Erbrecht

Fehlende Klagebefugnis für Mitglieder einer ungeteilten Erbengemeinschaft

Aktenzeichen  AN 9 K 18.02121

Datum:
11.12.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 34996
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 42 Abs. 2
BGB § 2032, § 2038, § 2039

 

Leitsatz

1. Die Mitglieder einer ungeteilten Erbengemeinschaft können ihre Rechte nach Maßgabe der §§ 2032 ff. BGB nur gemeinschaftlich geltend machen. Gem. § 2038 Abs. 1 BGB steht die Verwaltung des Nachlasses den Erben bis zur Auseinandersetzung nur gemeinschaftlich zu. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Fall der Notgeschäftsführung nach § 2038 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 BGB setzt eine zur Erhaltung des Nachlasses notwendige Maßregel bzw. besondere Dringlichkeit voraus. Notwendig im Sinne dieser Bestimmung sind Maßnahmen, die der Abwehr des (staatlichen) Zugriffs auf einzelne Nachlassgegenstände dienen. Dies schließt den Gebrauch von Rechtsbehelfen ein, wenn nur auf diese Weise das zum Nachlass gehörende Recht erhalten werden kann. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen außergerichtlichen Aufwendungen der Beigeladenen.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann zur Abwendung der Vollstreckung eine Sicherheit in Höhe der zu vollstreckenden Kosten hinterlegen, wenn nicht die Beklagte bzw. die Beigeladene vorher Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Gründe

Die Klage ist unzulässig.
Der Klägerin fehlt die für die Zulässigkeit der Anfechtungsklage erforderliche Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO.
Das streitgegenständliche Baugrundstück mit der FlurNr. …, Gemarkung …, in … als auch die südwestlich angrenzenden Grundstücke, das Wegegrundstück mit der FlurNr. … sowie die Grundstücke mit den FlurNrn. … und … stehen im Eigentum einer ungeteilten Erbengemeinschaft, deren Mitglieder die Klägerin sowie deren Schwester, … …, sind (§ 2032 Abs. 1 BGB).
Die Klägerin hat ausdrücklich im eigenen Namen die Verletzung ihrer drittschützenden Rechte mit der vorliegenden Klage geltend macht. Sie hat weder eine Vollmacht der Miterbin, … …, vorgelegt noch wurde das Verfahren für die Erbengemeinschaft betrieben.
Die Mitglieder einer ungeteilten Erbengemeinschaft können ihre Rechte nach Maßgabe der §§ 2032 ff. BGB nur gemeinschaftlich geltend machen (vgl. BayVGH, B.v. 7.4.2019 – 2 ZB 12.2332; B.v. 19.3.2012 – 2 ZB 10.2436; U.v. 2.2.2012 – 1 N 09/368 – alle juris). Gemäß § 2038 Abs. 1 BGB steht die Verwaltung des Nachlasses den Erben bis zur Auseinandersetzung nur gemeinschaftlich zu.
Die vorliegende Erbengemeinschaft ist zum relevanten Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nicht aufgeteilt. Der Vortrag der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung am 11. Dezember 2019, wonach Frau … bereits die gerichtliche Erbauseinandersetzung vor dem Landgericht … (Az. …*) beantragt habe und bereits ein gerichtlicher Vergleich geschlossen worden sei, führt zu keinem anderen Ergebnis. Insbesondere hat sich an den eigentumsrechtlichen Verhältnissen der oben genannten Grundstücke nichts geändert, eine solche Änderung steht auch nicht unmittelbar bevor.
Nach den Ausführungen der Beigeladenen hat zwar Frau … … die gerichtliche Erbauseinandersetzung gegenüber der Klägerin als Miterbin vor dem Landgericht … beantragt. Am 1. Oktober 2019 wurde auch ein Vergleich mit dem Inhalt geschlossen, dass die Klägerin Alleineigentümerin des Grundstücks mit der FlurNr. … und Miteigentümerin zur Hälfte der Grundstücke mit den FlurNrn. … und … werden soll; demgegenüber soll Frau … das streitgegenständliche Baugrundstück mit der FlurNr. … sowie zum Miteigentum zur Hälfte die Grundstücke mit den FlurNrn. … sowie … erhalten.
Der Vollzug des gerichtlichen Vergleiches vor dem Landgericht … hat noch nicht stattgefunden, so dass sich an den Eigentumsverhältnissen auch keine Änderung ergeben hat. Ob und wenn ja, wann dieser Vollzug bewirkt werden wird, ist derzeit nach den vorliegenden Erkenntnissen nicht absehbar.
Die Klägerin ist deshalb persönlich weder Eigentümerin des Grundstücks FlurNr. … (neu) noch des Wegegrundstücks FlurNr. …, so dass sie auch nicht als Nachbarin im baurechtlichen Sinne anzusehen ist.
Die Eigentümer dieser Grundstücke, die ungeteilte Erbengemeinschaft, könnte als juristische Person zwar eine Verletzung des Eigentums geltend machen. Dies ist aber nicht geschehen, da die damals anwaltlich vertretene Klägerin ausdrücklich in eigenem Namen persönlich Klage erheben ließ, nicht aber als Mitglied der Erbengemeinschaft für diese.
Zudem wäre eine wirksame Klageerhebung für die Erbengemeinschaft durch die Klägerin ohne Mitwirkung der Miterben wohl nicht möglich gewesen.
Die in den § 2038 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB und § 2039 Satz 1 BGB enthaltenen Ausnahmen vom Grundsatz, die einen Miterben unter den dort genannten Voraussetzungen berechtigen, in eigenem Namen und aus eigenem Recht ohne Mitwirkung der anderen Miterben zugunsten der Gesamthandsgemeinschaft zum Nachlass gehörende, auch öffentlich-rechtliche Ansprüche, geltend zu machen und zu diesem Zweck auch Rechtsbehelfe und Rechtsmittel einzulegen, liegen nicht vor.
Ein Fall der Notgeschäftsführung nach § 2038 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB, die einer zur Erhaltung des Nachlasses notwendige Maßregel bzw. besondere Dringlichkeit voraussetzen würde (vgl. BVerwG, U.v. 28.10.1993 – 4 C 15/93 – juris; U.v. 23.2.2005 – 4 A 1/04 – juris), liegt nicht vor. Notwendig im Sinne dieser Bestimmung sind Maßnahmen, die der Abwehr des (staatlichen) Zugriffs auf einzelne Nachlassgegenstände dienen. Dies schließt den Gebrauch von Rechtsbehelfen ein, wenn nur auf diese Weise das zum Nachlass gehörende Recht erhalten werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 23.02.2005 – 4 A 1/04 – juris; VGH München, B.v. 07.04.2014 – 2 ZB 12.2332 – juris).
Zwar unterliegt die vorliegende Anfechtungsklage gegen den streitgegenständlichen Bescheid der Beklagten vom 2. Oktober 2018 der Monatsfrist des § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO und damit der Gefahr, dass der Verwaltungsakt in Bestandskraft erwächst, wenn er nicht fristgerecht mit der Klage angefochten wird. Die für eine Notgeschäftsführung nach § 2038 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB erforderliche Dringlichkeit wurde jedoch von Seiten der Klägerin nicht dargelegt. Es ist vielmehr der Klägerin zuzumuten, sich mit ihrer Miterbin auf zivilrechtlichem Weg – wie bereits geschehen – auseinanderzusetzen.
Gemäß § 2039 Satz 1 BGB ist jeder Miterbe bei einem zum Nachlass gehörenden Anspruch befugt, die Leistung an alle Erben zu fordern, auch wenn den Erben die Verwaltung des Nachlasses nach § 2038 Abs. 1 Satz 1 BGB gemeinschaftlich zusteht. Damit ist jeder Miterbe berechtigt, einen solchen Anspruch im eigenen Namen geltend zu machen und Leistung an die Gesamthandsgemeinschaft aller Miterben zu verlangen. Dazu gehört auch das Recht des einzelnen Mitglieds einer ungeteilten Erbengemeinschaft, in eigenem Namen einen zum Nachlass gehörenden Anspruch der Erbengemeinschaft durch Anfechtungsklage gerichtlich geltend zu machen (BVerwG, U.v. 20.5.1998 – 11 C 7.97 – juris; VGH München, U.v. 6.12.2018 – 13 A 18.532 – juris; VGH BW, U.v. 3.11.2015 – 7 S 804/13 – juris).
Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor.
Im Übrigen fehlt der Klägerin derzeit auch das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage. Da die Erbengemeinschaft auch Eigentümerin des Baugrundstücks ist, könnte die Klägerin als Mitglied der Gesamthandsgemeinschaft eine Umsetzung des Bauvorhabens durch die Beigeladene zivilrechtlich verhindern, so dass die Baugenehmigung jedenfalls bis zum – von der Mitwirkung der Klägerin abhängigen – Vollzug der Teilung nicht vollziehbar ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 und 3, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen der Klägerin als Unterlegene aufzuerlegen, da die Beigeladene sich durch die Stellung ihres Antrages dem Kostenrisiko ausgesetzt hat.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen


Nach oben