Baurecht

Wettbüro als nicht kerngebietstypische Vergnügungsstätte in einem Industriegebiet

Aktenzeichen  Au 4 K 15.1371

Datum:
9.3.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO BayBO  Art. 71
BauGB BauGB § 30 Abs. 1
BauNVO BauNVO § 9 Abs. 2 Nr. 1

 

Leitsatz

Für die Beurteilung, ob es sich um eine für eine Kerngebiet typische und deshalb in anderen Baugebieten nicht allgemein zulässige Vergnügungsstätte handelt, spielt die Größe des Betriebes eine maßgebliche Rolle. Für Spielhallen ist zur Abgrenzung zwischen kerngebietstypischer und nicht kerngebietstypischer Vergnügungsstätte ein Schwellenwert von „etwa 100 m2“ zugrunde zu legen. Der für Spielhallen entwickelte Schwellenwert ist grundsätzlich auf den Fall eines als Vergnügungsstätte zu qualifizierenden Wettbüros übertragbar. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Bescheid der Beklagten vom 20.8.2015 – Az.: … – wird aufgehoben.Die Beklagte wird verurteilt, den am 7.8.2015 beantragten Vorbescheid: Umnutzung von Gewerbeflächen als Wettbüro zu erteilen.
II.
Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen.
III.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage ist bereits im Hauptantrag zulässig und begründet. Der Kläger hat Anspruch auf den beantragten Vorbescheid für die Umnutzung von Gewerbeflächen als Wettbüro. Der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 20. August 2015 ist daher rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Gemäß Art. 71 Satz 1 BayBO ist auf Antrag des Bauherrn vor Einreichung des Bauantrags zu einzelnen Fragen des Bauvorhabens ein Vorbescheid zu erteilen. Aus dem Ablehnungsbescheid der Beklagten sowie den im gerichtlichen Verfahren gewechselten Schriftsätzen ergibt sich, dass Gegenstand des Vorbescheids – was unter den Beteiligten auch nicht streitig ist – die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens sowie seine Vereinbarkeit mit der Stellplatzsatzung der Beklagten als örtlicher Bauvorschrift im Sinne des Art. 81 Abs. 1 Nr. 4 BayBO sein soll. Damit handelt es sich jeweils um zulässige Fragestellungen für einen Vorbescheid (vgl. Art. 59 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 bzw. Alt. 2 BayBO).
1. Das Vorhaben stimmt mit den Vorschriften über die Zulässigkeit baulicher Anlagen nach §§ 29 bis 38 BauGB überein. Die Zulässigkeit des Vorhabens richtet sich nach § 30 Abs. 1 BauGB i. V. m. § 9 BauNVO, wobei wegen des Zeitpunkts des Inkrafttretens des Bebauungsplans und der unterbliebene Anpassung an späteres Planungsrecht die Vorschriften der BauNVO 1962 maßgeblich sind (vgl. zum Ganzen Fickert/Fieseler, BauNVO, 12. Aufl. 2014, Einführung, Nr. 1). Hiervon gehen auch die Beteiligten übereinstimmend aus.
Die im maßgeblichen Bebauungsplan im Hinblick auf die Art der Nutzung erfolgte Festsetzung eines Industriegebiets (GI) ist nicht funktionslos geworden (1.1). In diesem Gebiet ist das geplante Wettbüro als nicht kerngebietstypische Vergnügungsstätte hinsichtlich der – hier allein streitigen – Art der baulichen Nutzung bauplanungsrechtlich zulässig (1.2). Das Vorhaben ist auch nicht im Einzelfall gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 oder Satz 2 BauNVO 1962 unzulässig (1.3).
1.1 Der maßgebliche Bebauungsplan für das Gebiet zwischen „Mittlerem … … – …“ ist in Bezug auf die Festsetzung eines Industriegebiets nicht funktionslos geworden.
Eine bauplanerische Festsetzung tritt wegen Funktionslosigkeit nur dann außer Kraft, wenn und soweit die Verhältnisse, auf die sich die Festsetzung bezieht, in der tatsächlichen Entwicklung einen Zustand erreicht haben, der eine Verwirklichung der Festsetzung auf unabsehbare Zeit ausschließt und die Erkennbarkeit dieser Tatsache einen Grad erreicht hat, der einem etwa dennoch in die Fortgeltung der Festsetzung gesetzten Vertrauen die Schutzwürdigkeit nimmt. Entscheidend ist dabei, ob die jeweilige Festsetzung noch geeignet ist, zur städtebaulichen Ordnung im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB im Geltungsbereich des Bebauungsplans einen sinnvollen Beitrag zu leisten (vgl. etwa BayVGH, B.v. 12.8.2014 – 2 ZB 13.912 – juris Rn. 6). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.
Im Bebauungsplangebiet liegt die … AG. Deren Betriebsgelände und betriebliche Anlagen liegen zwar am westlichen Rand des Plangebiets. Sie weisen jedoch einen erheblichen Umfang auf, nämlich deutlich mehr als ein Drittel der gesamten Bebauung entlang der Straße „Im …“ sowie ein Fünftel bis ein Viertel des gesamten als Industriegebiet festgesetzten Bereichs. Dass ein solcher Betrieb wegen der Ausmaße seiner Gebäude und sonstigen Einrichtungen, seines Umgriffs sowie seiner Lärm- und sonstigen Immissionen nicht nur seine unmittelbare Umgebung erheblich prägt, liegt auf der Hand; seine prägende Wirkung ließ sich auch beim durchgeführten Augenschein feststellen. Ein solcher Betrieb ist – wovon wohl auch die Beteiligten ausgehen – ausschließlich in einem Industriegebiet zulässig. Es handelt sich um einen Betrieb, der wegen seines hohen Störgrades durch Emissionen, insbesondere durch Lärm und Luftverunreinigungen, in anderen Gebieten unzulässig wäre (vgl. Fickert/Fieseler, BauNVO, 12. Aufl. 2014, § 9 Rn. 1), und zwar auch in einem Gewerbegebiet, weil es sich nicht mehr um einen nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieb (§ 8 Abs. 1 BauNVO 1962) handelt.
Dass die Eisengießerei im Bereich der Industriegebiets-Festsetzung derzeit der einzige ausschließlich in einem Industriegebiet zulässige (Gewerbe-) Betrieb ist, reicht für die Annahme einer Funktionslosigkeit des Bebauungsplans nicht aus. Bebauungspläne können nur in äußerst seltenen Fällen funktionslos sein. Die Planungskonzeption, die einer Festsetzung zugrunde liegt, wird nicht schon dann sinnlos, wenn sie nicht mehr überall im Plangebiet umgesetzt werden kann (BVerwG, U.v. 3.12.1998 – 4 CN 3/97 – BVerwGE 108, 71 – juris Rn. 22). Von der Wirksamkeit eines ein weit reichendes Areal umfassenden Bebauungsplans ist auszugehen, auch wenn er bislang nur in räumlich geringem Umfang umgesetzt wurde (vgl. OVG NRW, B.v. 26.9.2002 – 7 B 1716/02 – juris Rn. 3 zu einem Industriegebiet).
Eine Funktionslosigkeit der Festsetzung eines Bebauungsplans ist daher nicht allein deshalb anzunehmen ist, wenn das Plangebiet faktisch nicht oder nicht mehr einem Gebietstyp der BauNVO (vgl. § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. §§ 2 ff. BauNVO) entspricht. Zwar haben sich außer der Eisengießerei lediglich Gewerbebetriebe angesiedelt, die auch in einem Gewerbegebiet nach § 8 Abs. 2 BauNVO 1962 allgemein zulässig wären. Jedoch sind nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO 1962 auch in einem Industriegebiet Gewerbebetriebe aller Art allgemein zulässig. Zulässig sind mithin auch nichtstörende und /oder selbst störempfindliche Anlagen. Der Gebietscharakter des Industriegebiets schließt also nicht solche Gewerbebetriebe von vornherein aus, die den zulässigen Störgrad „erheblich belästigend“ nicht erreichen. „Vorwiegend“ im Wortlaut des § 9 Abs. 1 BauNVO 1962 bringt nur zum Ausdruck, dass Industriegebiete in erster Linie für die in anderen Gebieten unzulässigen Betriebe vorgesehen sind (Fickert/Fieseler, BauNVO, 12. Aufl. 2014, § 9 Rn. 6). Hinsichtlich des „Vorwiegens“ nach § 9 Abs. 1 BauNVO 1962 darf auch nicht bloß auf quantitative Kriterien abgestellt werden. Vielmehr schließt es § 9 BauNVO nicht aus, dass sich bei einem umfangreichen, erheblich störenden Betrieb die zusätzlich – zulässigerweise – vorhandenen gewerblichen Betriebe in der Überzahl befinden. Die vorliegende Situation eines großen und weiterräumig prägenden industriegebietstypischen Betriebs sowie weiterer, nicht nur in einem Industriegebiet zulässigen Gewerbebetriebe ist mithin durchaus typisch für ein Industriegebiet und stellt die Geltung der Industriegebiets-Festsetzung nicht in Frage.
Die – wenigen – nicht gewerblichen Nutzungen lassen ebenfalls nicht den Schluss zu, dass die Festsetzung eines Industriegebiets funktionslos geworden ist. Die Nutzung des Anwesens „Im … durch die … mit einem Werkhaus und einer heilpädagogischen Ambulanz stellt jedenfalls eine in einem Industriegebiet nach § 9 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO 1962 ausnahmsweise zulässige Nutzung als Anlage für soziale, ggfs. auch gesundheitliche Zwecke dar. Hinsichtlich der Wohnungen im Anwesen „Im … hat die Beklagte zwischenzeitlich nachvollziehbar und unwidersprochen vorgetragen, dass diese (allgemeine) Wohnnutzung von ihr nicht genehmigt sei und als Eingriffsfall gemeldet worden sei. Sofern sich in den Anwesen Nr. … und … Wohnnutzungen neueren Datums feststellen ließen, ist von einer Zulässigkeit nach § 9 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO 1962 auszugehen. Die vorhandenen nicht gewerblichen Nutzungen sind damit qualitativ wie quantitativ im Sinne von § 9 Abs. 3 BauNVO lediglich ausnahmsweise vorhanden. Selbst wenn aber das Gebiet südlich der Straße „Im …“ – derzeit – nicht als faktisches Industriegebiet zu qualifizieren wäre, wäre damit, wie ausgeführt, noch nicht automatisch die Schwelle zur Funktionslosigkeit der entsprechenden Bebauungsplan-Festsetzung erreicht.
Gegen eine Funktionslosigkeit spricht ferner, dass die Festsetzung eines Industriegebiets offenkundig unter anderem dazu diente, die sich im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bebauungsplans bereits vorhandenen Betriebe, namentlich auch die schon seinerzeit vorhandenen Eisengießerei, nicht nur im Bestand abzubilden, sondern für diese auch Rechts- und Planungssicherheit sowie Entwicklungsmöglichkeiten zu schaffen. Vor diesem Hintergrund ist die Festsetzung „Industriegebiet“ nach wie vor geeignet, zur städtebaulichen Ordnung einen sinnvollen Beitrag zu leisten. Wie die Abbildung der Eisengießerei im Bebauungsplan ausweist, hat diese ihr Gelände, ihre Betriebsanlagen und sonstigen Gebäude im Laufe der Jahrzehnte deutlich ausgeweitet. Die letzten baulichen und betrieblichen Erweiterungen erfolgten vor weniger als 10 Jahren. Die Festsetzung „Industriegebiet“ gibt der Eisengießerei damit weiterhin Rechts- und Planungssicherheit und kann die Grundlage für weitere, angesichts ihrer Entwicklung in jüngerer Zeit durchaus denkbare, Entwicklungsmöglichkeiten bilden. Nachdem die Beklagte – wenn auch in anderem Zusammenhang – unwidersprochen vorgetragen hat, nur über ein eingeschränktes Potential an Gewerbe- und Industrieflächen zu verfügen, ist gerade die vorliegende planerische Festsetzung weiterhin von Bedeutung. So kann die Festsetzung gegebenenfalls verhindern, dass (sonstige) Gewerbebetriebe Erweiterungen der Eisengießerei eine Nicht-Verträglichkeit mit ihrem gewerblichen Betrieb entgegenhalten können.
Schließlich spricht gegen eine Funktionslosigkeit, dass sich in dem festgesetzten Industriegebiet noch erhebliche Freiflächen befinden, nämlich solche, die – wie im Osten des Gebiets – noch nie bebaut waren, oder solche, die – nach der Stilllegung des früheren Holz- und Seifenwerks – wieder brach liegen. Diese stehen für andere, auch industriegebietstypische Nutzungen zur Verfügung. Zwar mag es derzeit diesbezüglich keine konkreten Planungen geben; ferner ist, nachdem sich jenseits der östlichen Grenzen des Industriegebiets mittlerweile auch Wohnbebauung befindet, nicht ausgeschlossen, dass bei der Zulassung einer industriegebietstypischen Nutzung auf diese Wohnbebauung Rücksicht zu nehmen wäre. Dass diese Umstände jedoch – wie geboten – auf unabsehbare Zeit mit der erforderlichen Offensichtlich- bzw. Erkennbarkeit die Ansiedlung neuer bzw. die Erweiterung bestehender industriegebietstypischer Betriebe ausschließen, ist nicht ersichtlich. Die sich innerhalb des Bebauungsplangebiets befindliche Wohnnutzung erfolgt entweder ohne Genehmigung und kann daher den üblichen Schutz einer Wohnnutzung nicht beanspruchen; auch die gegebenenfalls genehmigten Wohnnutzungen müssten sich im Falle einer Bebauung bzw. Nutzung bisher unbebauter bzw. ungenutzter Gebietsteile hinsichtlich ihrer Schutzwürdigkeit die Industriegebiets-Festsetzung entgegenhalten lassen.
Nach allem sind die Voraussetzungen für eine Funktionslosigkeit der Industriegebiets-Festsetzung im Bebauungsplan nicht erfüllt.
1.2 Das Vorhaben ist hinsichtlich der – hier allein im Streit stehenden – Art der baulichen Nutzung gem. § 9 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO 1962 als Gewerbebetrieb zulässig.
Zwar handelt es sich im vorliegenden Fall nicht um eine bloße „Wettannahmestelle“, sondern um eine Vergnügungsstätte (vgl. bereits § 7 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO 1962). Nach gefestigter Rechtsprechung sind Wettbüros als Vergnügungsstätten zu behandeln, wenn sie auch der kommerziellen Unterhaltung dienen. Unter Wettbüros in diesem Sinn fallen Räumlichkeiten, die zwischen dem Kunden (Spieler), dem Wettbüro (Vermittler) und dem – meist im europäischen Ausland ansässigen – Wettunternehmen Transaktionen abgeschlossen werden, wobei es sich um Sportwetten bzw. um Wetten auf diverse sonstige Ereignisse handelt. Hinzu kommt im Regelfall, dass die Räumlichkeiten – insbesondere durch die Anbringung von Bildschirmen – Gelegenheit bieten, die Wettangebote bzw. Ergebnisse live mitzuverfolgen (vgl. zur Abgrenzung u. a. BayVGH, B.v. 15.1.2016 – 9 ZB 14.1146 – juris Rn. 7 f. m. w. N.). Diese Voraussetzungen erfüllt das geplante Wettbüro ausweislich der dem Vorbescheidsantrag beigefügten Betriebsbeschreibung sowie des Lage-/Grundrissplans ohne Weiteres. Auch hierüber besteht zwischen den Beteiligten kein Streit.
Das streitgegenständliche Wettbüro ist als Vergnügungsstätte vorliegend in einem Industriegebiet nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO 1962 zulässig. Zwar werden Vergnügungsstätten in dieser Vorschrift (anders als in § 7 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO 1962) nicht ausdrücklich genannt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts können jedoch – anders als nach der Baunutzungsverordnung in der Fassung vom 23. Januar 1990, in der die Zulässigkeit von Vergnügungsstätten für die einzelnen Baugebiete abschließend geregelt ist – nach den älteren Fassungen der Baunutzungsverordnung Vergnügungsstätten grundsätzlich auch als „sonstige Gewerbebetriebe“ zulässig sein. Lediglich kerngebietstypische Vergnügungsstätten sind mit der Zweckbestimmung des Industriegebiets nicht vereinbar (vgl. BVerwG, U.v. 24.2.2000 – 4 C 23.98 – NVwZ 2000, 1054 – juris Rn. 11; Fickert/Fieseler, BauNVO, 12. Aufl. 2014, § 9 Rn. 7.21; König/Röser/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 9 Rn. 5). Auch hierüber besteht zwischen den Beteiligten im Grundsatz kein Streit.
Uneinigkeit besteht hinsichtlich der – zentralen – Frage, ob das vorliegende Wettbüro eine „kerngebietstypische“ Vergnügungsstätte darstellt. Im vorliegenden Fall ist von einer nicht kerngebietstypischen Vergnügungsstätte auszugehen.
Für die Beurteilung, ob es sich um eine für eine Kerngebiet typische und deshalb in anderen Baugebieten nicht allgemein zulässige Vergnügungsstätte handelt, spielt die Größe des Betriebes eine maßgebliche Rolle (BVerwG, B.v. 28.7.1988 – 4 B 119/88 – NVwZ 1989, 50 – juris Rn. 5 m. w. N.). Für Spielhallen hat die Rechtsprechung, namentlich auch des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, zur Abgrenzung zwischen kerngebietstypischer und nicht kerngebietstypischer Vergnügungsstätte einen Schwellenwert von „etwa 100 m2“ herausgearbeitet (vgl. etwa BayVGH, B.v. 12.12.2014 – 9 ZB 11.2567 – juris Rn. 11; BayVGH, B.v. 3.9.2013 – 14 ZB 13.901 – juris Rn. 8; BayVGH, B.v. 20.9.2012 – 15 ZB 11.460 – juris Rn. 11; BayVGH, U.v. 28.6.2012 – 9 B 10.2279 – juris Rn. 16; BayVGH, U.v. 24.3.2011 – 2 B 11.59 – BauR 2011, 1785 – juris Rn. 26; BayVGH, B.v. 11.2.2009 – 2 ZB 08.3309 – juris Rn. 2). Diesen Wert unterschreitet das vorliegend geplante Wettbüro mit einer (Netto-) Nutzfläche von 94,96 m2. Auch diese Unterschreitung ist zwischen den Beteiligten unstreitig.
Zwar handelt es sich bei der Größe von „etwa 100 m2“ nicht um einen starren, allein maßgeblichen Grenzwert. Notwendig ist jeweils eine Beurteilung an Hand der Verhältnisse des Einzelfalls (vgl. z. B. BayVGH, U.v. 24.03.2011 – 2 B 11.59 – juris Rn. 27; BayVGH, B.v. 19.6.2012 – 9 ZB 09.11 – juris Rn. 10). Nach wie vor grundlegend ist insoweit auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts abzustellen, wonach einem für Spielhallen herangezogenen „Schwellenwert“ von 100 m2 Grundfläche die Bedeutung eines wesentlichen Anhalts zukommen kann, andere Kriterien damit aber nicht von vornherein ausgeschlossen sind (BVerwG, U.v. 29.10.1992 – 4 B 103/92 – NVwZ-RR 1993, 287 – juris Rn. 4). In diesem Zusammenhang ist jedoch nicht zu verkennen, dass bei einer Unterschreitung des Schwellenwerts von ca. 100 m2 um – wie hier – mehrere Quadratmeter in der Rechtsprechung namentlich des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs jeweils keine kerngebietstypische Spielhalle angenommen wurde (BayVGH, B.v. 11.2.2009 – 2 ZB 08.3309 – juris Rn. 2: 97,67 m2; BayVGH, U.v. 17.3.2005 – 25 B 01.624 – juris Rn. 25: Nettofläche von 97,43 m2 bzw. 98,24 m2 BayVGH, U.v. 17.12.2004 – 25 B 01.2850 – juris Rn. 24: Nutzfläche von 99,72 m2). Es handelt sich zudem um Vergnügungsstätten, deren Größen noch über der hier beantragten lagen.
Die von der Beklagten – im Anschluss an einige erstinstanzliche verwaltungsgerichtliche Entscheidungen (vgl. die Nachweise bei Fickert/Fieseler, BauNVO, 12. Aufl. 2014, § 4a Rn. 23.4) – befürwortete Absenkung des Schwellenwertes auf 80 m2 ist bislang von der oberverwaltungsgerichtlichen und höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht aufgegriffen worden. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat vielmehr erwogen, dass angesichts der Änderung der Spielverordnung, auf die sich diese Verwaltungsgerichte maßgeblich stützen, eine Korrektur des Schwellenwerts nach oben angezeigt sein könnte (vgl. BayVGH, B.v. 19.6.2012 – 9 ZB 09.11 – juris Rn. 10; BayVGH, B.v. 19.1.2012 – 15 ZB 09.3142 – juris Rn. 10). Auch die Kammer hat weiterhin auf den bisher anerkannten Schwellenwert von ca. 100 m2 abgestellt (VG Augsburg, U.v. 28.10.2009 – Au 4 K 08.1164 – juris, bestätigt durch BayVGH, B.v. 19.1.2012 – 15 ZB 09.3142). An dem Schwellenwert von ca. 100 m2 als – wie ausgeführt – wesentlichem Anhaltspunkt für die Frage der Beurteilung der Kerngebietstypik ist daher festzuhalten. Es besteht auch kein Anlass, den Schwellenwert der Einwohnerzahl der jeweiligen Stadt bzw. Gemeinde anzupassen.
Der für Spielhallen entwickelte Schwellenwert ist aus Sicht der Kammer grundsätzlich auf den hier vorliegenden Fall eines als Vergnügungsstätte zu qualifizierenden Wettbüros übertragbar. Dass für die Beurteilung, ob es sich um eine für ein Kerngebiet typische und deshalb in anderen Baugebieten nicht (allgemein) zulässige Vergnügungsstätte handelt, die Größe des Betriebs eine maßgebliche Rolle spielt, hat das Bundesverwaltungsgericht zwar anhand einer Spielhalle bzw. eines Spielcasinos entschieden (BVerwG, B.v. 28.7.1988 – 4 B 119/88 – NVwZ 1989, 50 – juris Rn. 5). Es hat diese Aussagen aber auch und gerade generell zur Abgrenzung bei Vergnügungsstätten getroffen. Ein Wettbüro der vorliegenden Art ist einer Spielhalle zumindest ähnlich (so auch VG Ansbach, U.v. 1.7.2015 – AN 9 K 14.01543 – juris Rn. 33). Soweit ersichtlich, wird auch sonst in Rechtsprechung und Schrifttum ganz überwiegend eine Übertragung des Schwellenwerts von 100 m2 für sachgerecht erachtet (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, U.v. 6.10.2015 – OVG 10 B 1.14 – juris Rn. 34; Fickert/Fieseler, BauNVO, 12. Aufl. 2014, § 4 a Rn. 23.69 m. w. N.). In Zweifel gezogen wurde eine Übertragbarkeit lediglich in der von der Beklagten genannten Entscheidung des VG München in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (VG München, B.v. 24.9.2012 – M 8 S 12.3890 – juris Rn. 34). Das VG München hat dort jedoch ausdrücklich ausgeführt, dass diese Frage in einem Eilverfahren nicht abschließend entschieden werden könnte.
Ohnehin ist – wie ausgeführt – hinsichtlich der Frage der Kerngebietstypik eine Einzelfallbetrachtung angezeigt. Im vorliegenden Fall sind, abgesehen davon, dass die maßgebliche Flächengröße etliche Quadratmeter unter dem anerkannten Schwellenwert liegt, sind keine Gründe ersichtlich, von einer kerngebietstypischen Vergnügungsstätte auszugehen. Kerngebietstypische Vergnügungsstätten haben einen größeren, überörtlichen Einzugsbereich. Sie sollen als „zentrale Dienstleistungsbetriebe“ für ein allgemeines Publikum erreichbar sein. Nicht kerngebietstypisch sind demgegenüber solche Vergnügungsstätten, die der üblichen Freizeitbetätigung in einem begrenzten Stadtviertel dienen und damit weniger in der Gefahr stehen, von außen „Unruhe in das Gebiet zu tragen“ (vgl. etwa BayVGH, B.v. 7.8.2003 – 22 ZB 03.1041 – BayVBl. 2003, 749 – juris Rn. 18 m. w. N.). Bei einer Spielhalle hat das Bundesverwaltungsgericht neben der Fläche auch auf die Zahl und die Art der Spielgeräte und die Besucherplätze abgestellt (BVerwG, U.v. 18.5.1990 – 4 C 49/89 – BayVBl. 1990, 726 – juris Rn. 25). Im vorliegenden Fall weist die Ausstattung des Wettbüros keine derartigen Besonderheiten auf, dass von einem „zentralen Dienstleistungsbetrieb“ mit größerem, insbesondere überörtlichem Einzugsbereich gerechnet werden könnte. Der Umfang und die Qualität der vorgesehenen Einrichtung sind – auch für ein Wettbüro – als eher zweckmäßig bis karg zu bewerten. Die Zahl der anzubringenden Flachbildschirme (vier) hebt das Wettbüro nicht sonderlich heraus, zumal zur Unterhaltung der Kunden eingesetzte Flachbildschirme mittlerweile auch etwa in Cafés, Läden und Supermärkten mit begrenztem Einzugsbereich zwischenzeitlich nicht mehr völlig ungewöhnlich sind. Auch die Zahl der geplanten Sitzgelegenheiten (36) erscheint nicht derart üppig bemessen, dass dies für ein größeres und allgemeines Publikum besonders attraktiv wäre. Auch sollen ausweislich der Betriebsbeschreibung nur ein bis zwei Mitarbeiter anwesend sein, was die Zahl der gleichzeitig bedienbaren Kunden erheblich einschränkt. Zur Versorgung existieren – in Selbstbedienung – Automaten für Kaffee und nicht alkoholische Getränke; auch insoweit weist das Vorhaben keine Besonderheiten auf, die es zu einem zentralen Dienstleistungsbetrieb machen könnte.
Ferner muss das bestehende Gebäude, in dem das Wettbüro eingerichtet werden soll, nicht zuletzt wegen des sich dort ebenfalls befindlichen Reifen- und Autoservices sowie des von der Eisengießerei geprägten unmittelbare Umfelds als nicht derart ansprechend bezeichnet werden, dass die Annahme gerechtfertigt wäre, das Vorhaben sei auf ein größeres und allgemeines Publikum gerichtet. Auch eine besondere Attraktivität, etwa wegen Verbindung mit einer Gaststätte (vgl. hierzu etwa BVerwG, B.v. 29.10.1992 – 4 B 103/92 – NVwZ-RR 1993, 287 – juris Rn. 4), liegt nicht vor. Zwar bietet der sich im gleichen Gebäude befindliche Catering-Service auch einen Imbiss an. Jedoch besteht eine räumliche Trennung zu dem geplanten Wettbüro, und der Schwerpunkt dieses Gewerbes liegt nicht in dem Verkauf von Speisen und Getränken vor Ort. Auch liegt das Vorhaben nicht an einer stark befahrenen, überörtlich bedeutsamen Straße (vgl. dazu OVG Bln-Bbg, U.v. 23.6.2015 – OVG 10 B 7.13 – juris Rn. 34), sondern an einer nicht dem überörtlichen Verkehr dienenden Stichstraße mit entsprechendem Ausbauzustand. Zwischen Abzweigung vom … – mag dieser auch überörtliche Bedeutung besitzen – und dem streitgegenständlichen Vorhaben liegen ca. 500 m; von der …straße ist das Vorhaben nicht zu erkennen.
Insgesamt ist davon auszugehen, dass das Vorhaben der lediglich der üblichen Freizeitbetätigung in einem begrenzten Stadtviertel dient. Dass die Kunden des Wettbüros ihren Wohnsitz wohl überwiegend nicht im näheren Umfeld haben würden, ist insoweit unschädlich, denn dies liegt in der Konsequenz der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach auch in festgesetzten Industriegebieten eine nicht kerngebietstypische Vergnügungsstätte möglich und zulässig ist. Bei einer solchen Konstellation werden die Kunden regelmäßig überwiegend außerhalb des fraglichen Gebiets wohnen, zumal eine Wohnnutzung im Industriegebiet nur ausnahmsweise unter engen Voraussetzungen möglich ist. Dass die Kunden mithin überwiegend von jenseits des Industriegebiets das Wettbüro aufsuchen werden, rechtfertigt nicht die Annahme, es liege eine kerngebietstypische Vergnügungsstätte vor.
Nach allem ist das Vorhaben hinsichtlich der Art der Nutzung gemäß § 30 Abs. 1 BauGB i. V. m. § 9 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO 1962 zulässig, ohne dass es einer Ausnahme oder Befreiung bedürfte.
1.3 Das Vorhaben ist nicht gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 oder Satz 2 BauNVO 1962 unzulässig.
Die Beklagte verweist in diesem Zusammenhang erneut darauf, dass ein Wettbüro seiner Zweckbestimmung nach der Eigenart eines Industriegebiets widerspreche. Da jedoch die Rechtsprechung die – generelle – Zulässigkeit kerngebietsuntypischer Vergnügungsstätten in einem Industriegebiet nach älteren Fassungen der BauNVO anerkannt hat, könnte ein solches Vorhaben – wie § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO 1962 auch klarstellt – nur im Einzelfall seiner Zweckbestimmung nach der Eigenart des Industriegebiets widersprechen. Ein solcher Fall ist hier nicht ersichtlich. Bei dem Wettbüro handelt es sich um die erste Vergnügungsstätte in dem festgesetzten Industriegebiet. Damit kann von einer Veränderung oder Bedrohung des Gebietscharakters wegen einer Häufung von Vergnügungsstätten keine Rede sein (zu einem solchen Fall in Anwendung von § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO: BayVGH, B.v. 21.4.2015 – 9 ZB 12.1912 – juris Rn. 17 f.). Die Lage des Vorhabens könnte allenfalls insoweit Fragen aufwerfen, als es unmittelbar an den – wie ausgeführt einzigen – ausschließlich in einem Industriegebiet zulässigen Betrieb (Eisengießerei) grenzt. Dass das Vorhaben mit dieser Nutzung jedoch nicht verträglich sein könnte, ist weder von der Beklagten vorgetragen noch ersichtlich. Vielmehr spricht, wie ausgeführt, die deutlich von der überörtlichen …straße abgesetzte Lage des Vorhabens, für eine Zulässigkeit des Vorhabens.
Es liegt auch nicht der Fall vor, dass mehrere Merkmale des § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO zusammen zur qualitativen Unzulässigkeit des Vorhabens führen (vgl. dazu BayVGH, U.v. 15.12.2010 – 2 B 09.2419 – NVwZ-RR 2011, 514 – juris Rn. 33). Namentlich ergeben sich keine zureichenden Anhaltspunkte für den von der Beklagten befürchteten „Trading-Down-Effekt“. Ein „Trading-Down-Effekt“ liegt vor, wenn es aufgrund der Verdrängung des traditionellen Einzelhandels und eines Rückgangs der gewachsenen Angebots- und Nutzungsvielfalt durch Spielhallen zu einem Qualitätsverlust von Einkaufsstraßen und -zonen kommt (BayVGH, U.v. 20.12.2012 – 2 B 12.1977 – BayVBl. 2013, 275 – juris Rn. 40). Für ein faktisches Gewerbegebiet hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof entschieden, dass ein „Trading-Down-Effekt“ durch die Zulassung einer Spielhalle allenfalls in einem extremen Ausnahmefall eintreten kann (BayVGH, U.v. 15.12.2010 – 2 B 09.2419 – NVwZ-RR 2011, 514 – Leitsatz). Diese Rechtsprechung lässt sich auf ein festgesetztes Industriegebiet übertragen, da dort – wie ausgeführt – ebenfalls Gewerbebetriebe aller Art zulässig sind, zumal der Gebietscharakter des Industriegebiets dadurch gekennzeichnet ist, dass dort erheblich belästigende, in anderen Gebieten nicht zulässige Gewerbebetriebe untergebracht werden sollen. Dass hier ein solcher Extremfall vorliegt, ist weder von der Beklagten vorgetragen noch ersichtlich. Das fragliche Gebiet ist gekennzeichnet durch eine starke Heterogenität der gewerblichen Nutzungen. Gleiches gilt für das optische Erscheinungsbild. Es handelt es sich – wie nicht selten in von gewerblichen Nutzungen am Stadtrand geprägten Gebieten – um eine letztlich wohl mit gewisser Zufälligkeit gewachsene Nutzungsstruktur. Dass teilweise durchaus sowohl hinsichtlich der Darbietung des Angebots als auch der angebotenen Dienstleistungen höherwertig einzustufende Gewerbebetriebe, wie etwa das Einrichtungshaus für „individuelles Wohnen“, vorhanden sind, reicht für die Annahme eines Qualitätsverlusts in dem erforderlichen Umfang nicht aus. Solche Nutzungen befinden sich auch nicht im unmittelbaren Umfeld des Vorhabens. Wie bereits ausgeführt, kann auch keine Rede davon sein, dass das Gebiet mit der Zulassung einer – nicht kerngebietstypischen – Vergnügungsstätte seinen Charakter verlöre.
Auch für eine Unzulässigkeit des Vorhabens nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO 1962 spricht nichts; von dem Vorhaben gehen keine Belästigungen oder Störungen aus, die für die Umgebung nach der Eigenart des Gebiets unzumutbar sind. Wie ausgeführt, ist das Gebiet durch die bestehende Eisengießerei und deren Emissionen maßgeblich geprägt. Etwaige – hier auch von der Beklagten nicht vorgetragene – Belästigungen oder Störungen durch das streitgegenständliche Vorhaben fielen demgegenüber kaum ins Gewicht.
2. Der Erteilung des Vorbescheids steht auch nicht die „Satzung über die Ermittlung und den Nachweis von notwendigen Stellplätzen für Kraftfahrzeuge“ (Stellplatzsatzung) der Beklagten vom 16. Februar 2010 entgegen.
Zwar besteht zwischen den Beteiligten kein Streit, dass der Kläger fünf der gemäß § 2 Abs. 1 i. V. m. Nr. 6.2 der Anlage 2 der Stellplatzsatzung notwendigen Stellplätze nicht nachweisen kann. Jedoch ist die Stellplatzsatzung der Beklagten in Bezug auf die Anforderungen an notwendige Stellplätze für die unter Nr. 6.2 der Anlage 2 genannten Verkehrsquellen unwirksam.
Gemäß Art. 81 Abs. 1 Nr. 4 BayBO können die Gemeinden durch Satzung im eigenen Wirkungskreis u. a. über die Zahl der Stellplätze für Kraftfahrzeuge örtliche Bauvorschriften erlassen. Diese Ermächtigungsgrundlage steht im Zusammenhang mit Art. 47 Abs. 2 Satz 2 BayBO, wonach, wenn die Zahl der notwendigen Stellplätze durch eine örtliche Bauvorschrift oder eine städtebauliche Satzung festgelegt wird, diese Zahl maßgeblich ist.
Dabei ist eine Gemeinde nicht an die Zahlen gebunden, die in der auf der Grundlage von Art. 47 Abs. 2 Satz 1 BayBO durch das Staatministerium des Innern erlassenen Anlage zur GaStellV (vgl. § 20 GaStellV) genannt sind. Die Gemeinde wird auch nicht allein dadurch darlegungs- (und ggfs. beweis-) pflichtig, dass sie von der Anlage zur GaStellV abweicht (in diese Richtung aber – für das rheinland-pfälzische Recht – der Leitsatz des OVG RP, U.v. 7.10.2015 – 8 C 10371/15 – juris). Anerkannt ist vielmehr, dass die von der Gemeinde festgelegte Zahl höher oder niedriger als in der GaStellV festgesetzt werden kann (Decker in Simon/Busse, BayBO, Stand: September 2015, Art. 81 Rn. 186; Molodovsky, in ders./Famers/Kraus, BayBO, Stand Februar 2016, Art. 47 Rn. 60; Jäde, in ders./Dirnberger/Bauer/Weiß, Die neue BayBO, Stand September 2015, Art. 47 Rn. 95). Dabei steht ihr auch eine gewisse Pauschalierung zu (BayVGH, U.v. 16.12.1996 – 14 B 93.2981 – NVwZ 1998, 205/206). Die GaStellV und die auf der Grundlage von Art. 81 Abs. 1 Nr. 4 BayBO als Satzung erlassenen örtliche Bauvorschriften stellen jeweils untergesetzliche Normen dar; die GaStellV und ihre Anlage gehen gemeindlichen Satzungen daher nicht in der Normhierarchie vor. Nach dem Willen des Gesetzgebers sind die nach Art. 47 Abs. 2 Satz 2 BayBO vom Staatsministerium des Innern zu setzenden Vorgaben vielmehr subsidiär ausgestaltet; das Letztentscheidungsrecht über die Zahl der notwendigen Stellplätze steht der Gemeinde zu (vgl. LT-Drs. 15/7161, S. 56).
Allerdings ist die Gemeinde nach Art. 81 Abs. 1 Nr. 4 BayBO – im Zusammenspiel mit Art. 47 Abs. 2 Satz 2, Abs. 1 Satz 1 BayBO – bei der Festsetzung der nachzuweisenden Stellplätze nicht völlig frei. Die Ermächtigungsnormen verlangen die Festlegung des notwendigen bzw. ausreichenden Maßes. Diesbezüglich unterliegt die Gemeinde Ermessensschranken; sie darf nicht mehr Stellplätze fordern, als bei objektiver Betrachtungsweise für das jeweilige Bauvorhaben erforderlich sein können. Die von ihr festgelegte Stellplatzzahl muss zumindest vertretbar sein (Jäde, in ders./Dirnberger/Bauer/Weiß, Die neue BayBO, Stand September 2015, Art. 47 Rn. 95). Die Gemeinde ist zwar berechtigt, dabei andere Parameter als § 20 GaStellV (nebst der zugehörigen Anlage) zugrunde zu legen (Molodovsky in ders./Famers/Kraus, BayBO, Stand Februar 2016, Art. 81 Rn. 61); erforderlich ist aber, dass die Gemeinde die von ihr herangezogenen Parameter zur Bestimmung der Erforderlichkeit bzw. des Ausreichens auch benennen kann und diese konsequent umsetzt. Dies entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers, wonach sich Erforderlichkeit und Zahl der notwendigen Stellplätze in hohem Maße nach örtlichen Gegebenheiten und nach den verkehrspolitischen Konzepten der jeweiligen Gemeinde richten sollen (vgl. LT-Drs. 15/7161, S. 56). Dementsprechend hat die Rechtsprechung, soweit sie sich mit den in gemeindlichen Stellplatzvorschriften genannten Zahlen befasst hat, jeweils die von der Gemeinde angegebenen spezifischen örtlichen Gegebenheiten bzw. die jeweilige besondere (Verkehrs-) Situation im Gemeindegebiet beurteilt bzw. entsprechende Angaben der Gemeinde herangezogen (BayVGH, B.v. 25.6.2003 – 14 ZB 03.274 – juris Rn. 2; BayVGH, U.v. 16.12.1996 – 14 B 93.2981 – NVwZ 1998, 205/206; OVG RP, U.v. 7.10.2015 – 8 C 10371/15 – juris Rn. 20).
Im vorliegenden Fall hat die Beklagte die Zahlen und sonstigen Regelungen der Anlage zur GaStellV in der Anlage 2 zu ihrer Stellplatzsatzung weitestgehend übernommen. Nennenswerte Abweichungen finden sich lediglich bei Nr. 1.1 und Nr. 8.4; in Einzelheiten bei Nrn. 1.2, 9.1., 9.2 und 9.4. Bei den unter Nr. 6.2 genannten Verkehrsquellen (Spiel- und Automatenhallen, Billard-Salons, sonstige Vergnügungsstätten) verlangt die Satzung der Beklagten jedoch das Vierfache an Stellplätzen gegenüber der entsprechenden Ziffer in der Anlage zur GaStellV, nämlich einen Stellplatz je 5 m2 Nutzfläche. Verschärft wird diese Regelung durch § 4 Abs. 3 der Stellplatzsatzung, wonach – was die Beklagte im vorliegenden Fall auch betont hat – für die Nutzung als Spiel- und Automatenhallen, Billard-Salons und sonstigen Vergnügungsstätten – mithin für die Verkehrsquellen nach Nr. 6.2 der Anlage – die Ablösung der Herstellungspflicht ausgeschlossen ist; dieser Ausschluss gilt ausschließlich für diese Verkehrsquellen.
Ein Grund für diese deutlichen und nur die Verkehrsquellen nach Nr. 6.2 der Anlage 2 betreffenden Verschärfungen gegenüber der Anlage zur GaStellV ist nicht ersichtlich. Die Beklagte hat mit der weitgehenden Übernahme der Zahlen der Anlage zur GaStellV zu erkennen gegeben, dass sie die dort verwendeten Parameter auch für ihre örtlichen Gegebenheiten bzw. örtliche Verkehrssituation weitgehend für geeignet hält. Weshalb diese gerade bei den Verkehrsquellen nach Nr. 6.2 derart ungeeignet sein sollen, dass eine Erhöhung um den Faktor 4 notwendig ist, erschließt sich nicht.
Die Beklagte hat insoweit ausgeführt, den Stellplatzbedarf „nutzungsspezifisch“ ermittelt zu haben. Insoweit hat sie jedoch lediglich auf die Selbstverständlichkeit hingewiesen, dass der Zu- und Abfahrtsverkehr des Vorhabens auf dem Grundstück selbst bzw. in dessen unmittelbarer Nähe abgewickelt werde. Im Übrigen verweist die Beklagte offenbar darauf, dass der öffentliche Personennahverkehr in ihrem Stadtgebiet nicht in einer „berücksichtigungsfähigen Größenordnung“ ausgebaut sei. Der von ihr diesbezüglich angestellte Vergleich mit den – ausgehend von der Einwohnerzahl – über vier- bzw. über zwanzigmal so großen Städten Augsburg und München ist jedoch nicht statthaft. Abgesehen davon gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass die in der Anlage zur GaStellV genannten Zahlen nur für Städte mit einem Nahverkehrsangebot einer – wie auch immer festzustellenden – „berücksichtigungsfähigen Größenordnung“ das ausreichende bzw. notwendige Maß abbilden; die Anlage zur GaStellV stellt nur ein „standardisiertes Minimum“ dar (Jäde, in ders./Dirnberger/Bauer/Weiß, Die neue BayBO, Stand September 2015, Art. 47 Rn. 95; vgl. auch LT-Drs. 15/7161, S. 56). Selbst wenn die Beklagte aber wegen des von ihr angenommenen unzureichend ausgebauten öffentlichen Personennahverkehrs höhere Zahlen als in der GaStellV für notwendig erachtet hätte, hätte diese „spezifische örtliche Verkehrssituation“ der Beklagten durchgängig in der Stellplatzsatzung berücksichtigt werden müssen. Damit hätte es sich aufgedrängt, auch und gerade bei (anderen) Nutzungen, die vorzugsweise mit dem Kfz angesteuert werden, signifikant erhöhte Stellplatzzahlen festzulegen bzw. jedenfalls gegenüber der Anlage zur GaStellV eigenständige Regelungen zu treffen. Bei derartigen Nutzungen – Räume mit erheblichem Besucherverkehr (Nr. 2.2), Läden (Nr. 3.1), Waren- und Geschäftshäusern (einschließlich Einkaufszentren, großflächigen Einzelhandelsbetrieben, Nr. 3.2) und Versammlungsstätten (Nr. 4) – hat die Beklagte aber die in der Anlage zur GaStellV genannten Zahlen übernommen. Einen Differenzierungsgrund hinsichtlich der in Nr. 6.2 der Anlage 2 geforderten Stellplatzzahl hat die Beklagte damit nicht dargetan.
Soweit sich die Beklagte in der mündlichen Verhandlung wohl darauf berufen hat, sich an den Satzungen anderer Städte orientiert zu haben, stellt dies schon deshalb keinen sachlichen Grund für die Regelung in Nr. 6.2 der Anlage 2 zur Stellplatzsatzung dar, weil, wie ausgeführt, der Gesetzgeber mit Art. 81 Abs. 1 Nr. 4 BayBO eine Ermächtigung zugunsten der Gemeinden gerade deshalb geschaffen hat, um den örtlichen Gegebenheiten und Konzepten der jeweiligen Gemeinde Rechnung zu tragen.
Da somit nicht nachvollziehbar ist, wie die Beklagten die Notwendigkeit der für die unter Nr. 6.2 der Anlage 2 ihrer Stellplatzsatzung geforderten Stellplatzzahlen ermittelt hat, und auch sonst nicht erkennbar ist, weshalb im Gebiet der Beklagten gerade für die dort genannten Vergnügungsstätten im Vergleich zu Nutzungen mit (ebenfalls) hohem Stellplatzbedarf derart viele Stellplätze erforderlich sein sollen, ist diese Stellplatzzahl nicht als – wie geboten – vertretbar zu werten. Die Regelung verstößt vielmehr gegen das Willkürverbot (vgl. Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV) und bewegt sich daher nicht mehr in den der Beklagten von der Ermächtigungsnorm gesetzten Ermessensschranken. Der Gleichheitssatz lässt Differenzierungen zu, die durch sachliche Erwägungen gerechtfertigt sind. Dabei bleibt es dem Ermessen des Normgebers überlassen zu bestimmen, in welcher Weise dem Gedanken der Angemessenheit, Billigkeit und Zweckmäßigkeit Rechnung zu tragen ist. Nur wenn die äußersten Grenzen dieses Ermessens überschritten sind, wenn für die getroffene Regelung jeder sachliche Grund fehlt, ist der Gleichheitssatz verletzt (vgl. BayVerfGH, E.v. 17.03.2011 – Vf. 17-VII-10 – VerfGH 64, 20 – juris Rn. 54). Dies ist indes hier anzunehmen. Ein sachlicher Grund, weshalb die Beklagte ausschließlich bei den Verkehrsquellen nach Nr. 6.2 der Anlage 2 zu ihrer Stellplatzsatzung um den Faktor 4 von den ansonsten weitgehend herangezogenen Zahlen der GaStellV abgewichen ist und zusätzlich eine Ablösung der Herstellungspflicht ausgenommen hat, ist nach dem oben Ausgeführten nicht erkennbar. Namentlich kann die Beklagte diese Abweichung nicht mit den vom Gesetzgeber als (vorrangig) maßgeblich erachteten örtlichen Gegebenheiten und ihren verkehrspolitischen Konzepten begründen.
Da folglich die Stellplatzsatzung der Beklagten hinsichtlich der Anforderungen in Nr. 6.2. der Anlage 2 unwirksam ist, gilt Nr. 6.2 der Anlage zur GaStellV. Die danach erforderlichen Stellplätze (ein Stellplatz je 20 m2 Nutzfläche, mindestens drei Stellplätze) kann der Kläger unstreitig nachweisen.
Angesichts dessen kann offen bleiben, ob, wie von Klägerseite in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, die Stellplatzsatzung der Beklagten auch an einem Bekanntmachungsmangel leidet, weil gegebenenfalls nicht sichergestellt ist, dass Betroffene vom Inhalt der verwiesenen DIN 277 Teil 2 verlässlich und in zumutbarer Weise Kenntnis erlangen können und ob die diesbezügliche Rechtsprechung zu Bebauungsplänen (vgl. etwa BVerwG, B.v. 5.12.2013 – 4 BN 48/13 – BauR 2014, 503 – juris Rn. 4) auf (isolierte) gemeindliche Satzungen nach Art. 81 Abs. 1 BayBO übertragen werden kann.
Da die Klage nach allem bereits mit dem Hauptantrag Erfolg hat, war über den Hilfsantrag (Neuverbescheidung) nicht mehr zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg, Hausanschrift: Kornhausgasse 4, 86152 Augsburg, oder Postfachanschrift: Postfach 11 23 43, 86048 Augsburg, schriftlich zu beantragen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, Hausanschrift in München: Ludwigstr. 23, 80539 München, oder Postfachanschrift in München: Postfach 34 01 48, München, Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach einzureichen.
Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4. das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind die in § 67 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO genannten Personen vertreten lassen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 28.488,- EUR festgesetzt.
Gründe:
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nr. 9.1.2.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in entsprechender Anwendung (vgl. BayVGH, B.v. 23.4.2015 – 15 ZB 13.2377 – juris Rn. 27). Da – wie ausgeführt – der Schwellenwert für Spielhallen hinsichtlich der Kerngebietstypik auf Wettbüros der vorliegenden Art übertragen werden kann, erscheint es konsequent, die Regelung des Streitwertkatalogs für Spielhallen entsprechend anzuwenden. Wegen Nr. 9.2 des Streitwertkatalogs war die Hälfte des sich so ergebenden Betrags als Streitwert festzusetzen.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200,- EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen worden ist.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg, Hausanschrift: Kornhausgasse 4, 86152 Augsburg, oder Postfachanschrift: Postfach 11 23 43, 86048 Augsburg, schriftlich einzureichen oder zu Protokoll der Geschäftsstelle einzulegen; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Der Mitwirkung eines Bevollmächtigten bedarf es hierzu nicht.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.


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