Erbrecht

Berufung, Auslegung, Erbengemeinschaft, Frist, Nachlass, Zustellung, Glaubhaftmachung, Klage, Hinweisbeschluss, Anschlussberufung, Nebenforderungen, Erben, Anlage, Fristsetzung, Frist zur Stellungnahme, nicht ausreichend

Aktenzeichen  33 U 1651/21

Datum:
26.7.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 40787
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

33 U 1651/21 2021-06-21 Bes OLGMUENCHEN OLG München

Tenor

1. Der Antrag des Beklagten vom 15.07.2021, die Frist zur Stellungnahme zum Hinweisbeschluss des Senats vom 21.06.2021 bis zum 29.07.2021 zu verlängern, wird zurückgewiesen.
2. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 05.03.2021, Aktenzeichen 18 O 11437/19, wird zurückgewiesen.
3. Die Anschlussberufung des Klägers verliert gemäß § 524 Abs. 4 ZPO ihre Wirkung.
4. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
5. Dieser Beschluss und das in Ziffer 2 genannte Urteil des Landgerichts München I sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
6. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 110.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Parteien streiten über die Höhe der Testamentsvollstreckervergütung des Beklagten.
Der Kläger, seine Schwester A. F.-K. und seine Stiefmutter A. F. sind aufgrund notariellen Testaments vom 10.06.2016 (Anlage K8) jeweils zu 1/3 Erben des am 03.01.2018 verstorbenen Erblassers P. F.
Der Erblasser setzte mit privatschriftlichem Nachtrag vom 07.11.2017 zu seinem Testament (Anlage K9) den Beklagten als Testamentsvollstrecker ein und bestimmte hinsichtlich seiner Vergütung: „Die Vergütung der Aufwendungen von P. L. wird anhand der rheinischen Tabelle abgewickelt. Vorauszahlungen sind zulässig.“
Der Beklagte entnahm 131.667,00 € als Testamentsvollstreckervergütung aus dem Nachlass.
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts München I vom 05.03.2021 gemäß § 522 Abs. 2 S. 4 ZPO Bezug genommen. Änderungen oder Ergänzungen haben sich nicht ergeben.
Mit der Klage forderte der Kläger 98.580,53 € der entnommenen Testamentvollstreckervergütung zurück, zuzüglich Nebenforderungen, zu zahlen an die Erbengemeinschaft und zu hinterlegen beim Amtsgericht München. Das Erstgericht hat der Klage in Höhe von 88.925,87 € nebst Nebenforderungen stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, dass die Auslegung des Testaments ergebe, dass die Vergütung nach der Rheinischen Tabelle des Notariats in Rheinpreußen aus dem Jahre 1925 und nicht nach der sog. Neuen/ fortentwickelten Rheinischen Tabelle zu berechnen sei. Zuschläge könne der Beklagte nicht beanspruchen.
Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Berufungsbegründung vom 19.04.2021 (Bl. 127/135) und mit einem weiteren Schriftsatz vom 17.05.2021 (Bl. 146/148). Er rügt eine fehlerhafte Auslegung des Testaments durch das Erstgericht sowie die unterbliebene Vernehmung der Zeugen G. und F., zudem eine unzutreffende Berechnung der Testamentsvollstreckervergütung.
Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 08.05.2021 (Bl. 136/145) Anschlussberufung erhoben.
Der Beklagte beantragt mit seiner Hauptberufung (Bl. 127/128):
Das Urteil des Landgerichts München I wird in Ziffer 1. aufgehoben, als der Beklagte verurteilt wurde, an die Erbengemeinschaft nach Herrn P. F. einen Betrag in Höhe von 88.925,87 € zu bezahlen.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger beantragt (Bl. 136),
die Berufung zurückzuweisen.
Im Rahmen der Anschlussberufung beantragt der Kläger (Bl. 136),
das Urteil des Landgerichts München I teilweise zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger weitere 9.654,66 € zu bezahlen.
Mit Hinweisbeschluss des Senats vom 21.06.2021 (Bl. 149/158), auf den Bezug genommen wird, wurde der Beklagte unter Fristsetzung von drei Wochen ab Zustellung darauf hingewiesen, dass und warum der Senat beabsichtigt, seine Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen. Der Kläger wurde darauf hingewiesen, dass seine Anschlussberufung im Falle der beabsichtigten Zurückweisung der Berufung gemäß § 524 Abs. 4 ZPO ihre Wirkung verlöre. Hierzu hat der Beklagte am 15.07.2021 beantragt (Bl. 159), die Frist zur Stellungnahme „aufgrund einer Vielzahl von Fristen und auswärtigen Terminen“ des Beklagtenvertreters zu verlängern.
Ergänzend wird auf die Schriftsätze der Parteien im Berufungsverfahren Bezug genommen.
II.
1. Der Antrag des Beklagten, die Frist zur Stellungnahme zum Hinweis des Senats vom 21.06.2021 bis zum 29.07.2021 zu verlängern, war zurückzuweisen, da erhebliche Gründe für eine Fristverlängerung nicht hinreichend dargetan und glaubhaft gemacht wurden (§ 224 Abs. 2 ZPO).
Der Beklagte wurde bereits in den Allgemeinen Verfahrenshinweisen des Senats (nach Bl. 126) darauf aufmerksam gemacht, dass Fristverlängerungen vom Senat nicht „automatisch“, sondern nur in konkret begründeten Einzelfällen gewährt werden und dass der pauschale Verweis auf einen „erhöhten Arbeitsanfall“, „zahlreiche Fristen“ o.ä. hierfür nicht genügt. Auch in dem Hinweisbeschluss vom 21.06.2021 (dort S. 8/9) wurde unter Anführung der einschlägigen Rechtsprechung nochmals darauf aufmerksam gemacht, dass eine Verlängerung der Stellungnahmefrist nur bei Glaubhaftmachung triftiger Gründe in Betracht kommt.
Zu beurteilen sind die „erheblichen Gründe“ vor dem Hintergrund des gesetzlichen Regelungszwecks sowohl des Verfahrens zur Fristverlängerung (§ 224 f. ZPO) wie des Verfahrens zur Zurückweisung einer Berufung durch Beschluss (§ 522 Abs. 2 ZPO). Die Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens nach § 224 ZPO hat sich nicht einzig an den Interessen der antragstellenden Partei, sondern ebenso an denen der Gegenpartei und an den übergeordneten Belangen der Prozessförderung und der Prozesswirtschaftlichkeit zu orientieren (vgl. auch Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, 61. Aufl., § 224 ZPO Rn. 2). Dieser Regelungszweck trifft sich mit den vom Gesetzgeber verfolgten Zielen eines Zurückweisungsbeschlusses nach § 522 Abs. 2 ZPO. Er dient zum einen der Verfahrensbeschleunigung und soll der Einlegung von Rechtsmitteln allein in der Absicht, das Verfahren und den Eintritt der Rechtskraft zu verzögern, wirksam begegnen (vgl. BT-Drs. 14/4722, S. 62, 64).
2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze rechtfertigt die vom Beklagtenvertreter gleichwohl nur formelhaft angeführte Arbeitsüberlastung die beantragte Fristverlängerung nicht.
Dabei ist sich der Senat darüber im Klaren, dass der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt werden kann, wenn eine vom Gericht gesetzte Frist zur Äußerung objektiv nicht ausreicht, um innerhalb der Frist eine sachlich fundierte Äußerung zum entscheidungserheblichen Sachverhalt und zur Rechtslage zu erbringen (BGH, Beschluss vom 15. Mai 2018 – VI ZR 287/17).
Ein solcher Fall liegt aber hier nach Auffassung des Senats nicht vor. Warum die eingeräumte Äußerungsfrist von 3 Wochen nicht ausreichend sein soll und insbesondere, warum dies dem Beklagtenvertreter erst am letzten Tag der Frist aufgefallen ist, wird in dem Fristverlängerungsantrag nicht ansatzweise hinreichend konkret dargelegt und glaubhaft gemacht.
3. Die Berufung des Beklagten ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO im Beschlussweg als unbegründet zurückzuweisen, da der Senat einstimmig davon überzeugt ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats nicht erfordern und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist und da die im Beschluss vom 21.06.2021 gesetzte Frist inzwischen abgelaufen ist.
Der Senat hält das Urteil des Landgerichts für offensichtlich zutreffend. Er nimmt auf das angefochtene Urteil Bezug. Bezug genommen wird ferner auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 21.06.2021, wonach er die Berufung i.S.v. § 522 Abs. 2 ZPO für unbegründet hält. Da eine Stellungnahme hierzu nicht erfolgt ist, sind weitere Ausführungen nicht veranlasst.
Die im Beschluss vom 21.06.2021 gesetzte Stellungnahmefrist von drei Wochen ist abgelaufen. Der Beklagtenvertreter hat zwar entgegen § 14 BORA das Empfangsbekanntnis zum Beschluss vom 21.06.2021 nicht übersandt, auch nicht nach ausdrücklicher Aufforderung durch den Senat (Bl. 160). Aus der Formulierung des Fristverlängerungsantrags vom 15.07.2021 (… um zwei Wochen, somit bis zum 29.07.2021 …) ist aber ersichtlich, dass die Frist am 15.07.2021 abgelaufen ist, woraus der Tag der Zustellung, der 24.06.2021, errechnet werden kann. Dies entspricht auch dem Tag der Zustellung an den Klägervertreter. Zwar kann die für eine Zustellung nach § 174 ZPO erforderliche Empfangsbereitschaft nicht allein durch den bloßen Nachweis des tatsächlichen Zugangs im Sinne von § 189 ZPO ersetzt werden. Hinzukommen muss noch die zumindest konkludente Äußerung des Willens, das zur Empfangnahme angebotene Schriftstück dem Angebot entsprechend als zugestellt entgegen zu nehmen (BGH, Beschluss vom 13. Januar 2015 – VIII ZB 55/14, juris Rn. 12; Zöller/Schultzky, ZPO, 32. Aufl., § 174 Rn. 7). Dies ist hier der Fall, denn der Beklagtenvertreter hat die erfolgte Beschlusszustellung ungeachtet der unterlassenen Rücksendung des Empfangsbekenntnisses in seinem Fristverlängerungsantrag zur weiteren Grundlage seines Vorgehens gemacht hat. Der Beklagtenvertreter verweigert darin nicht etwa die Annahme, sondern knüpft mit seinem Antrag an die im Beschluss gesetzte Frist an und zeigt damit, dass er den Beschluss gegen sich gelten lassen will.
III.
Die vom Kläger erhobene Anschlussberufung verliert mit der Zurückweisung der Berufung durch Beschluss ihre Wirkung, § 524 Abs. 4 ZPO. Hierauf wurde der Kläger mit Beschluss des Senats vom 21.06.2021 hingewiesen.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Der Beklagte hat auch die Kosten der Anschlussberufung zu tragen. Es besteht kein Anlass, bei Zurückweisung der Hauptberufung durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO die Kostentragung hinsichtlich der Anschlussberufung anders zu bewerten als im Fall der Rücknahme der Hauptberufung.
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit erfolgte gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Zum Streitwert für das Berufungsverfahren sind bereits auf S. 8 des Hinweisbeschlusses vom 21.06.2021 Ausführungen erfolgt.


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