Baurecht

Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung, Baueinstellung, „Kleines Wohnhaus (Notunterkunft)“, vollständiges Ersetzen der aus Holz bestehenden Außenwände eines Gebäudeteils („Nebenraum“) durch massive Mauern aus Porenbetonsteinen mit betoniertem Ringanker, Bauen ohne Baugenehmigung, Instandhaltungsarbeiten, genehmigungspflichtiges Gesamtvorhaben

Aktenzeichen  W 5 S 21.1440

Datum:
7.12.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 41733
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
BayBO Art. 75 Abs. 1 S. 1
BayBO Art. 75 Abs. 1 S. 2 Nr. 1
BayBO Art. 57 Abs. 6

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin begehrt die Wiederherstellung bzw. die Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer von ihr erhobenen Anfechtungsklage gegen eine mit einer Zwangsgeldandrohung verbundenen Baueinstellungsanordnung der Stadt W.
1. Die Antragstellerin ist Eigentümerin des 1.490 m² großen Grundstücks Fl.Nr. … der Gemarkung W …, M … R … … (Baugrundstück), das sie im September 2019 erworben hat. Für das Baugrundstück existiert ein auf den 26. April 1946 datierter Baubescheid der Stadt W. Danach wurde auf dem Baugrundstück ein „Kleines Wohnhaus (Notunterkunft) für Herrn B … A. H … und V. H …, G … …“ entsprechend dem zugehörigen Bauplan genehmigt.
Der aus Mauersteinen hergestellte und mit einer Dacheindeckung aus Wellfaserzementplatten versehene Hauptbaukörper des Gebäudes weist eine Grundfläche von ca. 8,00 m auf ca. 6,70 m auf. In südlicher Richtung befindet sich ein Anbau in den Grundmaßen von ca. 6,00 m auf ca. 2,80 m (als „Nebenraum“ bezeichnet), der in Holzbauweise ausgeführt ist und über eine Blecheindeckung verfügt.
Mit Bescheid vom 28. April 2019 wies die Antragsgegnerin auf Antrag der Antragstellerin dem Gebäude auf dem Baugrundstück die Hausnummer M … R … … zu. Dieser Bescheid enthält den Vermerk, dass nach Rücksprache mit der Bauaufsicht darauf hingewiesen werde, dass es sich bei dem Gebäude um eine nach dem Krieg gebaute Notunterkunft handele und dauerhaftes Wohnen in diesem Gebäude nicht gestattet sei; die Vergabe der Hausnummer stelle keine Änderung dieser Situation dar. Mit der am 31. Mai 2020 erhobenen Klage mit dem Az. W 5 K 20.744 machte die Antragstellerin ein Feststellungsbegehren betreffend die Nutzbarkeit ihres Gebäudes auf dem Baugrundstück zu Dauerwohnzwecken geltend. Nach Erörterung der Sach- und Rechtslage in der mündlichen Verhandlung vom 10. September 2020 wurde das Verfahren W 5 K 20.744 nach Rücknahme der Klage seitens der Klägerin eingestellt.
2. Bei einer am 31. Mai 2021 durchgeführten Ortseinsicht stellte der Baukontrolleur der Stadt W fest, dass mit der Sanierung des maroden und undichten Daches des Hauptbaukörpers auf dem Baugrundstück begonnen worden war. Am 14. September 2021 wurde bei einer weiteren Baukontrolle festgestellt, dass das marode Dach des Hauptbaukörpers, zwischenzeitlich durch das Anbringen einer Schweißbahn auf die hölzerne Dachkonstruktion und einer Dacheindeckung (vermutlich aus Blech) instandgesetzt worden war. Festgestellt und durch Lichtbildaufnahmen dokumentiert wurde weiter, dass die in Holzbauweise ausgeführten Außenwände des Anbaus zwischenzeitlich entfernt, das Dach auf provisorische Stützen gesetzt und die Außenwände teilweise hochgemauert worden waren. Neben dem Gartenzaun war weiteres Baumaterial abgestellt worden.
Mit Schreiben der Stadt W. vom 16. September 2021 wurde die Antragstellerin darauf hingewiesen, dass sich aus dem Baubescheid vom 26. April 1946 eine dauerhafte Wohnnutzung nicht ergebe; verfahrensfreie Instandhaltungsarbeiten seien zulässig. Die Antragstellerin wurde um eine detaillierte Stellungnahme bis spätestens 8. Oktober 2021 zu der Frage, welche Baumaßnahmen bisher durchgeführt worden und welche Arbeiten noch geplant seien, gebeten. Mit E-Mail vom 27. September 2021 erklärte die Antragstellerin gegenüber der Stadt W., dass sich wegen des verspäteten Zugangs des Schreibens ihre Antwortfrist auf Ende Oktober 2021 verschieben würde.
Bei einer am 6. Oktober 2021 durchgeführten Baukontrolle wurde festgestellt, dass zwischenzeitlich die bisherigen Holzaußenwände des Anbaus vollständig durch 24 cm starke massive Wände aus Porenbetonsteinen ersetzt worden waren, die zusätzlich am oberen Abschluss zum Dach hin mit einem Ringanker aus Stahlbeton versehen worden waren. Darüber hinaus waren im Inneren dieses Gebäudeteils neue Wasser- und Schmutzwasserleitungen verbaut und im Hauptbaukörper an der Stelle des bisherigen Küchenfensters eine neue Hauseingangstüre eingebaut worden. Weitere Baumaterialien waren vor und auf dem Baugrundstück abgelagert.
3. Mit Bescheid vom 12. Oktober 2021, zugestellt gegen Postzustellungsurkunde am 15. Oktober 2021, verpflichtete die Stadt W. die Antragstellerin, sämtliche Bauarbeiten auf dem Baugrundstück unverzüglich einzustellen (Ziffer I.). Die sofortige Vollziehung der unter Ziffer I. genannten Verpflichtung wurde angeordnet (Ziffer II.). Für den Fall, dass die Antragstellerin der unter Ziffer I. angeordneten Verpflichtung nicht nachkommen sollte, wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 3.000,00 EUR angedroht (Ziffer III.). Die Kosten des Verfahrens wurden der Antragstellerin auferlegt und eine Gebühr von 200,00 EUR festgesetzt (Ziffer IV.).
Zur Begründung wurde ausgeführt: Rechtsgrundlage für die Baueinstellung sei Art. 75 Abs. 1 BayBO. Die Bauarbeiten an der baulichen Anlage auf dem Baugrundstück stellten keine verfahrensfreien Instandhaltungsarbeiten i.S.v. Art. 57 Abs. 6 BayBO dar. Durch den vorgenommenen Austausch der zuvor hölzernen Außenwände des angebauten Nebenraums gegen ein festes Mauerwerk sei wesentlich in die Bausubstanz des Gebäudeteils eingegriffen und dessen äußere Gestalt verändert worden. Bei den Bauarbeiten handele es sich damit nicht mehr lediglich um notwendige Maßnahmen zur Erhaltung des Wertes und der Gebrauchsfähigkeit des Anbaus. Für die baulichen Maßnahmen sei kein Bauantrag eingereicht worden. Folglich sei mit der Bauausführung vor Erteilung einer Baugenehmigung und damit in Widerspruch zu Art. 68 Abs. 5 Nr. 1 BayBO begonnen worden. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung habe ihre Rechtsgrundlage in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO. Bei einem Zuwarten bis zur Unanfechtbarkeit der Baueinstellung sei zu befürchten, dass baurechtswidrige Zustände entstünden oder verfestigt würden, die nicht mehr oder nur noch schwer rückgängig gemacht werden könnten. Bei Abwägung der widerstreitenden Interessen sei dem besonderen öffentlichen Vollzugsinteresse der Vorrang gegenüber dem privaten Aufschiebungsinteresse eines etwaigen Rechtsbehelfs eingeräumt. Aufgrund der im vergangenen Jahr anhängigen Verwaltungsstreitigkeit sei bekannt, dass die Antragstellerin das Baugrundstück in der Absicht erworben habe, das bestehende Gebäude zu sanieren und anschließend als Wohnhaus zu nutzen. Hierbei sei ihr mehrfach erläutert worden, dass sowohl bauliche Änderungen am Bestandsgebäude als auch eine Nutzungsänderung zu einer Dauerwohnnutzung planungsrechtlich nicht zulässig seien. Die Antragstellerin habe es dennoch hinausgezögert der bauaufsichtlichen Aufforderung vom 16. September 2021 zur Stellungnahme fristgerecht nachzukommen und habe stattdessen die Bauarbeiten fortgesetzt. Es sei daher nicht auszuschließen, dass die Bauherrin an dem geplanten Vorhaben einer dauerhaften Wohnhausnutzung weiterhin festhalte und dieses zu realisieren beabsichtige. Vor diesem Hintergrund sei es angezeigt, sämtliche Bautätigkeiten auf dem Baugrundstück umgehend zu unterbinden. Die Androhung des Zwangsmittels stütze sich auf Art. 19, 29, 30 und 36 VwZVG.
4. Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 8. November 2021, bei Gericht eingegangen am gleichen Tag, ließ die Antragstellerin Klage gegen den Bescheid der Stadt W. vom 12. Oktober 2021 erheben (W 5 K 21.1439).
Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten ebenfalls vom 8. November 2021, eingegangen bei Gericht am gleichen Tag, stellte sie im hiesigen Verfahren den „Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gem. § 80 Abs. 5 VwGO“.
Zur Begründung führte der Bevollmächtigte der Antragstellerin im Wesentlichen aus: Der angefochtene Bescheid sei ebenso rechtswidrig wie die Anordnung der sofortigen Vollziehung und verletze die Antragstellerin in ihren Rechten. Die Begründung zur Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit sei zum einen ungenügend und inhaltlich falsch. Die eingangs hierfür gegebene formelmäßige Begründung, dass eine Baueinstellung nur dann Sinn mache, wenn die sofortige Vollziehung angeordnet werde, sei weder einzelfallgerecht noch ausreichend. Die Instandsetzung des Gebäudes sei in jedem Fall zulässig. Die bloße Vorstellung der Antragstellerin, darin wohnen zu können, sei nicht ausreichend für die hier maßgebliche Anordnung der sofortigen Vollziehung. Die Ausnutzung einer von der Verwaltungsbehörde gesetzten Frist stelle keine wie auch immer von der Antragsgegnerin vermutete Verzögerung dar. Die von der Antragstellerin durchgeführten Maßnahmen stellten allesamt zulässige Instandhaltungsmaßnahmen dar. Ohne Nachweis lege der angefochtene Bescheid die bloße Vermutung und Annahme zugrunde, dass es sich um baugenehmigungspflichtige Änderungen handele. Es handele sich aber bei der Erneuerung der Dachhaut um eine zulässige Instandhaltungsmaßnahme. Die Antragstellerin habe lediglich die vorhandene Asbesteindeckung fachgerecht abnehmen und gegen eine Blecheindeckung austauschen lassen. Der Dachstuhl sei weder in seiner Dimension erweitert noch statisch verändert worden. Die Antragstellerin habe aus Sicherheitsgründen die Eingangstür ca. 50 cm versetzt und gegen das vorhandene große Fenster ausgetauscht; ein substantieller Eingriff in den Bestand des Gebäudes sei nicht erfolgt. Die Erneuerung der Eingangstür stelle mithin ebenso eine zulässige Instandhaltungsmaßnahme dar wie der Austausch der vorhandenen sieben Fenster. Die Antragstellerin beabsichtige, noch vor dem Winter die Fenster auszutauschen. Der unverzügliche Austausch sei zur Sicherung des Vorhabens vor Einbruch der schlechten Jahreszeit notwendig. Der Anbau sei an drei Seiten infolge eindringenden Regenwassers angeschimmelt gewesen. Die Holzwände seien gegen Mauerwerk getauscht worden. Der damit einhergehende Einbau eines Ringankers habe nur der Dachbefestigung gedient. Es sei kein Identitätsverlust eingetreten. Es lägen auch keine intensiven Eingriffe in den vorhandenen Bestand vor, die insbesondere die Standfestigkeit des gesamten Bauwerks berührten oder eine statische Nachberechnung erforderlich machten. Auch würden keine Aufwendungen erreicht, die mit einem Neubau vergleichbar seien.
5. Die Antragsgegnerin stellte den Antrag,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der zulässige Antrag unbegründet sei, da der für sofort vollziehbar erklärte angefochtene Bescheid rechtmäßig sei und die Antragstellerin nicht in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten verletze. Die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO seien erfüllt, da die von der Antragstellerin auf dem Baugrundstück vorgenommenen baulichen Tätigkeiten nicht mehr als bloße verfahrensfreie Instandhaltungsmaßnahmen zu qualifizieren seien. Es handele sich vielmehr um genehmigungspflichtige Änderungen. Die zunächst bei Baukontrollen festgestellten Maßnahmen zur Erneuerung des Daches des Hauptgebäudes seien isoliert betrachtet noch als verfahrensfreie Instandhaltungsarbeiten gewertet worden. Dagegen überschritten die an dem in der Baubestandsakte als „Nebenraum“ bezeichneten Gebäudeteil vorgenommenen Bauarbeiten das Maß dessen, was noch als Sicherungsmaßnahmen bezeichnet werden könne. Der Umfang und die Intensität dieser Bautätigkeiten diene nicht mehr ausschließlich dazu, die Gebrauchsfähigkeit und den Wert der baulichen Anlage unter Belassung von Bausubstanz, Konstruktion und äußerer Gestalt zu erhalten. Vielmehr seien alle vier aus Holz bestandenen Außenwände des Anbaus vollständig gegen massives Mauerwerk ersetzt worden. Zudem sei ein Identitätswandel erfolgt, da der Nebenraum, der bisher den Charakter eines untergeordneten, angebauten Schuppens gehabt habe, nun aufgrund seiner massiven Baugestaltung als gleich- und vollwertige Erweiterung des Hauptgebäudes erscheine. Der Erlass der Baueinstellungsverfügung entspreche pflichtgemäßen Ermessen, um die Fortführung der ohne die erforderliche Genehmigung aufgenommenen Bauarbeiten zu unterbinden. Die formellen und materiellen Voraussetzungen der Anordnung der sofortigen Vollziehung lägen vor. Die Ausführungen des Bevollmächtigten der Antragstellerin, dass die Erwägungen, die zur Anordnung der Sofortvollzugs geführt hätten, nur formelhaft und nicht einzelfallbezogen seien, seien unzutreffend.
6. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichts- und Behördenakten sowie auf die Gerichtsakten in dem Verfahren W 5 K 21.1439 sowie W 5 K 20.744 Bezug genommen.
II.
Der Antrag, der nach § 88 VwGO sachgerecht dahingehend auszulegen ist, die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage im Verfahren W 5 K 21.1439 bezüglich der Verfügung unter Ziffer I. des Bescheids der Stadt W. vom 12. Oktober 2021 wiederherzustellen und gegen Ziffer III. dieses Bescheids anzuordnen, hat keinen Erfolg.
1. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist zulässig.
Die aufschiebende Wirkung der von der Antragstellerin erhobenen Anfechtungsklage gegen die unter Ziffer I. des Bescheids vom 12. Oktober 2021 getroffene Baueinstellungsanordnung ist entfallen, weil die Antragsgegnerin diese Anordnung unter Ziffer II. des Bescheids gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO für sofort vollziehbar erklärt hat. In diesem Fall kann das Gericht der Hauptsache nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO die aufschiebende Wirkung wiederherstellen.
Soweit der Antrag gegen die in Ziffer III. des streitgegenständlichen Bescheids verfügte Zwangsgeldandrohung in Höhe von 3.000,00 EUR gerichtet ist, ist er – als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung – ebenfalls zulässig. Gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. Art. 21a Satz 1 des Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes (VwZVG) entfaltet die Klage gegen die Zwangsgeldandrohung keine aufschiebende Wirkung, weil es sich hierbei um eine in der Verwaltungsvollstreckung getroffene Maßnahme handelt. Gemäß Art. 21a Satz 2 VwZVG gelten § 80 Abs. 4, 5, 7 und 8 der VwGO entsprechend. Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache in einem solchen Fall auf Antrag die aufschiebende Wirkung anordnen.
2. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Ziffer I. des Bescheids vom 12. Oktober 2021 ist nicht begründet.
Im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO prüft das Gericht, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind. Im Übrigen trifft es eine eigene Abwägungsentscheidung anhand der in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO normierten Kriterien. Hierbei ist das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage bzw. des Widerspruchs abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache dann von maßgeblicher Bedeutung, wenn nach summarischer Prüfung von der offensichtlichen Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Verwaltungsakts und der Rechtsverletzung des Antragstellers auszugehen ist. Jedenfalls hat das Gericht die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs bei seiner Entscheidung mit zu berücksichtigen, soweit diese sich bereits übersehen lassen (vgl. BVerfG, B.v. 24.2.2009 – 1 BvR 165/09 – juris; BayVGH, B.v. 17.9.1987 – 26 CS 87.01144 – juris; Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 85, 90 ff.). Sind diese im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vollkommen offen, ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen.
2.1. Entgegen der Meinung der Antragstellerseite bestehen keine Zweifel an der formellen Rechtmäßigkeit der Anordnung des Sofortvollzugs. Insbesondere hat die Stadt W. die Anordnung der sofortigen Vollziehung in ausreichender Weise gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO begründet. Nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nr. 4 das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Erforderlich ist grundsätzlich eine auf den konkreten Einzelfall abstellende Darlegung des besonderen öffentlichen Interesses dafür, dass ausnahmsweise die sofortige Vollziehbarkeit notwendig ist und dass hinter dieses erhebliche öffentliche Interesse das Interesse des Betroffenen zurücktreten muss, zunächst von dem von ihm bekämpften Verwaltungsakt nicht betroffen zu werden (Kopp/Schenke, VwGO, 27. Aufl. 2021, § 80 Rn. 85). Je nach Fallgestaltung können die Gründe für das Bedürfnis des sofortigen Vollzugs mit denen für den Erlass des Verwaltungsakts weitgehend identisch sein (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 27. Aufl. 2021, § 80 Rn. 86 m.w.N.).
Diesen Anforderungen wird die Begründung der sofortigen Vollziehbarkeit im Bescheid vom 12. Oktober 2021 gerecht. Die Stadt W. hat darauf abgestellt, dass im vorliegenden Fall bei Abwägung der widerstreitenden Interessen dem besonderen öffentlichen Vollzugsinteresse der Vorrang gegenüber dem privaten Aufschiebungsinteresse eines etwaigen Rechtsbehelfs einzuräumen sei. Sie hat weiter ausgeführt, dass bei einem Zuwarten bis zur Unanfechtbarkeit der Baueinstellung zu befürchten sei, dass baurechtswidrige Zustände entstünden oder verfestigt würden, die nicht mehr oder nur noch schwer rückgängig gemacht werden könnten. Sie hat dann weiter konkret und einzelfallbezogen darauf abgestellt, dass aufgrund der im vergangenen Jahr anhängigen Verwaltungsstreitigkeit bekannt sei, dass die Antragstellerin das Baugrundstück in der Absicht erworben habe, das bestehende Gebäude zu sanieren und anschließend als Wohnhaus zu nutzen und dass ihr mehrfach erläutert worden sei, dass sowohl bauliche Änderungen am Bestandsgebäude als auch eine Nutzungsänderung zu einer Dauerwohnnutzung planungsrechtlich nicht zulässig seien. Die Antragstellerin habe – so die Stadt W. in der Begründung des Sofortvollzugs – dennoch hinausgezögert, der bauaufsichtlichen Aufforderung vom 16. September 2021 zur Stellungnahme fristgerecht nachzukommen und habe stattdessen die Bauarbeiten fortgesetzt, so dass nicht auszuschließen sei, dass diese an dem geplanten Vorhaben einer dauerhaften Wohnhausnutzung weiterhin festhalte und dieses zu realisieren beabsichtige. Vor diesem Hintergrund sei es angezeigt, sämtliche Bautätigkeiten auf dem Baugrundstück umgehend zu unterbinden. Damit zeigt die Begründung deutlich, dass sich die anordnende Behörde des Ausnahmecharakters der Vollzugsanordnung bewusst war und lässt zugleich die Erwägungen erkennen, die sie im vorliegenden Fall für die Anordnung des Sofortvollzugs als maßgeblich erachtet. Ohnehin bedarf es bei der Baueinstellung keiner eingehenden einzelfallbezogenen Begründung des Sofortvollzugs, da sich das besondere öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug bereits aus der Art und dem Zweck der Baueinstellung ergibt (vgl. Decker in Busse/Kraus, Bayerische Bauordnung, Stand 143. Erg. Lief. Juli 2021, Art. 75 Rn. 109 unter Bezugnahme auf BayVGH, B.v. 24.10.1977 – 213 II 76 – BayVBl 1978, 19).
2.2. Im vorliegenden Fall lässt sich bereits aufgrund einer summarischen Überprüfung feststellen, dass die Klage der Antragstellerin gegen Ziffer I. des streitgegenständlichen Bescheids mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit keine Aussicht auf Erfolg haben wird. Die verfügte Baueinstellung ist aller Voraussicht nach rechtmäßig und verletzt die Antragstellerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Unter Berücksichtigung dessen überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung vorliegend das Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage.
2.2.1. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Baueinstellungsverfügung ist der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts. Denn bei einer Baueinstellung handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung (vgl. Decker in Busse/Kraus, Bayerische Bauordnung, Stand 143. Erg. Lief. Juli 2021, Art. 75 Rn. 137 m.w.N. zur Rechtsprechung).
Rechtsgrundlage für die Anordnung der Baueinstellung ist Art. 75 BayBO. Werden Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet, geändert oder beseitigt, kann die Bauaufsichtsbehörde die Einstellung der Arbeiten gemäß Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO anordnen. Dies gilt nach Art. 75 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BayBO insbesondere, wenn die Ausführung eines Bauvorhabens entgegen den Vorschriften des Art. 68 Abs. 5 BayBO – also ohne Baugenehmigung – begonnen wurde. Nach Art. 68 Abs. 6 Nrn. 1 – 3 BayBO darf mit der Bauausführung erst begonnen werden, wenn die Baugenehmigung dem Bauherrn zugegangen ist sowie die Bescheinigungen nach Art. 62a Abs. 2 und Art. 62b Abs. 2 BayBO sowie die Baubeginnsanzeige der Bauaufsichtsbehörde vorliegen.
Die Vorschrift des Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO ist ein Instrument präventiver Bauaufsicht. Im Interesse der Effektivität sollen Bauarbeiten, die nach den konkreten Umständen des Einzelfalls auf ein Vorhaben gerichtet sind, das wahrscheinlich mit dem formellen und/oder materiellen Baurecht nicht vereinbar ist, bereits in der Entstehung unterbunden werden. Als Voraussetzung für eine Baueinstellungsverfügung genügen deshalb objektive konkrete Anhaltspunkte, die es wahrscheinlich machen, dass ein dem öffentlichen Baurecht widersprechender Zustand geschaffen wird, nicht dagegen auch die tatsächliche Bestätigung dieser Vermutung (Decker in Busse/Kraus, Bayerische Bauordnung, Stand 143. Erg. Lief. Juli 2021, Art. 75 Rn. 48; Schwarzer/König, Bayerische Bauordnung, 4. Aufl. 2012, Art. 75 Rn. 7; BayVGH, U.v. 27.8.2002 – 26 B 00.2110 – juris). Ein Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften liegt bereits im Verstoß gegen formell-rechtliche Vorschriften.
2.2.2. Für eine Baueinstellung ist (damit) allein die formelle Illegalität, also insbesondere das Bauen ohne die erforderliche Baugenehmigung (vgl. Art. 75 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BayBO), ausreichend.
Das Bauvorhaben der Antragstellerin ist formell illegal, denn es erweist sich nach der Bayerischen Bauordnung als genehmigungspflichtig; eine Baugenehmigung liegt hierfür nicht vor. Im Einzelnen:
Nach Art. 55 Abs. 1 BayBO bedürfen die Errichtung, Änderung und Nutzungsänderung von Anlagen der Baugenehmigung, soweit in Art. 56 bis 58, 72 und 73 BayBO nichts anderes bestimmt ist. Eine solche Ausnahme liegt hier nicht vor.
Der Bevollmächtigte der Antragstellerin kann mit der Auffassung, dass die von der Antragstellerin durchgeführten Maßnahmen, nämlich die Erneuerung der Dachhaut des Hauptbaukörpers, die Versetzung der Eingangstür, der Austausch von sieben Fenstern und die Ersetzung der Holzwände des Anbaus durch massive Wände aus Porenbetonsteinen und der Einbau eines Ringankers aus Beton allesamt zulässige Instandhaltungsmaßnahmen darstellten, nicht durchdringen.
Nach Art. 57 Abs. 6 BayBO sind Instandhaltungsarbeiten verfahrensfrei.
Instandhaltungsarbeiten sind alle Maßnahmen, die dazu dienen, die Gebrauchsfähigkeit und den Wert von Anlagen unter Belassung von Konstruktion und äußerer Gestalt zu erhalten und die weder Errichtung noch Änderung sind (vgl. BayVGH, B.v. 20.1.2009 – 15 CS 08.1638 – BeckRS 2009, 42888). Hierunter fällt das Wiederherrichten zerstörter oder schadhafter Bauteile und das Beseitigen von Mängeln oder Schäden durch Maßnahmen, die den bisherigen Zustand im Wesentlichen unverändert lassen oder ihn wiederherstellen oder erhalten (BayVGH, B.v. 13.1.1997 – 1 CS 96.3580 – BeckRS 1997, 18613). Als Instandhaltungsarbeiten kommen damit in erster Linie Reparatur- und Ausbesserungsarbeiten an der baulichen Anlage in Betracht. Insoweit sind aber die Instandhaltungsarbeiten gemäß Art. 57 Abs. 6 BayBO nach Art und Umfang der baulichen Erneuerungen von der die Genehmigungsfrage neu aufwerfenden Änderung der baulichen Anlage abzugrenzen. Unter Instandhaltungsarbeiten sind bauliche Maßnahmen zu verstehen, die der Erhaltung der Gebrauchsfähigkeit der baulichen Substanz einer Anlage dienen, ohne deren Identität zu verändern. Mit ihnen können einzelne Bauteile ausgebessert oder ausgetauscht werden, um die durch Abnutzung, Alterung oder Witterungseinflüsse entstandenen baulichen Mängel zu beseitigen, wenn hinsichtlich Konstruktion, Standsicherheit, Bausubstanz und äußerem Erscheinungsbild keine wesentliche Änderung erfolgt (BayVGH B.v. 15.4.2019 – 1 CS 19.150 -BeckRS 2019, 7188; Spannowsky/Manssen, BeckOK Bauordnungsrecht Bayern, Stand 20. Edit. 1.11.2021, Art. 57 Rn. 288). Eine Änderung der baulichen Anlage liegt hingegen vor, wenn das Bauwerk seiner ursprünglichen Identität beraubt wird. Ein solcher Identitätsverlust tritt ein, wenn der Eingriff in den vorhandenen Bestand so intensiv ist, dass er die Standfestigkeit des gesamten Bauwerks berührt und eine statische Nachberechnung erforderlich macht, oder wenn die für die Instandsetzung notwendigen Arbeiten den Aufwand für einen Neubau erreichen oder gar übersteigen, oder wenn die Bausubstanz ausgetauscht oder das Bauvorhaben wesentlich erweitert wird oder die Baumaßnahmen sonst praktisch einer Neuerrichtung gleichkommen (vgl. BayVGH, B.v. 20.2.2020 – 1 ZB 18.933 – BeckRS 2020, 2754; Spannowsky/Manssen, BeckOK Bauordnungsrecht Bayern, Stand 20. Edit. 1.11.2021, Art. 57 Rn. 288). Ausschlaggebend für die Abgrenzung ist ein Vergleich zwischen dem Zustand der baulichen Anlage vor und nach den Arbeiten.
Gemessen an diesen Maßstäben handelt es sich hier nicht (mehr) um – verfahrensfreie – Instandhaltungsarbeiten, sondern um – genehmigungspflichtige – Bauarbeiten i.S.d. Art. 55 Abs. 1 BayBO. Denn im vorliegenden Fall wurden ausweislich der Feststellungen des Baukontrolleurs und der in der Behördenakte enthaltenen Lichtbilder sämtliche aus Holzbrettern bestehenden, dünnen Außenwände des sog. „Nebenraums“ des Gebäudes auf dem Baugrundstück entfernt, übergangsweise durch Deckenstützen aus Stahl abgesichert und anschließend durch 24 cm starke, massive Außenwände aus Porenbetonsteinen ersetzt und durch einem betonierten Ringanker verstärkt und darüber hinaus im Inneren dieses Gebäudeteils Versorgungsleitungen für Strom, Wasser und Abwasser verlegt. Mithin wurde von der Antragstellerin ein wesentlicher Teil des Gebäudes mit den Grundmaßen von 5,80 m auf 2,80 m, nämlich jedenfalls alle drei nach außen in Erscheinung tretenden Außenwände erneuert. Nur das Dach dieses Gebäudeteils ist erhalten geblieben. Damit kann nicht mehr davon gesprochen werden, dass hier lediglich einzelne, durch Alterung oder Witterungseinflüsse schadhafte Bauteile ausgetauscht worden wären. Vielmehr wurde hier die bauliche Anlage in ihrer Identität verändert. Denn der Eingriff in den vorhandenen Bestand ist so massiv, dass er zum einen die Standfestigkeit des betroffenen Gebäudeteils berührt hat. Dies ist offenkundig, wenn sämtliche tragenden Bauteile – nämlich die Außenwände – des betroffenen Gebäudeteils entfernt wurden, die bisher auf diesen Holzwänden ruhende Dachkonstruktion in der Bauphase mit Deckenstützen vertikal und mit Stützbalken schräg bzw. horizontal abgestützt werden musste, weil ansonsten das Dach eingestürzt wäre, und anschließend die Dachkonstruktion auf die nun vollkommen neu und andersartig hergestellten Außenmauern und den betonierten Ringanker aufgesetzt wurde, so dass hierauf nun das Dach ruht. Zum anderen weicht auch die äußere Gestalt bzw. die Erscheinungsform dieses Gebäudeteils von der ursprünglichen mehr als nur unerheblich ab, was sich bereits darin zeigt, dass dieser Gebäudeteil ursprünglich in Holzbretterbauweise errichtet worden war und nun – wie das restliche Gebäude – in Massivbauweise hergestellt wurde. Insoweit erscheint der in den Bauplänen des Jahres 1946 als „Nebenraum“ bezeichnete Gebäudeteil, der bisher durch seine Holzbauweise als Schuppen bzw. untergeordnetes Nebengebäude nach außen in Erscheinung getreten ist, nun durch die Angleichung des Baustoffs der Außenwände und der Bauweise als Erweiterung des Hauptgebäudes. Dieser Eindruck, dass nämlich dieser Gebäudeteil mit dem übrigen Gebäude künftig zu Aufenthaltszwecken genutzt werden soll, wird auch dadurch verstärkt, dass in seinem Inneren Versorgungsleitungen für Strom, Wasser und Abwasser verlegt wurden. Bekräftigt wird dieser Eindruck noch durch den Umstand, dass die bisherige Hauseingangstüre um ca. 1,50 m (und nicht wie die Antragstellerseite vorbringt um 0,50 m) vom ursprünglichen Flur in die bisherige Küche versetzt und das hier bisher vorhandene Küchenfenster zugebaut wurde. Schließlich sind in diesem Zusammenhang auch die im Verfahren W 5 K 20.744 getätigten Äußerungen der Antragstellerin von Bedeutung, wonach es sich aus Sicht der Antragstellerin bei dem fraglichen Gebäude um ein „auf Dauer genehmigtes Wohngebäude“ handele (vgl. Klageschrift vom 31.5.2020 im Verfahren W 5 K 20.744) und sie sich „vorstellen (könne), darin zu wohnen“ (so die Antragstellerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung, vgl. S. 2 des Protokolls der mündlichen Verhandlung).
Nach allem kann nach summarischer Prüfung hinsichtlich der Ersetzung der Holzwände des Anbaus durch massive Wände aus Porenbetonsteinen und der Einbau eines Ringankers aus Beton nicht mehr von zulässigen Instandhaltungsmaßnahmen nach Art. 57 Abs. 6 BayBO, sondern nur von baugenehmigungspflichtigen Maßnahmen i.S.d. Art. 55 BayBO ausgegangen werden. Mithin liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 75 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 BayBO vor.
Soweit von Antragstellerseite vorgebracht wird, dass es sich bei den darüber hinaus durchgeführten bzw. noch durchzuführenden Maßnahmen der Erneuerung des Daches des Hauptbaukörpers, der Versetzung der Eingangstür und des Austauschs von sieben Fenstern um verfahrensfreie (Instandhaltungs)-Maßnahmen handele, kann an dieser Stelle offenbleiben, ob diese Maßnahmen (jede) für sich genommen als verfahrensfrei nach Art. 57 Abs. 6 BayBO („Instandhaltungsarbeiten“) oder nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 11 Buchst.d) BayBO („Fenster und Türen sowie die dafür vorgesehenen Öffnungen“) oder auch nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 11 Buchst. f) BayBO („Bedachungen“) anzusehen sind. Denn die Verfahrensfreiheitstatbestände des Art. 57 BayBO kommen nur dann zur Anwendung, wenn das fragliche Vorhaben selbständig als Einzelvorhaben ausgeführt wird (BayVGH, U.v. 18.5.2001 – 2 B 00.1347 – juris; Lechner/Busse in Busse/Kraus, Bayerische Bauordnung, Stand 143. Erg. Lief. Juli 2021, Art. 57 Rn. 12; Spannowsky/Manssen, BeckOK Bauordnungsrecht Bayern, Stand 20. Edit. 1.11.2021, Art. 57 Rn. 19). Art. 57 BayBO stellt nämlich weniger bedeutsame Vorhaben nur dann von der Genehmigungspflicht frei, wenn sie nicht im räumlichen, zeitlichen und funktionellen Zusammenhang mit einem Gesamtvorhaben stehen (vgl. BayVGH, B.v. 24.4.2018 – 1 CS 18.308 – juris). Das zu beurteilende Vorhaben darf also nicht unselbständiger Teil eines einheitlich auszuführenden Gesamtvorhabens sein. Sind Einzelvorhaben, die für sich betrachtet genehmigungsfrei sind, unselbständige Teile von Gesamtvorhaben, die selbst genehmigungspflichtig sind, dann erstreckt sich die Genehmigungspflicht und das Genehmigungsverfahren auch auf sie (Lechner/Busse in Busse/Kraus, Stand 143. Erg. Lief. Juli 2021, Art. 57 Rn. 14 m.w.N. zur Rspr.). Das Vorhaben darf also nicht in einen genehmigungspflichtigen und einen verfahrensfreien Teil aufgespalten werden (Schwarzer/König, Bayerische Bauordnung, 4. Aufl. 2012, Art. 57 Rn. 6; Jäde in Jäde/Dirnberger/Bauer/Weiß, Die neue Bayerische Bauordnung, Stand 75. Erg. Lief. Aug. 2020, Art. 57 Rn. 12).
Nach summarischer Prüfung ist hier vom Vorliegen eines engen zeitlichen Zusammenhangs mit dem genehmigungspflichtigen Gesamtvorhaben auszugehen. Nach den Feststellungen des Baukontrolleurs der Stadt W. waren erst wenige Tage vor der Baukontrolle am 6. Oktober 2021 und damit kurze Zeit vor der Baueinstellung die massiven Außenwände hochgemauert und der Ringanker betoniert worden. Dies lässt sich auch der Gegenüberstellung der am 6. Oktober 2021 und der am 14. September 2021 gefertigten und in der Behördenakte (Bl. 50, 39) enthaltenen Lichtbilder entnehmen. Diese zeigen auch, dass die Umbauarbeiten am Gebäude zu diesem Zeitpunkt noch im Gange waren, insbesondere die Fenster im „Nebenraum“ noch nicht eingebaut, sowie die übrigen Fenster noch nicht ausgetauscht waren. Die Bauarbeiten des Gesamtvorhabens waren also zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen (vgl. Art. 78 Abs. 2 Satz 1 BayBO). Darüber hinaus stehen aber diese Maßnahmen nach der Konzeption der Bauherrin und nach ihrer Funktion in einem engen baulichen Zusammenhang mit dem genehmigungspflichtigen Bauvorhaben am Anbau des Gebäudes.
2.2.3. Die Einstellung der Bauarbeiten durch die Antragsgegnerin erweist sich auch als ermessensgerecht.
Das der Bauaufsichtsbehörde nach Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO eingeräumte Ermessen ist insoweit ein intendiertes, als ein öffentliches Interesse daran besteht, die Fortführung unzulässiger Bauarbeiten zu verhindern, sofern nicht besondere Gründe vorliegen, die eine andere Entscheidung als die Baueinstellung rechtfertigen (vgl. BayVGH, B.v. 29.10.2020 – 1 CS 20.1979 – BeckRS 2020, 30381; B.v. 2.8.2000 – 1 ZB 97.2669 – BeckRS 2000, 23994; Decker in Busse/Kraus, Bayerische Bauordnung, Stand 143. Erg. Lief. Juli 2021, Art. 75 Rn. 84 f. m.w.N.). Denn es ist Sache des Bauherrn, vor Baubeginn durch einen Bauantrag oder die Vorlage anderweitiger Unterlagen die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass sein Vorhaben den formellen und materiellen Anforderungen des Baurechts entspricht, und es ist ihm zuzumuten, mit der Fortsetzung der Bauarbeiten zuzuwarten, bis die baurechtliche Zulässigkeit des Bauvorhabens festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 18.2.2000 – 2 ZS 00.458 – BeckRS 2000, 28460). Wirtschaftliche Nachteile, die mit der Baueinstellung verbunden sind, müssen in aller Regel hinter dem öffentlichen Interesse zurücktreten.
In diesem Zusammenhang ist noch darauf hinzuweisen, dass bereits der Streit über die Genehmigungspflicht eines Vorhabens die Behörde berechtigt, eine entsprechende Baueinstellung zu verfügen; es genügt der durch Tatsachen belegte „Anfangsverdacht“ eines Rechtsverstoßes (BayVGH, B.v. 14.10.2013 – 9 CS 13.1407 – BeckRS 2013, 57776; Jäde in Jäde/Dirnberger/Bauer/Weiß, Die neue Bayerische Bauordnung, 75. Erg. Lief. Aug. 2020, Art. 75 Rn. 5; Schwarzer/König, BayBO, 4. Aufl. 2012, Art. 75 Rn. 7). Dieser ist hier – nach den obigen Ausführungen – zweifellos gegeben. Allerdings ist die Behörde verpflichtet, die Baueinstellungsverfügung „unter Kontrolle zu halten“, sich also zu vergewissern, ob sich der Anschein des Rechtsverstoßes bestätigt (vgl. Schwarzer/König, BayBO, 4. Aufl. 2012, Art. 75 Rn. 7).
Die Stadt W. hat sich gemäß Aktenlage schon vor dem Erlass der Baueinstellungsverfügung nachhaltig um eine Abklärung des Sachverhalts bemüht, die Antragstellerin hat indessen insoweit jegliche Kooperation verweigert. Sie hat auf das Schreiben der Antragsgegnerin vom 16. September 2021 in der Sache nicht regiert, insbesondere nicht (zeitnah) dargelegt, welche Baumaßnahmen bisher schon durchgeführt wurden und welche Arbeiten noch geplant sind. Sie hat vielmehr mit E-Mail vom 27. September 2021 die gesetzte Antwortfrist um drei Wochen verlängert. Wenige Tage später wurde dann bei der Baukontrolle am 6. Oktober 2021 ein weiterer Baufortschritt festgestellt. Bei dieser Sachlage bestand und besteht deshalb hinreichender Anlass, eine weitere Fortführung von Bauarbeiten nicht zuzulassen. Es liegt in der Hand der Antragstellerin, an der Abklärung der Genehmigungspflicht mitzuwirken, um dann gegebenenfalls Arbeiten fortführen zu können.
3. Der (sinngemäß gestellte) Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Ziffer III. des Bescheids vom 18. Oktober 2021 ist ebenfalls unbegründet. Die Kammer hegt keinen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der nach Art. 21 a Satz 1 VwZVG vollziehbaren Zwangsgeldandrohung, so dass insoweit keine Veranlassung besteht, dem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zu entsprechen und die aufschiebende Wirkung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 5 Satz 1 VwGO anzuordnen.
4. Mithin war der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die Entscheidung über den Streitwert folgt aus §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 2, 63 Abs. 2 Satz 1 GKG.


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