Erbrecht

Keine Nichtigkeit eines Vertrags, weil der am Abschluss mitwirkende Anwalt gegen berufsrechtliche Verbote verstößt

Aktenzeichen  13 W 1030/20

Datum:
3.8.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
MDR – 2020, 1344
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 134, § 885 Abs. 1 S. 1
ZPO § 935, § 940
BRAO § 43a Abs. 4, § 45 Abs. 2 Nr. 2

 

Leitsatz

Der Verstoß eines Rechtsanwalts gegen berufsrechtliche Tätigkeitsverbote führt allenfalls zur Nichtigkeit des Anwaltsvertrags (vgl. BGH BeckRS 2016, 10836 Rn. 7), nicht aber zur Nichtigkeit eines unter Mitwirkung des Rechtsanwalts geschlossenen notariellen Grundstückskaufvertrags. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

10 O 7690/20 2020-07-06 Bes LGMUENCHENI LG München I

Tenor

I. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 06.07.2020 (Az.: 10 O 7690/20) wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Streithelfer der Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten.
III. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.510.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I. Der Antragsteller begehrt den Erlass einer einstweiligen Verfügung, die darauf gerichtet ist, dass im Grundbuch des Amtsgerichts München für S., Bl. …43, unter der Flurstück-Nr. …04/22, an nächst offener Rangstelle zugunsten des Antragstellers und zu Lasten des Alleineigentums der Antragsgegnerin eine Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs des Antragstellers auf Auflassung eines hälftigen Miteigentumsanteils und Eintragung der Auflassung eingetragen wird.
Der Antragsteller beruft sich darauf, ihm stünde als Alleinerbe seiner am xx.xx.2019 verstorbenen Cousine, R. V., gegen die Antragsgegnerin als Alleineigentümerin des vorgenannten Grundstücks ein Anspruch auf Rückabwicklung eines wegen Verstoßes gegen berufsrechtliche Tätigkeitsverbote nach § 134 BGB nichtigen Kaufvertrags über einen Miteigentumsanteil am Anwesen H.straße 24 in M. zu.
Die Erblasserin war zur Hälfte Miteigentümerin am vorgenannten Anwesen. Mit notariellem Kaufvertrag vom 27.04.2016 übertrug die Erblasserin an die Antragsgegnerin ihren hälftigen Miteigentumsanteil (AS 4). Das Alleineigentum am vorgenannten Anwesen erwarb die Antragsgegnerin sodann durch Zuschlagsbeschluss des Amtsgerichts München vom 20.06.2018, eingetragen im Grundbuch am 02.10.2018, aufgrund einer gegen die weiteren Miteigentümer erfolgreich betriebenen Teilungsversteigerung (AS 5).
Der Antragssteller beruft sich darauf, der Streithelfer der Antragsgegnerin sei zur damaligen Zeit persönlich haftender Partner der Kanzlei gewesen, die die Erblasserin anwaltlich beraten habe. Zudem sei der Streithelfer der Antragsgegnerin mit einem Geschäftsanteil von 40% einer von vier Kommanditisten der Antragsgegnerin und zudem mit 40% an der Komplementär-GmbH beteiligt (AS 2, AS 3) gewesen. Ergänzend wird auf die tatsächlichen Ausführungen im Beschluss des Landgerichts München I vom 06.07.2020 (Az.: 10 O 7690/20) Bezug genommen.
Mit vorgenanntem Beschluss wies das Landgericht München I durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht B. als Einzelrichter den Antrag des Antragstellers ohne mündliche Verhandlung zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, ein Verfügungsanspruch für den Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Eintragung einer Vormerkung sei nicht gegeben. Ein Tätigkeitsverbot im Sinne des § 45 Abs. 1 Nr. 4 BRAO habe beim Streithelfer nicht bestanden.
Ob der Streithelfer gegen das Prinzip der widerstreitenden Interessen gemäß § 43 a Abs. 1, Abs. 4 BRAO verstoßen habe, könne offen bleiben. Dies könne unter Umständen zu einer Teil- oder Gesamtnichtigkeit des Rechtsanwaltsvertrages führen, jedoch nicht zu einer Nichtigkeit des notariellen Kaufvertrags. Zu den Einzelheiten wird auf den Beschluss des Landgerichts München I vom 06.07.2020 (Az.: 10 O 7690/20) Bezug genommen.
Gegen diesen an den Antragsteller zugestellten Beschluss legte dieser mit Schriftsatz vom 23.07.2020, eingegangen per Fax beim Oberlandesgericht München am selben Tag, sofortige Beschwerde ein. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Entscheidung des Erstgerichts sei rechtlich nicht haltbar. Vorliegend sei der notarielle Kaufvertrag sehr wohl nichtig. In diesem Schriftsatz vertiefte der Antragsteller seinen erstinstanzlichen Vortrag in tatsächlicher sowie in rechtlicher Hinsicht.
Mit Beschluss vom 28.07.2020 half das Landgericht München I der sofortigen Beschwerde nicht ab und die legte die Akten dem Oberlandesgericht München zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde vor (Bl. 98/100 d.A.).
II.
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers ist gemäß § 567 Abs. 2 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist zudem form- und fristgerecht gemäß § 569 ZPO eingelegt worden und damit zulässig.
Die Entscheidung ergeht gemäß § 568 Abs. 1 ZPO durch die originären Einzelrichter.
In der Sache erweist sich die sofortige Beschwerde als unbegründet. Das Landgericht München I hat einen Anspruch des Antragstellers auf Eintragung einer Vormerkung gemäß § 885 Abs. 1 Satz 1 BGB zu Recht verneint. Ein Verfügungsanspruch gemäß §§ 935, 940 ZPO ist vorliegend nicht gegeben. Ergänzend zu den Ausführungen des Erstgerichts ist Folgendes zu bemerken:
1. Offenbleiben kann, ob der notarielle Kaufvertrag vom 27.04.2016 unter Verstoß gegen das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen (§ 43 a Abs. 4 BRAO) und unter Verstoß gegen das in § 45 Abs. 2 Nr. 2 BRAO berufliche Tätigkeitsverbot zustande kam.
2. Selbst wenn der Streithelfer gegen die vorgenannten berufsrechtlichen Tätigkeitsverbote verstoßen hätte, so führt dies höchstens zu einer Nichtigkeit gemäß § 134 BGB des zwischen der Erblasserin und dem mit der Kanzlei des Streithelfers geschlossenen 10836 Rn. 7 ff.). Ein solcher Verstoß führt jedoch entgegen der Rechtsansicht des Antragstellers vorliegend nicht zu einer Nichtigkeit des notariellen Kaufvertrags vom 27.04.2016.
Rechtsanwaltsvertrags (BGH, Urteil vom 12.05.2016 – IX ZR 241/14 -, BeckRS 2016,
Zutreffend weist der Antragsteller darauf hin, dass in der vorgenannten Entscheidung sich der BGH mit der Frage der Nichtigkeit des Anwaltsvertrags beschäftigte, sich jedoch nicht ausdrücklich zur Frage der Nichtigkeit eines unter Verstoß gegen § 43 a Abs. 4 BRAO geschlossenen Kaufvertrags äußerte. Allerdings ist der Entscheidung der Hinweis zu entnehmen, dass der Mandant trotz Nichtigkeit des Anwaltsvertrages nicht schutzlos bleibe. Vielmehr könne er Schadensersatz gemäß § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB verlangen (BGH, a.a.O., Rn. 13). Dieser Hinweis des BGH macht deutlich, dass die Rechte eines Mandanten durch einen Schadensersatzanspruch gegen seinen Rechtsanwalt (und nicht durch die Nichtigkeit eines unter Mitwirkung des Rechtsanwalts geschlossenen Vertrags) gewahrt werden sollen.
Hinzu kommt Folgendes: Der Streithelfer selbst war bei Abschluss des notariellen Kaufvertrags weder für die Erblasserin noch für die Antragsgegnerin tätig. Auch ist der Streithelfer lediglich Kommanditist mit einem 40%igen Geschäftsanteil sowie mit gleicher Quote an der Komplementär-GmbH beteiligt. Er war auch nicht Geschäftsführer der Komplementär-GmbH. Vor diesem Hintergrund kommt eine Nichtigkeit des notariellen Kaufvertrags vom 27.04.2016 nicht in Betracht.
3. Ein Verfügungsanspruch scheitert zudem daran, dass eine Rückübertragung des früheren hälftigen Miteigentumsanteils am streitgegenständlichen Grundstück an den Antragsteller als Alleinerben der Erblasserin nicht mehr möglich ist, da durch Zuschlagsbeschluss des Amtsgerichts München vom 20.06.2018 die Antragsgegnerin zwischenzeitlich Alleineigentümerin des streitgegenständlichen Grundstücks wurde und als solche auch seit 02.10.2018 im Grundbuch eingetragen ist (AS 5). Der frühere hälftige Miteigentumsanteil der Erblasserin kann somit nicht mehr herausgegeben werden, so dass – die Nichtigkeit des Kaufvertrags unterstellt – ein Anspruch des Antragstellers gegen die Antragsgegnerin gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alternative BGB nicht mehr auf Herausgabe des hälftigen Miteigentumsanteils, sondern auf Wertersatz gemäß § 818 Abs. 2 BGB gerichtet wäre.
III.
1. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 97, 101 Abs. 1 ZPO.
2. Die Streitwertfestsetzung richtet sich nach § 3 ZPO. Der Antragsteller beziffert sein finanzielles Interesse mit 7,55 Mio. €. 1/5 davon beträgt somit 1.510.000,00 €.


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