Baurecht

Wirksamkeit einer Vorkaufsrechtsatzung

Aktenzeichen  2 N 18.1181

Datum:
3.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 41319
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 47 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Ein Verstoß gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz kann zur Ungültigkeit des Satzungsbeschlusses führen. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
2. Den Bestimmtheitsanforderungen des Rechtsstaatsprinzips ist genügt, wenn die Satzung eindeutig den räumlichen Geltungsbereich festlegt, etwa durch einen beigefügten Lageplan, in dem die erfassten Flächen farblich dargestellt sind, oder die Bezeichnung der Flurnummern des Satzungsgebiets. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine Vorkaufsrechtsatzung ist insbesondere zur Sicherung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung nötig. An das Sicherungsbedürfnis sind keine hohen Anforderungen zu stellen. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Anträge werden abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.      
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Antragstellerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.      
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Der Normenkontrollantrag der Antragstellerin nach § 47 Abs. 1 VwGO hat keinen Erfolg.
1. Soweit sich der Antrag gegen die Satzung der Antragsgegnerin vom 31. Mai 2017 richtet, ist dieser bereits unzulässig. Denn ein Normenkontrollantrag setzt eine in Kraft befindliche Vorschrift bei Antragstellung voraus (vgl. Eyermann/Hoppe, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 47 Rn. 12; NK-VwGO/Ziekow, 5. Aufl. 2018, § 47 Rn. 71). Die Vorkaufsrechtssatzung der Antragsgegnerin vom 31. Mai 2017 ist jedoch mit dem Inkrafttreten der Satzung vom 14. September 2017 nach dem Ex-posterior-Grundsatz außer Kraft getreten. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass vorliegend etwas anderes gelten sollte. Vielmehr hat der Gemeinderat der Antragsgegnerin in der Sitzung vom 14. September 2017 ausdrücklich beschlossen, dass mit der neuen Satzung gleichzeitig die alte Satzung außer Kraft treten soll. Die Antragstellerin hat ihren Normenkontrollantrag gegen beide Satzungen jedoch erst am 31. Mai 2018 gestellt. Zu diesem Zeitpunkt war aber die Satzung vom 31. Mai 2017 nicht mehr existent. Es fehlte somit ein taugliches Objekt für den Normenkontrollantrag insoweit.
2. Der zulässige Normenkontrollantrag der Antragstellerin gegen die Satzung vom 14. September 2017 ist nicht begründet. Die Antragsgegnerin kann ihre Vorkaufsrechtssatzung auf § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB stützen. Danach kann die Gemeinde in Gebieten, in denen sie städtebauliche Maßnahmen in Betracht zieht, zur Sicherung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung durch Satzung Flächen bezeichnen, an denen ihr ein Vorkaufsrecht an Grundstücken zusteht. Dies ist hier geschehen.
a) Soweit die Antragstellerin zunächst einen Verstoß gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz aus Art. 52 Abs. 2 Satz 1 GO rügt, führt dies nicht zum Erfolg. Zwar kann ein solcher Verstoß zur Ungültigkeit des Satzungsbeschlusses führen (vgl. BayVGH, U.v. 26.1.2009 – 2 N 08.124 – BayVBl 2009, 432; B.v. 29.1.2018 – 20 CS 17.1824 – BayVBl 2018, 818). Im vorliegenden Fall liegt aber ein derartiger Verstoß nicht vor. Die Gemeinderatssitzung am 14. September 2017, in der die Satzung beschlossen wurde, fand öffentlich statt. Soweit die Antragstellerin behauptet, dort habe keine erneute Beratschlagung stattgefunden, hindert dies die Rechtmäßigkeit des Beschlusses nicht. Eine Diskussion in öffentlicher Sitzung war jedenfalls möglich. Sowohl den Mitgliedern des Gemeinderats als auch der Öffentlichkeit war die Thematik der „Vorkaufsrechtssatzung für das Areal der ehemaligen Krankenanstalt Dr. M**“ hinreichend bekannt. Überdies weist die Antragstellerin selbst darauf hin, dass der Satzungstext der Fassung vom14. September 2017 vollständig dem Satzungstext der Fassung vom 31. Mai 2017 entspricht. Insoweit hat aber am 1. Juni 2017 eine öffentliche Sitzung des Gemeinderats stattgefunden, in der die Thematik ausführlich dargestellt und diskutiert wurde. Demnach hat auch nach dem Erlass der ersten Vorkaufsrechtssatzung vom 31. Mai 2017 eine öffentliche Behandlung der Problematik stattgefunden.
b) Die Antragstellerin macht geltend, die Vorkaufsrechtssatzung vom 14. September 2017 verstoße gegen das Bestimmtheitsgebot. Dem ist nicht zu folgen. Wie alle Satzungen muss auch die Vorkaufssatzung den Bestimmtheitsanforderungen des Rechtsstaatsprinzips genügen. Dazu gehört eine eindeutige Festlegung des räumlichen Geltungsbereichs. Die Satzung muss erkennen lassen, auf welche Flächen sie sich bezieht. Dies kann durch Verweis auf eine Karte, durch genaue textliche Umschreibung oder durch Aufzählung der betroffenen Parzellen unter Angabe ihrer Bezeichnung im Liegenschaftskataster geschehen (vgl. Ernst/Zinkahn/Bielenberg/ Krautzberger/Stock, BauGB, Stand: August 2020, § 25 Rn. 23; Paetow in Berliner Kommentar zum BauGB, Stand: September 2020, § 25 Rn. 8). Dies ist hier der Fall. Das Satzungsgebiet ist in § 1 der Satzung nach Flurnummern bezeichnet. Zudem ist der Satzung ein Lageplan beigefügt, in dem die erfassten Flächen rot dargestellt sind. Soweit die Antragsteller monieren, der Lageplan enthalte die Aussagen „zur Maßentnahme nur bedingt geeignet!“ und „nur für dienstliche Zwecke“, hindert dies nicht die Gültigkeit der Satzung. Denn hinsichtlich der umstrittenen Teilflächen der FlNr. … und … ergibt sich eine klare Abgrenzung durch den Verlauf des Staudenbachs. Dieser verläuft gemäß dem Lageplan im Norden des Plangebiets und lässt klar erkennen, dass die nördlich seines Verlaufs liegenden Teilflächen der Grundstücke FlNr. … und … nicht zum Geltungsbereich der Vorkaufsrechtssatzung gehören sollen. Diese Teilflächen sind ebenso wie der sie abgrenzende Bach in weiß dargestellt.
Hinsichtlich der erneuten Ausfertigung und Bekanntmachung der Satzung samt Lageplan am 18. November 2020 ergeben sich keine Bedenken. Soweit die Antragstellerin erklärt, dass damit die Begründung zur Satzung nicht mehr zutreffend sei, weil auf Seite 2 zur Bedarfssituation von einem Stand 14. September 2017 ausgegangen werde, greift dies nicht durch. Die Antragsgegnerin hat am 18. November 2020 vorsorglich lediglich einen Ausfertigungsmangel korrigieren wollen, den Satzungsbeschluss vom 14. September 2017 dagegen nicht angetastet. Inhaltlich hat sich damit am Satzungsbeschluss nichts geändert.
c) Soweit die Antragstellerin die Erforderlichkeit der Satzung im Sinn von § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB in Zweifel zieht, bestehen diese vorliegend nicht. Die Satzung ist insbesondere zur Sicherung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung nötig. An das Sicherungsbedürfnis sind keine hohen Anforderungen zu stellen. In Bebauungsplangebieten genügt ebenso wie in Maßnahmegebieten in der Regel die allgemeine Erfahrung, dass gemeindliche Maßnahmen leichter durchgeführt werden können, wenn die Gemeinde im Satzungsgebiet über ausreichend Grundstücke verfügt (vgl. VGH BW, U.v. 8.8.1990 – 3 S 132/90 – NVwZ 1991, 284; Ernst/Zinkahn/ Bielenberg/Krautzberger/Stock, BauGB, Stand: August 2020, § 25 Rn. 5).
Vorliegend bestehen keine Zweifel daran, dass die Antragsgegnerin zu sichernde städtebauliche Maßnahmen in Betracht zieht. Sowohl aus dem Satzungstext (§ 2 Abs. 1) als auch aus der Begründung zur Satzung ergibt sich hinreichend deutlich, dass die Antragsgegnerin die Schaffung von Gewerbeflächen sowie von Wohnflächen beabsichtigt. Darüber hinaus hat die Antragsgegnerin mit Beschluss vom 1. Juni 2017 das Bauleitplanverfahren zur Änderung des Flächennutzungsplans mit dem Planungsziel „gewerbliche Baufläche“ und „Wohnbaufläche“ eingeleitet. In der Sitzung des Gemeinderats am 1. Juni 2017 wurden die geplanten städtebaulichen Maßnahmen sowohl unter dem Tagesordnungspunkt „Änderung des Flächennutzungsplans“ als auch unter dem Tagesordnungspunkt „Erlass einer Vorkaufsrechtssatzung“ ausführlich erörtert. Soweit die Antragstellerin moniert, dass in der Begründung zur Vorkaufsrechtssatzung immer noch von einer Bedarfssituation mit dem Stand 14. September 2017 ausgegangen werde, hat sie nicht substantiiert dargelegt, dass sich diese Situation seitdem derart gravierend geändert hätte, dass die von der Antragsgegnerin in Betracht gezogenen städtebaulichen Maßnahmen in keiner Weise mehr gerechtfertigt wären.
Die Antragstellerin will das Sicherungsbedürfnis deshalb in Frage stellen, weil keine verkaufsbedingten Wertsteigerungen zu erwarten gewesen seien. Diese Argumentation greift hier nicht durch. Das angeführte Urteil des Senats vom 26. Januar 2009 (2 N 08.124) lässt sich mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichen. Denn dort befanden sich die überwiegend bewaldeten Grundstücke nicht nur im Außenbereich nach § 35 BauGB, sondern auch in der Schutzzone der Verordnung über den „Naturpark Fichtelgebirge“ vom 26. Juli 1990 (GVBl S. 309). Dass vorliegend sämtliche Grundstücke einer (weiteren) Bebauung in ähnlicher Weise grundsätzlich nicht zugänglich wären, kann im vorliegenden Verfahren nicht festgestellt werden. Zwar liegen die Grundstücke hier in einem Landschaftsschutzgebiet. Hierbei handelt es sich aber um eine alte Verordnung aus den 1950er Jahren, wonach praktisch die ganze Gemeinde im Landschaftsschutzgebiet liegt. Hiervon können jedoch regelmäßig Ausnahmen erteilt werden (vgl. BayVGH, U.v. 23.5.2019 – 2 N 17.1020; VerfGH, E.v. 13.5.2015 – Vf. 16-VII/14 – BayVBl 2015, 677).
Soweit die Antragstellerin geltend macht, die Gemeinde habe die Bauleitplanung immer in der Hand, ist dieses Argument nicht nachvollziehbar. Auch wenn die Gemeinde sowohl in der Bauleitplanung als auch im Baugenehmigungsverfahren über ihre Beteiligung die städtebauliche Entwicklung aktiv steuern kann, besteht trotzdem ein Sicherungsbedürfnis. Denn mit einer Vorkaufsrechtssatzung kann die Gemeinde im Satzungsgebiet langfristig über ausreichend Grundstücke verfügen, sodass die geplanten gemeindlichen Maßnahmen leichter durchgeführt werden können. Bei anderer Sichtweise würde sich nie ein Sicherungsbedürfnis für die Gemeinde ergeben, denn mit dem Argument der Antragstellerin ließe sich immer ausschließlich auf die Möglichkeit des bauleitplanerischen Zugriffs der Gemeinde verweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben (§ 132 Abs. 2 VwGO).


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