Baurecht

Zu den Voraussetzungen für die Festsetzung eines Ordnungsgeldes

Aktenzeichen  AN 1 V 15.01012

Datum:
14.3.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 167 Abs. 1
ZPO ZPO § 890 Abs. 1

 

Leitsatz

Die Festsetzung eines Ordnungsgeldes setzt voraus, dass eine Zuwiderhandlung gegen eine gerichtlich ausgesprochene Verpflichtung (hier: Unterlassen eines weiteren Wasserzuflusses über einen Regenwasserkanal) unstreitig oder bewiesen ist, die dem Antragsgegner anzulasten ist. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 5.000.00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der am … verstorbene, u.a. vom Antragsteller beerbte Rechtsvorgänger des Antragstellers war seit dem … 1963 Eigentümer des Grundstücks Fl. Nr. … der Gemarkung … im Entsorgungsgebiet der Antragsgegnerin.
Seit 1963 verläuft in dem genannten Grundstück ohne rechtliche Absicherung im Grundbuch ein im Jahre 2001 verfüllter Regenwasserkanal.
Mit Urteil vom 15. Juli 2013 (4 B 12.77) verpflichtete der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Antragsgegnerin, den durch den Regenwasserkanal verursachten weiteren Wasserzufluss in das Grundstück Fl. Nr. … der Gemarkung … zu unterlassen.
In der Zeit vom 2. bis 18. Dezember 2013 wurde auf dem Oberliegergrundstück Fl. Nr. … an der Grenze zum streitgegenständlichen Grundstück des Antragstellers der Regenwasserkanal getrennt, ein Schacht gesetzt und ausgehend vom Schacht eine weiterführende PVC-Leitung zum Mischwasserkanal im Straßengrundstück verlegt.
Mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 17. Januar 2014 ließ der Antragsteller der Antragsgegnerin mitteilen, dass durch die von ihr veranlassten Maßnahmen zur Erfüllung des Unterlassungsurteils der rechtswidrige Wasserzufluss in das Grundstück Fl. Nr. … nicht unterbunden habe werden können. Die Maßnahmen zur Erfüllung des Unterlassungsurteils seien nachweislich fehlgeschlagen.
Mit rechtskräftigem Beschluss vom 5. Mai 2015 (AN 1 V 14.00509) drohte die Kammer der Antragsgegnerin die Verhängung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR für den Fall der Zuwiderhandlung gegen Ziff. I. Satz 2 (Tenor) des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 15. Juli 2013 (4 B 12.77) an.
Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 23. Juni 2015 beantragte der Antragsteller, gegen die Antragsgegnerin ein Ordnungsgeld von (mindestens) 5.000 EUR festzusetzen.
Zur Antragsbegründung wurde im Wesentlichen folgendes vorgetragen:
Nach langer Trockenperiode habe sich für die Region … am 6. Juni 2015 ein Gewitter angekündigt. Der Antragsteller habe nach dem Gewitterregen den Wasserzufluss aus dem Regenwasserkanal mittels Videoaufnahmen dokumentieren können. Der kurzfristige Zulauf von Niederschlagswasser in den östlich von … verlaufenden Entwässerungsgraben habe dazu geführt, die Wasserläufigkeit an der verbliebenen Rohrleitung im Grundstück des Antragstellers in einer Tiefe von 4,5 m wieder augenscheinlich in Erscheinung treten zu lassen. Es stehe damit fest, dass die Antragsgegnerin gegen den Unterlassungstitel auch nach der Androhung des Ordnungsmittels verstoßen habe. Aufgrund des von der Antragsgegnerin zu Beweiszwecken errichteten Schachtbauwerks lasse sich der Verstoß gegen das Unterlassungsurteil auch bei künftigen Regenereignissen mit einfachsten Mitteln bzw. durch Augenschein für jedermann ohne weiteres feststellen.
Die Antragsgegnerin erwiderte mit Schreiben der Stadt … vom 26. August 2015, es sei ausgeschlossen, dass nach wie vor Wasser durch den Regenwasserkanal auf das Grundstück des Antragstellers zufließe, da es keinen Regenwasserkanal gebe, welcher von außen in das Grundstück des Antragstellers führe. Der Kanal sei außerhalb des Grundstücks gekappt und um das Grundstück herum geführt worden.
Mit Beweisbeschluss vom 7. Oktober 2015 erhob die Kammer Beweis zu der Frage, ob aus dem durch die Antragsgegnerin verfüllten Regenwasserkanal weiterhin Wasser in das Grundstück des Antragstellers Fl.Nr. … der Gemarkung … zufließt, im Wege der Erstellung eines Gutachtens durch Herrn …, Dipl.Ing (FH), …, … mit Niederlassung in …
Der Gutachter führte am 27. November 2015 einen Ortstermin in Anwesenheit der Beteiligten durch.
In seinem Zwischengutachten vom 11. Januar 2016 kommt der Gutachter zusammengefasst zu folgendem Zwischenergebnis:
Aufgrund der dokumentierten baulichen Maßnahmen könne zuverlässig ausgeschlossen werden, dass planmäßig Wasser in den o.a. Kanal auf das Grundstück der Antragstellerpartei gelange. Durch Aufzeichnungen der Antragstellerpartei und auch durch die Feststellungen bei dem Ortstermin sei jedoch durchaus anzunehmen, dass in dem streitgegenständlichen Kanalteilstück Abwasser ablaufe bzw. sich Wasser ansammle. So sei auch bei dem Ortstermin am 27. November 2015 von der Antragsgegnerpartei mitgeteilt worden, dass von einer „Wasserdichtheit“ des streitgegenständlichen Leitungsabschnitts nicht ausgegangen werden könne.
Nach den bisher vorgenommenen Prüfungen sei es sehr wahrscheinlich, dass an der streitgegenständlichen Kanalleitung auf dem Grundstück der Antragstellerpartei (Parzelle …) Undichtigkeiten vorlägen. Durch Undichtigkeiten könne Wasser von außen in die Leitung eindringen. Zweifelsfrei ausgeschlossen werden könne, dass das sich in dem Rohrquerschnitt auf der Parzelle … (streitgegenständliche Bereich) ansammelnde/ablaufende Wasser direkt von dem vorhandenen Kanal auf der Parzelle … zugeführt werde. Die ursprünglich vorhandene Verbindung/durchgehende Kanalhaltung sei durch bauliche Maßnahmen der Antragsgegnerpartei unterbrochen worden. Aus technischer Sicht kämen für Wasseransammlungen in der streitgegenständlichen Entwässerungsleitung verschiedene Möglichkeiten in Betracht. Grundsätzlich sei darauf hinzuweisen, dass, wenn die streitgegenständliche Entwässerungsleitung auf der Parzel le … (streitgegenständliches Grundstück) vollständig dicht wäre, sich in dem Leitungsquerschnitt auch kein Wasser ansammeln dürfte/könnte.
Von den oben dargestellten Erörterungen des Gutachters ausgehend führte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 1. Februar 2016 aus, es könne nunmehr eindeutig festgehalten werden, dass das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 15. Juli 2013, den durch den Regenwasserkanal verursachten weiteren Wasserzufluss in das Grundstück Fl.Nr. … der Gemarkung … zu unterlassen, erfüllt sei. Eine gezielte Wasserzuleitung von außerhalb des Grundstücks (Störung des Grundstücks) durch die Abwasserentsorgung der Antragsgegnerin sei definitiv nicht mehr gegeben und somit das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs erfüllt.
Hierzu erwiderte der Antragsteller mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 15. Februar 2016, er habe nachgewiesen, dass die Antragsgegnerin gegen das rechtskräftig gewordene Urteil des VGH vom 15. Juli 2013 verstoße. Ausweislich des Zwischengutachtens vom Januar 2016 stehe fest, dass immer noch Wasser auf das streitgegenständliche Grundstück laufe. Die Antragsgegnerin habe den durch den Regenwasserkanal verursachten weiteren Wasserzufluss in das Grundstück Fl.Nr. … zu unterlassen. Dies tue sie nicht. Die Vollstreckungsvoraussetzungen lägen vor.
Mit Schreiben vom 4. März 2016 führte die Antragsgegnerin aus, sie bestreite nicht, dass Wasser unbekannter Herkunft im Grundstück Fl.Nr. … der Gemarkung … auftrete. Sie bestreite aber ausdrücklich einen gezielten Wasserzufluss von außerhalb des Grundstücks über den Regenwasserkanal in das Grundstück Fl.Nr. … Mit Trennung des Regenwasserkanals auf dem Grundstück Fl.Nr. … der Gemarkung … und der Ableitung des darin durchsickernden Wassers in den öffentlichen Kanal der Antragsgegnerin in der Straße sei die gezielte Wasserzuführung in das Grundstück Fl.Nr. … der Gemarkung … vollständig unterbunden worden. Dadurch sei das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vollumfänglich erfüllt worden. Innerhalb des klägerischen Grundstücks austretendes Wasser, welches vom Kanalreststück aufgenommen und prinzipiell auch wieder abgegeben werde, könne nicht mit einer gezielten Grundstücksstörung in Verbindung gebracht und der Antragsgegnerin angelastet werden. Ein weiterer Verbleib, wie auch eine Herausnahme des restlichen Kanalteilstücks (welches keinen Zu- und Ablauf habe) auf dem Grundstück Fl.Nr … der Gemarkung … werde definitiv keiner lei Auswirkung auf die bestehenden Wassersituation in einer Tiefe von 4,50 m unter Gelände haben. Der von der Antragstellerpartei beantragte Ordnungsgeldfestsetzungsantrag sei daher abzulehnen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Festsetzung eines Ordnungsgeldes gegen die Antragsgegnerin. Rechtsgrundlage eines derartigen Anspruches ist die hier über § 167 Abs. 1 VwGO anwendbare Vorschrift des § 890 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Hiernach ist der Schuldner, wenn er der Verpflichtung zuwider handelt, eine Handlung zu unterlassen oder die Vornahme einer Handlung zu dulden, wegen einer jeden Zuwiderhandlung auf Antrag des Gläubigers vor dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges zu einem Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, zur Ordnungshaft oder zur Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu verurteilen.
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall jedoch nicht gegeben.
Zwar liegt die nach § 890 Abs. 2 ZPO bei der Verurteilung zu einem Ordnungsgeld zwingend vorab erforderliche entsprechende Androhung in Gestalt des rechtskräftigen Beschlusses der Kammer vom 5. Mai 2015 (AN 1 V 14.00509) vor.
Jedoch fehlt es im vorliegenden Fall an der entscheidenden Voraussetzung, dass die Zuwiderhandlung unstreitig oder bewiesen sein muss (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 22. Aufl., Rn. 28 zu § 890).
Nach den unstreitigen und nicht in Zweifel zu ziehenden Feststellungen des von der Kammer beauftragten Gutachters im Zwischengutachten vom 11. Januar 2016 kann zuverlässig ausgeschlossen werden, dass planmäßig Wasser in den Kanal auf das Grundstück des Antragstellers gelangt. Infolgedessen kann zweifelsfrei ausgeschlossen werden, dass das sich in dem Rohr querschnitt auf dem Grundstück Fl.Nr. … ansammelnde/ablaufende Wasser direkt von dem auf dem Grundstück Fl.Nr. … vorhandenen Kanal zugeführt wird, da die ursprünglich vorhandene Verbindung/durchgehende Kanalleitung durch bauliche Maßnahmen der Antragsgegnerin unterbrochen wurde.
Somit fehlt es vorliegend an einem gezielten und der Antragsgegnerin zuzurechnenden Wasserzufluss von außerhalb des klägerischen Grundstücks Fl.Nr. … in das allein auf diesem Grundstück befindliche Reststück des Regenwasserkanals.
Zwar ist es nach den Feststellungen des Gutachters bei dem am 27. November 2015 durchgeführten Ortstermin durchaus anzunehmen, dass sich in dem – allein auf dem Grundstück Fl.Nr. … des Klägers verbliebenen – Kanalreststück Wasser ansammelt. Dies ist jedoch nach den vom Gutachter vorgenommenen Untersuchungen mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Undichtigkeiten zurückzuführen, durch die Wasser auf dem Grundstück des Antragstellers Fl.Nr. … in die nur noch dort befindliche Kanalleitung eindringen kann.
Jedenfalls sind diese Wasseransammlungen nicht der Antragsgegnerin anzulasten, so dass es an einer unstreitigen oder bewiesenen Zuwiderhandlung gegen die im Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 15. Juli 2013 (4 B 12.77) ausgesprochene Verpflichtung der Antragsgegnerin, den durch den Regenwasserkanal verursachten weiteren Wasserzufluss in das klägerische Grundstück Fl. Nr. … der Gemarkung … zu unterlassen, fehlt.
Der Antrag war daher abzulehnen.
Kosten: § 161 Abs. 1; § 154 Abs. 1 VwGO.
Streitwert: § 52 Abs. 2 GKG.


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