanbau ist derart weit bzw. unbestimmt gefasst, dass sie sogar jede potenzielle Werkstattnutzung und damit auch eine solche, die mit Kfz-Reparaturen nichts zu tun hat und die ohne Weiteres bei rein typisierender Betrachtung als „wesentlich störend“ einzuordnen wäre (wie z.B. eine Tischlerei / Schreinerei, vgl. oben sowie BayVGH, U.v. 8.5.2000 – 1 B 97.2860 – juris Rn. 18 ff.), abdeckt. Selbst wenn kraft Auslegung davon ausgegangen würde, dass sich die Baugenehmigung mit Blick auf einen vormals schon vorhandenen Kleinbetrieb (Kfz-Handel mit Werkstattbetrieb) der Sache nach auf eine Kfz-Werkstatt bezog, wäre bei der Beurteilung, ob die Kfz-Werkstatt das Wohnen wesentlich stört oder nicht, nicht auf das Maß der gerade gegenwärtigen tatsächlichen Nutzung abzustellen, sondern auf die Nutzungsmöglichkeiten bei einem funktionsgerechten Ablauf, wie sie durch die jeweiligen Baugenehmigung eingeräumt werden, und insofern zu hinterfragen, ob die im genehmigten Betriebsumfang üblicherweise anfallenden Arbeiten generell geeignet sind, eine Wohnnutzung wesentlich zu stören (vgl. VGH BW, B.v. 15.4.2014 a.a.O. Rn. 7, 8; VG Würzburg, B.v. 12.12.2016 – W 4 S 16.1201 – juris Rn. 21; U.v. 23.3.2021 – W 4 K 20.70 – juris Rn. 27). Bei der gebotenen Einzelfallprüfung ist im Ausgangspunkt – insofern in einer Art einzelfallbezogenen „typisierenden“ Beurteilung des genehmigten (oder zu genehmigenden) Betriebsumfangs (vgl. BayVGH, U.v. 17.3.2008 – 1 B 06.3146 – juris Rn. 22) – abzuschätzen, ob die z u g e l a s s e n e Nutzung des Kfz-Werkstattbetriebs generell geeignet ist, eine Wohnnutzung wesentlich zu stören (vgl. OVG NW, B.v. 18.6.2010 a.a.O. juris Rn. 14). Hiernach ist es vorliegend zwar nicht ausgeschlossen, dass der Betrieb Auto … derzeit wie ein „nicht wesentlich störender Gewerbebetrieb“ i.S. von § 5 Abs. 1 / § 6 Abs. 1 BauNVO geführt wird, wenn – wie der Beklagte vorträgt – ausschließlich wenig lärmverursachende Arbeiten ausgeführt werden (z.B. Reparaturen an Elektronikteilen, Luftfilterwechsel, Auswechseln geschraubter Teile, Pflegearbeiten unter Einsatz von Reinigungs- und Schmierstoffen). Auf einen solchen Betrieb ist der Betrieb aber nach Maßgabe der vorliegenden Baugenehmigung nicht reduziert. Es handelt sich vielmehr um einen Werkstattbetrieb, für den die zugrundeliegende – inhaltlich offene – Baugenehmigungslage der Sache nach in einem weiten Sinne jede Reparaturtätigkeit gestattet, die ein Kfz-Betrieb der gegebenen Größenordnung üblicherweise mit sich bringt. Anders als in anderen Fallgestaltungen, in denen zur Beurteilung der Abgrenzung zwischen wesentlich störendem und nicht wesentlich störendem Werkstattbetrieb auf Konkretisierungen im Genehmigungsbescheid (wie z.B. Lärmschutzauflagen) und / oder in einer zum Gegenstand der Baugenehmigung gemachten Betriebsbeschreibung rekurriert werden konnte (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 24.8.1998 a.a.O. Rn. 2; B.v. 13.3.2001 a.a.O. Rn. 9; B.v. 25.1.2002 a.a.O. Rn. 22; B.v. 10.2.2009 a.a.O. Rn. 12; B.v. 15.2.2017 a.a.O. Rn. 14; VG Würzburg, U.v. 14.7.2015 – W 4 K 14.1276 – juris Rn. 33 f.), ist die Genehmigungslage zum Kfz- und Werkstattbetrieb der Firma Auto … ohne jede weitere gegenständliche Beschränkung (vgl. auch BayVGH, B.v 15.7.2016 a.a.O. Rn. 10 f.). Damit sind – unabhängig vom derzeit tatsächlichen Umfang der Werkstattarbeiten, auf die es nicht ankommt – jedenfalls vom „weiten“, wenig konkretisierten Bescheid zur Betriebserweiterung vom 23. Oktober 1975 auch lärmintensive Arbeiten wie z.B. Karosseriearbeiten oder kompressorunterstützte Lackierarbeiten, grundsätzlich abgedeckt (vgl. auch VG Würzburg, U.v. 13.5.2014 – W 4 K 13.875 – juris Rn. 26; VG Augsburg, U.v. 16.6.2008 – Au 5 K 07.763 – juris Rn. 55), zumal jegliche Lärmschutzauflagen zum Schutz der Nachbarschaft – wie z.B. die Regelung bestimmter Betriebszeiten für lärmintensive Tätigkeiten, Vorgaben zur Einhaltung bestimmter Lärmpegel, das Unterlassen bestimmter lärmintensiver Arbeiten überhaupt bzw. deren Zulässigkeit nur unter bestimmten Voraussetzungen (nicht im Freien, sondern nur in der Werkstatthalle bei geschlossenen Toren und Fenstern) – fehlen. Auch angesichts des räumlichen Umfangs des Betriebs – der mit Bescheid vom 23. Oktober 1975 genehmigte Werkstattanbau umfasst laut den vom Genehmigungsbescheid einbezogenen Bauvorlagen zwei Etagen, zwischen denen eine Massivdecke mit einer Traglast von 500 kg/m² liegt, mit einer Fläche von jeweils über 200 m² (laut Plan 18,53 m² x 12,53 m²) – kann hier nicht von einem das Wohnen nicht wesentlich störenden Betrieb ausgegangen werden, zumal der Betrieb laut dem im Berufungsverfahren vorgelegten Internetauftritt (Stand 27.10.2020) allein im Werkstattbereich fünf Mitarbeiter beschäftigt und die Werkstattgröße den Einsatz mehrerer Hebebühnen nicht ausschließt (vgl. VG Würzburg, U.v. 13.5.2014 a.a.O. Rn. 26). In der Gesamtschau handelt es sich damit – ohne dass es insofern auf die Berücksichtigung des Umfangs des An- und Abfahrtverkehrs sowie des Rangierverkehrs auf den Freiflächen der Firma Auto … ankommt – bei der hier vorliegenden Kfz-Werkstatt ohne nähere Betriebsbegrenzung sowie in der vorliegenden flächenmäßigen Ausdehnung um einen Werkstattbetrieb eines Vertragshändlers, der über einen in einem Misch- oder Dorfgebiet wohnverträglichen Kleinbetrieb hinausgeht (vgl. OVG NW, B.v. 18.6.2010 – 7 A 896/09 – juris).
Trotz der nach der Genehmigungslage gebotenen Einordnung als das Wohnen wesentlich störender Betrieb bleibt es bei der Einordnung der näheren Umgebung der Baugrundstücke als faktisches Dorfgebiet, weil es sich beim Werkstattbetrieb der Firma Auto … um einen für die Umgebungsprägung irrelevanten „Fremdkörper“ handelt, der bei der Bestimmung des Gebietscharakters außer Acht zu lassen ist (vgl. BayVGH, B.v. 24.2.2020 – 15 ZB 19.1505 – juris Rn. 9; B.v. 19.10.2020 – 15 ZB 20.280 – juris Rn. 19). Für die Beurteilung der Eigenart der näheren Umgebung im Sinne des § 34 Abs. 1 und 2 BauGB ist grundsätzlich alles an Bebauung in den Blick zu nehmen, was tatsächlich vorhanden ist und nach außen wahrnehmbar in Erscheinung tritt. Außer Acht gelassen werden muss dabei allerdings, was die Bebauung nicht prägt, weil es nicht die Kraft hat, die Eigenart der näheren Umgebung zu beeinflussen, oder in ihr aufgrund ihrer Singularität gar als Fremdkörper erscheint (vgl. BVerwG, U.v. 26.5.1978 – IV C 9.77 – BVerwGE 55, 369 = juris Rn. 33; B.v. 16.6.2009 – 4 B 50.08 – ZfBR 2009, 693 = juris Rn. 6; U.v. 8.12.2016 – 4 C 7.15 – BVerwGE 157, 1 = juris Rn. 13; U.v. 6.6.2019 – 4 C 10.18 – NVwZ 2019, 1456 = juris Rn. 15; BayVGH, B.v. 24.2.2020 a.a.O.). Nicht prägende Fremdkörper innerhalb der näheren Umgebung sind singuläre Anlagen, die in einem auffälligen Kontrast zu der sie umgebenden, im Wesentlichen homogenen Bebauung stehen, soweit sie nicht ausnahmsweise ihre Umgebung beherrschen oder mit ihr eine Einheit bilden (vgl. BVerwG, U.v. 15.2.1990 – 4 C 23.86 – BVerwGE 84, 322 = juris Rn. 13 ff.; B.v. 11.2.2000 – 4 B 1.00 – BRS 63 Nr. 102 = juris Rn. 44; U.v. 7.12.2006 – 4 C 11.05 – BVerwGE 127, 231 = juris Rn. 9; BayVGH, B.v. 7.2.2020 – 15 CS 19.2013 – juris Rn. 38 m.w.N.; B.v. 19.10.2020 – 15 ZB 20.280 – juris Rn. 19; U.v. 6.5.2021 – 15 B 20.2689 – juris Rn. 18). Die Kfz-Werkstatt der Firma Auto … stellt eine derartige singuläre Anlage dar, weil die auf den Werkstattbetrieb bezogene Baugenehmigung die einzige im betroffenen Areal ist, die einen derart weiten – praktisch unbestimmten – Werkstattbetrieb mit diversen potenziellen Nutzung auch für das Wohnen wesentlich störende gewerbliche Betriebsformen eröffnet (ähnlich vgl. HessVGH, U.v. 19.6.2018 – 4 A 1922/17 – BauR 2019, 80 = juris Rn. 48 a.E.; VG Cottbus, U.v. 20.9.2018 – 3 K 1273/16 – juris Rn. 55). Hinzukommt, dass die Firma Auto … zwar noch innerhalb des im Zusammenhang bebauten Ortsteils liegt, aber auf der östlichen Seite der S. H1. Straße (als Haupterschließungsstraße des Ortsteils) den südlichen Ortsrand abschließt und dabei auch durch eine bestehende Baulücke auf FlNr. … etwas abgesetzt von der übrigen Bebauung erscheint. Zudem läuft der Betreiber einer gewerblichen Nutzung auf Basis einer derart weiten, unbestimmten Baugenehmigung für den Fall, dass er eine besonders lärmintensive Nutzung aufnimmt, stets Gefahr, mit nachträglichen immissionsschutzrechtlichen Anordnungen gem. § 24 Satz 1 BImSchG konfrontiert zu werden. Insofern vermag auch der Umstand, dass nunmehr ein (Wohn-) Gebäude auf der FlNr. … (im vormaligen Außenbereich) unmittelbar östlich an die Firma Auto … angrenzt und damit Letztere nicht mehr nach Osten hin das letzte Gebäude stellt, die Einordnung als Fremdkörper und „Unikat“ nicht infrage zu stellen. Die Werkstatt mit ihrer durch die Baugenehmigungslage weiten Nutzungsbreite stellt sich mithin als singuläre Nutzung innerhalb einer sie sonst umgebenden homogenen, für ein faktisches Dorfgebiet typischen baulichen Nutzung und mithin als ein für die Gebietsprägung unbeachtlicher, nicht „tonangebender“ Fremdkörper dar.
bb) Der existierende Betrieb der Firma T. H2. GmbH ist als das Wohnen „nicht wesentlich störend“ einzuordnen und spricht damit nicht für eine Gemengelage, sondern bestätigt die Einordnung als faktisches Dorfgebiet.
Die T. H2. GmbH betreibt ihr Unternehmen ohne Baugenehmigung, die diese Nutzung abdeckt. Da im Berufungsverfahren seitens des Beklagten keine Andeutungen gemacht worden sind, dass gegen den Betrieb bauordnungsrechtlich vorgegangen werden soll, ist dieser grundsätzlich als gem. § 34 BauGB prägend einzustufen: Die tatsächlich vorhandenen Bebauungen sind für die Bestimmung der Zulässigkeit der Nutzungsart gem. § 34 Abs. 1 BauGB bzw. § 34 Abs. 2 BauGB unabhängig davon maßgeblich, ob sie vormals in Übereinstimmung mit den baurechtlichen Vorschriften errichtet und genutzt worden sind. Ob eine vorhandene, nicht genehmigte Bebauung bzw. Nutzung bei der Bestimmung der Eigenart der näheren Umgebung (also als prägender Faktor der näheren Umgebung) zu berücksichtigen ist, hängt daher davon ab, ob diese in einer Weise geduldet wird, die keinen Zweifel daran lässt, dass die zuständigen Behörden sich mit ihrem Vorhandensein abgefunden haben (BVerwG, U.v. 6.11.1968 – IV C 31.66 – BVerwGE 31, 22 = juris Rn. 22; B.v. 23.11.1998 – 4 B 29.98 – NVwZ-RR 1999, 364 = juris Rn. 6; U.v. 6.6.2019 – 4 C 10.18 – NVwZ 2019, 1456 = juris Rn. 15; BayVGH, B.v. 7.2.2020 – 15 CS 19.2013 – juris Rn. 31; VGH BW, U.v. 15.10.2015 – 5 S 2020/13 – BauR 2016, 656 = juris Rn. 53). Nach diesen Maßstäben führt der hier ungenehmigte Betrieb der Firma T. H2. GmbH nicht dazu, dass die maßgebliche Umgebung gem. § 34 Abs. 1, § 34 Abs. 2 BauGB als Gemengelage einzustufen ist. Denn laut einem vom Beklagten vorgelegten Aktenvermerk des Landratsamts über ein Telefonat mit der Firma T. H2. GmbH am 7. Dezember 2020 werden die dortigen tatsächlichen Betriebsabläufe von Letzterer wie folgt angegeben:
„1. Die Arbeiten der Firma T. H2. GmbH werden zu 95% beim Kunden ausgeführt. Die Leistungen werden dort für Diesel- und Heizöltanks erbracht. Die Leistungen der Firma T. H2. GmbH entsprechen der Auflistung auf der Homepage der Firma und umfassen Reinigung, Reparatur, Beschichtung, Installation, Neubau, Demontage, Innenhüllen und Stilllegungen für Diesel- und Heizöltanks. Im Laufe des Gesprächs teilt Frau U… mit, dass auch Noteinsätze bei Ölunfällen in einem Umfang von ca. 4-5 Einsätzen pro Jahr erfolgen.
2. Arbeiten die auf dem Betriebsgelände stattfinden, sind bei Rückkehr der Monteure, z.B. die Entsorgung von Putzlappen, von übernommenem Restöl bzw. Ölschlamm. Diese Materialien werden in entsprechenden Lagerbehältern / Lagertanks entsorgt. Stahltanks werden ausnahmslos beim Kunden zerkleinert. Bei Kunststofftanks kann es gelegentlich vorkommen, dass eines der bereits zerkleinerten Teile auf dem Betriebsgelände mit einer Stichsäge noch einmal mit einem Schnitt weiter zerkleinert wird. Es handelt sich hier nach Aussagen von Frau U… um Kleinigkeiten, wo ausnahmsweise nochmal nachgeschnitten werden muss. Weiterhin befindet sich auf dem Betriebsgelände der Standort für die Monteurfahrzeuge, welche von dort losfahren und auch dort wieder am Ende des Arbeitstages ankommen und abgestellt werden.
3. Die Betriebszeiten beginnen nicht vor 6.00 Uhr morgens. Die Monteurbusse kommen im Laufe des Arbeitstages auf das Betriebsgelände zurück. Ausnahmsweise kann es vorkommen, dass ein Fahrzeug bis spätestens 18.00 Uhr das Betriebsgelände erreicht. Weiterhin kann es ausnahmsweise vorkommen, dass ein Fahrzeug, welches mit zwei Personen besetzt wird, auf Montage fährt. In diesem Fall ist die Abfahrt am Montag früh morgens um ca. 5.30 Uhr, um die günstigeren Verkehrsverhältnisse nutzen zu können. Es handelt sich dann allerdings um ein Fahrzeug und nur eine Abfahrt und nur am Montag. Dieses Fahrzeug kommt im Laufe der Woche oder zum Wochenende zurück.
4. Der Fuhrpark der Firma besteht aus fünf Monteurfahrzeugen. Davon sind vier regelmäßig im Einsatz. Das fünfte Fahrzeug dient der Reserve. Bei den Fahrzeugen handelt es sich ausschließlich um Fahrzeuge der Fa. … mit 3,5 bis 7,5 t. Kleinere Sprinter sind nicht im Einsatz, die sind zu klein.“
Zwar kann ggf. auch bei einem erheblichen An- und Abfahrtverkehr sowie bei einem Rangierverkehr je nach den Einzelumständen ein das Wohnen wesentlich störender Betrieb vorliegen (vgl. VG Würzburg, U.v. 23.3.2021 – W 4 K 20.70 – juris Rn. 30; VG Hamburg, B.v. 10.5.2006 – 6 E 1150/06 – juris Rn. 14). Bei dem auf Basis des Telefonats im Dezember 2020 vom Landratsamt ermittelten und zugrunde gelegten tatsächlichen Betrieb ist hiervon aber nicht auszugehen. Beim Einsatz von bislang vier Transportern (plus einem Reservetransporter) ohne ständigen Verkehr (morgens Abfahrt, abends Ankunft) ist bei einem regelmäßigen Betriebsbeginn nicht vor 6:00 Uhr nicht von einem erheblich störenden Betrieb auszugehen. Auch ist die Bewertung des Landratsamts plausibel, wonach jedenfalls solange nicht von einem wesentlich störenden Betrieb auszugehen ist, wenn sich die ausnahmsweise frühmorgendliche Abfahrt eines Transporters um 5.30 Uhr auf seltene Ereignisse (vgl. Nrn. 6.3, 7.2 TA Lärm) begrenzt. Zudem werden nach dem Ergebnis des Telefonats die lärmintensiven handwerklichen Arbeiten außerhalb des Betriebsstandorts durchgeführt. Soweit die Klägerin über ihren Bevollmächtigten den im Aktenvermerk festgehaltenen Betriebsablauf der T. H2. GmbH bestreitet und von einem tatsächlich lärmintensiveren Betrieb ausgeht, zeigen die Ausführungen des Landratsamts, dass der Beklagte derzeit sich nur mit einem (nicht genehmigten) Betrieb abgefunden hat, der sich im Rahmen der im Telefonat vom 7. Dezember 2020 recherchierten Betriebsabläufe hält, zumal insbesondere bei diesbezüglichen tatsächlichen Abweichungen bauordnungsrechtliche Maßnahmen auf Basis der Befugnisnormen Art. 52 Abs. 2 Satz 2, Art. 76 BayBO (z.B. Anordnung zur zeitlichen Begrenzung des ungenehmigten Betriebs, Anordnung zur Stellung eines Bauantrags, Nutzungsuntersagung bis Genehmigung) sowie immissionsschutzrechtlich ggf. auch gem. § 24 Satz 1 BImSchG möglich bleiben. Mit solchen behördlichen Maßnahmen hat die Firma T. H2. GmbH folglich stets zu rechnen, insbesondere falls der Betrieb über den im Aktenvermerk des Landratsamts beschriebenen Betrieb hinausgeht.
cc) Schließlich sprechen auch die beiden existierenden Betriebe auf den Baugrundstücken der Klägerin nicht für eine Gemengelage. Auch wenn ungenehmigte Vorhaben grundsätzlich bei der Beurteilung / Prägung der näheren Umgebung Berücksichtigung finden können [s.o. bb) ], gilt dies hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung im vorliegenden Fall für den seit Jahren tatsächlich geführten Betrieb des Sohnes der Klägerin nicht, weil dieser durch die beantragte streitgegenständliche Baugenehmigung gerade legitimiert werden soll. Der Wortlaut des § 34 Abs. 1 und 2 BauGB unterscheidet zwischen dem Vorhaben und der näheren Umgebung. Das noch ungenehmigte Vorhaben, das mit einer beantragten Baugenehmigung erst noch legalisiert werden soll, ist nicht Teil seiner näheren Umgebung, sondern muss sich in diese einfügen. Ungenehmigte Anlagen und Nutzungen mögen daher zwar für andere Vorhaben Teil der näheren Umgebung sein, sie sind aber selbst nicht zugleich Vorhaben und Umgebung. Bei der Ermittlung des Gebietscharakters bzw. bei der Beurteilung, von welchem prägenden Rahmen hinsichtlich des „Einfügens“ i.S. von § 34 Abs. 1 BauGB auszugehen ist, ist ein Bauvorhaben daher unbeachtlich, das als Gegenstand der Prüfung nicht zugleich Prüfungsmaßstab sein kann (vgl. BVerwG, U.v. 6.6.2019 – 4 C 10.18 – NVwZ 2019, 1456 = juris Rn. 17; BayVGH, B.v. 31.3.2020 – 1 ZB 19.1961 – juris Rn. 6; Külpmann, jurisPR-BVerwG 18/2019 Anm. 1). Der genehmigte Betrieb des Ehemanns der Klägerin ist, auch wenn die Baugenehmigung vom 7. Mai 2003 keine Betriebsbeschreibung mit der genauen Art und Anzahl der eingesetzten Fahrzeuge und ihrem konkreten Einsatz umfasst, mit Blick auf den begrenzten Platz der genehmigten „Unterstellhalle für Baumaschinen“ (16 m x 15 m) – und der hieraus folgenden limitierten Anzahl an unterzustellenden Fahrzeugen – sowie auf die folgenden verfügten immissionsschutzrechtlichen Auflagen
„3. Die Hallentore und -fenster sind während der Durchführung von Reparaturarbeiten geschlossen zu halten.
4. Lärmintensive Arbeiten wie z.B. Hämmern, Schleifen, Trennschleifen, Sägen usw. sind im Freien nicht zulässig.
5. Während der Nachtzeit (22.00 – 6.00 Uhr) dürfen auf dem Betriebsgelände keine Baumaschinen bzw. -fahrzeuge bewegt werden.“
als nicht wesentlich störend und daher als dorfgebietsverträglich einzustufen (vgl. auch VG Trier, U.v. 26.3.2014 – 5 K 1232/13.TR – juris Rn. 18 ff., insbes. Rn. 21; VG Würzburg, U.v. 23.3.2021 – W 4 K 20.70 – juris Rn. 28).
2. Bleibt es damit bei der Einordnung der näheren Umgebung als faktisches Dorfgebiet, ist das streitgegenständliche Vorhaben der Klägerin hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung bauplanungsrechtlich unzulässig. Denn das streitgegenständliche Vorhaben ist als Gewerbebetrieb einzuordnen, der das Wohnen wesentlich stört und der deshalb in einem faktischen Dorfgebiet gem. § 34 Abs. 2 BauGB i.V. mit § 5 Abs. 1 BauNVO bauplanungsrechtlich unzulässig ist. Dasselbe würde bei Einordnung der „näheren Umgebung“ als faktisches Mischgebiet gelten (§ 34 Abs. 2 BauGB i.V. mit § 6 Abs. 1 BauNVO).
Auch Bauunternehmen werden im Katalog des § 5 Abs. 2 BauNVO (ebenso wie in § 6 Abs. 2 BauNVO) nicht als eigenständige Nutzungsart angesprochen. Auch bei diesen gewerblichen Nutzungen richtet sich die Frage, ob sie in einem (faktischen) Dorfgebiet zulässig sind, gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 6 BauNVO danach, ob sie die Merkmale „sonstiger Gewerbebetriebe“ erfüllen, die im Sinne der Gebietscharakteristik des § 5 Abs. 1 BauNVO „das Wohnen nicht wesentlich stören“. Bauunternehmen zählen – wie Kfz-Reparaturwerkstätten (s.o.) – nicht zu der Kategorie von Gewerbebetrieben, die nach ihrer Art wegen der mit ihnen typischerweise verbundenen Störungen grundsätzlich und ohne weiteres in einem Dorf- oder Mischgebiet unzulässig sind. Auch sie sind der Gruppe von Betrieben zuzurechnen, die ihrer Art nach zu wesentlichen Störungen führen können, aber nicht zwangsläufig führen müssen. Bei ihnen hängt die Frage, ob sie mischgebietsverträglich sind, nach tatrichterlicher Würdigung von ihrer jeweiligen Betriebsstruktur im jeweiligen Einzelfall ab. Maßgeblich ist, ob sich die Störwirkungen, die die konkrete Anlage bei funktionsgerechter Nutzung erwarten lässt, innerhalb des Rahmens halten, der durch die Gebietseigenart vorgegeben wird (BVerwG, U.v. 8.11.2001 – 4 C 18.00 – NVwZ 2002, 730 = juris Rn. 25; B.v. 22.11.2002 – 4 B 72.02 – BauR 2004, 645 = juris Rn. 3 f.; VG Würzburg, U.v. 23.3.2021 – W 4 K 20.70 – juris Rn. 25 ff.).
Im vorliegenden Fall handelt es sich nicht um einen schlichten Lkw-Abstellplatz, bei dem die dort abgestellten (einzelnen) Lastkraftwagen das Gelände morgens verlassen und erst am Abend dort wieder eintreffen (vgl. hierzu OVG LSA, U.v. 4.9.2019 – 2 K 14/18 – juris Rn. 79). Konkret ist hier zu berücksichtigen, dass der Fuhrpark des Bauunternehmens des Sohns sowie des Betriebs des Ehemanns der Klägerin zusammen aus immerhin fünf Lastkraftwagen unterschiedlicher Größe, zwei Radbaggern, einem Minibagger und zwei Ladern besteht. Auch wenn der Fahrverkehr überwiegend morgens und abends stattfindet und auch nach der Betriebsbeschreibung auf dem Baugrundstück kein Baumaterial gelagert wird, kommt es vor, dass die kleineren Maschinen (Radbagger, Minibagger) auf die Lastkraftwagen verladen werden müssen. Die Existenz der im Bauantrag vorgesehenen Reinigungsstation und der Tankanlage zeigt, dass weiterer Gewerbelärm durch die Reinigung der Fahrzeuge (ggf. unter Einsatz eines Hochdruckreinigers) sowie durch Betankungsvorgänge stattfindet, zumal die Belieferung der Tankstation mit Diesel weiteren Lastkraftfahrverkehrslärm – und dies typischerweise auch zwischen 6:00 Uhr und 19:00 Uhr – mit sich bringt. Schließlich ist aus der Baugenehmigung vom 7. Mai 2003 hinsichtlich der vormals für den Betrieb des Ehemanns der Klägerin genehmigten „Unterstellhalle für Baumaschinen“ und den diesbezüglichen Lärmschutzauflagen (s.o.) abzulesen, dass es auf dem Baugrundstück auch zu „Reparaturarbeiten“ sowie zu „lärmintensiven Arbeiten wie z.B. Hämmern, Schleifen, Trennschleifen, Sägen usw.“ kommen kann. Insgesamt müssten hier für die beantragte Baugenehmigung diverse immissionsschutzrechtliche Nebenbestimmungen aufgenommen werden [Festlegung von einzuhaltenden Lärmgrenzwerten, Regelung von Betriebszeiten oder Modalitäten z.B. für die Nutzung und Betankung der Tankstation, für die Nutzung des Waschplatzes, für das Durchführen von Reparaturen, ggf. auch für die An- und Abfahrt von Angestellten sowie das Rangieren (mit / ohne akustische Hilfe, auch im vollbeladenen Zustand?)] -, um maßgeschneidert den konkreten Betrieb an das Rücksichtnahmegebot zum Schutz der Umgebung anzupassen. Das schließt eine Einordnung als „das Wohnen nicht wesentlich störender Betrieb“ aus (zu ähnlichen Fallgestaltungen vgl. BVerwG, B.v. 22.11.2002 a.a.O. juris Rn. 5 f.; SächsOVG, U.v. 9.3.2018 – 1 A 552/15 – juris Rn. 42; BayVGH, U.v. 8.3.2013 – 15 B 10.2922 – juris Rn. 21 ff. insbes. Rn. 26; NdsOVG, U.v. 29.8.1995 – 1 L 3462/94 – BauR 1996, 79 = juris Rn. 20 f.; vgl. auch OVG NW, U.v. 24.1.2012 – 10 A 2786/09 – juris Rn. 44 ff., insbes. Rn. 50).
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die beigeladene Gemeinde trägt ihre außergerichtlichen Kosten im Berufungsverfahren billigerweise selbst (§ 162 Abs. 3 VwGO). Denn sie hat keinen Sachantrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko ausgesetzt (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).


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