Baurecht

Wildschutzzäunung als naturschutzrechtlich unzulässige Sperre

Aktenzeichen  M 11 K 16.1125

Datum:
12.10.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 150875
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BV Art. 141 Abs. 3 S. 1
VwGO § 42 Abs. 2
BayNatSchG Art. 27 Abs. 3 S. 2, Art. 33 Nr. 1, Art. 34 Abs. 2, Abs. 3

 

Leitsatz

1 Art. 34 Abs. 3 BayNatSchG vermittelt unter Berücksichtigung des durch Art. 141 Abs. 3 S. 1 BV gewährleisteten Grundrechts auf Genuss der Naturschönheiten und Erholung in der freien Natur Individualschutz bzgl. des Betretens der freien Natur. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein Hindernis ist eine Sperre iSd Art. 34 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 BayNatSchG, wenn es (auch) die Wirkung hat, die Allgemeinheit vom Betreten eines Privatwegs oder einer sonstigen Fläche in der freien Natur abzuhalten, selbst wenn es demjenigen, der das Hindernis errichtet hat, hierauf nicht ankam. Das Hindernis muss auch nicht unüberwindbar sein; es reicht aus, dass ein Zaun als psychisches Hindernis Erholungsuchende objektiv am freien Betreten hindert. Ob ein Hindernis eine Sperre darstellt, bemisst sich nach dem objektiven Empfängerhorizont eines durchschnittlichen Erholungsuchenden (ebenso BayVGH BeckRS 2017, 110398). (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
3 Die Erholungsfunktion der freien Natur ist vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlich verbürgten Rechts auf Genuss der Naturschönheiten (Art. 141 Abs. 3 S. 1 BV) weit auszulegen. Das Betretungsrecht ist daher weder auf besonders herausragende Naturschönheiten noch auf befestigte Wege begrenzt und umfasst – mit den Einschränkungen des Art. 30 BayNatSchG – auch landwirtschaftlich genutzte Flächen wie Grünland. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
4 Von einer Beseitigungsanordnung (Art. 34 Abs. 3 BayNatSchG) kann für den Fall, dass sich eine Umzäunung bereits nach dem Tatbestand des Art. 33 Nr. 1 BayNatSchG als unzulässig erweist, aus Ermessenserwägungen nur ausnahmsweise abgesehen werden, etwa aus Verhältnismäßigkeitsgründen, wenn das Betretungsrecht durch eine Teilbeseitigung bzw. die ausreichende Errichtung erkennbarer Durchgänge sichergestellt werden kann. (Rn. 36 und 40) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Beklagte wird verpflichtet, den Antrag des Klägers auf Einschreiten gegen die dauerhafte Zäunung auf den Flächen FlNr. 990, 989, 991, 992 der Gemarkung … unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu verbescheiden.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die – im streitgegenständlichen Klageverfahren ausschließlich auf eine Verpflichtung des Beklagten zu einer Neuverbescheidung des Antrags auf naturschutzrechtliches Einschreiten gerichtete – Verpflichtungsklage ist zulässig, wobei sich der Kläger auf einen entsprechenden Verpflichtungsantrag beschränkt und von einem – ohnehin lediglich der Rechtsklarheit dienenden Aufhebungsantrag – hinsichtlich des Schreibens vom 6. November 2015 abgesehen hat. Auf die Frage, ob es sich bei dem Schreiben um einen Versagungsbescheid handelt, kommt es vor dem Hintergrund, dass andernfalls gemäß § 75 VwGO die Voraussetzungen für eine Untätigkeitsklage vorliegen würden, nicht an.
Das hinsichtlich des Verpflichtungsbegehrens auf Neuverbescheidung des Antrags auf naturschutzrechtliches Einschreiten vom 5. Oktober 2015 beschränkte Klagebegehren ist nach Maßgabe von § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO ausreichend bestimmt. Die fehlende Angabe eines Adressaten und einer konkreten Maßnahme ist vor dem Hintergrund, dass im Rahmen der geforderten Verbescheidung zur Gewährleistung des hier maßgeblichen Betretungsrechts der freien Natur neben einer vollständigen Beseitigung der Umzäunung auch andere Maßnahmen in Betracht kommen, nicht zu beanstanden.
Der Kläger ist klagebefugt. Nach § 42 Abs. 2 VwGO ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein. Bei Verpflichtungsklagen genügt es für die Erfüllung der Darlegungslast, wenn aus der Klage erkennbar ist, dass und aufgrund welcher Tatsachen der Kläger auf den begehrten Verwaltungsakt ein Recht zu haben glaubt (vgl. zu einem vergleichbaren Fall BayVGH, B.v. 11.5.2017 – 14 ZB 16.1775 – juris Rn. 7 unter Hinweis auf Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 42 Rn. 17).
Diesen Anforderungen genügt die Klage, da der Kläger unter anderem geltend macht, dass durch die Umzäunung sein Betretungsrecht der freien Natur verletzt werde. Die für das beantragte Einschreiten in Betracht kommende Befugnisnorm nach Art. 34 Abs. 3 BayNatSchG vermittelt unter Berücksichtigung des nach Art. 141 Abs. 3 Satz 1 BV bestehenden Grundrechts auf Genuss der Naturschönheiten und Erholung in der freien Natur Individualschutz bzgl. des Betretens der freien Natur.
Im Hinblick darauf, dass der Kläger in der Nähe der gegenständlichen Grundstücke wohnt und im Bereich der Grundstücke ein Gemeinschaftsjagdrevier gepachtet hat, bestehen auch keine ernsthaften Zweifel, dass der Kläger von seinem Betretungsrecht Gebrauch macht – auch außerhalb Ausübung der Jagd – so dass dahinstehen kann, ob und in welchem Umfang auch das Betreten der freien Natur im Zusammenhang mit der Jagdausübung vom Schutzbereich des Art. 34 Abs. 3 BayNatSchG erfasst wird. Das wird auch vom Beklagten nicht in Frage gestellt. Der Hinweis, der Kläger wolle offenkundig die Bewegungsfreiheit von Wildtieren erreichen, die vom Betretungsrecht nicht umfasst sei, ist zutreffend, lässt aber die Klagebefugnis im Hinblick auf das hiervon unabhängige Betretungsrecht der freien Natur durch den Kläger nicht entfallen und bietet auch keine Anhaltspunkte für eine rechtsmissbräuchliche Berufung auf das Betretungsrecht mit dem ausschließlichen Ziel einer Verbesserung der Situation hinsichtlich der Jagdausübung.
Die Klage ist auch begründet.
Der Kläger hat einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Verbescheidung seines Antrags auch naturschutzrechtliches Einschreiten, der bisher seitens des Beklagten nicht erfüllt worden ist, und wird hierdurch in Rechten verletzt (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
Nach Art. 34 Abs. 3 BayNatSchG kann die untere Naturschutzbehörde die Beseitigung einer bestehenden Sperre anordnen, wenn die Voraussetzungen vorliegen, unter denen nach Abs. 2 die Errichtung der Sperre untersagt werden müsste. Art. 34 Abs. 3 BayNatSchG regelt, dass eine Sperre zur untersagen ist, wenn dies im gegenwärtigen oder absehbaren zukünftigen Interesse der erholungsuchenden Bevölkerung erforderlich ist und die Sperre den Voraussetzungen des Art. 33 BayNatSchG widerspricht.
Bei der Umzäunung handelt es sich um eine Sperre im Sinne des Art. 34 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 BayNatSchG. Ein Hindernis ist dann eine Sperre, wenn es (auch) die Wirkung hat, die Allgemeinheit vom Betreten eines Privatweges oder einer sonstigen Fläche in der freien Natur abzuhalten, selbst wenn es demjenigen, der das Hindernis errichtet hat, darauf nicht ankam. Für die Beurteilung ist entscheidend die objektive Situation, wie sie sich dem Betretenden an Ort und Stelle darbietet. Das Hindernis muss nicht unüberwindbar sein, eine hermetische Abriegelung ist nicht begriffsnotwendig. Es reicht aus, dass ein Zaun als psychisches Hindernis Erholungsuchende objektiv am freien Betreten der Natur hindert. Ob ein Hindernis eine Sperre darstellt, bemisst sich dementsprechend nach dem objektiven Empfängerhorizont eines durchschnittlichen Erholungsuchenden (BayVGH, B.v. 11.5.2017 a.a.O. – juris Rn. 9 m.w.N.).
Entsprechend diesem Maßstab handelt es sich bei der errichteten Umzäunung um eine Sperre. Sie ist nach Art, Umfang und Höhe sowohl als physisches Hindernis als auch aufgrund der psychologischen Wirkung und der Regelung in Art. 27 Abs. 3 Satz 2 BayNatSchG, wonach das Betretungsrecht nicht ausgeübt werden kann, soweit Grundeigentümer oder sonstige Berechtigte das Betreten ihres Grundstücks durch für die Allgemeinheit geltende, deutlich sichtbare Sperren, insbesondere durch Einfriedungen, andere tatsächliche Hindernisse oder Beschilderungen untersagt haben, ohne weiteres geeignet, die Allgemeinheit davon abzuhalten, die umzäunten Flächen zu betreten. Überstiege bestehen nur vereinzelt und sind mangels Kennzeichnung und entsprechender Hinweise für die Allgemeinheit als solche auch nicht erkennbar. Auf die Frage, ob und unter welchen Bedingungen derartige Überstiege die Eigenschaft einer Umzäunung als Sperre entfallen lassen können (vgl. die Gesetzesbegründung zu Art. 15 Abs. 3 BayNatSchG a.F. in LT-Drs. 7/3007, S. 25; ablehnend bei Durchgängen in größeren Abständen und mit Handisolatoren zu öffnenden Aushängetoren für eine großflächige Umzäunung mit einem Elektrozaun in einem Wald BayVGH, B.v. 11.5.2017 a.a.O. – juris Ls. 1 und Rn. 10), kommt es daher nicht an.
Die Voraussetzungen, unter denen nach Art. 34 Abs. 2 die Errichtung der Sperre untersagt werden müsste, liegen vor, da dies im gegenwärtigen oder absehbaren zukünftigen Interesse der erholungsuchenden Bevölkerung erforderlich ist und die Sperre den Voraussetzungen des Art. 33 BayNatSchG widerspricht.
Im Hinblick auf die Erforderlichkeit einer Untersagung bzw. Beseitigung wegen des Interesses der erholungsuchenden Bevölkerung ist zu beachten, dass die damit angesprochene Erholungsfunktion der freien Natur vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlich verbürgten Rechts auf Genuss der Naturschönheiten in Art. 141 Abs. 3 Satz 1 BV weit auszulegen ist. Das Betretungsrecht ist weder auf besonders herausragende Naturschönheiten noch auf befestigte Wege begrenzt und umfasst – mit den Einschränkungen des Art. 30 BayNatSchG – auch landwirtschaftlich genutzte Flächen wie Grünland.
Durch die streitgegenständliche Umzäunung wird das Betretungsrecht in großem Umfang für Grünland- und teilweise auch Waldflächen eingeschränkt. Die Beschränkung geht weit über die Bagatellgrenze hinaus, betrifft einen Bereich, der sich für Aktivitäten der erholungsuchenden Bevölkerung in der freien Natur ohne weiteres anbietet und birgt darüber hinaus eine Nachahmungsgefahr.
Die Voraussetzungen nach Art. 33 BayNatSchG zur Zulässigkeit einer Errichtung von Sperren liegen nicht vor.
In Betracht kommt ausschließlich Art. 33 Nr. 1 BayNatSchG. Nach dessen Satz 1 können Sperren errichtet werden, wenn anderenfalls die zulässige Nutzung des Grundstücks nicht unerheblich behindert oder eingeschränkt würde. Nach Satz 2 gilt das insbesondere, wenn die Beschädigung von Forstkulturen, Sonderkulturen oder sonstigen Nutzpflanzen zu erwarten ist, oder wenn das Grundstück regelmäßig von einer Vielzahl von Personen betreten und dadurch in seinem Ertrag erheblich gemindert oder in unzumutbarer Weise beschädigt oder verunreinigt wird.
Die Regelungen in Art. 33 BayNatSchG stehen dabei als Schranken des verfassungsrechtlich geschützten Betretungsrechts der freien Natur unter dem Vorbehalt der Erforderlichkeit.
Die errichtete Umzäunung entspricht diesen Anforderungen nicht. Entgegen den Ausführungen des Landratsamtes im Schreiben vom 6. November 2015 handelt es sich nicht um einen Schafzaun – die erfolgte Umzäunung wäre nach Maßgabe der auf dem Grünland befindlichen geringen Anzahl an Schafen weder nach ihrer Art noch nach ihrem Umfang erforderlich. An einer entsprechenden Zweckbestimmung wurde im Klageverfahren auch weder seitens des Beklagten noch des Beigeladenen festgehalten. Zweck der Umzäunung ist vielmehr unstreitig der Schutz des umzäunten Grünlands vor Schäden durch Schwarzwild.
Es kann offen bleiben, ob und unter welchen Umständen ein Schutz von Grünland vor Schäden durch Schwarzwild die Errichtung von Sperren dem Grunde nach und darüber hinaus ganzjährig rechtfertigen kann. Die Beantwortung der Frage hängt vor allem im Hinblick auf die Erforderlichkeit einer Errichtung von Sperren von einer Vielzahl tatsächlicher Umstände ab, die mangels entsprechender Angaben des Beigeladenen im Rahmen eines Bauantrags (eine Genehmigungsfreiheit nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 7 BayBO dürfte nicht in Betracht kommen) oder einer naturschutzrechtlichen Anzeige nach Maßgabe von Art. 34 Abs. 1 Satz 1 oder 2 BayNatSchG und entsprechender Ermittlungen des Landratsamtes ungeklärt geblieben sind. Zur Beurteilung der Erforderlichkeit genügt insofern nicht der Hinweis auf die Kosten und den Aufwand der Errichtung der Umzäunung. Für die Erforderlichkeit der Umzäunung genügt auch nicht die Aussage des Vertreters der Unteren Naturschutzbehörde in der mündlichen Verhandlung, wonach bei einer Entfernung des Zauns mit erheblichen Schäden durch Wildschweine zu rechnen sei. Vielmehr wären neben einer Ermittlung der örtlichen Belastungssituation unter Heranziehung der Schäden in der Vergangenheit bzw. auf vergleichbaren Grundstücken auch die bayernweite Situation (vgl. die sog. Schwarzwildverbreitungskarten des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten – veröffentlicht unter www.wildtierportal.bayern.de), die Möglichkeiten einer Schadensvermeidung, -minderung und -regulierung vor allem nach Maßgabe jagdrechtlicher und -fachlicher Vorgaben sowie die mit der Errichtung von Sperren verbundenen Folgewirkungen und Nachahmungseffekte einzubeziehen.
Die Umzäunung erweist sich aber ungeachtet davon bereits deswegen als unzulässig, weil sie das Betretungsrecht über das zum Schutz des Grünlands Erforderliche hinaus beschränkt. Die vorhandenen Überstiege sind aufgrund ihrer geringen Anzahl und mangels Erkennbarkeit – etwa durch entsprechende Hinweisschilder – nicht geeignet und ausreichend, das Betretungsrecht der freien Natur sicherzustellen.
Da die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Beseitigung der errichteten Sperre vorliegen, besteht ein Anspruch des Klägers auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Antrag vom …. Oktober 2015, der bislang nicht erfüllt wurde. Das Schreiben vom 6. November 2015, wonach eine Beseitigungsanordnung nicht veranlasst sei, beruhte ausschließlich auf der unzutreffenden Annahme, es liege keine Sperre vor und enthielt keine Ermessenserwägungen – insofern liegt ein vollständiger Ermessensausfall vor. Eine Ergänzung von Ermessenserwägungen im Klageverfahren (§ 114 Satz 2 VwGO) kommt bei einem Ermessensausfall nicht in Betracht, so dass es auf die Tragfähigkeit der vom Landratsamt angestellten Erwägungen im Rahmen der Klageerwiderung nicht entscheidungserheblich ankommt.
Für das weitere Verfahren weist das Gericht aber bereits jetzt darauf hin, dass maßgeblich für eine fehlerfreie Ermessensausübung zunächst die Frage ist, ob die Voraussetzungen nach Art. 33 Nr. 1 BayNatSchG für die Errichtung einer ganzjährigen Sperre zum Schutz von Grünland vor Schwarzwild dem Grunde nach vorliegen und ob die Umzäunung nach Maßgabe der Gefährdungssituation vor Ort und unter Berücksichtigung der bayernweiten Situation erforderlich ist.
Für den Fall, dass sich die Errichtung der Umzäunung bereits dem Grunde nach als unzulässig erweist, verbleiben voraussichtlich nur ganz eingeschränkte Ermessensgesichtspunkte, die es bei einer entsprechenden Gewichtung rechtfertigen können, von der Beseitigung der Sperre abzusehen. Insbesondere können nicht unabhängig von den Voraussetzungen des Art. 33 BayNatSchG Interessen des Nutzungsberechtigten in die Ermessenserwägungen eingestellt werden. Den Grundeigentümern wird durch das Betretungsrecht zugunsten von jedermann eine im Rahmen der Sozialbindung des Eigentums zulässige Duldungs- und Unterlassungspflicht auferlegt (BayVGH, B.v. 11.5.2017 a.a.O. – juris Rn. 11) – Art. 33 BayNatSchG regelt den damit verbundenen Interessenkonflikt im Hinblick auf die Errichtung von Sperren abschließend.
Die Ermessensentscheidung hinsichtlich der Beseitigung einer für Erholungsuchende nicht nur unbedeutenden bzw. großflächigen bereits dem Grunde nach unzulässigen Sperre muss sich auf Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes, insbesondere auf nach einer ordnungsgemäßen Anzeige getätigte erhebliche Investitionen (die zu einer angemessenen Auslauffrist führen können), Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkte in Fällen, in denen schon eine Teilbeseitigung, etwa die Herstellung weiterer Öffnungen in einem Zaun, die unzulässige Sperrwirkung entfallen lässt, und Gleichbehandlungsgesichtspunkte, die ein Vorgehen nur gegen einen Eigentümer im Hinblick auf im selben Bereich bestehende weitere (gewichtige) Sperren anderer Eigentümer im Ergebnis als willkürlich erscheinen lassen (BayVGH, B.v. 11.5.2017 a.a.O. – juris Rn. 14), beschränken.
Vertrauensschutzgesichtspunkte dürften vor dem Hintergrund, dass für das Vorhaben weder eine naturschutzrechtliche Anzeige erfolgt noch ein Bauantrag gestellt worden ist, voraussichtlich keine Rolle spielen.
Auch die vom Vertreter des Landratsamtes in der mündlichen Verhandlung angesprochene Situation einer Vielzahl weiterer Umzäunungen im Landkreisgebiet dürfte voraussichtlich nur eine beschränkte Ermessensrelevanz haben. Zum einen ist die Umzäunung einer Grünlandfläche im Bereich einer Waldlichtung im Hinblick auf die Erholungsfunktion nicht mit einer Einzäunung von Grünland abseits von Waldflächen vergleichbar. Zum anderen kommt den Naturschutzbehörden gerade vor dem Hintergrund, dass das Betretungsrecht aus Gründen des Rechtsfriedens nach Art. 27 Abs. 2 Satz 2 BayNatSchG nicht ausgeübt werden kann, soweit Grundeigentümer oder sonstige Berechtigte das Betreten ihres Grundstücks durch für die Allgemeinheit geltende, deutlich sichtbare Sperren untersagt haben, eine herausgehobene Funktion zur Gewährleistung des verfassungsrechtlich geschützten Betretungsrechts zu. Es würde eine nachhaltige Beeinträchtigung des Betretungsrechts eintreten, wenn die Behörde ein Einschreiten ohne gewichtige Gründe ablehnen könnte (vgl. BayVGH, U.v. 21.11.2013 -14 BV 13.487 – juris Rn. 53 unter Hinweis auf Rspr. des BayVerfGH). Eine Vielzahl unzulässiger Sperren wird daher in der Regel nicht dazu führen, dass von einer Beseitigungsanordnung abgesehen werden kann, sondern eine Beseitigung aller vergleichbaren Sperren nach Maßgabe eines entsprechenden Konzepts zu veranlassen ist.
Ein Absehen von einer Beseitigung aus Ermessensgründen dürfte damit im Falle der Unzulässigkeit der Umzäunung bereits dem Grunde nach allenfalls aus Verhältnismäßigkeitsgründen in Betracht kommen, insbesondere falls das Betretungsrecht durch eine Teilbeseitigung bzw. die ausreichende Errichtung von erkennbarer Durchgänge sichergestellt werden könnte, wobei die Anforderungen aufgrund der Größe der umzäunten Fläche relativ hoch sein dürften.
Sollten die Voraussetzungen für die Errichtung einer ganzjährigen Umzäunung dem Grunde nach dagegen vorliegen, wären Ermessenserwägungen lediglich im Hinblick auf die Sicherstellung des Betretungsrechts veranlasst. Insoweit käme mit Blick auf die psychologische Wirkung der Umzäunung insbesondere auch eine Beschilderung mit einem Hinweis auf den Zweck und das Bestehen von Durchgängen in Betracht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 3, § 162 Abs. 3 VwGO.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO.


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