Baurecht

Wirksamkeit von Veränderungssperren

Aktenzeichen  1 N 247/19

Datum:
26.1.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Thüringer Oberverwaltungsgericht 1. Senat
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:OVGTH:2022:0126.1N247.19.00
Normen:
§ 47 Abs 1 Nr 1 VwGO
§ 47 Abs 2 S 1 VwGO
§ 14 BauGB
§ 16 BauGB
§ 16 Abs 1 BauGB
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Spruchkörper:
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Leitsatz

1. Bei der Verlängerung einer Veränderungssperre handelt es sich nicht um eine selbständige Veränderungssperre, sondern nur um die Verlängerung der Geltungsdauer der ursprünglichen Veränderungssperre (Anschluss an BVerwG, Urt. v. 19. Februar 2004 – 4 CN 16.03 -).(Rn.33)
2. Ein berechtigtes Feststellungsinteresse besteht auch nach dem Außerkrafttreten einer Veränderungssperre, wenn die angestrebte Feststellung präjudizierende Wirkung für in Aussicht genommene Entschädigungsansprüche haben kann und eine Entschädigungsklage ernsthaft beabsichtigt ist (st. Rspr.).(Rn.36)
3. Ein Mangel bei der Ausfertigung einer Veränderungssperre ist durch das erkennende Gericht von Amts wegen zu berücksichtigen.(Rn.40)
4. § 21 Abs. 1 Satz 1 1. Halbs. ThürKO (juris: KomO TH 2003) gebietet nicht die gesonderte Ausfertigung aller Bestandteile einer mehrteiligen Satzung; es ist ausreichend, aber auch erforderlich, dass durch eindeutige Angaben im Satzungstext oder auch auf andere Weise jeder Zweifel an der Zugehörigkeit eines Plans oder auch weiterer textlicher Festsetzungen zur Satzung ausgeschlossen wird (vgl. Senatsurteil v. 23. Januar 2014 – 1 N 664/09 – n.v.).(Rn.43)

Tenor

Die am 29. Mai 2020 und erneut am 28. August 2020 bekanntgemachte „Satzung über die Veränderungssperre für den Geltungsbereich des in Aufstellung befindlichen Bebauungsplans ´Tierhaltungsanlage und Wohngebiet Unteres Feld´ der Gemeinde Obermaßfeld-Grimmenthal, Mitgliedsgemeinde der VG Dolmar-Salzbrücke“ ist unwirksam.
Es wird festgestellt, dass die am 29. März 2018 und erneut am 31. August 2018 bekannt gemachte „Satzung der Gemeinde Obermaßfeld-Grimmenthal über die Veränderungssperre für den Geltungsbereich des in Aufstellung befindlichen Bebauungsplans für das Sondergebiet (SO) ´Unteres Feld SO Steuerung der Tierhaltungsanlagen´ der Gemeinde Obermaßfeld-Grimmenthal, Mitgliedsgemeinde der VG ´Dolmar-Salzbrücke´“ und die am 27. März 2020 bekanntgemachte „Satzung der Gemeinde Obermaßfeld-Grimmenthal über die Verlängerung der Geltungsdauer der Veränderungssperre für den Geltungsbereich des in Aufstellung befindlichen Bebauungsplanes ´Steuerung Tierhaltungsanlage und Wohngebiet Unteres Feld´ der Gemeinde Obermaßfeld-Grimmenthal, Mitgliedsgemeinde der VG ´Dolmar-Salzbrücke´“ unwirksam waren.
Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Antragsgegnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Antragstellerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Antragstellerin, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, wendet sich gegen von der Antragsgegnerin erlassene Veränderungssperren, die den Geltungsbereich ihres Bebauungsplans „Tierhaltungsanlage und Wohngebiet Unteres Feld“ Obermaßfeld betreffen.
Die Antragstellerin ist Eigentümerin der in O-G gelegenen Grundstücke Gemarkung Obermaßfeld, Flur 1, Flurstücke … a, … b, … c, … d, … … e, … … f, … … g, … h, … i, … j, … k, … l, … m und … n, auf denen sie eine Anlage zum Halten und zur Aufzucht von Sauen mit einer Kapazität von 1.769 Sauen, 200 Jungsauen- und 4 Eberplätzen betreibt.
Am 6. November 2017 beschloss der Gemeinderat der Antragsgegnerin (Beschluss Nr. 77/2017) in öffentlicher Sitzung die Aufstellung des Bebauungsplans „Unteres Feld SO Steuerung der Tierhaltungsanlagen“. Der Plan sollte sich über das landwirtschaftliche Unternehmen und die Gartengrundstücke sowie die Zufahrtstraße zum landwirtschaftlichen Unternehmen und die Wohnbebauung an der Zufahrtstraße erstrecken. Eine Eingrenzung des Gebiets ergebe sich aus der Karte, die Anhang des Beschlusses werde. Auf dieses Gebiet werde eine Veränderungssperre gelegt, die nach dem Aufstellungsbeschluss erstellt werde. In der Anlage zu dem Aufstellungsbeschluss (Aufstellungsvorgang, fortan AV, Bl. 2) sind verschiedene Flurstücke, darunter die der Antragstellerin gehörenden, aufgeführt. Am 24. November 2017 veröffentlichte die Antragsgegnerin den Beschluss im Amtsblatt der Verwaltungsgemeinschaft D-Sa (fortan: Amtsblatt) mit einem Geoproxy-Kartenauszug vom 2. November 2017.
In seiner Sitzung vom 11. Dezember 2017 beschloss der Gemeinderat die Satzung der Gemeinde O-G über die Veränderungssperre für den Geltungsbereich des in Aufstellung befindlichen Bebauungsplanes für das Sondergebiet (SO) „Unteres Feld SO Steuerung der Tierhaltungsanlagen“ der Gemeinde O-G, Mitgliedsgemeinde der VG „D-S“. Dem Beschluss waren als Anlage 1 eine Auflistung der betroffenen Grundstücke und als Anlage 2 ein Geoproxy-Kartenauszug vom 4. Dezember 2017 beigefügt. Außerdem enthält der Aufstellungsvorgang eine als Anlage bezeichnete zeichnerische Abgrenzung des Geltungsbereichs des Bebauungsplans „B-Plan ´Unteres Feld SO Steuerung der Tierhaltungsanlagen´ Gemeinde O, Planungsstand Februar 2018“ vom 13. Februar 2018 (AV, Bl. 10) und einen „Lageplanausdruck ohne Maßstab Verwaltungsgemeinschaft D-S – Kammler – 04“ (AV, Bl. 12). Der Bürgermeister der Antragsgegnerin fertigte den Satzungsbeschluss am 28. Februar 2018 aus. Im Amtsblatt vom 29. März 2018 wurde die Satzung nebst der Anlage 1 und einer Karte mit der zeichnerischen Abgrenzung des Geltungsbereichs des Bebauungsplans für das Sondergebiet (SO) “Unteres Feld Steuerung der Tierhaltungsanlagen“; Planungsstand Februar 2018, veröffentlicht. Die im Amtsblatt veröffentlichte Karte ist handschriftlich mit „Anlage 4“ überschrieben. Die Satzung über die Veränderungssperre einschließlich der beiden Anlagen wurde erneut (diesmal ohne Datum) im Amtsblatt vom 31. August 2018 veröffentlicht. Die stark verkleinert abgedruckte Karte ist wiederum handschriftlich mit „Anlage 4“ überschrieben.
Am 4. März 2019 fasste der Gemeinderat der Antragsgegnerin den Aufstellungsbeschluss für einen Flächennutzungsplan (Beschluss Nr. 26/2019), billigte unter dem 1. April 2019 den Vorentwurf des Bebauungsplans „Unteres Feld SO Steuerung der Tierhaltungsanlagen“ und beschloss die Auslegung des Plans (Beschluss Nr. 31/2019). Der Beschluss wurde im Titel handschriftlich durch „u. Wohngebiet unteres Feld“ ergänzt. Mit einem weiteren Beschluss vom 25. April 2019 (Nr. 33/2019) wurde der bisherige Titel des Bebauungsplans in „Steuerung Tierhaltungsanlage und Wohngebiet `Unteres Feld`“ geändert. Die Beschlüsse wurden im Amtsblatt vom 31. Mai 2019 veröffentlicht.
In seiner Sitzung vom 2. Dezember 2019 beschloss der Gemeinderat der Antragsgegnerin (Beschluss Nr. 103/2019) die Satzung der Gemeinde O-G über die Verlängerung der Geltungsdauer der Veränderungssperre für den Geltungsbereich des in Aufstellung befindlichen Bebauungsplanes „Steuerung Tierhaltungsanlage und Wohngebiet Unteres Feld der Gemeinde O-G, Mitgliedsgemeinde der VG ‘Dolmar-Salzbrücke’“. Nach ihrem § 2 Abs. 1 sollte die Satzung am Tage nach ihrer Bekanntmachung in Kraft treten und außer Kraft treten, sobald und soweit der Bebauungsplan für das von der Veränderungssperre betroffene Gebiet rechtskräftig ist, spätestens jedoch ein Jahr nach ihrem Inkrafttreten. Der Bürgermeister der Antragsgegnerin fertigte die Satzung am 27. Februar 2020 aus. Sie wurde am 27. März 2020 im Amtsblatt veröffentlicht.
Am 4. Mai 2020 fasste der Gemeinderat der Antragsgegnerin einen Aufstellungsbeschluss Bebauungsplan „Tierhaltungsanlage und Wohngebiet Unteres Feld“ der Gemeinde O-G (Beschluss Nr. 23/2020) und eine Satzung der Gemeinde O-G über die Veränderungssperre für den Geltungsbereich des in Aufstellung befindlichen Bebauungsplans „Tierhaltungsanlage und Wohngebiet Unteres Feld“ der Gemeinde O-G, Mitgliedsgemeinde der VG „D-S“ (Beschluss Nr. 24/2020). Die Veränderungssperre wurde ohne Ausfertigungsvermerk am 29. Mai 2020 im Amtsblatt veröffentlicht, am 17. August 2020 durch den Bürgermeister der Antragsgegnerin ausgefertigt und dann erneut am 28. August 2020 im Amtsblatt veröffentlicht. Sie sollte am Tag nach ihrer Bekanntmachung in Kraft treten und außer Kraft treten, sobald und soweit der Bebauungsplan für das von der Veränderungssperre betroffene Gebiet rechtskräftig ist, spätestens jedoch zwei Jahre nach ihrem Inkrafttreten (§ 2 Abs. 1 der Satzung).
Bereits mit Schreiben vom 22. März 2019 hat die Antragstellerin beim Thüringer Oberverwaltungsgericht den vorliegenden Normenkontrollantrag gestellt.
Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vorgetragen, dass sie als Eigentümerin der durch die Veränderungssperren und deren Verlängerung betroffenen Grundstücke antragsbefugt sei. Zudem sei ein von ihr gestellter Bauantrag im Hinblick auf die Veränderungssperre abgelehnt worden. Die von der Antragsgegnerin erlassene und am 29. März 2018 und erneut am 31. August 2018 bekanntgemachte Veränderungssperre sei hinsichtlich ihres räumlichen Geltungsbereichs nicht hinreichend bestimmt. Zudem sei der Inhalt des künftigen Bebauungsplans im Zeitpunkt des Erlasses der Veränderungssperre noch in keiner Weise absehbar gewesen. Die Zielvorstellungen beschränkten sich auf eine lose Aufzählung allgemeiner Planungsschritte, -ziele und -schlagworte. Es fehle an Mindestvorstellungen der Antragsgegnerin über die Art der beabsichtigten baulichen Nutzung. Eine Konkretisierung des künftigen Inhalts des Bebauungsplans sei auch nicht im Rahmen des Erlasses der Veränderungssperre erfolgt. Außerdem liege eine unzulässige Verhinderungsplanung vor.
Mit Schreiben vom 9. Oktober 2020 erweiterte die Antragstellerin ihren Normenkontrollantrag auf die von der Antragsgegnerin zwischenzeitlich beschlossene Verlängerung der ursprünglich erlassenen Veränderungssperre und auf die am 29. Mai 2020 und am 28. August 2020 bekanntgemachte Veränderungssperre.
Die Erweiterung des Normenkontrollantrags im Wege der nachträglichen kumulativen Klagehäufung sei zulässig. Auch hinsichtlich dieser Satzungen sei sie antragsbefugt.
Die Verlängerung der ursprünglichen Veränderungssperre sei inhaltlich nicht hinreichend bestimmt. Die Grenzen ihres Geltungsbereichs ließen sich nicht mit Bestimmtheit ermitteln. Die beigefügte Karte und die Flurstücksliste seien nicht eindeutig zuzuordnen. Jedenfalls sei die veröffentlichte Karte nicht hinreichend bestimmt, aus ihr lasse sich nicht entnehmen, welche Flurstücke im Geltungsbereich der Veränderungssperre lägen. Die Flurstücksnummern und die textlichen Festsetzungen seien nicht lesbar. Die Grenze des Plangebiets werde nur mit einer gestrichelten Linie umrissen, wobei zumindest an den Ecken die Grenze nicht erkennbar sei. Außerdem sei die Karte mit einem unzutreffenden Maßstab gekennzeichnet und kleiner als im Original veröffentlicht worden. Es fehle aber auch an einem wirksam bekannt gemachten Planaufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan, weil sich der mitveröffentlichten Karte das Plangebiet nicht eindeutig entnehmen lasse.
Auch die Grenzen des räumlichen Geltungsbereichs der am 29. Mai 2020 und am 28. August 2020 bekannt gemachten Veränderungssperre ließen sich nicht bestimmt genug ermitteln, die Karte sei mit einem unzutreffenden Maßstab gekennzeichnet. Um den Geltungsbereich einer Veränderungssperre mit der gebotenen Parzellenschärfe zu bestimmen, sei die gewählte Art der Darstellung jedenfalls ungeeignet. Einige Flurstücksnummern seien nicht lesbar und die Grenzen der Flurstücke teilweise nicht oder nur schemenhaft erkennbar. Soweit Grundstücke nur teilweise im Geltungsbereich lägen, ergebe sich aus der Kartendarstellung nicht, inwieweit sie von der Veränderungssperre betroffen würden. Auch durch die Auslegung der Karten in den Diensträumen der Verwaltungsgemeinschaft seien die Fehler nicht geheilt worden. Die Veränderungssperre sei auch aus materiellen Gründen unwirksam, weil der Aufstellungsbeschluss zum Bebauungsplan nicht wirksam bekannt gemacht worden sei. Darüber hinaus ergebe sich daraus nicht, in welche Richtung die Planung der Antragsgegnerin gehe. Der Aufstellungsbeschluss enthalte keinen Hinweis zum Inhalt des künftigen Bebauungsplans. Es sei auch nicht ausreichend, dass die Satzung hinsichtlich der Ziele der Veränderungssperre allein auf die allgemeinen Aufgaben bzw. Grundsätze der Bauleitplanung in § 1 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 6 Nr. 1 BauGB Bezug nehme.
Die Antragstellerin beantragt,
1. festzustellen, dass die am 29. März 2018 bekannt gemachte Veränderungssperre der Antragsgegnerin für den Geltungsbereich des in Aufstellung befindlichen Bebauungsplans für das Sondergebiet (SO) „Unteres Feld SO Steuerung der Tierhaltungsanlagen“ unwirksam war;
2. festzustellen, dass die am 27. März 2020 bekanntgemachte Satzung über die Verlängerung der Geltungsdauer der Veränderungssperre für den Geltungsbereich des in Aufstellung befindlichen Bebauungsplans „Steuerung Tierhaltungsanlage und Wohngebiet Unteres Feld“ unwirksam war;
3. die am 29. Mai 2020 und erneut am 28. August 2020 bekanntgemachte Satzung über eine Veränderungssperre für den Geltungsbereich des in Aufstellung befindlichen Bebauungsplans „Tierhaltungsanlage und Wohngebiet Unteres Feld“ für unwirksam zu erklären.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Anträge abzulehnen.
Sie biete Zeugenbeweis für die Tatsache an, dass den Gemeinderäten bei Aufstellung des Bebauungsplans am 6. November 2017 u. a. die veröffentlichte Karte vorgelegen habe.
Der Geltungsbereich des Aufstellungsbeschlusses und der Veränderungssperre vom 2. Dezember 2019 sei hinreichend bestimmt und die Bekanntmachung ordnungsgemäß erfolgt. Es sei eindeutig erkennbar, dass die Liste der Grundstücke und die Karte als Anlagen zu dieser Satzung veröffentlicht werden sollten. Die Bestimmtheit ergebe sich daraus, dass sie, die Antragsgegnerin, bezüglich der Veränderungssperre eine Kombination aus einer zeichnerischen Darstellung und einer textlichen Darstellung durch Bezeichnung der betroffenen Flurstücksnummern gewählt habe. Die veröffentlichte Karte sei eindeutig zuzuordnen. Es komme nicht darauf an, dass der Abdruck der Karte im Amtsblatt nicht maßstabsgerecht sei. Entscheidend sei, dass der Veränderungssperre selbst eine Karte im Maßstab 1 : 2.000 beigelegen habe.
Weder die ThürBekVO noch das Baugesetzbuch schrieben vor, in welcher Reihenfolge der Text und die Anlagen bekanntzugeben seien.
Der künftige Inhalt des Bebauungsplans sei im Zeitpunkt des Erlasses der Veränderungssperre hinreichend konkretisiert und absehbar gewesen. Die Planungen hätten sich im Laufe des Jahres 2019 konkretisiert. Es liege keine Verhinderungsplanung vor. Dagegen spreche die Größe des Plangebiets, das sich weit über die Grundstücke der Antragstellerin hinaus erstrecke.
Den Gemeinderäten hätten bei Erlass des Aufstellungsbeschlusses Nr. 23/2020 sowohl die der Veröffentlichung beigefügte Karte als auch die Liste der Grundstücke und eine Begründung des Bebauungsplanentwurfs vorgelegen. Darauf, mit welchem Maßstab die Karte veröffentlicht worden sei, komme es nicht an.
Mit Bescheid vom 13. März 2018 hatte das Thüringer Landesverwaltungsamt festgestellt, dass die von der Antragstellerin beabsichtigte Errichtung von zwei Getreidelagersilos, eines zusätzlichen Polyestersilos und einer Betriebsleiterwohnung mit Garage keiner Genehmigung nach § 16 BImSchG bedürfe (Gerichtsakte – fortan GA -, Bl. 121 ff.). Am 15. Juni 2018 beantragte die Antragstellerin beim Landratsamt Schmalkalden-Meiningen eine entsprechende Baugenehmigung, die das Landratsamt am 16. Oktober 2018 ablehnte (GA, Bl. 157 ff.). Der dagegen erhobene Widerspruch (GA, Bl. 163) wurde mit Bescheid vom 15. September 2020 zurückgewiesen (GA, S. 303). Über die dagegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Meiningen ersichtlich bisher nicht entschieden.
Am 22. August 2019 beschloss der Gemeinderat (Beschluss-Nr. 67/2019) dem von der Antragstellerin geplanten Ersatzneubau von zwei Güllebehältern unter Bedingungen zuzustimmen. Unter demselben Datum erteilte der Bürgermeister dem Vorhaben das gemeindliche Einvernehmen.
Der Senat hat auf den Antrag der Antragstellerin die Satzung der Gemeinde Obermaßfeld-Grimmenthal über die Veränderungssperre für den Geltungsbereich des in Aufstellung befindlichen Bebauungsplanes für das Sondergebiet (SO) “Unteres Feld SO Steuerung der Tierhaltungsanlagen“ der Gemeinde O-G, Mitgliedsgemeinde der VG „D-S“ mit Beschluss vom 12. März 2020 – 1 EN 862/19 – vorläufig außer Vollzug gesetzt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird verwiesen auf die Gerichtsakte (drei Bände), die Gerichtsakte des abgeschlossenen Eilverfahrens 1 EN 862/19 (ein Band) und den vorgelegten Aufstellungsvorgang der Antragsgegnerin (zwei Ordner und zwei Heftungen – davon eine Heftung zum Eilverfahren – und ein Bebauungsplanentwurf als Teil der Beiakte 4), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe

Der Normenkontrollantrag hat Erfolg.
I.
Die gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO statthaften Anträge sind zulässig.
Als Eigentümerin mehrerer Grundstücke im Geltungsbereich der angegriffenen Veränderungssperren ist die Antragstellerin antragsbefugt nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Außerdem kann sie geltend machen, durch die Ablehnung ihres Bauantrags aufgrund der entgegenstehenden Veränderungssperren möglicherweise in ihrem Recht auf Durchführung des geplanten Vorhabens verletzt zu sein.
Die Anträge sind fristgerecht innerhalb der Jahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO gestellt worden.
Die Erweiterung des ursprünglich gestellten Antrags gegen die am 29. März 2018 bekannt gemachte Veränderungssperre auf die am 27. März 2020 veröffentlichte Satzung über die Verlängerung dieser Veränderungssperre ist zulässig. Die Antragsgegnerin hat von der Möglichkeit des § 17 Abs. 1 Satz 3 BauGB Gebrauch gemacht und hat die Geltungsdauer der Veränderungssperre um ein weiteres Jahr verlängert. Diese Verlängerung erfolgt zwar nach den Regeln des § 16 BauGB in der Form einer Satzung. Es handelt sich jedoch bei ihr nicht um eine selbständige Veränderungssperre, sondern nur um die Verlängerung der Geltungsdauer der ursprünglichen Veränderungssperre, die als Gegenstand des Normenkontrollverfahrens erhalten bleibt (vgl. BVerwG, Urt. v. 19. Februar 2004 – 4 CN 16/03 -, juris, Rn. 16).
Soweit die Antragstellerin ihren Antrag nunmehr auch auf die am 29. Mai 2020 und nochmals am 28. August 2020 bekanntgemachte (neue) Veränderungssperre erstreckt, ist die Antragsänderung als Erweiterung im Sinne von § 91 Abs. 1 2. Alt. VwGO zulässig, denn sie erweist sich als sachdienlich. Der verfahrensrechtliche Begriff der Sachdienlichkeit wird weitgehend von prozessökonomischen Erwägungen bestimmt. Als sachdienlich ist eine Antragsänderung in der Regel anzusehen, wenn sie der endgültigen Ausräumung des sachlichen Streitstoffs zwischen den Parteien im laufenden Verfahren zu dienen geeignet ist, deshalb einen weiteren Rechtsstreit überflüssig macht und der Streitstoff im Wesentlichen derselbe bleibt (vgl. BVerwG, Urt. v. 22. Februar 1980 – IV C 61.77 – juris, Rn. 23 = DVBl. 1980, 598). Diese Voraussetzungen liegen vor. Da die Normenkontrollen jeweils die Gültigkeit einer Veränderungssperre bezogen auf den in Aufstellung befindlichen Bebauungsplan „Tierhaltungsanlage und Wohngebiet Unteres Feld“ betreffen, bleibt der Streitstoff im Wesentlichen derselbe und die Antragsänderung fördert die endgültige Beilegung des Streits.
Der Antragstellerin steht auch ein hinreichendes Rechtsschutzbedürfnis für die begehrte Feststellung der Unwirksamkeit der angegriffenen Normen zu. Sie muss sich nicht auf die Möglichkeit einer Ausnahme von der Veränderungssperre nach § 14 Abs. 2 BauGB verweisen lassen, denn die Antragsgegnerin hat dem am 15. Juni 2018 beantragten Bauvorhaben das Einvernehmen versagt und die Baugenehmigungsbehörde und die Widerspruchsbehörde haben es abgelehnt, das Einvernehmen zu ersetzen. Da das Verwaltungsgericht Meiningen über das dort anhängige Klageverfahren noch nicht entschieden hat, liegt auch keine Entscheidung eines Kollegialgerichts über die Wirksamkeit der angegriffenen Veränderungssperren vor.
Ein schutzwürdiges Interesse der Antragstellerin steht auch nicht insoweit in Frage, als die ursprünglich angegriffene Veränderungssperre und die vom Gemeinderat als Satzung beschlossene und am 27. März 2020 bekanntgemachte Verlängerung der Geltungsdauer um ein Jahr inzwischen außer Kraft getreten sind. Da § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO von dem Regelfall der noch geltenden Rechtsvorschrift ausgeht, kommt für eine bereits außer Kraft getretene Rechtsvorschrift eine im Sinne dieser Vorschrift anerkennenswerte Beschwer nur dann in Betracht, wenn die aufgehobene Rechtsvorschrift noch Rechtswirkungen zu äußern vermag, weil entweder in der Vergangenheit liegende Sachverhalte noch danach zu entscheiden sind oder aber der Antragsteller weiterhin geltend machen kann, durch die Rechtsvorschrift in seinen Rechten verletzt zu werden (BVerwG, Beschl. v. 14. Juli 1978 – 7 N 1.78 -, juris, Rn. 12, vgl. auch ThürOVG, Urt. v. 22. September 2016 – 3 N 182/16 -, juris, Rn. 37). In der Rechtsprechung ist geklärt, dass ein berechtigtes Feststellungsinteresse nach dem Außerkrafttreten einer Veränderungssperre jedenfalls fortbesteht, wenn die angestrebte Feststellung präjudizierende Wirkung für in Aussicht genommene Entschädigungsansprüche haben kann und eine Entschädigungsklage ernsthaft beabsichtigt ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19. Februar 2004 – 7 CN 1.03 -, juris, Rn. 14 und Beschl. v. 26. Mai 2005 – 4 BN 22.05 -, juris, Rn. 5; OVG Lüneburg, Urt. v. 28. Januar 2010 – 12 KN 65/07 -, juris, Rn. 29; OVG NRW, Urt. v. 24. Januar 2005 – 10 D 144/02 -, juris, Ls 2 und Rn. 27 f.) oder ein Fall der Wiederholungsgefahr vorliegt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 26. Mai 2005 – 4 BN 22.05 – juris = BauR 2005, 1761; Beschl. v. 2. September 1983 – 4 N 1.83 – BVerwGE 68, 12; BayVGH, Urt. v. 21. Dezember 2012 – 2 N 10.230 – juris, dort Rn. 22; OVG Berlin-Bbg., Urt. v. 2. Mai 2013 – 2 A 10.12 – juris, dort Rn. 17).
Es ist nicht offensichtlich ausgeschlossen, dass die Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin, die Baugenehmigungsbehörde oder die Widerspruchsbehörde einen Amtshaftungsanspruch wegen der auf die ursprünglich erlassene Veränderungssperre gestützten Versagung der Baugenehmigung geltend machen könnte (vgl. BGH, Urt. v. 25. Oktober 2012 – III ZR 29/12 – NVwZ 2013, 167; Urt. v. 16. September 2010 – III ZR 29.10 – NVwZ 2011, 249). Nachdem die Baugenehmigungsbehörde die Ablehnung des Bauantrags der Antragstellerin auf die ursprünglich erlassene Veränderungssperre gestützt und die negative Beurteilung des Bauantrags der Antragstellerin wegen der Verlängerung der Veränderungssperre aufrechterhalten hat, kann die begehrte Feststellung der Unwirksamkeit dieser Normen präjudizierende Wirkung für die Frage der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit eines auf diese Normen gestützten behördlichen Verhaltens und damit für in Aussicht genommene Entschädigungs- oder Schadensersatzansprüche haben. Es gibt auch keinen Anhaltspunkt dafür, dass das berechtigte Interesse an der beantragten Feststellung deshalb nicht bestehen könnte, weil die begehrte Feststellung der Vorbereitung einer Klage dient, die offensichtlich aussichtslos ist. Dass die Geltendmachung von Schadensersatz- bzw. Entschädigungsansprüchen in Gestalt eines etwaigen Verzögerungsschadens von vornherein aussichtslos bleiben wird und deshalb das berechtigte Feststellungsinteresse nicht tragen könnte, lässt sich im vorliegenden Verfahren nicht ohne nähere Prüfung feststellen. Die Baugenehmigungsbehörde hat den Bauantrag der Antragstellerin wegen der entgegenstehenden gemeindlichen Satzung abgelehnt. Insoweit steht ihr grundsätzlich auch keine Kompetenz zur Verwerfung einer von ihr als unwirksam erkannten baurechtlichen Satzung zu. Stattdessen hat sie, wenn sie die Unwirksamkeit der Satzung erkennt, die Gemeinde und die Kommunalaufsicht von ihren Bedenken zu unterrichten (vgl. BGH, Urt. v. 25. Oktober 2012, a. a. O.). Neben den Amtshaftungsanspruch können außerdem grundsätzlich verschuldensunabhängige Entschädigungsansprüche aus enteignungsgleichem Eingriff treten (vgl. BGH, Urt. v. 2. April 1998 – III ZR 111/97 – NVwZ 1998, 878; VGH Ba.-Wü, Urt. v. 3. August 1998 – 3 S 990.98 – juris, Rn. 25 m. w. N.). Ein solcher Anspruch setzt voraus, dass rechtswidrig in eine durch Art. 14 GG geschützte Rechtsposition von hoher Hand unmittelbar eingegriffen wird, und dem Berechtigten dadurch ein besonderes, anderen nicht zugemutetes Opfer für die Allgemeinheit auferlegt wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 21. Dezember 2010 – 7 C 23.09 – NVwZ 2011, 618). Eine detailliertere Prüfung möglicher Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüche ist an dieser Stelle nicht angezeigt. Insbesondere muss hier nicht entschieden werden, ob ein solcher Anspruch gegebenenfalls gegen die Antragsgegnerin, die Baugenehmigungsbehörde oder den Freistaat Thüringen zu richten wäre.
II.
Die Anträge sind auch begründet.
1. Die am 11. Dezember 2017 vom Gemeinderat der Antragsgegnerin beschlossene und am 29. März 2018 bekannt gemachte Veränderungssperre und die dazu am 2. Dezember 2019 beschlossene und am 27. März 2020 bekanntgemachte Satzung über die Verlängerung der Geltungsdauer der Veränderungssperre sowie die vom Gemeinderat am 4. Mai 2020 beschlossene und am 29. Mai 2020 sowie am 28. August 2020 bekanntgemachte Veränderungssperre erweisen sich bereits aus formellen Gründen als unwirksam.
Die angegriffenen Veränderungssperren leiden sämtlich an einem – von Amts wegen zu berücksichtigenden (vgl. zum Bebauungsplan: Senatsurt. v. 21. September 2011 – 1 N 750/06 – juris, dort Rn. 45 und v. 9. Januar 2013 – 1 N 664/09 -) – Ausfertigungsmangel.
Veränderungssperren sind als gemeindliche Satzungen (§ 16 Abs. 1 BauGB) gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 ThürKO auszufertigen, bevor sie gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2, 2. HS i. V. m. § 10 Abs. 3 BauGB in Kraft gesetzt werden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 9. Mai 1996 – 4 B 60.96 – und dem folgend Senatsurt. v. 21. September 2011, a. a. O., Rn. 46). Die Erforderlichkeit der Ausfertigung ergibt sich bundesrechtlich aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG), denn es gehört zu den grundlegenden Geboten des Rechtsstaats und der Rechtsstaatlichkeit, dass die auszufertigende Norm nicht mit einem anderen als dem vom Normgeber gewollten Inhalt erlassen wird (BVerwG, Beschl. v. 16. Mai 1991 – 4 NB 26.90 -, BRS 52 Nr. 32). Dementsprechend wird mit der Ausfertigung bezeugt, dass der textliche und gegebenenfalls zeichnerische Inhalt der Urkunde mit dem Willen des Normsetzungsberechtigten übereinstimmt und die für die Rechtswirksamkeit maßgebenden Umstände beachtet wurden und sie macht zudem den Willen des Normgebers nach außen wahrnehmbar (Senatsurt. vom 21. September 2011, a. a. O., m. w. N.). Zu diesem Zweck hat der (hier nach §§ 29 Abs. 1, 31, 32 ThürKO zuständige) Bürgermeister, der insoweit den Stadtratsbeschluss vollzieht, den beschlossenen Normtext unter Angabe des Datums handschriftlich zu unterzeichnen (ThürOVG, Urt. v. 22. September 2008 – 3 KO 1011/05 – und dem folgend Senatsurt. v. 21. September 2011, a. a. O.).
Der Bürgermeister hat die hier angegriffenen mehrteiligen Satzungen durch seine Unterschrift unter dem eigentlichen Satzungstext nicht ordnungsgemäß ausgefertigt. Es fehlt an der erforderlichen ausreichenden inhaltlichen Verknüpfung des mit dem Ausfertigungsvermerk versehenen Satzungstextes mit den Anlagen. Aus der bloßen Unterschrift auf dem Satzungstext lässt sich nicht hinreichend sicher darauf schließen, dass dieser Text mit dem vom Gemeinderat beschlossenen Normtext übereinstimmt und der Bürgermeister dies nach außen wahrnehmbar bezeugen will.
Das BauGB trifft über die Ausfertigung keine nähere Bestimmung, sondern überlässt die Regelung dem Landesrecht (BVerwG, Beschl. v. 16. Mai 1991, a. a. O.). Insoweit setzt das Rechtsstaatsprinzip aber einen Rahmen. Das Bundesverwaltungsgericht hat zum Bebauungsplan (a. a. O.) ausgesprochen, dass eine gesonderte Ausfertigung aller seiner Bestandteile bundesrechtlich nicht geboten ist, wenn die Identität des vom Normgeber gewollten und des verkündeten Inhalts anderweitig hinreichend gewährleistet ist. Diesem rechtlichen Ansatz folgt der Senat auch für die Auslegung von § 21 Abs. 1 Satz 1 1. Halbs. ThürKO, der nur bestimmt, dass Satzungen auszufertigen sind. Diese landesrechtliche Bestimmung gebietet nicht die gesonderte Ausfertigung aller Bestandteile einer mehrteiligen Satzung. Es wäre überspitzt, für eine aus dem Satzungstext und einer hiervon getrennten zeichnerischen Darstellung bestehende Satzung eine gesonderte Ausfertigung jedes einzelnen Bestandteils zu verlangen. Allerdings muss die Ausfertigung hinreichend gewährleisten, dass der authentische, vom Normgeber gewollte Inhalt der Satzung festgestellt wird: Danach ist es ausreichend, aber auch erforderlich (vgl. für das jeweilige Landesrecht: VGH Ba.-Wü., Urt. v. 8. Mai 1990 – 5 S 3064/88 -, NVwZ-RR 1991, 20 und Nds. OVG, Urt. v. 14. Juli 1993 – 1 L 6230/92 – zit. n. juris, dort Rn. 23), wenn durch eindeutige Angaben im Satzungstext oder auch auf andere Weise jeder Zweifel an der Zugehörigkeit eines Plans oder auch weiterer textlicher Festsetzungen zur Satzung ausgeschlossen wird (vgl. Senatsurteil v. 23. Januar 2014 – 1 N 664/09 -, Urteilsabdruck, Seite 5 ff.).
Diesen Anforderungen genügen die Ausfertigungen der angegriffenen Veränderungssperren hier nicht.
a. Der Bürgermeister hat die am 6. November 2017 beschlossene Satzung am 28. Februar 2018 ausgefertigt. Zwar nimmt der Satzungstext u. a. Bezug auf die Anlagen „2. Zeichnerische Abgrenzung des Geltungsbereichs des Bebauungsplans für das Sondergebiet (SO) ´Unteres Feld SO Steuerung der Tierhaltungsanlagen´, Gemarkung Obermaßfeld, Mitgliedsgemeinde der VG ´D-S´ gemäß Aufstellungsbeschluss vom 06.11.2017“, eine entsprechende Karte war aber nicht mit dem Satzungsbeschluss verbunden. Die drei beigehefteten Karten „B-Plan ´Unteres Feld SO Steuerung der Tierhaltungsanlagen´ Gemeinde O“ gibt den Planungsstand vom Februar 2018 wieder, die weitere, mit Anlage 2 bezeichnete Karte, hat den Planungsstand vom 4. Dezember 2017 und die dritte Karte trägt die Überschrift „Lageplanausdruck ohne Maßstab Verwaltungsgemeinschaft D-S – Kammler – 04“. Keiner dieser Karten lässt sich entnehmen, dass es sich bei ihnen tatsächlich um die dem Gemeinderat vorgelegten und von ihm zum Bestandteil seines Beschlusses gemachten Karten handelt, so dass auch inhaltlich keine Verbindung zu dem durch Ausfertigungsvermerk gekennzeichneten Plan herzustellen ist. Auch wenn es nicht erforderlich ist, dass der Originaltext der Satzung und die Karte äußerlich etwa durch Heftung oder – vergleichbar einer notariellen Urkunde – durch eine Schnur zusammengehalten werden, bedarf es doch zumindest einer “Art gedanklicher Schnur” (vgl. VGH Ba.- Wü., Urt. v . 8. Mai 1990, a. a. O. und Senatsurt. v. 23. Januar 2014), die sich eindeutig und zweifelsfrei aus einer Bezugnahme der verschiedenen Planteile aufeinander ergeben, so dass sie hinreichend Gewähr dafür bieten kann, dass jeder einzelne Teil der mehrteiligen Satzung der bezeugten Beschlussfassung des normsetzenden Organs zugrunde gelegen hat. Daran fehlt es hier.
Dieser Mangel ist auch beachtlich, denn die Satzungserhaltungsvorschrift des § 21 Abs. 4 ThürKO erfasst Mängel der ordnungsgemäßen Ausfertigung nicht (vgl. § 21 Abs. 4 Satz 2 ThürKO). Die Planerhaltungsvorschrift des § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BauGB findet ebenfalls keine Anwendung. Sie bezieht sich nach ihrem klaren Wortlaut ausschließlich auf Verfahrens- und Formverstöße nach dem Baugesetzbuch, nicht dagegen auf landes- bzw. gemeinderechtliche Formvorschriften (BVerwG, Beschl. v. 5. Oktober 2001 – 4 BN 49.01 – BRS 64 Nr. 43 und Senatsurt. v. 21. September 2011, a. a. O., Rn. 45 m. w. N.).
b. Leidet demnach die ursprünglich erlassene Veränderungssperre an einem Rechtsfehler, der zu ihrer Unwirksamkeit führt, ist auch die Verlängerungssatzung unwirksam, denn die ursprüngliche Veränderungssperre und ihre Verlängerung sind materiell als Einheit anzusehen, weil die Verlängerungssatzung ohne die ursprüngliche Veränderungssperre nicht lebensfähig wäre (vgl. BVerwG, Urt. v. 19. Februar 2004 – 4 CN 16/03 -, juris, Rn. 16 und auch OVG Berlin, Beschl. v. 24. September 2001 – 2 A 1/01 – NVwZ-RR 2002, 394).
c. Auch die Ausfertigung der am 4. Mai 2020 beschlossenen Veränderungssperre genügt nach dem oben Ausgeführten nicht den an sie zu stellenden Anforderungen. Dem Gemeinderatsbeschluss war eine Anlage 2 (Räumliche Abgrenzung) mit dem Planungsstand 03/2019 beigefügt (AV, Blatt 220). Der Bürgermeister hat die Satzung am 17. August 2020 ausgefertigt. Sie nimmt in ihrem Text Bezug auf zwei Anlagen (1. Auflistung der betroffenen Flurstücke und 2. Zeichnerische Abgrenzung des Geltungsbereichs des Bebauungsplans „Tierhaltungsanlage und Wohngebiet Unteres Feld“, Gemarkung Obermaßfeld, Mitgliedsgemeinde der VG „Dolmar-Salzbrücke“ gemäß Aufstellungsbeschluss des Gemeinderats vom 4. Mai 2020), der Ausfertigungsurkunde war aber weder eine Auflistung der betroffenen Flurstücke noch eine zeichnerische Darstellung beigefügt. Aus der Unterschrift auf dem Satzungstext allein lässt sich jedoch nicht hinreichend sicher darauf schließen, dass dieser Text mit dem vom Gemeinderat beschlossenen Norminhalt übereinstimmt und der Bürgermeister dies nach außen wahrnehmbar durch seine Unterschrift auch so bezeugen wollte, zumal die später veröffentlichte Planzeichnung nach den äußeren Umrissen nicht dem dem Gemeinderatsbeschluss beigefügten Beschluss mit dem Planungsstand 03/2019, sondern eher dem Vorentwurf des Bebauungsplans vom 9. Juni 2020 (AV, Bl. 272) entsprach.
2. Fehlt es somit an einer Ausfertigung, können die angegriffenen Veränderungssperren schon deswegen nicht nach § 10 Abs. 3 BauGB ordnungsgemäß bekanntgemacht worden sein.
a. Die Bekanntmachung der ursprünglichen Veränderungssperre vom 11. Dezember 2017 erweist sich aber auch deswegen als fehlerhaft, weil es an einem wirksamen Beschluss über die Aufstellung des Bebauungsplans fehlt.
Rechtsgrundlage für den Erlass einer Veränderungssperre ist § 14 BauGB. Danach kann die Gemeinde, wenn ein Beschluss über die Aufstellung eines Bebauungsplans gefasst worden ist, zur Sicherung ihrer Planung für den künftigen Planbereich eine Veränderungssperre mit dem in § 14 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 BauGB bezeichneten Inhalt beschließen. Der Erlass einer Veränderungssperre setzt das Vorliegen eines wirksamen Aufstellungsbeschlusses voraus, der ortsüblich bekannt gemacht worden sein muss (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 BauGB). Das in § 14 Abs. 1 BauGB genannte Erfordernis eines Aufstellungsbeschlusses soll gewährleisten, dass eine Veränderungssperre nur für den Bereich erlassen wird, in dem die Gemeinde sicherungsbedürftige Planungsabsichten verfolgt. Dementsprechend muss der Aufstellungsbeschluss allein oder in Verbindung mit seinen Anlagen den künftigen Planbereich eindeutig bestimmbar bezeichnen (vgl. nur Senatsurteil v. 16. Mai 2001 – 1 N 932/00 – juris, Rn. 39 ff.). Es bedarf hier keiner Entscheidung, ob der Aufstellungsbeschluss des Gemeinderats der Antragsgegnerin für den Bebauungsplan “Unteres Feld SO Steuerung der Tierhaltungsanlagen”, auf den sich die am 11. Dezember 2017 beschlossene und mit Beschluss vom 2. Dezember 2019 verlängerte Veränderungssperre bezog, diesen Anforderungen genügt. Dem Aufstellungsbeschluss war als Anlage 1 eine Aufzählung der von der Planung betroffenen Flurstücke beigefügt (AV, Blatt 2). Ob den Gemeinderatsmitgliedern im Zeitpunkt der Abstimmung außerdem eine Karte vorlag, aus der sich die Eingrenzung des von der Planung betroffenen Gebiets ergibt, wie es in dem Beschlusstext am Ende heißt (AV, Blatt 1), lässt sich anhand der vorgelegten Unterlagen nicht nachvollziehen. Es ist auch nicht geboten, darüber Beweis durch Vernehmung der Gemeinderatsmitglieder als Zeugen zu erheben, wie es die Antragsgegnerin angeregt hat, denn der Aufstellungsbeschluss ist offensichtlich auch nicht wirksam öffentlich bekannt gemacht worden. Der Bekanntmachung lässt sich nicht entnehmen, welche Grundstücke vom Aufstellungsbeschluss erfasst werden sollen. Hinsichtlich der Abgrenzung seines Geltungsbereichs verweist der veröffentlichte Beschluss allein auf eine mitveröffentlichte Karte. Abgesehen davon, dass sich weder aus der Karte selbst noch aus dem Zusammenhang des Aufstellungsvorgangs ergibt, ob gerade diese Karte den Gemeinderatsmitgliedern bei der Abstimmung über den Aufstellungsbeschluss vorgelegen hat, lässt die veröffentlichte Schwarz-Weiß-Kopie schon mangels Legende eine Abgrenzung des Plangebiets nicht erkennen. Auch wenn einige Linien dunkel hervorgehoben sind und deshalb als Grenzziehungen gedeutet werden könnten, wie etwa die westliche Grenze, sind die Grenzen des Plangebiets insgesamt nicht erkennbar, weil es an einer eindeutigen, nachvollziehbaren Abgrenzungslinie fehlt. Es wird außerdem nicht deutlich, wo die Flurstücke liegen, die von dem künftigen Bebauungsplan erfasst werden sollen. Die eine Auflistung der Flurstücke enthaltene Anlage zum Aufstellungsbeschluss ist nicht mitveröffentlicht worden. Wegen der schlechten Auflösung der veröffentlichten Karte lassen sich die Nummern und die Grenzen der jeweiligen Flurstücke auch nicht entziffern. Da das Vorliegen eines wirksam bekannt gemachten Planaufstellungsbeschlusses materiell-rechtliche Voraussetzung der Veränderungssperre ist und die Vorschriften über die Planerhaltung bei Verfahrens- oder Formfehlern insoweit keine Anwendung finden (vgl. nur BVerwG, Beschl. v. 6. August 1992 – 4 N 1.92 -, BRS 54 Nr. 77 = NVwZ 1993, 471 = UPR 1993, 21), hat auch dieser Fehler die Ungültigkeit der Veränderungssperre zur Folge.
Überdies ist die ursprüngliche Veränderungssperre auch nicht ordnungsgemäß verkündet und damit nicht wirksam bekannt gemacht worden.
Das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) gebietet, dass förmlich gesetzte Rechtsnormen, wozu auch Veränderungssperren als Satzungen (§ 16 Abs. 1 BauGB) gehören, verkündet werden. Verkündung bedeutet regelmäßig, dass Rechtsnormen der Öffentlichkeit in einer Weise förmlich zugänglich gemacht werden, die es den Betroffenen ermöglichen, sich verlässlich Kenntnis von ihrem Inhalt zu verschaffen; diese Möglichkeit darf nicht in unzumutbarer Weise erschwert werden (vgl. BVerfG, Urt. v. 22. November 1983 – 2 BvL 25/81 – BVerfGE 65, 283 = juris, insb. Rn. 36; BVerwG, Beschl. v. 29. Juli 2010 – 4 BN 21.10 – NVwZ 2010, 1567 = juris, insb. Rn. 9).
Weder die im Amtsblatt der Verwaltungsgemeinschaft „D-S“ vom 29. März 2018 noch die in der erneuten Veröffentlichung im Amtsblatt vom 31. August 2018 enthaltenen Informationen genügten den Anforderungen an die von § 16 Abs. 2 Satz 1 BauGB geforderte öffentliche Bekanntmachung. Die Anlage 2 (AV, Bl. 11), aus der sich nach § 1 Abs. 2 der Satzung über die Veränderungssperre die zeichnerische Abgrenzung und damit der räumliche Geltungsbereich der Veränderungssperre ergeben sollte, wurde in beiden Veröffentlichungen nicht abgedruckt. Die dem Satzungstext stattdessen beigefügte Karte trug als Überschrift die handschriftliche Ergänzung „Anlage 4“. Selbst wenn man annehmen könnte, dass diese Karte der auf Blatt 10 im Aufstellungsvorgang abgehefteten „Anlage“ (B-Plan „Unteres Feld SO Steuerung der Tierhaltungsanlagen“ Gemeinde O) entsprach, ließe sich aus der veröffentlichten Karte der Umfang des von der Veränderungssperre betroffenen Plangebiets nicht entnehmen. Auf der Karte war lediglich eine gestrichelte Linie zu sehen, während die darunter liegenden Flurstücke nebst ihren Grenzen allenfalls schemenhaft erkennbar waren und nicht einmal für den ortskundigen Betrachter einen Schluss auf die Lage des Satzungsgebiets zuließen.
Eine nach § 16 Abs. 2 Satz 2 BauGB zulässige Ersatzverkündung lag ebenfalls nicht vor, denn in der Veröffentlichung fehlte jeder Hinweis darauf, wo die Veränderungssperre eingesehen werden kann (vgl. zu diesem Erfordernis bei der Ersatzverkündung § 16 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 10 Abs. 3 Satz 3 BauGB).
Weiterhin war die erneute Bekanntmachung im Amtsblatt vom 31. August 2018 unwirksam, da auch ihr der räumliche Geltungsbereich der Satzung nicht mit hinreichender Bestimmtheit zu entnehmen war, weil die veröffentlichte Karte, die eine verkleinerte Schwarz-Weiß-Kopie der zuvor veröffentlichten Karte darstellte, nur die Umrisse des von der Veränderungssperre betroffenen Gebiets wiedergab. Auch unter Zuhilfenahme der als Anlage 1 abgedruckten Flurstücksliste war eine Bestimmung der Grenzen des von der Veränderungssperre erfassten Bereichs nicht möglich, da die Flurstücksnummern im Plan keine mit bloßem Auge erkennbare Entsprechung finden, so dass sich auch nicht nachvollziehen ließ, ob das Bebauungsplangebiet und der von der Veränderungssperre betroffene Bereich ganz oder in Teilen übereinstimmten.
Da die Prüfung ergibt, dass die Veränderungssperre aus unterschiedlichen formellen Gründen unwirksam war, musste der Senat den weiter aufgeworfenen Fragen, etwa ob die Veränderungssperre auch mangels Sicherungsbedürfnisses unwirksam war, weil nicht von einer hinreichenden Konkretisierung der planerischen Vorstellungen der Antragsgegnerin ausgegangen werden konnte (zu den Anforderungen an Konkretisierung der Planungsziele vgl. etwa BVerwG, Urt. v. 19. Februar 2004 – 4 CN 13.03 – juris; Beschl. v. 25. November 2003 – 4 BN 60.03 -, NVwZ 2004, 477 = BauR 2004, 634 m. w. N.), nicht mehr nachgehen.
b. Ist die am 4. Mai 2020 beschlossene Veränderungssperre schon nicht ordnungsgemäß ausgefertigt, kommt es darauf, ob sie wirksam bekanntgemacht wurde, nicht mehr entscheidungserheblich an. Allerdings weist der Senat ergänzend darauf hin, dass die Bekanntmachung im Amtsblatt vom 29. Mai 2020 schon nicht wirksam gewesen sein dürfte, weil sie vor der Ausfertigung erfolgte. Die Bekanntmachung vom 28. August 2020 unterliegt jedoch ebenfalls Bedenken. Denn die als Anlage 2 zur Satzung veröffentlichte Karte entspricht wohl nicht derjenigen Karte, die Gegenstand des Gemeinderatsbeschlusses war. In dem Beschluss vom 4. Mai 2020 (AV, Bl. 214) heißt es, dass die Mitglieder des Gemeinderats den Erlass der Veränderungssperre für den Geltungsbereich des in Aufstellung befindlichen Bebauungsplans „Tierhaltungsanlage und Wohngebiet Unteres Feld“ der Gemeinde O-G in der vorliegenden Fassung beschließen“. Die Satzung sowie deren Anlagen 1 (Grundstücksauflistung) und 2 (Räumliche Abgrenzung) seien Bestandteil des Beschlusses. Dem Beschluss beigefügt, waren – wie oben bereits ausgeführt – der Satzungstext, eine Tabelle „Grundstücke im Geltungsbereich des B-Plans, Gemarkung Obermaßfeld, Flur 0“ und als Anlage 2 der B-Plan „Tierhaltungsanlage und Wohngebiet Unteres Feld“ Obermaßfeld, Gemeinde Obermaßfeld-Grimmenthal, Planungsstand: Vorentwurf 03/2019. Im Amtsblatt wurde dann eine Schwarz-Weiß-Kopie des B-Plans „Tierhaltungsanlage und Wohngebiet Unteres Feld“ Obermaßfeld, Gemeinde O-G, Aufstellungsbeschluss vom 4. Mai 2020 veröffentlicht (auf den der Satzungstext hinsichtlich der Anlage 2 möglicherweise auch Bezug nimmt), der anders als der Vorentwurf zusätzlich offenbar das Grundstück … … o einbezieht, das in der Anlage 1 auch schon als Grundstück im Geltungsbereich des Bebauungsplans bezeichnet ist.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO in entsprechender Anwendung.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 VwGO).
Beschluss
Der Streitwert wird auf 60.000 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 i. V. m. § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Der Senat bewertet das Interesse der Antragstellerin an der Feststellung der Unwirksamkeit der Veränderungssperren mit jeweils 30.000 Euro. Die Verlängerung der ursprünglichen Veränderungssperre fällt bei der Festsetzung des Streitwerts nicht ins Gewicht.
Hinweis:
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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