Erbrecht

Nachlassverbindlichkeiten beim Erbfall

Aktenzeichen  4 K 1586/19

Datum:
20.1.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
StEd – 2021, 185
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 994 § 1967 Abs. 2, § 2147. § 2303 Abs. 1 S. 1, § 2318 Abs. 1 S. 1
FGO § 65 Abs. 1, § 90a Abs. 3
AO § 365 Abs. 3 S. 1
ErbStG § 10 Abs. 5 Nr. 1

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
3. Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Gründe

1.) Die Anfechtungsklage ist zulässig.
a) Die Klage ist innerhalb der hierfür vorgeschriebenen Monatsfrist nach Wirksamkeit der Einspruchsentscheidung vom 3. Juni 2019, und damit fristgerecht erhoben (§ 47 Abs. 1 Satz 1 FGO).
b) Gegenstand der Klage ist die Festsetzung der Erbschaftsteuer der Klägerin in der zuletzt durch den Erbschaftsteuerbescheid vom 15. März 2018 sowie die Einspruchsentscheidung vom 3. Juni 2019 geänderten Fassung (§ 44 Abs. 2 FGO).
c) Die Klage erfüllt auch im Übrigen alle weiteren Sachentscheidungsvoraussetzungen, insbesondere das nach § 44 Abs. 1 FGO vorgesehene außergerichtliche Vorverfahren in Gestalt des finanzbehördlichen Einspruchsverfahrens.
Hiervon ist auszugehen, obwohl der Beklagte durch die Einspruchsentscheidung in der Sache anstatt über den ursprünglichen und zulässigen Einspruch der Klägerin vom 18. September 2014 über den mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässigen Einspruch vom 29. März 2018 entschieden hat. Entgegen der Rechtsansicht des Beklagten hatte sich weder der Einspruch der Klägerin vom 18. September 2014 durch den geänderten Erbschaftsteuerbescheid vom 12. Dezember 2016 noch der Einspruch vom 4. Januar 2017 durch den geänderten Erbschaftsteuerbescheid vom 15. März 2018 erledigt. Vielmehr hatte die Klägerin bereits in ihrem ursprünglichen Einspruch vom 18. September 2014 gegen den Erbschaftsteuerbescheid vom 20. August 2014 die Anerkennung des gesamten Zahlungsbetrages in Höhe von 84.578,- € als Nachlassverbindlichkeit beantragt, wogegen der Beklagte diesem Begehren bis einschließlich der Steuerfestsetzung in der Einspruchsentscheidung vom 3. Juni 2019 nicht vollständig abgeholfen hat. Dadurch sind die geänderten Steuerbescheide vom 12. Dezember 2016 und vom 15. März 2018 jeweils zum Gegenstand des Verfahrens über den ursprünglichen Einspruch der Klägerin vom 18. September 2014 geworden (§ 365 Abs. 3 Satz 1 der Abgabenordnung -AO-).
Der Umstand, dass die Einsprüche der Klägerin vom 4. Januar 2017 und vom 29. März 2018 weder notwendig noch zulässig gewesen sind und insbesondere der Umstand, dass der Beklagte durch seine Einspruchsentscheidung vom 3. Juni 2019 nicht über den ursprünglichen Einspruch der Klägerin vom 18. September 2014 entschieden hat, berührt die Zulässigkeit der Klage nicht. Es ist zwar zutreffend, dass im Falle der fehlerhaften Zurückweisung eines tatsächlich unzulässigen Einspruches durch Einspruchsentscheidung als unbegründet, die dagegen erhobene Anfechtungsklage im Regelfalle schon allein aus diesem Grunde unbegründet ist (vgl. etwa Bundesfinanzhof -BFHUrteil vom 21. Juli 2011 II R 7/10, BFH/NV 2011, 1835 und Beschluss vom 11. November 2008 V B 2/08, BFH/NV 2009, 401 m.w.N.). In diesen Fällen ist dem Gericht die Entscheidung über die materiell-rechtliche Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung schon deshalb verwehrt, weil diese infolge des einzig bestehenden und unzulässigen Einspruches bestandskräftig geworden ist.
Im Streitfall hat die ursprüngliche Steuerfestsetzung durch Erbschaftsteuerbescheid vom 20. August 2014 in Gestalt der nachfolgenden drei geänderten Steuerfestsetzungen nicht bestandskräftig werden können, weil der Beklagte über den ursprünglichen Einspruch vom 18. September 2014 zumindest ausdrücklich nie entschieden hat. Gleichwohl hat es nach Ansicht des erkennenden Senates – für die Zulässigkeit der Klage – keiner Entscheidung des Beklagten über den ursprünglichen Einspruch der Klägerin vom 18. September 2014 mehr bedurft, weil der Beklagte innerhalb der fehlerbehafteten Einspruchsentscheidung vom 3. Juni 2019 die Erbschaftsteuer der Klägerin abweichend festgesetzt und damit eine neue Sachentscheidung getroffen hat. Ersichtlich hat der Beklagte im außergerichtlichen Vorverfahren (§ 44 Abs. 1 FGO) über den Einspruch der Klägerin gegen die (geänderte) Festsetzung der Erbschaftsteuer entscheiden wollen und letztlich – wenn auch fehlerhaft – entschieden. Der erkennende Senat sieht die Prozessvoraussetzungen der Klage als gegeben an, weil es gegen eine geänderte Steuerfestsetzung im Rahmen einer Einspruchsentscheidung keines erneuten außergerichtlichen Rechtsbehelfes mehr bedarf.
2.) Die Klage ist jedoch unbegründet.
a) Der Erwerb von Todes wegen unterliegt der Erbschaftsteuer (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Als solcher gilt auch der Erwerb durch Vermächtnis (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, §§ 2147 ff BGB). Die Steuer entsteht in diesem Falle mit dem Tode des Erblassers (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Als steuerpflichtiger Erwerb gilt die Bereicherung des Erwerbers, soweit sie nicht nach erbschaftsteuergesetzlichen Vorschriften (ausnahmsweise) steuerbefreit ist (§ 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG). Im Regelfall gilt nach § 10 Abs. 1 Satz 2 ErbStG als Bereicherung der Betrag, der sich als Saldo aus dem nach § 12 ErbStG zu ermittelnden Wert des gesamten Vermögensanfalles und der nach § 10 Abs. 3 bis 9 ErbStG abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten ergibt.
aa) Insbesondere sind als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig die vom Erblasser herrührenden Schulden (sogenannte Erblasserschulden), soweit sie nicht mit einem zum Erwerb gehörenden Gewerbebetrieb, Anteil an einem Gewerbebetrieb, Betrieb der Land- und Forstwirtschaft oder Anteil an einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen und bereits bei der Bewertung der wirtschaftlichen Einheit berücksichtigt worden sind (§ 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG). Der erbschaftsteuerrechtliche Abzug von Nachlassverbindlichkeiten nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG setzt ebenso wie die zivilrechtliche Erbenhaftung nach § 1967 Abs. 2 BGB voraus, dass Schulden vom Erblasser herrühren. Aus dem Begriff „herrühren“ ergibt sich, dass die Verbindlichkeiten zum Zeitpunkt des Erbfalles noch nicht voll wirksam entstanden sein müssen. Zivilrechtlich gehen mit dem Erbfalle auch „verhaltene“, noch werdende und schwebende Rechtsbeziehungen des Erblassers auf den Erben über (ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs -BGHvgl. Urteil vom 7. Juni 1991 V ZR 214/89, NJW 1991, 2558). Deshalb zählen zu den Erblasserschulden im Sinne des § 1967 Abs. 2 BGB auch die erst in der Person des Erben entstehenden Verbindlichkeiten, die als solche dem Erblasser entstanden wären, wenn er nicht vor Eintritt der zu ihrer Entstehung nötigen weiteren Voraussetzung verstorben wäre (vgl. BGH a.a.O.). Diese zivilrechtlichen Grundsätze sind auch für die Beurteilung der Nachlassverbindlichkeiten im Sinne des § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG zu beachten (vgl. z.B. BFH Urteile vom 5. Juli 1978 II R 64/73, BFHE 126,55, BStBl II 1979, 23 und vom 4. Juli 2012 II R 15/11, BFHE 238, 233, BStBl II 2012, 790). Der Abzug der vom Erblasser herrührenden Schulden setzt damit nicht zwingend voraus, dass beim Tode des Erblassers, also zum maßgeblichen Zeitpunkt der Steuerentstehung (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG), eine rechtliche Verpflichtung bestanden haben muss (vgl. BFH Urteil vom 18. November 1963 II 166/61, HFR 1964, 83).
bb) Als Nachlassverbindlichkeiten sind darüber hinaus auch die durch den Erbfall selbst entstandenen Schulden im Sinne des § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG und insbesondere die Kosten, die dem Erwerber unmittelbar im Zusammenhang mit der Abwicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses oder mit der Erlangung des Erwerbes entstehen, abzugsfähig. Der erkennende Senat folgt der in Teilen der Literatur vertretenen Auffassung, dass für alle Erwerbsschmälerungen im Sinne dieser sogenannten Erbfallkosten gilt, dass der Erwerber – vorbehaltlich verbindlicher Anordnungen des Erblassers – grundsätzlich frei bestimmen kann, welche Kosten er für einen berücksichtigungsfähigen Zweck aufwenden will. Der Abzug solcher Kosten setzt weder deren Notwendigkeit oder Zweckmäßigkeit noch eine Rechtspflicht zur Kostentragung voraus (vgl. Gottschalk in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk ErbStG § 10 Rdnr. 190). Erforderlich für den Abzug ist allerdings, dass der geltend gemachte Erwerbsaufwand durch einen der in § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG genannten Zwecke veranlasst ist (vgl. Gottschalk in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk ErbStG § 10 Rdnr. 191). Der Tatbestand des § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG verlangt ausdrücklich einen unmittelbaren (finalen) Zusammenhang der entstandenen Kosten mit den in der Norm genannten Zwecken.
b) Bei Übertragung dieser Rechtsgrundsätze auf den Streitfall ergibt sich folgende Rechtslage:
aa) Nachdem der Beklagte von dem ursprünglich seitens der Klägerin zur steuermindernden Berücksichtigung geltend gemachten Betrag von 84.578,- € in seiner Einspruchsentscheidung vom 3. Juni 2019 bereits einen Teilbetrag in Höhe von 35.704,14 € anerkannt hat, verbleibt als Klagebegehren der Klägerin (§ 65 Abs. 1 FGO), über das der erkennende Senat zu entscheiden hat, nur noch die zusätzliche Berücksichtigung des Restbetrages in Höhe von 48.873,86 € als Nachlassverbindlichkeiten.
bb) Die Klägerin ist nicht befugt, den genannten Restbetrag von 48.873,86 € unter dem Gesichtspunkt von Erblasserschulden im Sinne des § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG steuerwirksam vom Wert des Vermächtnisses zum Abzug zu bringen.
Soweit Verbindlichkeiten tatsächlich vom Erblasser herrühren und damit als Nachlassverbindlichkeiten im Sinne des § 1967 Abs. 2 BGB zu qualifizieren sind, haften für sie gemäß § 1967 Abs. 1 BGB allein der Erbe bzw. im Falle einer Mehrheit die Miterben des Erblassers als dessen Gesamtrechtsnachfolger im Sinne des § 1922 BGB. Folgerichtig sind die vom Erblasser herrührenden Schulden als Nachlassverbindlichkeiten auch nur für denjenigen erbschaftsteuerrechtlich im Sinne des § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG abzugsfähig, der als zivilrechtlicher Schuldner für sie nach § 1967 Abs. 1 BGB haftet. Da die Klägerin laut der letztwilligen Verfügung der Erblasserin nicht deren Gesamtrechtsnachfolgerin geworden ist, sondern lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch auf Erfüllung des zu ihren Gunsten bestimmten Vermächtnisses (§§ 2147, 2174 BGB) gegen die Erbin erworben hat, ist sie zumindest aufgrund des Erbfalles nicht zur Begleichung der streitigen Sanierungsaufwendungen verpflichtet gewesen. Der Umstand, dass die Aufwendungen für die Sanierung der Eigentumswohnung letztlich der Klägerin selbst zugutegekommen sind und deren teilweise Übernahme durch die Klägerin aufgrund der wirtschaftlichen Gesamtlage des Nachlasses aus der Sicht der Erbin nachvollziehbar gewesen ist, führt bei der Klägerin aber nicht zur Abzugsfähigkeit der übernommenen Kosten als Nachlassverbindlichkeiten im Sinne des § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG. Für Erblasserschulden haftet bzw. haften gemäß § 1967 BGB allein der oder die Gesamtrechtsnachfolger, nicht jedoch der Vermächtnisnehmer (vgl. BFH Urteil vom 2. Februar 1977 II R 150/71, BFHE 121, 500, BStBl II 1977, 425).
cc) Der genannte Restbetrag erfüllt auch nicht die tatbestandlichen Voraussetzungen des Abzugs als Nachlassverbindlichkeiten unter dem Gesichtspunkt von Erbfallkosten im Sinne des § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG. Insbesondere hat es sich nicht um Kosten gehandelt, die der Klägerin als erbschaftsteuerrechtlichen Erwerberin unmittelbar im Zusammenhang mit der Abwicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses oder mit der Erlangung des Erwerbes entstanden sind. Der gesetzlich geforderte unmittelbare Zusammenhang der Kosten mit dem Erbfalle ist nur dann gegeben, wenn der berücksichtigungsfähige Zweck – etwa der Erlangung des Vermächtnisgegenstandes – entscheidend für die Entstehung der Kosten gewesen ist. Dieser Zweck muss im Vordergrund stehen und hierfür das auslösende Moment sein. Entstehen die Kosten nur gelegentlich des erbschaftsteuerrechtlichen Erwerbes, so stellen sie keine Erbfallkosten dar (vgl. Gottschalk in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk ErbStG § 10 Rdnr. 191).
α) In diesem Zusammenhang vermag sich die Klägerin nicht auf die Vorschrift des § 2318 Abs. 1 Satz 1 BGB zu berufen. Die Zahlungen der Klägerin an die Erbin beruhen nicht auf einem Kürzungsrecht der Erbin nach § 2318 Abs. 1 Satz 1 BGB.
Ein Erbe ist im Außenverhältnis zum Pflichtteilsberechtigten allein Schuldner des Pflichtteiles und muss die Forderung auch vollständig erfüllen. Ist er zudem mit der Erfüllung eines Vermächtnisses belastet, so kann er aufgrund der Vorschrift des§ 2318 Abs. 1 Satz 1 BGB im Innenverhältnis zum Vermächtnisnehmer die Pflichtteilslast auf diesen proportional abwälzen und den Vermächtnisanspruch entsprechend kürzen (Palandt/Weidlich BGB 79. Auflage 2020 § 2318 Rdnr. 1). Die Vorschrift des § 2318 Abs. 1 Satz 1 BGB findet jedoch im Streitfalle keine Anwendung, weil die beiden Söhne aus der ersten Ehe des vorverstorbenen Ehemannes der Erblasserin, deren Pflichtteilsforderungen in Höhe von insgesamt 750.000,- € erst durch die Erbin erfüllt worden sind, zwar pflichtteilsberechtigt in Bezug auf den Nachlass ihres Vaters, nicht jedoch in Bezug auf den Nachlass der Erblasserin gewesen sind. Da die Erblasserin als Erbin ihres vorverstorbenen Ehemannes zu ihren Lebzeiten die Pflichtteilsansprüche seiner beiden Söhne nicht erfüllt hatte, sind diese Verbindlichkeiten zweifellos von der Erbin als Gesamtrechtsnachfolgerin der Erblasserin zu erfüllen gewesen. Damit haben sie den Nachlass der Erblasserin in der Form von Erblasserschulden im Sinne des § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG belastet. Im Verhältnis zur Erblasserin sind die beiden Söhne ihres verstorbenen Ehemannes nicht pflichtteilsberechtigt im Sinne des § 2303 Abs. 1 Satz 1 BGB gewesen. § 2318 Abs. 1 Satz 1 BGB findet aber nur dort Anwendung, wo die Rechtsstellungen des Erben, des Vermächtnisnehmers und des Pflichtteilsberechtigten aufgrund ein und desselben Erbfalles bestehen und ihre Rechte sich auf ein und denselben Nachlass beziehen. Soweit die Klägerin – insbesondere in ihrem Schriftsatz vom 9. November 2020 – darauf abstellt, dass das Kürzungsrecht eines Erben nach der genannten Vorschrift vererblich ist und deshalb im Falle des Todes des Erben auch noch von dessen Gesamtrechtsnachfolger gegenüber einem Vermächtnisnehmer geltend gemacht werden darf, verkennt sie, dass es sich dabei um ein Vermächtnis des ursprünglichen Erblassers im ersten Erbfalle handeln muss. Die Klägerin ist jedoch nicht Vermächtnisnehmerin in Bezug auf den Nachlass des vorverstorbenen Ehemannes der Erblasserin. Ihr gegenüber hat sich die Erbin somit nicht auf die Vorschrift des § 2318 Abs. 1 BGB berufen können. Auf die Frage der Vererblichkeit des bezeichneten Kürzungsrechtes kommt es deswegen im Streitfall nicht an.
β) Die der Erbin von der Klägerin geleisteten Zahlungsbeträge von insgesamt 48.873,86 € sind auch unter dem Gesichtspunkt des Verwendungs- bzw. Aufwendungsersatzes keine vom Wert des erbschaftsteuerrechtlichen Erwerbes zum Abzug zuzulassenden Erbfallkosten im Sinne des § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG.
Gemäß § 2185 BGB ist derjenige, der in einem Erbfall durch die Bestimmung eines Vermächtnisses nach § 2147 Satz 1 BGB beschwert ist – wie im Streitfall die Erbin -, berechtigt, vom Vermächtnisnehmer nach den bürgerlich-rechtlichen Vorschriften über das Verhältnis des Eigentümers zum Besitzer einer Sache Ersatz der nach dem Erbfall auf den Vermächtnisgegenstand gemachten Verwendungen sowie Ersatz derjenigen Aufwendungen zu verlangen, die ihm nach dem Erbfall zur Bestreitung von Lasten des Vermächtnisgegenstandes entstanden sind. Verwendungen in diesem Sinne sind gegenstandsbezogene Vermögensaufwendungen, die der Sache zugutekommen, das heißt Maßnahmen, die der Erhaltung, Wiederherstellung oder Verbesserung der Sache dienen (vgl. BGH Urteil vom 24. November 1995 V ZR 88/95, BGHZ 131, 220). Demgegenüber sind bloße Aufwendungen nicht gegenstandsbezogen (vgl. Reymann in Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger BGB 9. Auflage 2020 § 2185 Rdnr. 8).
Der Umfang des zulässigen Verwendungsersatzes richtet sich somit nach den bürgerlich-rechtlichen Vorschriften der §§ 994 – 1003 BGB. Entscheidend ist hierbei, ob es sich um notwendige Verwendungen (§ 994 Abs. 1 BGB) oder nur um nützliche Verwendungen (§ 996 BGB) handelt und ob die Verwendungen vor oder nach Erlangung der Kenntnis von der Herausgabepflicht des (Vermächtnis-)Gegenstandes getätigt worden sind. Ab dem Zeitpunkt seiner Kenntnis von der Herausgabepflicht kann der Herausgabepflichtige keine nützlichen Verwendungen mehr ersetzt verlangen (§§ 996, 990 BGB), sondern nur noch solche, die notwendig waren (§ 994 Abs. 2 BGB), und diese auch nur nach den bürgerlich-rechtlichen Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 683 BGB). Im Streitfall steht außer Zweifel, dass die Erbin ab ihrer Kenntnis vom Inhalt des Testamentes einschließlich der Vermächtnisanordnung zugunsten der Klägerin allenfalls notwendige Verwendungen von dieser hätte ersetzt verlangen dürfen.
Ob die durch die Erbin getragenen Kosten für die Sanierungs- und Reparaturarbeiten an der vermachten Eigentumswohnung in diesem Sinne als notwendig anzusehen sind, kann jedoch aus folgendem Grund dahinstehen:
Ein Anspruch auf Ersatz von Verwendungen oder Aufwendungen nach § 2185 BGB besteht – wie oben ausgeführt – eben nur dann, wenn der durch das Vermächtnis Beschwerte die Verwendungen oder Aufwendungen zeitlich nach dem Erbfall gemacht hat. Verwendungen oder Aufwendungen, die bereits der Erblasser gemacht hat, kann der Beschwerte vom Vermächtnisnehmer nicht ersetzt verlangen. Dies gilt selbst dann, wenn der Beschwerte nach dem Erbfall noch rückständige Verwendungskosten des Erblassers zu begleichen hatte (vgl. Reymann a.a.O. Rdnr. 10; Palandt/Weidlich BGB 79. Auflage 2020 § 2185 Rdnr. 2). Bezahlt ein Erbe nach dem Tod des Erblassers die noch von diesem veranlassten Reparaturen an dem dem Vermächtnisnehmer vermachten Haus, so liegen keine erstattungspflichtigen Verwendungen vor, weil es an der Freiwilligkeit der Zahlung durch den Erben fehlt. Dies gilt auch dann, wenn die Reparaturarbeiten erst nach dem Erbfall ausgeführt worden sind (Landgericht -LGOsnabrück Urteil vom 17. Januar 2003, 7 O 3125/00, NJW-RR 2003, 1373).
Diesen Grundsätzen schließt sich im Streitfall auch der erkennende Senat an. Verwendungen und Aufwendungen werden nur dann von dem durch das Vermächtnis Beschwerten im Sinne des § 2185 BGB gemacht, wenn sie auf dessen Willen beruhen und er nicht etwa einer bereits bestehenden und von ihm zwingend zu erfüllenden Verpflichtung nachgekommen ist. Sämtlichen von der Erbin im Streitfall übernommenen Sanierungs- und Reparaturkosten, die die Klägerin durch die Bezahlung des im Streit stehenden Restbetrages der Erbin teilweise ersetzt hat, liegen Handwerkerleistungen zugrunde, die noch die Erblasserin zu ihren Lebzeiten in Auftrag gegeben hatte. Aus der Sicht der Erbin handelt es sich daher nicht um nach dem Erbfall freiwillig gemachte Verwendungen, sondern um die verpflichtende Begleichung im Zeitpunkt des Erbfalles bestehender – wenn auch noch nicht fälliger – Schulden der Erblasserin. Für die Tilgung von Erblasserschulden hat die Erbin von der Klägerin keinen Ersatz verlangen dürfen, auch wenn die durchgeführten baulichen Maßnahmen die vermachte Eigentumswohnung verbessert haben und daher der Klägerin zugutegekommen sein sollten. Etwas anderes wäre nur dann anzunehmen, wenn die Erblasserin in ihrer letztwilligen Verfügung einen entsprechenden Willen hinterlassen und die Übernahme dieser Kosten ausdrücklich der Klägerin auferlegt hätte (vgl. auch Palandt/Weidlich BGB 79. Auflage 2020 § 2185 Rdnr. 2). Eine derartige Anordnung enthält jedoch das Testament der Erblasserin nicht. Mithin ist der im Streit stehende Restbetrag von 48.873,86 € kein Ersatz von Verwendungen oder Aufwendungen der Erbin im Sinne des § 2185 BGB gewesen.
ɣ) Schließlich bildet auch die zwischen der Erbin und der Klägerin im Rahmen des notariellen Kaufvertrages vom 18. April 2018 über die Beteiligungspflicht der Klägerin an Nachlassverbindlichkeiten getroffene Vereinbarung keine Grundlage für den Abzug des o.g. Restbetrages als Erbfallkosten nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG.
Die Vereinbarung vom 18. April 2018 hat dem Zweck gedient, die Klägerin und ihren Bruder an den wirtschaftlichen Belastungen der Erbin durch die bestehenden Nachlassverbindlichkeiten zu beteiligen und ist zwischen den genannten Personen einvernehmlich getroffen worden. Die Beteiligung der Klägerin an den Kosten der Sanierung und Reparatur der für sie bestimmten Eigentumswohnung mag aus der Sicht der Erbin und der Klägerin wirtschaftlich sinnvoll und angemessen gewesen sein; eine gesetzliche Pflicht zum Abschluss eines solchen Vertrages hat für die Klägerin jedoch nicht bestanden. Vielmehr hat sich die Klägerin aus freien Stücken im einvernehmlichen Bestreben verpflichtet, sich an den erbrechtlich allein von der Erbin zu tragenden wirtschaftlichen Lasten aus dem Erbfall zu beteiligen. Die Zahlung des streitigen Kostenbetrages durch die Klägerin an die Erbin ist nicht durch den Erbfall verursacht gewesen, sondern hat auf der vertraglichen Vereinbarung vom 18. April 2018 beruht. Der Kostenersatz mag im Interesse der Erbin und der Klägerin verständlich gewesen sein, berechtigt die Klägerin aber nicht zum erbschaftsteuerrechtlichen Abzug ihres finanziellen Beitrages als Erbfallkosten im Sinne des § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG.
3.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
4.) Die Revision wird zugelassen, weil die Auslegung der Vorschrift des § 10 Abs. 5 Nrn. 1 und 3 ErbStG in den hier entscheidungserheblichen Punkten, insbesondere für die Auslegung des Rechtsbegriffes der Erbfallkosten grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 1 und 2 Nr. 1 FGO).
5.) Die Entscheidung des Senats durfte ohne mündliche Verhandlung ergehen, weil die Beteiligten übereinstimmend auf die Durchführung einer solchen verzichtet haben (§ 90 Abs. 2 FGO). Der Umstand, dass die Klägerin, gegen den Gerichtsbescheid des Senats vom 14. April 2020 Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt hat, hindert die Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung nicht (vgl. BFH Urteil vom 6. Dezember 1978 VII R 98/77, BFHE 126, 384, BStBl II 1979, 170). Die Rechtswirkung des Antrags auf mündliche Verhandlung nach Ergehen eines Gerichtsbescheides (§ 90a Abs. 2 Satz 1 FGO) erschöpft sich darin, dass dieser als nicht ergangen gilt (§ 90a Abs. 3 Halbsatz 2 FGO). Das Klageverfahren wird hierdurch in den Verfahrensstand vor Ergehen des Gerichtsbescheides versetzt, sodass die Beteiligten erneut alle prozessualen Rechte geltend machen dürfen, einschließlich der Abgabe einer Verzichtserklärung im Sinne des § 90 Abs. 2 FGO.


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